Lektionen für den jungen Ermittler - Jörg Wildenberg - E-Book

Lektionen für den jungen Ermittler E-Book

Jörg Wildenberg

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Beschreibung

Der junge Ermittler Bob Miller hat gerade erst die New Yorker Polizeiakademie absolviert. Er brennt auf einen Fall, der ihm Ruhm und Ehre verschafft. Doch sein Vorgesetzter hat ihm die Lösung einer als nebensächlich erachteten Mordserie an Afro-Amerikanern zugewiesen. Bob zeigt sich darüber sehr verärgert. Denn er lebt im frühen 19. Jahrhundert, als Nicht-Weiße noch als Menschen zweiter Klasse gelten. Die Identität des Killers ist derweil völlig offen. Bob muss noch einiges dazulernen und bekommt Hilfe von einem rätselhaften Buchhändler. Gleichzeitig verliebt Bob sich Hals über Kopf in eine schöne Zirkusakrobatin, bei der er Trost für seinen schier unlösbaren Fall findet.

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Seitenzahl: 75

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Jörg Wildenberg

Lektionen für den jungen Ermittler

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Geleitwort

1. Lektion

2. Lektion

3. Lektion

4. Lektion

5. Lektion

6. Lektion

7. Lektion

8. Lektion

Rückblende

9. Lektion

Ortswechsel

10. Lektion

Impressum neobooks

Geleitwort

Lektionen für den jungen Ermittler

Eigentlich bin ich kein Krimi-Freund. Erstens gibt es bereits unzählige Kommissare, Detektive und Privatermittler, die in zahllosen Fernsehkrimis oder Romanen auf Verbrecherjagd gehen. Was sollte ich also erfinden können, was nicht längst erzählt worden ist? Zweitens widerstreben mir Krimis wegen der ihnen zwangsläufig innewohnenden Gewalt, egal wie stark sie zu Gunsten der Spurensuche reduziert wird.

Eine einzige Frage hat mich jedoch umgestimmt: Was wäre gewesen, wenn einer gewissen Person, die ich hier nicht verraten kann, ohne Wichtiges vorwegzunehmen, die Flucht gelungen wäre und was hätte sie am Zielort getrieben? Das ursprünglich mit keinem Krimi verwobene Gedankenspiel ließ mir letztlich kein anderes Ergebnis als: Sie hätte Morde aufgeklärt. Dafür wäre sie in ihrer Lage und mit ihren geistigen Fähigkeiten prädestiniert gewesen, gleichwohl diese Antwort höchst spekulativ ausfällt. Sie brachte mich also ungewollt zum Krimigenre.

Es kommt hinzu, dass wir uns bei besagter und doch nicht enthüllter Person in eine andere Zeit begeben müssen mit ihren ganz eigenen Voraussetzungen, auch wenn sie in manchen Punkten leider an die Gegenwart erinnert. Das hat zur Folge, dass ich hier – obschon dies eine Binsenweisheit darstellt – ausdrücklich den Unterschied zwischen Autor und Erzähler betonen möchte. Ich lehne jede Art von Diskriminierung ab, nicht zuletzt Rassismus. Jedoch bekommen wir es in folgendem Krimi mit Figuren und verschiedenen personalen Erzählern zu tun, die eine ganz eigene, ihrer Zeit leider oft entsprechende Sicht vertreten und dabei auch Unwörter verwenden, die ich selbst ablehne. Doch diese Wörter ganz aus dem Text zu verbannen, würde der damaligen Epoche nicht gerecht. Aus dem weiteren Verlauf der Geschichte wird freilich ersichtlich, was nach heutigem Ermessen von der dahinterstehenden, fehlgeleiteten Weltsicht zu halten ist.

Entsprechend verabscheue ich auch die in diesem Kriminalroman vorkommende Gewalt. Sie ließ sich ihrerseits kaum aus der Geschichte tilgen, ohne ihren Gehalt anzugreifen. Krimis ohne Verbrechen sind selten. Für den Spannungsaufbau schien mir ein gewisses Maß an Gewalt sogar unerlässlich zu sein, allerdings ergeht sich die Geschichte nicht in erzählerischen Exzessen. Als Gutenachtlektüre eignet sie sich trotzdem nicht.

