Lernen in Unternehmen - Timo Kortsch - E-Book

Lernen in Unternehmen E-Book

Timo Kortsch

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Beschreibung

Mehr denn je ist arbeitsbezogenes Lernen ein strategisch relevantes Thema in Unternehmen. Die Anforderungen, die aus einer dynamischen und vernetzten Arbeitswelt resultieren, fordern von Unternehmen und Beschäftigten eine permanente Weiterentwicklung. Klassische Fort- und Weiterbildungen allein reichen hierfür nicht mehr aus. Diesem Buch liegt ein breites Verständnis von Lernen zugrunde: Neben dem formalen Lernen, das nach vorgegebenen Curricula in strukturierten Lernumgebungen stattfindet und den Besuch von Weiterbildungsformaten wie Schulungen, Seminaren und Trainings umfasst, werden in diesem Band auch das informelle Lernen am Arbeitsplatz und das selbstregulierte Lernen in den Fokus genommen. Anhand von Modellen zum arbeitsbezogenen Lernen in Unternehmen und aktuellen metaanalytischen Befunden wird ein Überblick über die drei Lernformen des formalen, informellen und selbstregulierten Lernens gegeben. Zudem werden Konzepte zur lernförderlichen Arbeitsgestaltung und Etablierung einer positiven Lernkultur vorgestellt. Aufbauend auf relevanten Prozessschritten im Personalentwicklungszyklus wird ein Rahmenmodell zur Planung und Umsetzung von Programmen und Maßnahmen präsentiert, das zielgerichtet verschiedene Lernformen verknüpft. Darüber hinaus werden die Herausforderungen und Chancen aufgezeigt, die für arbeitsbezogenes Lernen aus der Digitalisierung resultieren (z. B. Microlearning), und neuere agile Lern- und Arbeitsmethoden (z. B. Scrum) ebenso wie klassische Ansätze skizziert. Praxisbeispiele aus verschiedenen Branchen illustrieren, wie arbeitsbezogenes Lernen systematisch gestaltet werden kann.

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Timo Kortsch

Julian Decius

Hilko Paulsen

Lernen in Unternehmen

Formal, informell, selbstreguliert

Praxis der Personalpsychologie

Human Resource Management kompakt

Band 43

Lernen in Unternehmen

Prof. Dr. Timo Kortsch, Dr. Julian Decius, Dr. Hilko Paulsen

Die Reihe wird herausgegeben von:

Prof. Dr. Jörg Felfe, Prof. Dr. Benedikt Hell, Dr. Rüdiger Hossiep, Prof. Dr. Martin Kleinmann, Prof. Dr. Bettina Kubicek

Die Reihe wurde begründet von:

Prof. Dr. Heinz Schuler, Dr. Rüdiger Hossiep, Prof. Dr. Martin Kleinmann, Prof. Dr. Werner Sarges

Prof. Dr. Timo Kortsch, geb. 1985. Seit 2021 Professor für Wirtschaftspsychologie an der IU Internationale Hochschule. Arbeitsschwerpunkte: Stressmanagement, Lernen und Lernkultur in Unternehmen, Glück bei der Arbeit.

Dr. Julian Decius, geb. 1988. Seit 2021 Leitung des Arbeitsgebiets Organisationspsychologie im Fachbereich Wirtschaftswissenschaft an der Universität Bremen. Forschungsschwerpunkte: Arbeitsbezogenes Lernen, „New Learning“, Beschäftigungsfähigkeit, Job Crafting, Arbeit in algorithmisch geprägten Kontexten, Kompetenzentwicklung im Profifußball.

Dr. Hilko Paulsen, geb. 1985. Seit 2022 Leiter der Personal- und Organisationsentwicklung bei der Region Hannover. Themenschwerpunkte: Kompetenzentwicklung, arbeitsintegriertes Lernen und organisationale Lernprozesse.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autor:innen bzw. den Herausgeber:innen große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autor:innen bzw. Herausgeber:innen und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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www.hogrefe.de

Umschlagabbildung: © iStock.com by Getty Images / skynesher

Satz: Franziska Stolz, Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

Format: EPUB

1. Auflage 2024

© 2024 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-3093-5; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-3093-6)

