Lernen mit 85 komplexen Fallsituationen - Karin Klas - E-Book

Lernen mit 85 komplexen Fallsituationen E-Book

Karin Klas

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Beschreibung

Lernen mit Fallsituationen Alltägliches pflegerisches Handeln findet in Form von komplexen Fallsituationen statt. Daher bedarf es im Rahmen der Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege der gezielten Förderung von vernetztem Denken und einer handlungsorientierten Anwendung theoretischen Wissens. Dieses Arbeitsbuch umfasst 85 komplexe Fallsituationen, von denen jede für sich ein spezifisches pflegerisches Themenfeld behandelt. Die Fallsituationen sind aus der Praxis übernommen, für das Buch adaptiert und bearbeitet worden. Ziele dabei sind die Förderung von Analysefähigkeit, Kompetenzaufbau sowie die Annäherung an ein ganzheitliches Verständnis für Fallsituationen. Damit ist dieses Buch nicht nur eine kompakte Begleitung für handlungsorientiertes Lehren und Lernen in Pflegeausbildungen, sondern bietet auch eine solide Grundlage für die Weiterentwicklung eines diagnostischen Pflegeverständnisses und die Umsetzung einer präzisen Diagnostik in der Praxis. • Mit einer Einleitung zur strukturierten Fallbearbeitung • Raum für Notizen Für Studierende und Lehrende der Bachelorstudiengänge Gesundheits- und Krankenpflege sowie Pflegemanager:innen und interessierte Praktiker:innen.

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Karin Klas, Melitta Horak, Bettina Bachmann-Schrittesser

Lernen mit 85 komplexen Fallsituationen

Ein Arbeitsbuch für das Erlernen der präzisen Pflegediagnostik in Studium und Praxis

Eine geschlechtergerechte Schreibweise wird in diesem Buch vorwiegend durch die Verwendung der Schreibung mit Stern * realisiert. Ist eine korrekte, alle Endungen berücksichtigende Schreibung auf diese Weise nicht möglich oder erfordert sie Ergänzungen, die den Lesefluss hemmen, so wird – stellvertretend für alle Geschlechter – die weibliche und männliche Form abgewechselt.

Einige der Fallbeispiele im vorliegenden Band wurden aus dem Vorgängerwerk „50 komplexe Fallsituationen. Ein Arbeitsbuch für Studierende und Lehrende der Bachelorstudiengänge Gesundheits- und Krankenpflege“, herausgegeben von Karin Klas und Stefanie Mayrhofer, übernommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie der Übersetzung, sind vorbehalten.

Alle Angaben in diesem Fachbuch erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr, eine Haftung der Autorinnen oder des Verlages ist ausgeschlossen.

1. Auflage 2024

Copyright © 2024 Facultas Verlags- und Buchhandels AG

facultas Verlag, 1050 Wien, Österreich

Umschlagfoto: simarik, istockphoto.com

Satz: Wandl Multimedia-Agentur, Groß Weikersdorf

Lektorat: Laura Hödl, Wien

Druck: Facultas Verlags- und Buchhandels AG

Printed in the EU

ISBN 978-3-7089-2440-3

E-ISBN 978-3-99111-843-5

Vorwort

Professionelle Pflege zeichnet sich durch eine doppelte Handlungslogik aus, indem eine individuelle Situation vor dem Hintergrund des bestehenden Fachwissens ausgelegt wird. Die Auslegung wird auch als hermeneutisches Fallverstehen bezeichnet und muss gelernt, geübt und ständig weiterentwickelt werden. Dieser Lern- und Entwicklungsprozess erfolgt auf der Basis zweier Denksysteme. Denksystem eins arbeitet automatisch, schnell und mit wenig Kontrolle, es folgt dem Prinzip „sehen und wissen, was es bedeutet“. Denksystem zwei arbeitet überlegt, langsam und kontrolliert. Die Aufmerksamkeit ist dabei auf das eigene Denken und Handeln und auf subjektive Erfahrungen gerichtet. Das automatische Denksystem eins kann nur über das langsame Denksystem zwei verändert bzw. verbessert werden (Kahnemann, 2011). Letzteres ist für das pflegerische Handeln von Bedeutung, soll verhindert werden, dass Versuch und Irrtum oder unhinterfragte Rituale die Praxis des Handelns bestimmen. Dies gilt umso mehr in komplexen Pflegesituationen, mit denen die Pflegepraxis zunehmend konfrontiert ist.