Worin liegt also der mögliche Mehrwert dieses Krimis? Er versucht, vor dem Hintergrund bestimmter historischer Ereignisse und der hypothetischen Antwort auf eine ebenso hypothetische Frage (siehe oben), eine packende Geschichte zu erzählen. Und weil kaum eine spannende Geschichte ganz ohne Liebesdinge auskommt, sind auch sie hier vertreten. Mehr sei jetzt aber wirklich nicht verraten.

Jörg Wildenberg im Juli 2023

1. Lektion

Der schlammfarbene Whisky im unnötig dicken und aufwendig ziselierten Glas zwischen seinen Fingern konnte ihm auch keinen Trost spenden, so sehr er es vielleicht gehofft haben mochte. Das wusste er selbst nicht so recht. Woher sollte er es auch wissen? Er wusste gar nichts mehr. Er war pflichtbewusst, fleißig und zielstrebig, wie ihm seine Ausbilder bescheinigt hatten. Trotzdem lagen seine Fähigkeiten – wie unser Protagonist selbst meinte – brach. Dabei strotzte er vor Tatendrang. Er wollte Verbrechen aufklären, richtige, echte, furchtbare Verbrechen, die seine neue Heimatstadt im Würgegriff hielten. Aus völlig fadenscheinigen Gründen wurde er mit zweitrangigen Aufgaben abgespeist. Er sei noch zu jung, hatte man ihm gesagt. Bevor er an die ernsten Fälle herandürfe, solle er sich beim Lösen einer ärgerlichen Mordserie an Afro-Amerikanern seine Sporen verdienen. Denn keine Polizeiakademie der Welt könne einem noch so verheißungsvollen Ermittler die nötigen Erfahrungen verschaffen, derer es beim Aufklären wahrhaft großer Verbrechen bedürfe.

Bob schnaubte verächtlich und leerte sein Glas.

„Noch einen?“, fragte der Wirt.

Sein Kunde hob theatralisch einen Arm und empörte sich:

„Wie können die New Yorker Polizeikräfte einen so fähigen Kopf wie meinen nur für Morde an Schwarzen verschwenden! Die Stadt befindet sich in rastloser Unruhe. Von überall strömen die Menschen hierher, Weiße, Chinesen, Japaner – und ich soll die Mörder von Schwarzen aufspüren; von Schwarzen, die in den Südstaaten gerade einmal gut genug sind zum Baumwollpflücken. Ist das nicht ein Skandal! Es gäbe genug Schießereien zwischen weißen Gangs aufzudecken, aber nein, der frischgebackene Detective Bob Miller soll zunächst Erfahrungen sammeln!“

Der Wirt lupfte eine Augenbraue, murmelte „Also noch einen“ und schenkte nach. Dabei war erst Mittag. Doch der arme Tropf an seiner Theke erweckte bei ihm Mitleid, eine Seltenheit, kehrten doch die anrüchigsten Spießgesellen in seine Spelunke im Süden Manhattans ein. Ihre Geschichten hörte er sich mit unerschütterlichem Gleichmut an. Der junge Kerl vor ihm wirkte indes zu deprimiert, um irgendjemanden kaltzulassen. Allein, er konnte nichts für den Tropf tun. In den Nordstaaten stellten Gewalttaten an ehemaligen Sklaven oder deren Nachfahren nun einmal eine Straftat dar, so seltsam das klingen mochte.

„Vielen Dank, ich möchte nichts mehr, ich muss arbeiten“, äußerte der Typ.

„Das Glas bezahle ich Ihnen trotzdem“, ergänzte er, legte zwei Münzen auf die Theke und verschwand.

„Miller, Sie kommen gerade recht!“, rief ihm Inspektor Donagal entgegen, kaum dass Bob die Wache betreten hatte, „stellen Sie sich vor, Officer Smith hat die Juwelendiebe an der Vierzehnten festgenommen!“

„Freut mich“, knurrte Bob, „jetzt hat die Frau des Bürgermeisters endlich wieder Ruhe in ihrer Edelboutique.“

„So ist es“, frohlockte der Inspektor und überhörte, ob mit oder ohne Absicht, den sarkastischen Unterton in Bobs Reaktion. „Stehen Sie nicht wie angewurzelt da, wir wollen Smith hochleben lassen! Wenn wir demnächst neue Schießeisen bekommen, wissen wir, wem wir sie verdanken!“