ISBN 978-3-8017-3093-2

https://doi.org/10.1026/03093-000

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Inhaltsverzeichnis

1  Lernen in Unternehmen

1.1  Einordnung des Gegenstandsbereichs

1.2  Definition

1.3  Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen

1.4  Bedeutung für das Personalmanagement

1.5  Verbreitung von Lernen in Unternehmen

1.6  Betrieblicher Nutzen

1.7  Weitere Ziele

2  Arbeitsbezogenes Lernen in Unternehmen – Modelle und Befunde

2.1  Wozu wird in Unternehmen gelernt?

2.2  Wie wird in Unternehmen gelernt? Drei arbeitsbezogene Lernformen

2.2.1  Formales Lernen

2.2.1.1  Ergebnisse des formalen Lernens

2.2.1.2  Transfer des formal Erlernten

2.2.2  Informelles Lernen

2.2.2.1  Merkmale des informellen Lernens

2.2.2.2  Prozentgerangel: 70-20-10-Regel – „Darf’s noch etwas mehr sein?“

2.2.2.3  Paradoxon des informellen Lernens

2.2.2.4  Modelle des informellen Lernens

2.2.3  Selbstreguliertes Lernen

2.2.3.1  Definition des selbstregulierten Lernens

2.2.3.2  Phasenmodell des selbstregulierten Lernens

2.2.4  Sieben Dimensionen zur Charakterisierung von Lernformen

2.2.5  Übertragung der Lerndimensionen auf Praxisbeispiele

2.2.5.1  Typisches informelles Lernen

2.2.5.2  Typisches selbstreguliertes Lernen

2.2.5.3  Typisches formales Lernen

2.2.5.4  Coaching als Hybrid

2.2.5.5  Teilnahme an einem Web-Seminar aus dem Homeoffice als Hybrid

2.2.5.6  New Learning als Hybrid

2.3  Wie lässt sich das Lernen in Unternehmen fördern?

2.3.1  Lernförderliche Arbeitsgestaltungsansätze

2.3.2  Lernkultur

2.3.3  Lernklima

2.4  Fazit: Individuelles Lernen verstehen und ganzheitlich gestalten

3  Analyse und Handlungsempfehlungen

3.1  Der Personalentwicklungszyklus – bei formalem, informellem und selbstreguliertem Lernen

3.2  Bedarfsanalyse

3.3  Planung

3.4  Durchführung

3.5  Evaluation

4  Vorgehen und Methoden

4.1  Bedarfserhebung

4.1.1  Organisationsanalyse

4.1.2  Aufgabenanalyse

4.1.3  Personenanalyse

4.2  Vorgehen bei der Planung des arbeitsbezogenen Lernens

4.2.1  Orientierung an Lerndimensionen

4.2.2  Orientierung an Lernzieltaxonomien

4.3  Methoden zur Förderung des Lernens

4.3.1  Simulationsbasiertes Training

4.3.2  Microlearning

4.3.3  Mobile Learning

4.3.4  After Action Review

4.3.5  Blended Learning

4.3.6  Scrum

4.3.7  Working Out Loud

4.3.8  Barcamp

4.3.9  Weitere Methoden

4.4  Vorgehen bei der Evaluation des arbeitsbezogenen Lernens

4.4.1  Vorgehen bei der ergebnisbezogenen Evaluation

4.4.2  Vorgehen bei der prozessbezogenen Evaluation

4.4.3  Vorgehen bei der entwicklungsorientierten Evaluation

4.4.4  Vorgehen bei der integrativen Evaluation

5  Fallbeispiele aus der Unternehmenspraxis

5.1  TechUcation bei der Otto Group

5.2  WOL Healthcare – Working Out Loud im Gesundheits- und Sozialwesen

5.3  Selbstgesteuertes Lernen bei der SBB (Schweizerische Bundesbahnen AG)

5.4  „Frag James“ – Das elektronische Performance-Support-System der AOK Niedersachsen

5.5  Orientierungs-Center bei der Salzgitter Flachstahl GmbH

5.6  Simulationen bei EDEKA Südwest

5.7  Einführung von Lerntagen im KfH (Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e. V.)

5.8  Organisationale Transformation mit Lernbegleitung und Barcamps bei DATEV

6  Fazit und Ausblick

7  Literaturempfehlungen

8  Literatur

9  Sachregister

Karten

Kurzprofile der drei Lernformen mit Vor- und Nachteilen

Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten im Personalentwicklungszyklus

Planung des Lernens anhand von sieben Lerndimensionen

Methoden und Lernformen

Hinweise zu den Karten

|1|1  Lernen in Unternehmen

1.1  Einordnung des Gegenstandsbereichs

Lernen ist in vielen Lebensbereichen allgegenwärtig – so auch bei der Arbeit. Wenn man an Lernen bei der Arbeit denkt, denkt man oft zuerst an explizite Lernformate: sei es der Besuch einer Weiterbildungsveranstaltung, die kurze Einweisung in einen neuen Arbeitsprozess oder ein verpflichtendes Online-Seminar zum Thema Datenschutz. Doch auch jenseits dieser formalen Lernformate findet Lernen im Unternehmen statt, beispielsweise als selbstinitiiertes Handeln. Dies kann geschehen, wenn man sich für ein bestimmtes Thema interessiert und sich eine Möglichkeit ergibt, sich dafür relevantes Wissen anzueignen (z. B., indem man die Arbeitsausführung im Kollegium beobachtet oder um Feedback bittet). Da das Thema Lernen im alltäglichen Arbeitsleben einen herausgehobenen Platz einnimmt, kann es für ganz unterschiedliche Human-Resources (HR)-Prozesse relevant werden. Dies spiegelt sich beim Versuch der Einordnung des Themas in die Personalpsychologie wider: Lernen spielt in vielen Themenbereichen der Personalpsychologie eine Rolle, wie bei der Personalentwicklung, der Personaldiagnostik, der Personalführung, beim Personalmarketing, und bei der Interaktion in Gruppen und Teams. In der Tabelle 1 sind beispielhaft Berührungspunkte der genannten Bereiche mit dem Thema Lernen dargestellt.

Primär ist Lernen in Unternehmen allerdings der Personalentwicklung zuzuordnen, die einen wichtigen – wenngleich nicht den einzigen – Rahmen für Lernaktivitäten der Beschäftigten darstellt. Unter Personalentwicklung werden „alle geplanten Maßnahmen (im Unterschied zur Sozialisation) gefasst, die geeignet sind, die individuelle berufliche Handlungskompetenz (in Abgrenzung zur Organisationsentwicklung) der Beschäftigten zu entwickeln und zu erhalten“ (Kauffeld & Grote, 2019, S. 168). Lernen findet zudem nicht nur auf der individuellen Ebene statt, sondern auch auf der Team- und Organisationsebene, sodass auch Schnittmengen mit Themen der Organisationspsychologie bestehen (z. B. Organisationsentwicklung). Dabei können die Übergänge fließend sein, da individuelles Lernen oft im sozialen Kontext stattfindet (z. B. durch die Besprechung von eigenen Erfahrungen im Kollegium). In diesem Rahmen können sich auch Strukturen herausbilden, die zu organisationalem Lernen führen (beispielsweise durch die Dokumentation von „Learnings“, die für andere Organisationsmitglieder digital verfügbar gemacht werden). Diese organisationalen Aspekte des Lernens werden im vorliegenden Buch am Rande behandelt (z. B. in Abschnitt 2.4 die Verbindung von Lernen auf der individuellen und organisationalen Ebene).