Komplexe Pflegesituationen ergeben sich aus den Bedürfnissen der zu Pflegenden, die in Lebens- und Krankengeschichten eingebettet und vom sozialen und räumlichen Umfeld beeinflusst sind. Bestimmend sind hierbei die Biographie, die Lebenswelt und der Alltag sowie Co- und Multimorbidität, einhergehend mit Alterserscheinungen und daraus resultierenden psychischen und physischen Einschränkungen. Die Komplexität von Pflegesituationen wird ein weiteres Mal bestimmt durch organisatorische Entwicklungen wie Qualitätsanforderungen, verkürzte Aufenthaltsdauern, Sparprogramme sowie durch das Schwinden des privaten und professionellen Pflegepotenzials und daraus resultierenden Versorgungs- und Finanzierungsengpässe. In der Kombination ergeben sich Pflegesituationen, deren Lösungen nicht im Lehrbuch stehen, sondern die im individuellen Fall zu entwic keln sind. Dabei ist der Rückgriff auf Fachwissen, klinische Erfahrungen und auf die Präferenzen der zu Pflegenden nötig. Die Suche nach individuellen Lösungen benötigt jedoch Zeit, die in der aktuellen Entscheidungssituation oft nicht gegeben ist. Es stehen begrenzte Informationen zur Verfügung bzw. können nicht alle Möglichkeiten in Erwägung gezogen werden. Und so kommt es oft nicht zur besten Lösung, sondern zu der im Moment zufriedenstellendsten Lösung. Voraussetzung für eine gute Entscheidung bei Entscheidungsnotwendigkeit und begrenzten Zeitressourcen ist dabei das Situationsbewusstsein, d. h. das Wissen, was der Fall ist, indem die Situation rasch eingeschätzt wird, die Handlungsmöglichkeiten abgewogen und die Konsequenzen des Handelns abgeschätzt werden. Zur Entwicklung dieses Situationsbewusstseins bedarf es des langsamen Denksystems und passender Instrumente. Hierzu bieten sich die Methode der Fallarbeit und das Concept Mapping an. In der Fallarbeit werden konkrete Pflegesituationen vor dem Hintergrund theoretischer Erkenntnisse und praktischer Erfahrungen einer Lösung zugeführt. So können komplexe Situationen, die undeutlich, zweifelhaft, konfliktreich oder irritierend sind, in klare, verständliche, entschiedene und harmonische Situationen transformiert werden. Mittels Concept Mapping werden die Informationen geordnet auf ihre Zusammenhänge geprüft bzw. Muster erkannt und mögliche Ansatzpunkte des Handelns abgeleitet. Damit wird nicht nur das Situationsbewusstsein entwickelt und gefördert, es werden auch die Problemlösungsfähigkeit und die pflegerischen Kernkompetenzen als zentrale Anforderungen beruflichen Handelns gestärkt.

Dazu liegt nun eine aktualisierte und erweiterte Version des Arbeitsbuches vor, das sowohl Lernenden als auch Lehrenden eine reiche Auswahl an Übungsmöglichkeiten für alle Pflegesettings bietet. Den Autorinnen sei Dank für die Aufbereitung der Fallschilderungen, sie liefern damit nicht nur Übungsmaterial, sondern zeigen, womit Pflege im 21. Jahrhundert konfrontiert ist und was sie im besten Fall zu leisten vermag.

Herbst 2023

Berta Schrems

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Einleitung

2 Aufbau & Struktur der Fälle

2.1 Situationsbeschreibung

2.2 Problembeschreibung

3 Fallbearbeitung

3.1 Methodik der Fallarbeit – die Hermeneutik

3.2 Schritte der klinischen Entscheidungsfindung

3.3 Die Fallbeschreibung

3.3.1 Erster Schritt – Erfassung der Reaktionen, relevanten Daten und Informationen

3.3.2 Zweiter Schritt – Erkennen von Mustern

3.3.3 Dritter Schritt – Klinische Entscheidungsfindung

3.3.4 Vierter Schritt – präzise Diagnostik

3.4 Ableitung von möglichen Pflegediagnosen

3.4.1 Priorisierung der Pflegediagnosen

3.4.2 Ausformulierung der zu höchst priorisierenden Pflegediagnose

4 Beispielfall

5 Fallbeispiele

Setting Akutpflege

Fallbeispiel 1: Urologischer Patient

Fallbeispiel 2: Patientin mit Myokardinfarkt

Fallbeispiel 3: Patient mit multipler Sklerose

Fallbeispiel 4: Patientin mit HIV

Fallbeispiel 5: Patient nach Cholezystekomie

Fallbeispiel 6: Patientin in beginnendem Coma hepaticum

Fallbeispiel 7: Junger Patient mit Apoplex

Fallbeispiel 8: Patientin mit frisch angelegtem Colostoma

Fallbeispiel 9: Patient mit diabetischem Fuß

Fallbeispiel 10: Patientin mit COPD

Fallbeispiel 11: Patientin mit Hysterektomie

Fallbeispiel 12: Patient nach TIA

Fallbeispiel 13: Patient mit diabetischem Fußsyndrom in ambulanter Behandlung

Fallbeispiel 14: Patient mit akuter Cholezystitis

Fallbeispiel 15: Patientin mit Konzentrationsstörungen und St. p. Unfall

Fallbeispiel 16: Patient mit kardialer Dekompensation, Dyspnoe und Covid-19-Infektion

