Lernen in überbetrieblichen Kursen (E-Book) - Markus Maurer - E-Book

Lernen in überbetrieblichen Kursen (E-Book) E-Book

Markus Maurer

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Beschreibung

Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen. Überbetriebliche Kurse spielen in der beruflichen Grundbildung eine zentrale Rolle: Hier werden den Lernenden grundlegende berufspraktische Kompetenzen vermittelt. Welche unterschiedlichen didaktischen Ansätze können in überbetrieblichen Kursen verfolgt werden und wie werden sie in der Praxis umgesetzt? Neben dieser Frage werden auch die rechtlichen Grundlagen des dritten Lernorts beleuchtet und Entscheidungsfelder diskutiert, mit denen Trägerschaften überbetrieblicher Kurse konfrontiert sind.

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Markus Maurer, Karin Hauser

Lernen in überbetrieblichen KursenDidaktische Hausapotheke, Band 15ISBN Print: 978-3-0355-1879-5

ISBN E-Book: 978-3-0355-1880-1

Coverfoto: D-Keine, iStock

1. Auflage 2021

Alle Rechte vorbehalten

© 2021 hep Verlag AG, Bern

hep-verlag.ch

Inhalt

Vorwort des Herausgebers

1Einleitung

2Rahmenvoraussetzungen

3Entscheidungen zu Kursinhalten

4Formen von üK-Anbietern

5Entscheidungsfelder der üK-Organisation

6Gestaltung der Lernprozesse in überbetrieblichen Kursen

7Ausblick

8Literatur

Über die Autorin und den Autor

Vorwort des Herausgebers

Dieses Heft ist Teil der von der PH Zürich herausgegebenen Reihe «Didaktische Hausapotheke», die sich den Grundlagen des Lehrens und Lernens widmet und einen besonderen Fokus auf die berufliche Aus- und Weiterbildung richtet. Alle Bände der Reihe präsentieren ihre Inhalte auf komprimierte Weise, um für Lehrpersonen und Berufsbildnerinnen oder Berufsbildner gut zugänglich zu sein.

Während sich die meisten Titel der Reihe mit Themen befassen, die näher am schulischen Unterricht liegen, behandelt dieser Band die überbetrieblichen Kurse (üK). Er füllt damit eine Lücke, denn für Berufsbildende am dritten Lernort liegt wenig pädagogisch-didaktische Literatur vor, obwohl die Aus- und Weiterbildung dieser Zielgruppe zunehmend wichtig wird. Wir sind zudem der Überzeugung, dass am dritten Lernort, in den üK, sehr viel Innovation geschieht, die in der Bildungslandschaft der Schweiz oft nur am Rande wahrgenommen wird.

Das Heft beschäftigt sich nicht nur mit Ausbildung und Lernen in üK, es beleuchtet eingehend auch die Rahmenbedingungen der überbetrieblichen Ausbildung in der Schweiz und diskutiert unterschiedliche Entscheidungsfelder, die für die Anbieter von üK wichtig sind. Insofern ist es auch aus der Perspektive der Schul- und Qualitätsentwicklung von grossem Wert.

Prof. Dr. Christoph Städeli

Leiter der Abteilung Sekundarstufe II/Berufsbildung der Pädagogischen Hochschule Zürich

1Einleitung

Es ist derzeit oft von den grossen Herausforderungen die Rede, mit denen die Berufsbildung in der Schweiz, angesichts der Digitalisierung, des Wandels der Arbeitswelt und gesellschaftlicher Umbrüche, konfrontiert sei. Solche Debatten könnten vergessen machen, dass die Berufsbildung vor Herausforderungen konstanter Natur steht, die nie ein für alle Mal als gemeistert gelten können. Dazu gehört etwa der Anspruch, dass möglichst alle Lernenden, unabhängig von den betrieblichen Möglichkeiten, ein Anrecht auf hohe Ausbildungsqualität haben sollen, und zwar an allen drei Lernorten der beruflichen Grundbildung: an den Berufsfachschulen, in den Betrieben und bei den Anbietern überbetrieblicher Kurse (üK).