Tabelle 1:  Oberthemen der Personalpsychologie (in Anlehnung an Schuler & Kanning, 2014) und beispielhafte Berührungspunkte mit dem Thema Lernen

|2|Oberthemen der Personalpsychologie

Berührungspunkte mit dem Gegenstand des Buches

Personalentwicklung

Alle Maßnahmen zum Erhalt und zur Entwicklung individueller beruflicher Handlungskompetenz umfassen Lernprozesse. Insofern beinhaltet die Personalentwicklung stets Lernen. Hierzu zählen beispielsweise:

Externe Seminare und Inhouse-Seminare

Schulungen zu verschiedenen Themen

Arbeitsintegriertes Lernen, z. B. in Projekten

Digitale Lernangebote

Personaldiagnostik

Arbeitsanalysen: Lernen kann eine wichtige Anforderung von Tätigkeiten sein – somit kann die Fähigkeit und die Bereitschaft zum Lernen im Kontext von Arbeitsanalysen relevant werden.

Da Lernen in besonders dynamischen Arbeitswelten immer wichtiger wird, können lernassoziierte Merkmale (z. B. Gewissenhaftigkeit, Lernzielorientierung) im Rahmen von Personalauswahlprozessen Berücksichtigung finden.

In Auswahlverfahren zielen beispielsweise biografische Fragen auf frühere Lernerfahrungen ab. Daraus werden Kompetenzen geschlussfolgert.

In Nachgang zu Simulationen wie Rollenspielen werden Reflexionen eingebunden, um Rückschlüsse auf Lernfähigkeit und -bereitschaft zu ziehen.

Personalführung

Führungskonzepte wie transformationale Führung enthalten lernbezogene Merkmale (z. B. intellektuelle Anregung).

Die Ermöglichung eigener Lernerfahrungen durch Führungskräfte trägt zur Motivierung bei, indem das Kompetenzerleben und die Selbstwirksamkeit gestärkt werden.

Mitarbeitendengespräche berücksichtigen oft auch das Thema Lernen im Sinne der weiteren Entwicklungswünsche und -möglichkeiten.

Der Umgang mit Veränderung erfordert immer Anpassungen der Kompetenzen seitens der Beschäftigten.

Personalmarketing

Individuelle Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten (z. B. ein breites Angebot individueller Lernpfade in einem Lernmanagementsystem) können wichtige Argumente im Personalmarketing darstellen.

Interaktion in Gruppen und Teams

Gruppen und Teams stellen einen wichtigen sozialen Kontext dar, der Lernen auslösen und/oder erleichtern kann (z. B. Beobachtung von anderen Personen im Kollegium).

Lernen als Vorgabe seitens der Führungskraft oder als soziale Norm im Team kann sowohl als Belastung (z. B. „Lernen müssen“) als auch als Ressource (z. B. als Mittel zur Erweiterung der eigenen Kompetenzen) wahrgenommen werden.

|3|1.2  Definition

Gegenstand dieses Buches ist das Lernen in Unternehmen, was alle Ausprägungen des arbeitsbezogenen Lernens1 umfasst.

Arbeitsbezogenes Lernen ist Lernen, das Bezug zur aktuellen Arbeit hat. Es zielt darauf ab, Kompetenzen (integriertes Wissen, Fähigkeiten und Einstellungen) zu erwerben oder zu verbessern, um die gegenwärtige und zukünftige berufliche Leistung des Einzelnen (und letztlich auch die Leistung des Unternehmens) positiv zu beeinflussen (vgl. Kyndt & Baert, 2013).

Arbeitsbezogenes Lernen muss nicht zwangsläufig am Arbeitsplatz (z. B. Besuch einer externen Weiterbildung im Kongresshotel) und nicht während der Arbeit (z. B. Lernen für die Meisterschule nach Feierabend, Teilnahme an einem Web-Seminar am Abend) stattfinden (siehe Abbildung 1). Es findet auf der individuellen Ebene statt und umfasst verschiedene Lernformen, vor allem formales Lernen, informelles Lernen und selbstreguliertes Lernen (Decius, Knappstein & Klug, 2023). Man kann neben diesen drei Lernformen, die arbeitsbezogenes Lernen vor allem ausmachen (sie werden in Abschnitt 2.2 ausführlich beschrieben), noch weitere Lernformen wie erfahrungsorientiertes Lernen, transformationales Lernen, situiertes Lernen, arbeitsbasiertes Lernen und Deliberate Practice unterscheiden (zur Beschreibung und Unterscheidung dieser Lernformen sei Decius, 2020, empfohlen), die allerdings in der Unternehmenspraxis eine eher untergeordnete Rolle spielen.

Abbildung 1:  Arbeitsbezogenes Lernen und seine Konsequenzen

|4|1.3  Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen

Neben dem arbeitsbezogenen Lernen kursieren mehrere Begriffe sowohl in der Praxis als auch in wissenschaftlichen Veröffentlichungen, um Lernprozesse zu beschreiben. Im Folgenden wird eine Auswahl relevanter Begriffe vorgestellt, die definiert und vom Gegenstand dieses Buches, dem arbeitsbezogenen Lernen, abgegrenzt werden.

Ausbildung. Die Ausbildung wird als Synonym zur Berufsausbildung verwendet. Die Ausbildung bezeichnet curricular organisierte Lernaktivitäten, die die grundsätzliche Befähigung (Kompetenz) und einen Berufsabschluss (Qualifikation) zum Ziel haben. Das gesamte Lernen im Rahmen der Ausbildung hat einen Bezug zur Arbeit und kann insofern als eine hoch strukturierte Spezialform des arbeitsbezogenen Lernens in einer speziellen Phase der Berufstätigkeit verstanden werden. Die Berufsausbildung erfolgt in Deutschland meist als duale Ausbildung, in der Theoriephasen an Berufsschulen und Praxisphasen in Ausbildungsbetrieben kombiniert werden. Während das Lernen in der Theoriephase überwiegend formal erfolgt, ist das arbeitsbezogene Lernen im Rahmen der Praxisphasen stärker informell und selbstreguliert geprägt.