Fallbeispiel 17: Patientin mit akutem Insult

Fallbeispiel 18: Patientin mit Brustkrebs

Fallbeispiel 19: Patient mit Myokardinfarkt

Fallbeispiel 20: Patientin mit Multipler Sklerose

Fallbeispiel 21: Patient mit Prostataoperation

Fallbeispiel 22: Patient mit Pneumonie und HIV

Fallbeispiel 23: Patientin nach Cholezystektomie

Fallbeispiel 24: Patientin im Coma diabeticum

Fallbeispiel 25: Patient mit Insult

Fallbeispiel 26: Patient mit Ileostoma

Fallbeispiel 27: Patient mit Ulcus Cruris

Fallbeispiel 28: Patient mit COPD und Bronchitis

Fallbeispiel 29: Patientin mit totalem Hüftgelenksersatz

Fallbeispiel 30: Patientin mit kardialer Erkrankung

Fallbeispiel 31: Patientin mit Verdacht auf Bronchialkarzinom

Fallbeispiel 32: Patient mit Krebs im Endstadium in Palliativpflege

Fallbeispiel 33: Patient mit Kardiomyopathie und Herzinsuffizienz

Fallbeispiel 34: Patientin mit kardialer Begleiterkrankung

Fallbeispiel 35: Patient nach bauchchirurgischer Operation

Fallbeispiel 36: Patientin mit neurologischem Problem

Fallbeispiel 37: Patientin mit Hüftfraktur

Fallbeispiel 38: Patient nach laparaskopischem Eingriff

Fallbeispiel 39: Patient St. p. Apoplex mit Verdacht auf Tumor

Fallbeispiel 40: Patient mit Diabetes mellitus Typ 2 und Folgeerkrankung

Fallbeispiel 41: Patientin mit Verdacht auf Darmtumor

Fallbeispiel 42: Patient mit Pankreastumor

Fallbeispiel 43: Patient mit postoperativer Infektion

Fallbeispiel 44: Patientin mit Diabetes Typ 2 und Folgeerkrankungen

Fallbeispiel 45: Patientin mit gynäkologischem Eingriff

Fallbeispiel 46: Patient mit Colostoma nach Tumor-OP

Fallbeispiel 47: Patientin nach Unfall

Fallbeispiel 48: Patientin mit Brustkrebs

Setting Langzeitpflege

Fallbeispiel 49: Bewohnerin im Wachkoma

Fallbeispiel 50: Bewohnerin mit apallischem Syndrom

Fallbeispiel 51: Patientin nach Darmperforation und geplanter Verlegung in Langzeitpflege

Fallbeispiel 52: Patient mit chronischer Erkrankung – Vorbereitung auf die Langzeitpflege

Fallbeispiel 53: Morbider Patient in einer Langzeitpflegeeinrichtung

Setting Mobile Pflege und Betreuung

Fallbeispiel 54: Klientin mit Hemiparese im häuslichen Setting

Fallbeispiel 55: Klient mit Dialyse

Fallbeispiel 56: Patient nach Oberschenkelhalsfraktur in Heimversorgung

Fallbeispiel 57: Klientin mit Herzinsuffizienz und Ulcus cruris venosum

Fallbeispiel 58: Älterer Herr mit einer Amputation

Fallbeispiel 59: Unzureichende extramurale Versorgung eines Klienten

Fallbeispiel 60: Klient mit zunehmendem Pflegeaufwand

Fallbeispiel 61: Einschneidende Lebensveränderung eines Klienten durch eine schwerwiegende Erkrankung

Fallbeispiel 62: Patient mit multifaktoriellen Gesundheitsproblemen

Fallbeispiel 63: Patient nach Apoplex

Fallbeispiel 64: Patient mit COPD

Setting Pädiatrie

Fallbeispiel 65: Kind mit Tonsillektomie

Fallbeispiel 66: Kind mit Phimose

Fallbeispiel 67: Kind mit Commotio Cerebri

Fallbeispiel 68: Kind mit akuter Bronchitis

Fallbeispiel 69: Kind mit akuten Bauchschmerzen

Fallbeispiel 70: Säugling mit akuter Atemwegsinfektion

Fallbeispiel 71: Säugling mit akuter Enteritis

Fallbeispiel 72: Kind mit selbstverletzendem Verhalten

Fallbeispiel 73: Kind mit Hundebissverletzung

Fallbeispiel 74: Neugeborenes mit Missbildungen

Psychiatrisches Setting

Fallbeispiel 75: Depressiver Patient nach Covid-19-Infektion

Fallbeispiel 76: Patientin mit Anorexia juvenilis

Fallbeispiel 77: Patientin mit bipolarer Störung

Fallbeispiel 78: Patientin mit Substanzmissbrauch

Fallbeispiel 79: Patientin mit Substanzmittelmissbrauch und Suizidanamnese

Fallbeispiel 80: Patient nach Suizidversuch und mit Covid-19-Erkrankung

Fallbeispiel 81: Patientin mit akuter Psychose

Fallbeispiel 82: Patient mit schweren depressiven Episoden, psychotischen Symptomen und Suizidversuch

Fallbeispiel 83: Teenager mit Anorexia nervosa

Rehabilitative Pflege

Fallbeispiel 84: Patient nach Apoplex

Fallbeispiel 85: Patientin mit PTBS

Abkürzungsverzeichnis

Verwendete Literatur

1 Einleitung

Pflegerisches Handeln und Entscheiden ist stets in mehrdimensionale, multikausale und oftmals komplexe Situationen eingebettet. Vor diesem Hintergrund ist es bereits im Rahmen des Studiums der Gesundheits- und Krankenpflege essentiell, vernetztes Denken sowie eine handlungsorientierte Anwendung theoretischen Wissens zu fördern. Ziel dieses Buches ist es, eine theoretische Fundierung sowie einen Fundus an Fällen für die Auseinandersetzung und den Umgang mit komplexen Fallsituationen bereitzustellen. Zu diesem Zweck wurden spezifische pflegerische Themenfelder in Form von 85 komplexen Fallsituationen aufbereitet. Grundlagen der Pflege, Elemente des Pflegeprozesses sowie Aspekte der pflegerischen und medizinischen Diagnostik und Therapie werden in Form praxisnaher Fallbeispiele dargestellt und durch eine fallspezifische Sozialanamnese ergänzt. Zentrale Anforderung dabei ist, die Situation im Fall ganzheitlich zu betrachten sowie strukturiert zu analysieren, Zusammenhänge zu erkennen und anhand der Schritte des Pflegeprozesses mit klinischer Entscheidungsfindung und präziser Diagnostik den pflegerischen Handlungsbedarf mithilfe relevanter Pflegediagnosen abzuleiten. Dabei ist es das Ziel, nicht nur Einzelphänomene aus einer komplexen Fallsituation abzubilden, sondern eine entsprechende Pflegediagnose zu generieren, von der, ausgehend von einem umfassenden und ganzheitlichen Verständnis hinsichtlich der Bedeutung aller relevanten Phänomene, eine entsprechende Pflege- und Betreuungsplanung abgeleitet werden kann. Dadurch werden nicht nur die Analysefähigkeit, sondern auch Fach-, Handlungs- und Sozialkompetenz gezielt gefördert, sowie die Fähigkeit zur Reflexion, Entscheidungsfindung und Problemlösung gestärkt. Die angeführten Fälle können damit sowohl als Grundlage für handlungsorientiertes Lehren und Lernen in Theorie und Praxis als auch für die fallorientierte Gestaltung von Prüfungen herangezogen werden.