Missmutig stimmte Bob in die Lobeshymnen für seinen Kollegen ein, der sich mit fettem Grinsen und derben Handschlägen bei den Anderen bedankte, ehe er auf ihn zutrat. Ed Smith war ein breitschultriger Grobian mit Stiernacken. Aus seiner Verachtung für den schlaksigen Bob machte er nie einen Hehl. Mit einer Flasche Schampus als Geschenk für seinen großen Sieg baute sich Ed vor dem jungen Detective auf und spöttelte:

„Wenn du erst einmal deine Afro-Mörder aufgespürt hast, kriegst du vielleicht einen Fall, mit dem du dich beweisen kannst. Halte bis dahin die Ohren steif, wenn du überhaupt irgendwas steifhalten kannst!“

Dann drängte er sich an Bob vorbei, um mit den anderen Kollegen zu plaudern. Bob bebte vor Zorn. Er krampfte die Hände zu Fäusten und schwor sich, ganz leise:

„Dir werde ich es zeigen, dir und allen hier! Ich löse die Schwarzensache und demonstriere dann meine wahren Fähigkeiten. Ihr werdet staunen!“

2. Lektion

Das Opfer wies zahlreiche Striemen, Schnittwunden und Blutergüsse auf. Völlig entblößt stand es inmitten einer alten Lagerhalle an ein Geländer gefesselt. Die Hand- und Fußgelenke waren infolge ihrer strapaziösen Fixierung mit Draht kaum mehr als solche zu erkennen. Am Hals zeichneten sich dunkle Würgemale ab. Besonders schlimm hatte sich der Täter am Rücken seiner jüngsten Beute ausgetobt. Bis zu den Knochen hatte er das Opfer gepeitscht. Bob schüttelte sich. Berichte von malträtierten Schwarzen kannte man hier in New York hauptsächlich aus dem Süden. Wenn Plantagenbesitzer dort ihren Sadismus an Sklaven auslebten, sollten sie es eben tun, in Bobs Stadt aber tickten die Uhren mittlerweile anders. Das Halten und Misshandeln unbezahlter Arbeitskräfte war zwar noch nicht völlig verboten, geriet jedoch durch immer zahlreichere Restriktionen mehr und mehr in Verruf. Frei herumlaufende Schwarze fügten sich allmählich ins Stadtbild ein. Nicht nur Bob hielt die Sklaverei für ein wirtschaftliches Auslaufmodell, obgleich die Weißen weiterhin das Sagen hatten.

Trotz solcher Fortschritte handelte es sich bei jenem Tatort um den Schauplatz eines Verbrechens, welches nicht etwa im Süden, sondern nur wenige Schritte von Bobs Wache entfernt stattgefunden hatte. Das Opfer musste vor dem erlösenden Tod furchtbare Qualen durchlitten haben. Dabei verkörperte es keineswegs den ersten Schwarzen einer Mordserie, die vor neun Wochen ihren schaurigen Anfang nahm. Fünf weitere, auf ähnliche Weise geschundene Afro-Amerikaner wurden bisher aufgefunden. Die Intervalle zwischen den grausigen Taten verkürzten sich mit jedem Mord.

Bob saß, mit diesen Bildern vor Augen, an seinem viel zu kleinen Schreibtisch und dachte fieberhaft nach. Was verband die Opfer miteinander? Nichts! Der eine war Gemüsehändler, der andere Maurer, der nächste Zeitungskurier – die Liste ließe sich endlos fortführen –, sie alle besaßen nur die eine Gemeinsamkeit, als Schwarze in New York gewirkt zu haben. Die Obduktion der Leichen hatte nichts ergeben, was auf den Täter schließen ließe. Bob wusste noch nicht einmal, ob er es mit einem Mörder oder mehreren Tätern zu tun hatte. Obendrein war die New Yorker Polizei chronisch unterbesetzt. Wir dürfen uns diese Behörde zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht als die große zentrale Organisation vorstellen, als welche wir das New York City Police Department heute kennen. Wie also sollte Bob den obskuren, ihn eigentlich wenig interessierenden Fall und mit seinen spärlichen Mitteln lösen, wenn der oder die Täter jegliches Indiz zum Ermitteln eines Profils geschickt verbargen? Wirklich nichts Verwertbares hatten Bob und seine Kollegen an den Tatorten gefunden. Bisher konnte keine Haarlocke, kein Stoffrest, keine Blutspur den geringsten Aufschluss geben. Bob seufzte. Laut seiner Taschenuhr herrschte längst Gevatter Feierabend. Heute träfe ihn kein Geistesblitz mehr, also ging er heim.