Berufliche Fort- und Weiterbildung. Während die Berufsausbildung die Grundqualifikation in einem Beruf zum Ziel hat, setzt die berufliche Fortbildung nach der Ausbildung an und hat die Vertiefung oder Ergänzung beruflicher Kenntnisse zum Ziel. Dabei kann zwischen dem Aufstieg (z. B. in eine Führungsposition) und der Anpassung (z. B. durch neue Anforderungen) unterschieden werden. Berufliche Weiterbildung soll den kontinuierlich verändernden Anforderungen Rechnung tragen, dient dem Erwerb neuer Qualifikationen und umfasst auch Umschulungen (z. B. Übernahme einer neuen Aufgabe). Wie auch die Ausbildung hat die berufliche Fort- und Weiterbildung einen Arbeitsbezug. Berufliche Fort- und Weiterbildung bezieht sich allerdings auf z. B. durch Vorgaben wie Fortbildungsordnungen stark formalisierte Lernformate und ist insofern auch eine Spezialform arbeitsbezogenen Lernens.

Job Crafting.Job Crafting stellt die eigenen Gestaltungsspielräume bei der Arbeit in den Vordergrund. Unter Job Crafting wird verstanden, dass Beschäftigte die Arbeit selbst so gestalten, dass sie den eigenen Vorstellungen und Fähigkeiten möglichst gut entspricht. Damit sind die individuellen Gestaltungsspielräume gemeint, ohne dass der Arbeitgeber eine Veränderung anstößt. Beschäftigte werden als aktive Gestaltende ihrer Arbeit verstanden. Dabei nutzen sie verschiedene Strategien (z. B. Aufgaben ganzheitlicher angehen, mehr Austausch mit anderen Beschäftigten aus angrenzenden Jobs suchen, herausfordernde Aufgaben anstreben; vgl. Tims, Bakker & Derks, 2012; Wrzesniewski & Dutton, 2001). Die arbeitsbezogenen Tätigkeiten des Job Crafting zielen vor allem darauf ab, die Arbeit sinnvoller zu gestalten und können auch zu Lernen führen. Insofern beinhaltet Job Crafting in bestimmten Fällen arbeitsbezogenes Lernen (z. B. kön|5|nen Beschäftigte im Rahmen ihres Aufgabenbereichs gezielt ein arbeitsbezogenes E-Learning absolvieren, um ihre Aufgabe besser auszufüllen), in anderen allerdings nicht (z. B., wenn Beschäftigte nur ihre Aufgabenbereiche neu aufteilen, um sinnvollere Arbeitseinheiten zu haben). Informelles Lernen sagt mittelfristig Job Crafting vorher; Job-Crafting-Verhalten (nicht jedoch gedankliches Job Crafting) sagt wiederum informelles Lernen vorher (Decius, Schaper, Klug & Seifert, 2023).

Organisationales Lernen.Organisationales Lernen findet statt, wenn innerhalb der Organisation eine ihrer Einheiten Wissen erwirbt, das sie als potenziell nützlich für die Organisation erkennt (Huber, 1991). Lernen wird dann zu organisationalem Lernen, wenn die Lernresultate sich auf der Organisationsebene niederschlagen. Dies kann zum Beispiel in Form von Richtlinien zum Lernen, gemeinsamen Praktiken (z. B. Teamreflexionsgespräche) oder sogar in neuen Produkten erfolgen. Hier findet dann sogenanntes Zwei-Schleifen-Lernen (vgl. Argyris & Schön, 1978) statt, da eine Lernerfahrung nicht nur zu einem individuell angepassten Verhalten führt (dies wäre Ein-Schleifen-Lernen), sondern das Vorgehen auf einer Metaebene generell hinterfragt und geändert wird. Beispielsweise wird dann ein Produkt auf Basis von Kundenfeedback nicht nur verbessert, sondern der Sinn des Produktes generell infrage gestellt. Eine wichtige Rolle spielt dabei, dass zuvor implizites Wissen expliziert wird, also für andere sichtbar und diskutierbar wird (vgl. Nonaka & Takeuchi, 1995). Insofern ist organisationales Lernen auch arbeitsbezogen, wenn durch Organisationen ein Arbeitskontext entsteht. Allerdings bewegt sich organisationales Lernen auf der organisationalen Ebene und fällt insofern nicht unter die hier verwendete Definition von arbeitsbezogenem Lernen.

1.4  Bedeutung für das Personalmanagement

Arbeitsbezogenes Lernen ist in Unternehmen weit verbreitet. Dies zeigen zum Beispiel die alle fünf Jahre stattfindenden europäischen Erhebungen im Rahmen des „Continuing Vocational Training Survey“ (CVTS). In diesem Rahmen finden EU-weit Erhebungen zu vielen Formen des arbeitsbezogenen Lernens statt (siehe Tabelle 2 für die Unterscheidung der untersuchten Formen), die eine Einordnung der nationalen Zahlen möglich machen.