2 Aufbau & Struktur der Fälle

Um in der Praxis mit Fällen zu arbeiten, bedarf es einer mündlichen oder schriftlichen Fallbeschreibung, die das Ereignis im Zusammenhang darstellt und von jener Person beschrieben wird, die konkrete Aussagen zur Situation benennen kann. Hierbei soll klar werden, welche Herausforderungen und Fragen geklärt werden müssen. Dabei ist es essentiell, dass die Fallbeschreibung die folgenden Inhalte widerspiegelt: umfassende und fokussierte Informationen, authentische, nicht vorinterpretierte Beschreibung, ein logischer Aufbau sowie eine kurze und eindeutige Sprache. Komplexe Fallbeschreibungen sollten sich nach Schrems (2022) zum besseren Verständnis in eine Situations- und eine Problembeschreibung gliedern. In dieser Publikation sind die Fälle in Form einer durchgehenden Fallbeschreibung belassen. Die Trennung von Situations- und Problembeschreibung ist die erste Aufgabenstellung in der Fallbearbeitung. Nachfolgend wird zum besseren Verständnis die getrennte Fallbeschreibung detailliert beschrieben.

2.1 Situationsbeschreibung

Grundsätzlich werden im Rahmen der Situationsbeschreibung die Art und der Auslöser des Problems bzw. der zu behandelnden Thematik dargelegt. Sie erfasst das kritische Ereignis im Fall und den auslösenden Moment als Schlüssel zur Vorgeschichte.

Weiters wird beschrieben, welche Personen und welche Organisationen, Organisationseinheiten und/oder welche Einrichtungen an der Fallsituation beteiligt sind.

Man stellt sich die Fragen:

• Wer ist beteiligt?

• Wie geht es den beteiligten Personen?

2.2 Problembeschreibung

Die Problembeschreibung ist definiert durch die Kontextinformationen aus drei unterschiedlichen Bereichen. Inhaltlich umfassen nach Schrems (2016) diese drei Bereiche folgende Aspekte:

• Aspekte aus der Anamnese wie die Sozialdaten (u. a. Geschlecht, Alter, Beruf, ökonomische Lebensumstände, familiäre Situation), biografische Daten, Erfahrungen durch frühere Krankenhausaufenthalte, Ressourcen, Gewohnheiten oder Informationen zum räumlichen Umfeld.

• Klinische Informationen wie Diagnosen, Symptome, Befunde, physische und psychische Konstitution, das Erleben, Erfahrungen, nonverbale Informationen (z. B. Körperhaltungen bezogen auf psychische und physische Probleme) oder die Art der Situationsbewältigung.

• Bisher gesetzte Pflegeinterventionen sowie deren Outcome, die Selbstmanagementfähigkeiten und die bereits durch die betroffene Person gesetzten Maßnahmen.

Fallberichte (sogenannte Case Reports) stellen generell für die Beteiligten sowie für Unbeteiligte eine Möglichkeit dar, aus vergangenen Fällen zu lernen. Dabei kommt es zu einer umfassenden Beschreibung der Gegebenheiten in der Situation, indem die Gesundheits- und Krankheitsereignisse sowie die Reaktionen und Erfahrungen von einzelnen Menschen oder Gruppen beschrieben werden. Hierbei sollte sichergestellt werden, dass die Fallberichte in ihren Ausführungen gleichwertig dargestellt werden, um die Transparenz zu erhöhen. Dafür entwickelte eine Expertengruppe die Case-Reporting(CARE)-Guideline von Gagnier et al. (2013) und adaptierte die vormals medizinlastige Guideline mit Elementen aus der Pflege, um eine Checkliste mit gleichbleibenden Inhalten zur Präsentation des Fallberichtes zur Verfügung zu stellen. Dadurch kann auch eine interdisziplinäre Fallbesprechung mit inhaltlicher Annäherung gewährleistet werden. In der Publikation von Schrems (2022, S. 176–177) findet sich eine Darstellung der Checkliste der für die Pflege adaptierten Leitlinie von Gagnier et. al (2013).

Tabelle 1: Adaptierte CARE-Leitlinie-Checkliste (Pflege, 2020 (14); zitiert nach Schrems, 2022, S. 177)

Die für die Pflege adaptierte CARE-Leitlinie-Checkliste

Item Name

Item Nr.

Kurze Beschreibung

Titel

1

Das Wort „Fallbericht“ (oder Case Report) soll im Titel erscheinen, außerdem der primär interessierende Sachverhalt (z. B. Pflegephänomen, Pflegediagnose, Pflegeintervention, Pflegeoutcome)

Schlüsselwörter

2

2–5 Schlüsselwörter zu dem Fall

Zusammenfassung

3

a. Einleitung: Welche neuen Informationen liefert der Fall?

b. Falldarstellung – Hauptsymptome/-beschwerden des/der Patient*in:

• die wichtigen klinischen Befunde

• die wichtigen Diagnosen und Interventionen

• die wichtigen Ergebnisse

c. Schlussfolgerung – Was ist die Quintessenz des Fallberichts?