Von diesen drei Lernorten bekommen die üK zweifellos am wenigsten Aufmerksamkeit, obwohl gerade sie im dualen Berufsbildungssystem zentrale Funktionen erfüllen. Denn zum einen muss die überbetriebliche Ausbildung sicherstellen, dass die berufspraktischen Kompetenzen möglichst bei allen Lernenden den Anforderungen der Abschlussprüfungen genügen; zum anderen muss sie dazu beitragen, dass die Lernenden in der Lage sind, theoretische Kenntnisse und praktische Fertigkeiten in kompetentem beruflichem Handeln zu verknüpfen.

Dass die üK vergleichsweise wenig Beachtung finden, hat wohl damit zu tun, dass die meisten Lernenden deutlich mehr Zeit im Betrieb und auch an der Berufsfachschule verbringen, vielleicht auch damit, dass die üK der jüngste Lernort sind. In den meisten Berufen etablierten sie sich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, während schulischer Unterricht in vielen Kantonen schon seit Ende des 19. Jahrhunderts die betriebliche Ausbildung ergänzt. 1963 wurden die üK als Einführungskurse ins Berufsbildungsgesetz (BBG) aufgenommen; seit 1978 sind sie verbindlich, auch wenn viele Lernende in Grossunternehmen davon zunächst befreit blieben. Seit der jüngsten Revision des Berufsbildungsgesetzes (in Kraft seit 2004) ist der Besuch von üK obligatorisch, Grossunternehmen können die Kurse aber auch innerbetrieblich anbieten.

Dennoch: Die üK bilden heute ein zentrales Element der Berufsbildung in der Schweiz, und es gibt durchaus Hinweise, dass ihre Bedeutung in den letzten Jahren eher noch zugenommen hat, etwa weil hier aktuelles Branchenwissen besser vermittelt werden kann als an der Berufsfachschule. Auf die zunehmende Bedeutung der üK weist auch der Umstand hin, dass die berufspraktische Abschlussprüfung in immer mehr Berufen nicht mehr im Betrieb stattfindet, sondern eben im üK.

Wie allgemein in der Berufsbildung der Schweiz lassen sich auch im Bereich der üK unterschiedlichste Erscheinungs- und Organisationsformen finden. So sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Berufen gross: Bei den einen liegt der Fokus auf der Vermittlung manueller Fertigkeiten, bei anderen steht branchenspezifisches Wissen oder die Reflexion beruflichen Handelns im Zentrum. In den meisten Berufen finden die üK in brancheneigenen Zentren statt, in einigen aber auch in Räumlichkeiten einer Berufsfachschule.

Vor dem Hintergrund solcher Diversität verfolgt dieser Band zwei Ziele: Zum einen enthält er einen kompakten Überblick über die vielfältige Landschaft überbetrieblicher Ausbildung, gedacht vor allem für Fachleute, die sich in der organisatorischen und didaktischen Ausgestaltung der Kurse engagieren (möchten). Zum anderen liefert das Heft nützliche Hinweise zur Didaktik in der überbetrieblichen Ausbildung, wie sie in der inzwischen sehr breiten Literatur zur Berufsbildung bisher noch kaum zu finden sind.

Dieser Band ist im Rahmen des durch swissuniversities beziehungsweise das SBFI geförderten Projekts «Berufsfelddidaktik» zustande gekommen. Dieses befasst sich mit der Didaktik der beruflichen Bildung und wird von den Institutionen durchgeführt, die sich in der Aus- und Weiterbildung von Berufsschullehrpersonen und weiteren Berufsbildungsverantwortlichen engagieren. Die PH Zürich befasst sich dabei mit der Ausbildung in überbetrieblichen Kurszentren und hat hierzu zahlreiche Interviews durchgeführt, deren Erkenntnisse wesentlich zum Inhalt dieses Bandes beigetragen haben. An dieser Stelle möchten wir uns herzlich bei allen Vertretenden von üK-Zentren bedanken, die sich für den Austausch mit uns Zeit genommen haben. Ein besonderer Dank geht an Peter Dinkel, Berufsinspektor beim Mittelschul- und Berufsbildungsamt des Kantons Zürich, der uns bei Rückfragen im Zusammenhang mit rechtlichen und finanziellen Aspekten des überbetrieblichen Kurswesens zur Verfügung stand. Schliesslich bedanken wir uns bei Tatjana Straka und Fiona Hasler vom hep Verlag sowie bei Christoph Gassmann und Dario Venutti, die uns bei der Vorbereitung des Manuskripts und der Finalisierung des Bandes unterstützt haben.