Die CVTS6 ist die sechste Erhebung, die sich auf das Jahr 2020 bezieht. EU-weit haben demnach 67.4 % der Unternehmen ihren Beschäftigten arbeitsbezogene Lernangebote gemacht. Betrachtet man den deutschsprachigen Raum, findet man sogar noch höhere Werte: In Deutschland betrug der Anteil gut 77 % und in Österreich 79 % (siehe Tabelle 2). Die Teilnahmequote an diesen Angeboten liegt bei etwa 50 %, d. h. etwa die Hälfte der Beschäftigten nimmt arbeitsbezogene Lernangebote in Anspruch. In absoluten Zahlen bedeutet dies für Deutschland, dass |6|2020 etwa 6.23 Millionen Personen an arbeitsbezogenen Lernangeboten teilgenommen haben (Statistisches Bundesamt, 2021). Im Jahr 2019 – also vor der Covid-19-Pandemie – waren es sogar 7.41 Millionen Personen (Statistisches Bundesamt, 2021). Dabei zeigt sich ein stabiles Phänomen: Je größer die Unternehmen sind, desto mehr Beschäftigte nehmen an Weiterbildungsangeboten teil (Cedefop, 2015). Der Unterschied zwischen kleinen Unternehmen (10 bis 49 Beschäftigte) und großen Unternehmen (über 250 Beschäftigte) ist in Deutschland besonders stark (bezogen auf das Jahr 2015; Eurostat, 2022a).

Tabelle 2:  Verbreitung verschiedener Formen der arbeitsbezogenen Lernangebote in Unternehmen sowie Weiterbildungskosten und aufgewendete Zeit im Vergleich

Deutschland

Österreich

EU

Unternehmen in %, die Weiterbildungsmaßnahmen anbieten1

2015: 77.32020: 77.2

2015: 88.12020: 79.3

2015: 70.52020: 67.4

Teilnahmequote in % der Beschäftigten in Unternehmen, die Weiterbildung anbieten

2015: 44.72020: 52.32

2015: 48.8

2015: 52.5

Angebot unterschiedlicher arbeitsbezogener Lernangebote

% der Unternehmen, die Lehrveranstaltungena anbieten

2010: 612015: 61.92020: 63.2

2010: 72.42015: 81.62020: 69.5

2010: 55.02015: 60.22020: 54.9

|7|% der Unternehmen, die On-the-Job-Trainingb anbieten

2010: 452015: 64.32020: 60.8

2010: 392015: 48.72020: 48.0

2010: 34

% der Unternehmen, die Job Rotationc anbieten

2010:  72015:  9.92020: 10.2

2010: 202015: 17.12020: 12.1

2010: 10

% der Unternehmen, die Lern- und Qualitätszirkeld anbieten

2010: 122015: 18.52020: 16.5

2010: 232015: 26.52020: 22.2

2010: 10

% der Unternehmen, die den Besuch von Informationsveranstaltungene anbieten

2010: 562015: 59.32020: 50.3

2010: 63.72015: 65.42020: 41.5

2010: 32.72015: 37.22020: 29.4

% der Unternehmen, die selbstgesteuertes Lernenf anbieten

2010: 152015: 26.42020: 41.7

2010: 13.02015: 21.62020: 36.2

2010: 12.52015: 19.52020: 29.1

Kosten für die Lernangebote

Gesamte Kosten (bezogen auf Unternehmen mit Lernangeboten) in Euro… je beschäftigter Person

2015: 8012020: 966

2015: 6192020: 481

… je teilnehmender Person

2015: 1 7392020: 1 846

2015: 1 3652020: 1 378

Weiterbildungskosten je Kursstunde in Euro

2015: 81

2015: 632020: 72

Weiterbildungsstunden

Weiterbildungsstunden (bezahlte Arbeitsstunden) je teilnehmender Person

2015: 222020: 28

2015: 232020: 19

2015: 242020: 23

Anmerkungen: Die berichteten Zahlen beruhen auf den Erhebungen CVTS4 (2010), CVTS5 (2015) und CVTS6 (2020). Zahlen von 2010 aus Cedefop (2015); Zahlen von 2015 für Deutschland aus Statistisches Bundesamt (2017); Zahlen von 2020 für Deutschland aus Statistisches Bundesamt (2022b); Zahlen von 2015 für Österreich aus Statistik Austria (2018); Zahlen von 2020 für Österreich aus Statistik Austria (2023); 1 Zahlen aus Eurostat (2022b), 2 Zahlen aus Statistisches Bundesamt (2022a); Zahlen für EU beziehen sich auf EU-27, Zahlen aus Statistik Austria (2023)

a Dies umfasst Lehrgänge, Kurse und Seminare, die ausschließlich der betrieblichen Weiterbildung dienen und die räumlich getrennt vom Arbeitsplatz stattfinden.

b Dies umfasst geplante Ausbildungsphasen am Arbeitsplatz oder in der Arbeitsumgebung.

c Dies umfasst Job Rotation, Austauschprogramme, Abordnungen und Studienbesuche.

d Dies umfasst Gruppen von Beschäftigten, die sich regelmäßig treffen, um sich z. B. über Anforderungen der Arbeitsorganisation und des Arbeitsplatzes weiterzubilden oder gemeinsam Probleme zu lösen, sofern Weiterbildung der vorrangige Zweck für die Teilnahme ist.

e Dies umfasst Fachvorträge, Fachtagungen/Kongresse/Symposien/Kolloquien, Workshops, Fachmessen, Erfahrungsaustauschkreise.

f Dies umfasst z. B. Lernen durch E-Learning und mit audio-visuellen Hilfen wie Videos und anderen Medien.