Einleitung

4

Kurzer Überblick zum Hintergrund des Falles, relevante pflegerische Literatur

Information über den/die Patient*in

5

a. Demographische Charakteristika (z. B. Alter, Geschlecht, ethnisch-kultureller Hintergrund, Beruf)

b. Hauptsymptome des/der Patient*in (Hauptbeschwerden), relevante Begleiterkrankungen

c. Pflegerische, familiäre, psychosoziale Anamnese und Details zu relevanten Begleiterkrankungen, bisherigen Interventionen und deren Ergebnisse

Klinische Befunde

6

Sofern zutreffend: relevante Befunde der körperlichen Untersuchung (KU)

Zeitachse

7

Darstellung wichtiger Zeitpunkte und Verläufe des Falles (Tabelle oder Abbildung)

Diagnostischer Prozess

8

a. Diagnostische Methoden (z. B. Beobachtung, Körperuntersuchung, Gespräch, Assessmentinstrument)

b. Diagnostische Herausforderungen (z. B. sprachlich, kulturell)

c. Diagnostische Überlegungen einschließlich anderer in Betracht gezogener Diagnosen

3 Fallbearbeitung

Voraussetzung für eine professionelle Auseinandersetzung mit komplexen Fallsituationen sind vertiefende Kenntnisse des Pflegeprozesses, vor allem hinsichtlich präziser Pflegediagnostik. Dabei ist es entscheidend, dass eine Fallbeschreibung schriftlich oder mündlich dargestellt wird, um die Daten, Informationen und Reaktionen der Patient*innen abzubilden. Die beschriebenen Situationen können bereits Auslegungen und eventuelle Lösungen beinhalten bzw. lassen unterschiedliche Interpretationen zu. Pflegepersonen treffen im Alltag in unterschiedlichen Settings wiederholt in kurzen Abständen Entscheidungen und sollten dabei durch das Einbeziehen von Werten, Fachwissen, Erfahrungswissen und Verantwortlichkeit die Unsicherheit über das Ergebnis und somit Fehleinschätzungen so gering wie möglich halten. Für die Optimierung des Denkprozesses, des Bildes vom Fall an sich, benötigen Pflegende eine Bildformung, die auf Grundlage von Fachwissen und Erfahrungswissen durchgeführt wird und die zu einer möglichen Hypothese, die verifiziert oder falsifiziert werden muss, führt. Der Vorgang der klinischen Entscheidungsfindung im Pflegeprozess hat das Ziel, durch diese Vorgehensweise die Herausforderungen eines Menschen in der momentanen Situation zu erfassen und durch den Einsatz von Pflegeinterventionen einen abgestimmten Sollzustand (Ziel) zu erreichen (Schrems, 2022). Diese Inhalte stellen die Grundlagen für die nachfolgend dargestellte Vorgehensweise zur Fallbearbeitung dar.

3.1 Methodik der Fallarbeit – die Hermeneutik

Das hermeneutische Fallverstehen nach Schrems (2022) bietet in der Anwendung die Möglichkeit, dass im Rahmen des hermeneutischen Zirkels zuvor Unverständliches in einer Fallsituation verständlicher wird. Dabei stehen Phänomene im Mittelpunkt, die Pflegepersonen bei den zu betreuenden Menschen beobachten und wahrnehmen und im Weiteren auf ihre Bedeutung hin überprüfen. Damit können sie sich dem Verstehen der menschlichen Reaktionen, der Relevanz von fallspezifischen Daten und Informationen, annähern. Im ersten Schritt wird die Bewertung dieser Reaktionen, Daten und Informationen aufgrund von Fachwissen, Erfahrung und den vorhandenen Begleitumständen vorgenommen. Die Auslegung ist dabei die Basis der Hermeneutik, um Beobachtungen adäquat auf die Situation hin einordnen zu können. Dafür benötigen Pflegepersonen ein Vorverständnis, welches sich aus ihren eigenen Erlebnissen, den eigenen Erfahrungen, dem spezifischen Fachwissen und den bereits generierten wissenschaftlichen Erkenntnissen zusammensetzt. Aufgrund dessen wird eine Vermutung (Hypothese) über die Beobachtung oder Wahrnehmung angestellt, die im Weiteren vertieft sowie reflektiert und mit neuen Informationen weiterentwickelt wird. Dabei kann es durch den vertieften Erkenntnisgewinn zu neuen Vermutungen kommen, bestehende können präzisiert oder auch verworfen werden. Aufbauend darauf wird die nun präzisierte Vermutung mit Fachwissen bzw. Beurteilungsinstrumenten auf Merkmale hin überprüft und in Form einer möglichen Pflegediagnose abgeleitet. Im letzten Schritt wird das Phänomen in Zusammenschau mit der Lebenswelt betrachtet, um die Bedeutung des Phänomens im Leben des Menschen und die wechselseitigen Einflüsse zu erkennen. In komplexen Fallsituationen ist es angebracht, die Teilbereiche separat zu analysieren, um eine angemessene Lösung der Herausforderungen in der Situation zu erreichen.

Nachfolgend wird die Vorgehensweise bei der klinischen Entscheidungsfindung anhand einer Fallsituation in einzelnen Schritten dargestellt, um Nachvollziehbarkeit bestmöglich gewährleisten zu können.

3.2 Schritte der klinischen Entscheidungsfindung

Die Schritte der klinischen Entscheidungsfindung orientieren sich an den Ausführungen von Gordon & Bartholomeyczik (2001).