2Rahmenvoraussetzungen

In diesem Kapitel stehen die Rahmenbedingungen der überbetrieblichen Kurse (üK) im Zentrum. Zunächst geht es um die Frage, wozu die Kurse überhaupt dienen, im Weiteren um zahlreiche Aspekte, die auf Bundesebene geregelt und für die Durchführung von üK entscheidend sind, etwa um Vorgaben zu Inhalten, Steuerung und Finanzierung.

2.1Funktionen überbetrieblicher Kurse

Das Berufsbildungsgesetz legt fest, dass üK und vergleichbare dritte Lernorte den «Ergänzungen der beruflichen Praxis und der schulischen Bildung» dienen (Art. 16 Abs. 2 lit. c BBG). Doch Bildungsangebote haben immer unterschiedliche Funktionen – dies gilt auch für die üK. Die Funktionen können sich ergänzen, sie können – wie auch dieses Buch immer wieder zeigen wird – auch miteinander in Konflikt stehen. Im folgenden Abschnitt stellen wir fünf Funktionen der üK dar (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Funktionen der üK im Überblick

Funktion 1: Einführung

ÜK dienen wesentlich der Einführung von Lernenden in Inhalte, auf denen die Ausbildung im Betrieb aufbauen soll. Diese Inhalte können unterschiedlicher Natur sein:

→Praktische Grundfertigkeiten: Der Aufbau praktischer Kompetenzen steht in vielen Berufen im Zentrum der üK. Der Fokus liegt häufig auf idealisierten Basistechniken, etwa auf der Bearbeitung von Materialien oder dem Einsatz von Geräten. In einigen Branchen (so im Pflegebereich) können Lernende gewisse Arbeiten im Betrieb erst dann verrichten, wenn im üK die entsprechende praktische Einführung stattgefunden hat.

→Fachrichtungs-/branchenspezifisches Wissen: In einigen üK wird sehr viel Wissen vermittelt, vor allem wenn die fraglichen Wissensbestände an der Berufsfachschule nicht Unterrichtsthema sind. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Beruf unterschiedliche Branchen oder Fachrichtungen umfasst, die an der Berufsfachschule in einer Klasse gemeinsam unterrichtet werden. So gibt es zum Beispiel branchenspezifische üK für Kaufleute; in den üK der Bankbranche wird dann zum Beispiel auf das Thema «Geldwäscherei» eingegangen, das an der Berufsfachschule höchstens am Rande behandelt wird.

→Sicherheits- und Verhaltensvorschriften: In vielen Berufen ist das Einhalten von Sicherheits- und Verhaltensvorschriften von grosser Bedeutung. Aus diesem Grund wird bei den Elektroinstallateuren/-innen EFZ oder den Polymechanikern/-innen EFZ in den ersten üK einige Zeit darauf verwendet, dass Lernende die Sicherheitsvorschriften der Suva kennen und umsetzen können. Im Beruf Fachfrau/Fachmann Gesundheit EFZ wird in einem ersten Kurs das Thema «Hygiene» behandelt, etwa mit Blick auf Händehygiene, Reinigung und Desinfektion von Geräten, Instrumenten und Flächen, Massnahmen zur Unterbrechung der Kontaminationswege usw.