Die Bedeutung des arbeitsbezogenen Lernens für das Personalmanagement zeigt sich u. a. an der für die Weiterbildung aufgewendeten Zeit. Diese liegt bei 22 (Deutschland) bzw. 23 Stunden (Österreich) im Jahr 2015 (siehe Tabelle 2). Allerdings ist die investierte Zeit in Deutschland im Jahr 2020 sogar auf 28 Stunden gestiegen (während sie im EU-Schnitt und in Österreich eher stagnierte), was auf die zunehmende Relevanz hindeutet. Ein weiterer Indikator für die Bedeutsamkeit sind die Kosten, die durch arbeitsbezogenes Lernen entstehen. Hier gibt es verschiedene Einheiten, die betrachtet werden können – je beschäftigter Person, je teilnehmender Person oder je Kursstunde (siehe Tabelle 2). Schaut man beispielsweise auf die Kosten je teilnehmender Person an Weiterbildungsangeboten, so lagen diese im Jahr 2020 in Deutschland bei 1 846 Euro und sind damit im Vergleich zu 2015 ca. um 100 Euro angestiegen. In Österreich lagen die Kosten mit 1 365 Euro (2015) bzw. 1 378 Euro (2020) deutlich niedriger. Zudem kann man die Gesamtkosten der arbeitsbezogenen Lernangebote betrachten. Diese wurden vom Institut der deutschen Wirtschaft für 2019 in Deutschland auf 41.3 Milliarden Euro geschätzt, wobei der Fokus auf formalen Angeboten liegt (Seyda & Placke, 2020). Gegenüber 2010 ist dies ein Anstieg von ca. 43 %. Damals betrugen die Weiterbildungskosten insgesamt nur 28.9 Milliarden Euro – allerdings sind Preissteigerungen und Lohnentwicklungen nicht berücksichtigt. Interessant ist zudem die Zusammensetzung der Kosten. Es entfällt etwa die eine |8|Hälfte auf direkte Kosten (z. B. Seminargebühren) und die andere Hälfte auf indirekte Kosten (v. a. Personalkosten) (Seyda & Placke, 2020). Dieses Verhältnis wird annähernd auch für Österreich berichtet (Statistik Austria, 2018). Übertragen auf verschiedene Formen des arbeitsbezogenen Lernens ist dieses Verhältnis ebenfalls relevant: Die direkten Kosten sind zwar oft geringer (z. B. fallen für informelles Lernen keine Seminargebühren an), indirekte Kosten existieren hier aber ebenfalls.

1.5  Verbreitung von Lernen in Unternehmen

Die im Rahmen der CVTS erhobenen Zahlen geben zudem Aufschluss darüber, wie verbreitet verschiedene Lernformate in der Praxis sind. In der CVTS6 wurde deutlich, dass besonders drei Formen arbeitsbezogenen Lernens verbreitet sind:

Klassische Lehrveranstaltungen (d. h. Lehrgänge, Kurse und Seminare, die ausschließlich der betrieblichen Weiterbildung dienen und die vom Arbeitsplatz räumlich getrennt stattfinden),

der Besuch von Informationsveranstaltungen (z. B. Fachvorträge oder Tagungen/Kongresse) und

On-the-Job-Training (Weiterbildung am Arbeitsplatz) (siehe Tabelle 2).

Demnach boten bezogen auf das Jahr 2020 in Deutschland 63.2 % und in Österreich 69.5 % der Unternehmen klassische Lehrveranstaltungen an. Der Besuch von Informationsveranstaltungen liegt bei 50.3 % (Deutschland) bzw. 41.5 % (Österreich) und On-the-Job-Training ist mit 60.8 % in Deutschland deutlich verbreiteter als in Österreich (48.0 %). Damit liegen beide Länder aber in allen Kategorien deutlich über dem EU-Durchschnitt. Interessant ist zudem, dass das selbstgesteuerte Lernen (d. h. Lernen durch E-Learning und mit audio-visuellen Hilfen wie Videos und anderen Medien) deutlich an Verbreitung gewonnen hat: Die Anteile haben sich in Deutschland und Österreich zwischen 2010 und 2020 beinahe verdreifacht und sind in Deutschland 2020 auf 41.7 % und in Österreich auf 36.2 % gestiegen.

Die Zahlen geben eine grobe Orientierung über die Verbreitung des arbeitsbezogenen Lernens in Unternehmen. Zu beachten ist, dass die Zahlen oft nur Schätzungen darstellen. Begrifflichkeiten bieten einen Ermessensspielraum (z. B. die unterschiedliche Verwendung des Begriffs Weiterbildung) und Stichproben beeinflussen ebenso die Schätzwerte. Als Fazit bleibt jedoch festzuhalten, dass arbeitsbezogenes Lernen für nahezu alle Unternehmen einen hohen Stellenwert besitzt. Neben klassischen Formaten des formalen Lernens wie Schulungen, Seminaren und Lehrveranstaltungen wächst die Bedeutung von arbeitsplatznahen (z. B. „On-the-Job-Training“ gemäß CVTS) und weniger formalisierten Lernformen (z. B. „selbstgesteuertes Lernen“).

|9|1.6  Betrieblicher Nutzen

Bei derart hohen Ausgaben für arbeitsbezogenes Lernen stellt sich selbstverständlich die Frage des betrieblichen Nutzens. Im Zuge des formalen Lernens, z. B. hinsichtlich klassischer Fortbildungen und Seminare, wird in der Forschung hierbei vor allem das „Transferproblem“ betrachtet: Das Gelernte wird nicht oder nur unvollständig in der Praxis umgesetzt (Baldwin & Ford, 1988; Blume, Ford, Baldwin & Huang, 2010). Schätzungen gehen davon aus, dass lediglich ein geringer Lernanteil aus Trainings in die Praxis transferiert wird und Investitionen daher oftmals verpuffen (Ford, Baldwin & Prasad, 2018).

Oft herrscht in der Praxis nämlich die mechanistische Vorstellung, dass Leistungsdefizite bei Beschäftigten durch ein Training vollständig ausgeglichen werden können. Fehlen Wissen und Kompetenzen bei den Beschäftigten, sehen einige Führungskräfte nicht nur Schulungsbedarf, sondern gehen auch davon aus, dass eine Schulung hinreichend ist, um dem Problem zu begegnen. Im Gegensatz zum informellen Lernen fallen beim formalen Lernen der Lernprozess und die Anwendung jedoch nicht zusammen. Das bedeutet, dass an Trainings und anderen formalen Lernangeboten Teilnehmende das Gelernte in der Praxis anwenden müssen, damit es wirksam wird. Die empirische Evidenz des Transferproblems zeigt sich auch im lediglich geringen Zusammenhang zwischen dem Lernen und der Anwendung des im Training Gelernten (Arthur, Bennett, Edens & Bell, 2003).