• Erster Schritt:

– Erfassung der Reaktionen, relevanten Daten und Informationen mittels schriftlicher Darstellung – Informationen aus Anamnese, Assessments

–Clustern

• Zweiter Schritt:

– Erkennen und Hinterfragen der Bedeutung – Erfassen der Zusammenhänge

–Erkennen von Mustern

• Dritter Schritt:

– Hinter diesen Mustern aktuelle Gesundheitsprobleme und Lebensprozesse erfassen können

–Klinische Beurteilung

• Vierter Schritt:

– Ableiten der möglichen Pflegediagnosen, Priorisierung der relevantesten Pflegediagnose

–Präzise Diagnostik

3.3 Die Fallbeschreibung

Fr. Sommer ist 74 Jahre alt. Sie wohnt alleine in ihrer Wohnung im 3. Stock, ohne Lift, am Stadtrand. Aufgrund eines Sturzes wurde sie auf die chirurgische Abteilung eines Krankenhauses eingeliefert. Diagnose: Oberschenkelhalsfraktur. Bei der OP wurde eine Totalendoprothese (TEP) eingesetzt. Fr. Sommer kann laut dem operierenden Arzt zügig nach dem vorliegenden Mobilisationsschema mobilisiert werden. Bei allen Schritten der Mobilisierung und während der gesamten Unterstützung bei den beeinträchtigten Aktivitäten des täglichen Lebens (ATLs) zeigt sich, dass Fr. Sommer sehr ängstlich ist und auch immer wieder in Tränen ausbricht. Sie äußert darüber hinaus, große Angst zu haben, erneut zu stürzen, und möchte so schnell wie möglich wieder nach Hause. Ihre Tochter, die sie hin und wieder besucht, ist auch sehr in Sorge und kann sich nicht vorstellen, wie Fr. Sommer die Situation zu Hause bewältigen soll.

Die Umsetzung der Schritte der klinischen Entscheidungsfindung wird nun anhand der Erstellung einer Concept Map visualisiert.

3.3.1 Erster Schritt – Erfassung der Reaktionen, relevanten Daten und Informationen

Der erste Schritt dient dazu, die Reaktionen, relevanten Daten und Informationen aus der Fallsituation durch ein sogenanntes Clustern zu visualisieren und schriftlich darzustellen. Dadurch werden, ident mit der Definition der Pflegediagnostik, vor allem die Reaktionen aller Beteiligten in den Vordergrund gerückt und anhand der nachfolgenden Prozessschritte kann die klinische Beurteilung abgeleitet werden.

Die Definition der Pflegediagnose lautet:

„Eine Pflegediagnose stellt eine klinische Beurteilung menschlicher Reaktionen auf Gesundheitsprobleme/Lebensprozesse oder der Gefahr (Vulnerabilität) dieser Reaktion eines Individuums, der Familie oder einer Gemeinschaft dar“ (Doenges et al., 2016).

In der nachfolgenden Abbildung wird anhand der Fallsituation die Erstellung dieser Visualisierung/das Clustern aufgezeigt. Die relevanten Daten und Informationen und vor allem die Reaktionen werden dargestellt.

Wie bereits vorhergehend beschrieben, ist es in diesem Schritt von größter Bedeutung, dass die Visualisierung authentisch aufgezeigt wird und keine eigenen Interpretationen und Ableitungen getätigt werden.

3.3.2 Zweiter Schritt – Erkennen von Mustern

In diesem Schritt geht es um die Analyse der Reaktionen, Daten und Informationen. Ressourcen und Herausforderungen werden analysiert und mit roter (herausfordernde/gefährdende Faktoren) und blauer (fördernde/förderliche Faktoren) Farbe umrahmt. Dabei können bei entsprechender Begründung die einzelnen Cluster auch beides darstellen, Herausforderungen/gefährdende Faktoren und Ressourcen/fördernde Faktoren werden dann mit beiden Farben (rot und blau) umrahmt. Es hängt entscheidend vom eigenen Vorverständnis, von eigenen Vorerfahrungen, vom eigenen Wissensstand und der eigenen Perspektive ab, was als förderlicher oder gefährdender Faktor erfasst wird. Diese Reflexion und Erkenntnis ist ein wichtiger Bestandteil dieses Prozessschrittes.

Das Erfassen der Zusammenhänge mit der Zuschreibung der Bedeutung der Reaktionen für die betroffene Person wird durch Pfeile mit plus + und minus – dargestellt. Dabei ist es wichtig, hemmende/gefährdende Zusammenhänge und förderliche/fördernde Zusammenhänge zu analysieren und zu thematisieren und nicht positive und negative Zusammenhänge, denn die Erfahrung der Verfasserinnen zeigt, dass die Wörter „negativ“ und „positiv“ sehr polarisieren und offene Denkprozesse beeinflussen.

In diesem Schritt können die Zusammenhänge und Muster zwischen den Reaktionen, Daten und Informationen immer besser erkannt und das Fallverständnis sukzessive erweitert werden.

3.3.3 Dritter Schritt – klinische Entscheidungsfindung

Ausgehend von diesem Erkenntnisgewinn können Lebensprozesse und Gesundheitsprobleme definiert sowie Gesundheitsprobleme in Lebensprozessen abgeleitet werden.

Diese Ableitungen von Gesundheitsproblemen und Lebensprozessen sollen offen formuliert werden. Eine Orientierung an den Bezeichnungen der Domänen des NANDA-I-Klassifikationssystems ist möglich. Auch Benennungen von Pflegediagnosetiteln können bereits angeführt werden. Aber eine Offenheit im Denkprozess ist wichtig, da nicht alle Phänomene menschlichen Seins in Pflegediagnosen abgebildet werden können und es auch nicht sind.

Der nächste Schritt führt dann zur Ableitung aller möglichen Pflegediagnosen, die in der Fallsituation relevant sind.