→Überfachliche Kompetenzen: Diese Kompetenzen gewinnen in der beruflichen Grundbildung überall an Bedeutung – so auch in den üK, die insbesondere im Bereich Arbeitstechnik (als Teil der Methodenkompetenz) einen wichtigen Beitrag leisten.

Die Einführungsfunktion war bei der Entstehung der üK sicherlich entscheidend. Tatsächlich war im Berufsbildungsgesetz von 1963 noch von Einführungskursen die Rede, die der «Aneignung der grundlegenden Fertigkeiten» dienen sollten.

Funktion 2: Anwendung, Vertiefung und Reflexion

ÜK können auch dazu dienen, die Anwendung von zu einem gewissen Grad bereits erworbenen Kompetenzen zu üben und zu vertiefen, nicht zuletzt durch die Verknüpfung von Theorie und Praxis. Dies kann etwa im Rahmen von Simulationen geschehen, in denen besonders herausfordernde Anwendungssituationen nachgeahmt werden (mehr dazu in Abschnitt 6.5.3). Verbreitet ist auch die Reflexion solcher Anwendungssituationen, zum Beispiel bei den Fachleuten Betreuung und Gesundheit.

Das Üben und Trainieren kann in den üK, anders als im Betrieb, in einem pädagogisch geschützten Rahmen stattfinden, weil im üK kein ökonomischer Druck besteht, Leistungen möglichst zeiteffizient und fehlerfrei zu erbringen. Der Umstand, dass ein Fehler im üK oft weniger schwerwiegende Folgen hat als im Betrieb, ist durchaus lernwirksam.

Funktion 3: Standardisierung

ÜK können dazu dienen, die Heterogenität der betrieblichen Ausbildung in einem gewissen Mass auszugleichen. Auch wenn nämlich die Berufsbilder in der schweizerischen Berufsbildung im internationalen Vergleich eher «eng geschnitten» und vergleichsweise spezialisiert sind, kann von den Betrieben – selbst wenn sie im gleichen Beruf ausbilden – aufgrund ihrer jeweiligen Spezialisierung nicht erwartet werden, dass sich betriebsintern sämtliche in den Bildungserlassen definierten berufspraktischen Fertigkeiten in gleicher Form und Tiefe ausbilden lassen. Die Standardisierungsfunktion hat dann besondere Bedeutung, wenn die üK auf berufspraktische Teile des Qualifikationsverfahrens (QV) vorbereiten. Dies ist etwa bei den Elektroinstallateuren/-innen EFZ der Fall, die in vielen Kantonen für den QV-Bereich «Praktische Arbeit» in Räumlichkeiten der üK-Zentren eine praktische Prüfung ablegen, die zahlreiche Kompetenzbereiche umfasst (VSEI, 2018).

Letztlich trägt die Standardisierungsfunktion der üK wesentlich zur Vergleichbarkeit der Berufsabschlüsse bei – und damit zur Glaubwürdigkeit der beruflichen Bildung. Dies unterstützt schliesslich die Arbeitsmarktfähigkeit der Lernenden, die nach dem Lehrabschluss allenfalls im selben Berufsfeld den Betrieb wechseln wollen.

In der politischen Diskussion um die üK wurde ihre zentrale Bedeutung nicht selten mit der Standardisierungsfunktion begründet. So forderte 1985 eine im Nationalrat eingereichte Motion, die Einführungskurse seien auszubauen, weil sie «am meisten Gewähr für die Vermittlung von berufsübergreifenden Qualifikationen bieten» (Kommission des Nationalrats, 1985).

Funktion 4: Transfer von Technologie und Know-how

Überbetriebliche Ausbildung könnte auch dazu dienen, über die Lernenden Kompetenzen im Umgang mit neusten Technologien in die Betriebe hineinzutragen, vor allem in kleinere Unternehmen. So sollten angehende Elektroinstallateure/-innen EFZ im üK im vierten Lehrjahr zum Beispiel lernen, Fotovoltaikanlagen zu installieren und bei der Inbetriebnahme mitzuwirken.