Die Gründe für das Transferproblem sind vielschichtig – zu unterscheiden ist jedoch die Input- und die Output-Seite: Auf der Input-Seite (dem Training selbst) wird der Grundstein für einen erfolgreichen Transfer gelegt. Sind beispielsweise die Trainingsinhalte zu generisch und passen nicht zu den spezifischen Problemen am Arbeitsplatz, wird der anschließende Transfer erschwert. Auch ein unpassender Trainingszeitpunkt ist hier zu nennen: Wird ein Training im Angesicht einer akuten beruflichen Herausforderung gebucht, vergehen üblicherweise mehrere Tage, Wochen oder sogar Monate bis zur eigentlichen Trainingsteilnahme. Zum Teilnahmezeitpunkt sind im Tagesgeschäft eventuell aber bereits andere Herausforderungen vordringlich. Zudem ist ein „Lernen auf Vorrat“ nur in sehr begrenztem Maße möglich. Auf der Output-Seite (im Nachgang des Trainings) erfolgt der eigentliche Trainingstransfer. Hier spielen Führungskräfte eine wichtige Rolle: Erkundigen sie sich nach den gelernten Inhalten und ermutigen sie die teilnehmende Person, die neuen Inhalte in den Arbeitsprozess zu integrieren? Oder sehen sie in den neuen Methoden lediglich einen kurzfristigen Störfaktor, der zunächst die Arbeitseffizienz senkt und die Fehlerquote erhöht? Eine Unterstützung durch Führungskräfte und Kollegium, die z. B. den Personen zugesteht, Trainingsinhalte in den Arbeitsalltag zu integrieren, auch wenn nicht sofort alles perfekt läuft, gilt als transferförderlich (für eine ausführliche Darstellung siehe Abschnitt 2.2.1.2).

|10|Trotz des Transferproblems – und das mag zunächst widersprüchlich erscheinen – stehen Trainingsangebote in einem positiven Zusammenhang mit dem Unternehmenserfolg (Kim & Ployhart, 2014; Saks & Burke-Smalley, 2014). Zu erklären ist dies dadurch, dass Organisationen auch dann profitieren, wenn nur ein Bruchteil des Gelernten transferiert wird, während fehlende Trainings eher zum Stillstand führen. Trainingsangebote sind also sinnvoll, wenn der Transfer von Anfang an mitgedacht wird. Bei formalen Trainings kann die Effizienz der Investitionen durch eine sinnvolle Gestaltung der Trainings und vor allem des Trainingstransfers gesichert werden. Es reicht nicht, nur bei der Qualität der Weiterbildung anzusetzen, sondern es müssen auch Merkmale der Teilnehmenden und vor allem die Gestaltung des Arbeitsumfeldes berücksichtigt werden (Ford et al., 2018).

Die folgenden Berechnungen sollen – vereinfacht dargestellt – den wirtschaftlichen Nutzen von Investitionen in die Weiterbildung exemplarisch illustrieren:

Beispiel 1: „Verkaufszahlen”

Angenommen, ein Unternehmen investiert pro Person 1 000 Euro in ein Verkaufstraining. Im Jahr erzielen Beschäftigte durch das Training im Mittel einen Verkaufsabschluss mehr pro Person, der einen Umsatz von durchschnittlich 3 000 Euro erbringt. Der Return on Investment läge hier bei 3 : 1.

In der Praxis ist es schwierig, den unmittelbaren Nutzen von Trainings monetär zu bestimmen und Effekte auf einzelne Maßnahmen zurückzuführen. Dies setzt aufwendige Evaluationsdesigns voraus (Solga, Ryschka & Mattenklott, 2011). Wie in anderen Bereichen des Controllings lassen sich jedoch Kosten und Nutzen schätzen. Dabei kann auf Forschungsbefunde zurückgegriffen werden, um die Wirksamkeit verschiedener Maßnahmen zu beurteilen und Wirkungen anhand von Effektstärkemaßen zu quantifizieren. Zu beachten ist jedoch, dass Trainings auch immateriellen Nutzen haben, der sich nicht unmittelbar in Geldwerten ausdrücken lässt (z. B. Verbesserung der Zufriedenheit von Beschäftigten). Auch haben Weiterbildungen erwünschte Nebeneffekte (z. B. Aufbau von Netzwerken innerhalb und außerhalb einer Organisation, Bindung von Beschäftigten). Der Verzicht auf Weiterbildungen wäre infolgedessen mit – wenn auch schwer zu bestimmenden – Opportunitätskosten verbunden.

Neben einem entgangenen Nutzen fallen unter Umständen auch Kosten an. Fehlen ausreichend Lernangebote während der Einarbeitungsphase, kann sich eine Fachkraft bei Konkurrenzunternehmen bewerben. Die Stelle muss neu ausgeschrieben werden. Kosten für das Recruiting sind bereits angefallen, der Umsatz bleibt jedoch aus.

|11|Beispiel 2: „Kosten durch Kündigung”

Eine Führungskraft kündigt nach einem Jahr – unter anderem, da ihr Weiterbildungsangebote fehlen. Die Stelle ist drei Monate vakant. Dies entspricht einem Umsatzausfall von etwa 30 000 Euro, hinzu kommen Recruiting- und Auswahlkosten von 40 000 Euro. Insgesamt entsteht ein geschätzter Verlust von 70 000 Euro. Die Finanzierung eines Weiterbildungsprogramms, das pro Führungskraft 10 000 Euro kostet, wäre eine sinnvolle Investition gewesen.

