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Während der Zugang zu Informationen vor allem digital immer einfacher wird, fällt es gleichzeitig immer schwerer, sich für längere Zeit zu konzentrieren und sich Gesehenes, Gehörtes und Erlebtes zu merken und aktiv wiederzugeben. Zucker, Zeit und Zwirn sind jene Zutaten, die es aus Sicht des Gehirns braucht, um den eigenen individuellen Lern-Hack zu finden. Die Psychologin Christina M. Beran veranschaulicht, wie Aufmerksamkeit und Konzentration (wieder) gesteigert werden können und Lernen gelingt. Sie macht verständlich, was es abseits von unzähligen und stets verfügbaren Quellen wirklich braucht, um Information nachhaltig zu verarbeiten. Dabei berichtet sie auch aus ihrem spannenden Beratungsalltag und zeigt anhand von authentischen Fallgeschichten, wie durch Individualität, Leichtigkeit und personalisierte Strategien das Finden des eigenen Lernwegs möglich wird.
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Seitenzahl: 77
Veröffentlichungsjahr: 2023
CHRISTINA M. BERAN
LERN-HACKS FÜR DEIN STUDIUM
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© Florian Spielauer; S. 50: © Art, AdobeStock; S. 50: © Christina M. Beran; S. 59: © bernardbodo, AdobeStock; S. 86: © FatCamera, iStock; Lektorat: Lea Schenner MA, Wien
Umschlaggestaltung, Typografie und Satz: Florian Spielauer, Wien
Druck: Finidr, Tschechien
ISBN 978-3-7089-2385-7 (Print)
ISBN 978-3-99111-782-7 (E-Pub)
VORWORT
Eines Abends, ich war jung und studierte noch (Psychologie), rief eine Freundin an. Ich sollte einen ihrer Söhne jetzt nicht unbedingt babysitten, weil so klein war der mit seinen 14 Jahren damals auch nicht mehr, ihm aber bitte Gesellschaft leisten, weil der gesamte Haushalt mit Husten, Schnupfen, Heiserkeit darniederlag. So saß ich dann mit dem mir seit seinen Windelhosentagen bekannten jungen Mann namens Maxi, der als einziger nicht im Bett fieberte und für eine Prüfung lernen musste, in der Küche bei Keksen, Tee und Kunstgeschichte. Russischer Barock. Das fand Maxi furchtbar. Langweilig. Was interessiert das schon einen so jungen Menschen? Mich interessiert ja sowas schon. Also habe ich mir ein Keks gefischt und ihn gefragt: „Von wann bis wann war das denn?“ Es wurde geblättert. Es wurde gebrummt: „1740–1762.“ Das haben wir uns beim besten Willen nicht gemerkt. „Ich würde einen Schummelzettel (Spickzettel) brauchen“, habe ich dann durch das nächste Keks gemurmelt. „Stimmt“, hat Maxi genickt. Das fand er nun nicht mehr ganz so furchtbar. Wir erörterten zunächst die Funktion von „Schummlern“ (Spickzetteln) allgemein und dann eine für ihn geeignete Form im Besonderen. Und dann gingen wir durch, was auf dem Ding so draufstehen müsste. Die Rollenverteilung war klar: Ich fragte, er suchte, er schrieb auf. Als ich dann ein Beispiel für ein russisch-barockes Bauwerk wissen wollte, stolperte er in seinen Unterlagen über das Wort „Eremitage“. Als ich es so aussprach, wie es meiner Meinung nach klingen soll, löste ich „ROFL“ (Abkürzung für “rolling on the floor laughing“) aus. Maxi bekam fast keine Luft und grunzte mehr als er lachte. Warum? Es klang für ihn wie „Ehre mit Arsch“. (Ich weiß gar nicht, ob ich das hier überhaupt schreiben darf. Was ich schon weiß, ist, dass Jungs in dem Alter sowas brüllend komisch finden.) Dass die Eremitage in St. Petersburg ein Beispiel für das russische Barock ist, wissen Maxi und ich heute noch. Dass wir eine Mnemotechnik (also Merkhilfe, hergeleitet aus dem Altgriechischen für Gedächtnis) angewandt hatten, war mir damals noch nicht bewusst. Sie hat aber bestens funktioniert und (unbeabsichtigt) einen Bann, eigentlich Maxis Widerstand, zerbröselt. Wir haben dann den ganzen Abend damit verbracht, uns die absurdesten Geschichten, Reime und Eselsbrücken auszudenken, um das russische Barock in den jugendlichen Schädel hineinzubekommen. Was schließlich mit der Note „Sehr gut“ gelang. Den Schummelzettel (Spickzettel) hat Maxi im Übrigen dann gar nicht gebraucht. In meine Gehirnwindungen hat sich diese Periode der Kunstgeschichte auch unauslöschlich eingefräst. (Je absurder die Eselsbrücke, umso nachhaltiger, stellte sich nebenbei heraus.) Maxis Erfolg (in Kunstgeschichte) samt seiner guten Laune (die Freundin war auch happy) sprach sich schnell herum und so saß ich fast über Nacht mit einer Schar Nachhilfekids da. Es gibt kaum einen Gegenstand, der nicht dabei war, bei dem nachgeholfen werden sollte. Latein, Mathematik, Englisch, Deutsch, Italienisch, Französisch, Biologie, Kunstgeschichte (!), …