3.3.4 Vierter Schritt – präzise Diagnostik

Im letzten Schritt, dem Prozessschritt der präzisen Diagnostik, werden zuerst alle Pflegediagnosen, die sich aus der Concept Map ableiten lassen, dargestellt. Die Ableitung, ausgehend von den Gesundheitsproblemen und Lebensprozessen, muss fachlich fundiert anhand der zugrundeliegenden Reaktionen, Daten und Informationen, die aus der Concept Map abgeleitet werden können, begründet werden. Mit dieser Begründung wird auch bereits ersichtlich, welche Diagnosen eine entsprechende Reichweite und das Potenzial haben, die relevanten Aspekte der Fallsituation umfassend zu berücksichtigen. Diese Reichweite zeigt sich darin, dass sich viele Reaktionen, Daten und Informationen aus der Fallsituation entweder als beeinflussende Faktoren oder Symptome in einer problemzentrierten Diagnose oder als Risikofaktoren in einer Risikodiagnose zeigen, oder aber in einer Syndromdiagnose gebündelt dargestellt werden können. Auch die Bereitschaft mitzuwirken kann anhand von Reaktionen oder Beobachtungen erfasst und in einer Gesundheitsförderungsdiagnose abgebildet werden. Gerade die Gesundheitsförderungsdiagnosen haben eine sehr große Bedeutung für das zukünftige pflegerische Handlungsfeld.

Nachfolgend wird anhand der angeführten Fallsituation der Prozess der Priorisierung aufgezeigt.

3.4 Ableitung von möglichen Pflegediagnosen

Die Relevanz wird mit der Definition der Pflegediagnose abgeglichenen und anhand der entsprechenden Daten, Informationen und Reaktionen aus der Fallsituation heraus begründet. Diese Reaktionen, Daten und Informationen werden mit den Ausführungen im jeweils zugehörigen, evidenzbasierten Pflegediagnosenkonzept abgeglichen. Die unten angeführten Pflegediagnosen wurden aus dem Buch Pflegediagnosen und Pflegemaßnahmen von Doenges et al. (2016) abgeleitet und beziehen sich hier auf die in den vorhergehenden Prozessschritten der klinischen Entscheidungsfindung bearbeitete Fallsituation von Fr. Sommer. Im Rahmen der Begründung ist es wichtig, zu entscheiden, ob ableitbare Daten, Informationen und Reaktionen in der Fallsituation gegeben sind oder ob sich aus den Daten, Informationen oder Reaktionen Annahmen ableiten lassen, zu denen noch weitere Informationen gesammelt werden müssen.

• Gefahr eines Frailty-Syndroms im Alter

Ableitbare Daten, Informationen und Reaktionen: Alter, weibliches Geschlecht, Angst, Furcht vor dem Sturz, Sturz in der Vorgeschichte, Beeinträchtigung der Mobilität, alleinlebend

• Selbstversorgungsdefizit: sich kleiden, Körperpflege, Toilettenbenutzung

Es ist davon auszugehen, dass diese ATLs aufgrund der Folgen der TEP-OP und der sich daraus ergebenden Einschränkungen beeinträchtigt sind – genaue Informationen müssen noch gesammelt werden.

• Bereitschaft für eine gesteigerte Hoffnung

Fr. Sommer äußert den Wunsch, so schnell wie möglich nach Hause zu wollen. Das weist auf intrinsische Motivation und Bereitschaft für eine gesteigerte Hoffnung hin.

• Gefahr eines situationsbedingt geringen Selbstwertgefühls

Erfasste Risikofaktoren: Reduzierte Kontrolle über das Umfeld (Krankenhausumgebung, TEP-OP), Veränderung des Körperbilds (Fraktur mit Beeinträchtigungen, TEP-OP), funktionale Beeinträchtigung in Bezug auf die Mobilität (Sturzangst, Fraktur, TEP-OP)

• Beeinträchtigte soziale Interaktion

Es ist davon auszugehen, dass durch die beeinträchtigte Mobilität auch ein Einfluss auf die soziale Interaktion gegeben ist. Weitere Beobachtungen und Informationen müssen noch gesammelt werden.

• Gefahr einer Rollenüberlastung der pflegenden Bezugsperson

Unvorhersehbarkeit des Krankheitsverlaufs ist aufgrund folgender Reaktionen gegeben: Bei allen Schritten der Mobilisierung und während der gesamten Unterstützung bei den beeinträchtigten ATLs zeigt sich, dass Fr. Sommer sehr ängstlich ist und auch immer wieder in Tränen ausbricht. Sie äußert darüber hinaus, große Angst zu haben, erneut zu stürzen, und auch die Reaktion der Tochter unterstützt die Diagnose: Ihre Tochter, die sie hin und wieder besucht, ist auch sehr in Sorge und kann sich nicht vorstellen, wie Fr. Sommer die Situation zu Hause bewältigen soll.

• Angst

Reaktionen: Bei allen Schritten der Mobilisierung und während der gesamten Unterstützung bei den beeinträchtigten ATLs zeigt sich, dass Fr. Sommer sehr ängstlich ist und auch immer wieder in Tränen ausbricht. Sie äußert darüber hinaus große Angst vor einem erneuten Sturz.

• Gefährdetes familiäres Coping

Reaktionen: Ihre Tochter, die sie hin und wieder besucht, ist auch sehr in Sorge und kann sich nicht vorstellen, wie Fr. Sommer die Situation zu Hause bewältigen soll.