1.7  Weitere Ziele

Neben den genannten finanziellen Nutzenargumenten gibt es noch zahlreiche andere Gründe, warum sich eine Beschäftigung mit dem Thema Lernen in Unternehmen lohnt. Im Folgenden wird eine nicht erschöpfende Auswahl dargestellt.

Bindung an das Unternehmen. Oft gibt es in Unternehmen gewisse Vorbehalte, in das Lernen der Beschäftigten zu investieren, sei es direkt in Form von finanziellen Mitteln oder indirekt durch Bereitstellung von Zeit für Weiterbildung. Dahinter steckt die Befürchtung, dass diese Beschäftigten damit ihren Wert auf dem Arbeitsmarkt steigern und dadurch bessere Chancen haben, den Arbeitgeber zu wechseln. Allerdings sprechen empirische Befunde im Gegenteil eher für eine Erhöhung des Commitments durch das Angebot von Weiterentwicklungsmöglichkeiten (Forrier, De Cuyper & Akkermans, 2018).

Lernen als Gesundheitsressource. Moderne Arbeitswelten sind von Anforderungen geprägt, die oftmals komplex und unübersichtlich sind und sich dynamisch verändern. Damit gewinnt der Blick auf Ressourcen eine große Bedeutung (vgl. Bakker & Demerouti, 2017), weil Ressourcen helfen können, trotz dieser Mehrfachbelastungen handlungsfähig zu bleiben. Lernen kann eine solche Ressource sein, da Lernprozesse helfen, Kompetenzen zur Bewältigung neuer Anforderungen zu entwickeln. Wer Lernaktivitäten nachgeht, reduziert beispielsweise die negative Wirkung von Stressoren wie Aufgabenunklarheit (Zhang, Mayer & Hwang, 2018). Gleichzeitig stoßen Anforderungen der Arbeit auch Lernprozesse an und stärken auf diese Weise die individuelle Resilienz (vgl. Crane, Searle, Kangas & Nwiran, 2019; Kunzelmann & Rigotti, 2022).

Lernen zur Umsetzung von Vorgaben und Richtlinien. Der rechtliche Rahmen stellt eine zunehmende Anforderung in vielen Branchen dar. Neben branchenspezifischen Regeln existieren auch viele übergreifende Vorgaben, z. B. zu Arbeitssicherheit, Datenschutz und verstärkt auch IT-Sicherheit. Für immer mehr Tätigkeiten gibt es dadurch formale Vorgaben, die nur durch den Besuch entsprechender Schulungen zu erfüllen sind. Insofern kommt Lernen auch in diesem Rahmen eine |12|große Bedeutung zu, um die Organisation rechtssicher aufzustellen und Risiken zu minimieren.

Lernen als Anpassung an Veränderungen. Die immer schnelleren Veränderungen in der Arbeitswelt machen es notwendig, dass Beschäftigte sich ständig weiterentwickeln. Lernen ist insofern eine notwendige Reaktion auf diese Änderungen. Aus neuen Anforderungen resultiert ein erweiterter Bedarf an notwendigen Schulungen, ohne die man bestimmte Tätigkeiten gar nicht (mehr) ausführen kann oder darf. Um diesen ständigen Veränderungen Rechnung zu tragen, wird auch die Entwicklung von Lern-Metakompetenzen wichtig. Die Metakompetenz „Lernen lernen“ bedeutet, Lerngelegenheiten frühzeitig zu erkennen, zu ergreifen sowie bei der Arbeit aufgetretene Fehler im positiven Sinne für den eigenen Kompetenzerwerb zu nutzen (Decius, 2020). Die Lernenden sind so in der Lage, sich themenunabhängig und selbstständig neue Kompetenzen anzueignen.

Lernen zur Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit. Lernen spielt auch für die individuelle Laufbahnplanung eine wichtige Rolle. Durch Lernen können Beschäftigte Kompetenzen und Qualifikationen erwerben, die es überhaupt erst möglich machen, den Beruf (weiterhin) auszuüben. Insofern dient Lernen dem Erhalt der individuellen Beschäftigungsfähigkeit. Der Zusammenhang zwischen Lernen und Beschäftigungsfähigkeit konnte auch empirisch gezeigt werden (Decius, Knappstein & Klug, 2023; Houben, De Cuyper, Kyndt & Forrier, 2021). Die Beschäftigten können sich beispielsweise Kompetenzen und Qualifikationen aneignen, die für die eigene Karriereentwicklung relevant sind und den Aufstieg im eigenen Unternehmen erleichtern oder den eigenen Wert für den externen Arbeitsmarkt erhöhen.

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Die Begriffe arbeitsbezogenes Lernen und Lernen in Unternehmen werden im Buch synonym verwendet.

|13|2  Arbeitsbezogenes Lernen in Unternehmen – Modelle und Befunde

Lernen und Arbeiten sind zwei nicht trennbare Prozesse. Arbeitsbezogenes Lernen findet daher ständig in Unternehmen statt, ob nun gewollt oder nicht. Um das arbeitsbezogene Lernen nicht dem Zufall zu überlassen, sondern es aktiv zu gestalten, müssen sich die mit dem Thema befassten Personen im Unternehmen folgende Fragen stellen:

Wozu wird in Unternehmen gelernt?

Wie wird in Unternehmen gelernt?

Wie lässt sich das Lernen in Unternehmen fördern?

Diese Fragen werden als Leitfragen in diesem Kapitel nacheinander beantwortet.

2.1  Wozu wird in Unternehmen gelernt?

Lernen hat die übergeordnete Funktion, Kompetenzen zu entwickeln.

Kompetenzen im beruflichen Kontext umfassen alle Wissensbestände, Fertigkeiten, Fähigkeiten und anderen Merkmale (z. B. Handlungsbereitschaft, Einstellungen, Haltungen), die zur Aufgabenbewältigung beitragen (vgl. Kauffeld & Paulsen, 2018).