Die jungen Leute, die zu mir geschickt wurden, waren anfangs gar nicht begeistert. Verständlich. Wie toll ist das denn, sich auch noch in der eigentlich freien Zeit mit Lernen zu beschäftigen? Ich brauchte die Maxi-Vibes. Und so kümmerte ich mich schleunigst um die Frage nach dem Lernen lernen. Und wurde fündig. Bewährte Techniken und Methoden, die mit einem hohen Fun-Faktor einhergehen und individuell an Mensch und Situation angepasst werden können. Hat funktioniert. Die Kids schafften ihre Prüfungen, ich meine im Übrigen auch viel besser, und irgendwann war dann Schluss mit Nachhilfe. Das Lernen lernen habe ich aber immer im Auge behalten. Was jetzt nicht so schwer war, da wir uns hier auf einem Kerngebiet der Psychologie – der Wissenschaft vom Erleben und Verhalten – befinden. This came in handy, als ich mich auf Prokrastination zu spezialisieren begann: Nicht wenige Studierende, die mit dem Eigenverdacht der Prokrastination in meine Praxis kamen, gingen mit dem einen oder anderen Lern-Hack im Gepäck wieder nach Hause. Nach ausführlicher Diagnostik stand nämlich oftmals fest, dass es häufig an dem, was wir in der Psychologie Handlungswissen nennen, fehlte – und damit an Selbstwirksamkeit. Das ist die Gewissheit, dass wir Anforderungen mithilfe unserer eigenen Fähigkeiten schaffen. Diese Gewissheit speist sich eben aus dem Wissen um unsere Handlungsmöglichkeiten in dem Kontext, in dem wir uns befinden oder hineinbegeben wollen. Und nun ganz praktisch: Wenn wir nicht wissen, wie wir etwas anpacken sollen, ist die Wahrscheinlichkeit, dieses Etwas auch tatsächlich anzupacken, sehr gering. Das gilt für jedwedes Unterfangen und somit auch für das Lernen. Mit Lerninhalten, Lernstoff, prüfungsrelevanten Inhalten, you name it, also dem „Was“, werden Lernende und Studierende üppig versorgt. Aufholbedarf besteht in der Vermittlung des „Wie“ (oldschool: Lerntechniken), daher habe ich nun eine kompakte Auswahl an Hacks, Tools und Werkzeugen zusammengetragen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit, versteht sich). Sie haben sich in der Praxis allesamt als hilfreich dabei erwiesen, womit die Studierenden bisweilen regelrecht kämpfen: ins Handeln, ins Tun, eben ins Lernen zu kommen.
Es ist mir dann immer eine große Freude, bei der Zusammenstellung des passenden Werkzeugkastens unterstützende Begleiterin zu sein und dessen neugierige, interessierte, begeisterte, erfolgreiche Anwendung mitzuerleben. „Anwendung“ ist absichtlich fett gedruckt. Weil auch der schönste Werkzeugkasten den Nagel nicht von selbst in die Wand haut.
Christina M. Beran
INHALT
SHORTS – KURZ UND GUT ZU WISSEN
Lernen heißt eigentlich umbauen
Informationen sind immer und überall
Aufmerksamkeitsspanne und Selektion
Aufmerksamkeit oder Konzentration?
Ablenkung – die Zirkusparade
Bottom-up oder Top-down
Zucker, Zeit und Zwirn – Zutaten für die eigene Lernformel
STORIES – AUS DEM LERNLEBEN
Sia – von der Neudefinition des Lernens
Fakt versus Konzept
Passives Wiedererkennen versus aktives Wiedergeben
Loci-Methode
Collagen – eine sehr kreative Lösung
Lukas und die Wiederentdeckung des Buches
Lesen ist nicht gleich lesen
Warm-up für das Lesen eines Buches: das Inhaltsverzeichnis nützen
Effizient in ein Buch hineinschauen
Lukas und Yalin – gemeinsam vom Ort bis zum Ziel
Embodiment – der Körper liest mit
Lernsetting – Bibliothek und Co.
Notizen mit schlauem Fünf-Minuten-Investment
Chunks – Lerneinheiten portionieren
Rechtzeitige Pausen
Unterbrechungskosten
Accomplishment – das Erreichte analysieren
Aurelie – vom Ärger zur Performance
Schreiben ist nicht gleich schreiben
Notizen für Fortgeschrittene – die (klassische) Cornell-Methode
Notizen für Profis – Aurelies Cornell
Laura – vom Scheitern zur Selbstfürsorge
Frustration und Scheitern
Selbstfürsorge
MC – Multiple Choice-Fragen
Zum Schluss – Wiederholung mit Fun-Faktor
Danksagung
Erwähnte oder weiterführende Literatur
Stichwortverzeichnis
LERNEN HEISST EIGENTLICH UMBAUEN
Lesende dieses Buches – und ich im Übrigen auch – sind in der Regel alt genug, um im Leben bereits einige Erfahrungen gemacht zu haben. Auf die greifen wir zurück, wenn wir vor einer neuen (Lern-)Situation stehen.
Das funktioniert wie beim Schwammerlsuchen (Pilze sammeln) für unser Abendessen. Wir streifen durch den Wald. Ha! Da drüben steht ein Pilz! Bevor wir ihn in unseren mitgebrachten Korb legen, überlegen wir, ob wir mit ihm überhaupt etwas anfangen können. Ein Reflexionsprozess beginnt. Dazu betrachten wir den Pilz von allen Seiten, möglicherweise riechen wir auch daran. Was erschließt sich uns aus diesem Betrachten und Beschnuppern? Erinnert uns das eine oder andere Detail an etwas? Haben wir diesen Pilz eventuell schon einmal verzehrt und dessen Genuss offensichtlich überlebt? Was bedeutet das jetzt für uns? Theoretisch. Und ehe wir uns versehen, haben wir eine Verbindung von aktuellen und