• Gefahr einer Machtlosigkeit

Risikofaktoren, Angst, unwirksame Copingstrategien, Rolle der pflegenden Bezugsperson, Unvorhersehbarkeit des Krankheitsverlaufs, Schmerzen (genauere Informationen werden benötigt)

• Gefahr einer beeinträchtigten Resilienz

Mehrere gleichzeitig vorliegende nachteilige Situationen.

Daten und Informationen: Sturz, TEP-OP, Krankenhausaufenthalt.

Reaktionen: Bei allen Schritten der Mobilisierung und während der gesamten Unterstützung bei den beeinträchtigten ATLs zeigt sich, dass Fr. Sommer sehr ängstlich ist und auch immer wieder in Tränen ausbricht. Sie äußert darüber hinaus, große Angst zu haben, erneut zu stürzen, und möchte so schnell wie möglich wieder nach Hause. Ihre Tochter, die sie hin und wieder besucht, ist auch sehr in Sorge und kann sich nicht vorstellen, wie Fr. Sommer die Situation zu Hause bewältigen soll.

• Bereitschaft für eine verbesserte Selbstbestimmung

Fr. Sommer möchte so schnell wie möglich wieder nach Hause. Das zeigt von einer Bereitschaft für eine verbesserte Selbstbestimmung.

• Stressüberlastung

Stressoren:

Daten und Informationen: Krankenhausaufenthalt, TEP-OP

Reaktionen: Bei allen Schritten der Mobilisierung und während der gesamten Unterstützung bei den beeinträchtigten ATLs zeigt sich, dass Fr. Sommer sehr ängstlich ist und auch immer wieder in Tränen ausbricht. Sie äußert darüber hinaus, große Angst zu haben, erneut zu stürzen, und möchte so schnell wie möglich wieder nach Hause. Ihre Tochter, die sie hin und wieder besucht, ist auch sehr in Sorge und kann sich nicht vorstellen, wie Fr. Sommer die Situation zu Hause bewältigen soll.

• Gefahr einer verzögerten postoperativen Erholung

Reaktionen: Bei allen Schritten der Mobilisierung und während der gesamten Unterstützung bei den beeinträchtigten ATLs zeigt sich, dass Fr. Sommer sehr ängstlich ist und auch immer wieder in Tränen ausbricht. Sie äußert darüber hinaus, große Angst zu haben, erneut zu stürzen, und möchte so schnell wie möglich wieder nach Hause. Ihre Tochter, die sie hin und wieder besucht, ist auch sehr in Sorge und kann sich nicht vorstellen, wie Fr. Sommer die Situation zu Hause bewältigen soll.

• Sturzgefahr

Daten und Informationen: Alter, alleinlebend, postoperative Erholungsphase, Sturz in der Vorgeschichte, beeinträchtigte Mobilität, körperlicher Zustand, der den Fuß beeinflusst. Es ist davon auszugehen, dass sie ein Hilfsmittel benötigt, z. B. Unterarmgehstützen. Beeinträchtigter Komfort.

Reaktionen: Bei allen Schritten der Mobilisierung und während der gesamten Unterstützung bei den beeinträchtigten ATLs zeigt sich, dass Fr. Sommer sehr ängstlich ist und auch immer wieder in Tränen ausbricht. Sie äußert darüber hinaus, große Angst zu haben, erneut zu stürzen, und möchte so schnell wie möglich wieder nach Hause. Ihre Tochter, die sie hin und wieder besucht, ist auch sehr in Sorge und kann sich nicht vorstellen, wie Fr. Sommer die Situation zu Hause bewältigen soll.

• Akuter Schmerz

Es ist davon auszugehen, dass es aufgrund der OP zu Schmerzen kommt, genaue Informationen müssen jedoch noch gesammelt werden.

3.4.1 Priorisierung der Pflegediagnosen

Nach diesem Schritt wird die am höchsten zu priorisierende Pflegediagnose bestimmt. Sie hat das Potenzial, alle anderen Diagnosen durch die gesetzten Interventionen mitzubeeinflussen. Auch die Reichweite der Diagnose bezüglich der Erfassung der Reaktionen, Daten und Informationen ist ein entscheidender Faktor. Hilfreich dabei ist auch eine Skala zur Messung der Genauigkeit, die von Lunney (2007) entwickelt wurde.

Lunney untersuchte erstmals 1990 in Studien, wie sich die Ausbildung der Pflegenden zur Pflegediagnostik auf die Ableitung von Pflegediagnosen auswirkte. Dafür entwickelte sie eine Möglichkeit zur Messung der Genauigkeit von Pflegediagnosen anhand einer sieben-Punkte-Skala. Dabei konnte sie nachweisen, dass Pflegende, die kontinuierlich mit dem Pflegeprozess arbeiteten, präzisere Pflegediagnosen ableiteten (Lunney, 2007). Diese Skala kann nun umgekehrt auch zur Präzisierung von Diagnosen eingesetzt werden.

Tabelle 2: Skala zur Messung der Genauigkeit von Pflegediagnosen (Lunney, 1990; 1992; Lunney, Karlik, Kiss & Murphey, 1997; zitiert nach Lunney, 2007, S. 64)

Zahl

Kriterien

+5

Die Pflegediagnose stimmt mit allen Merkmalen überein und wird durch hochrelevante Merkmale gestützt. Sie ist akkurat.

+4

Die Pflegediagnose stimmt mit den meisten oder allen Merkmalen überein und wird durch relevante, nicht aber durch ein oder einige hoch relevante Merkmal(e) gestützt.

+3

Die Pflegediagnose stimmt mit vielen Merkmalen überein, erfasst jedoch nicht das Wesentliche der vorhandenen Merkmale.

+2

Einige Merkmale verweisen auf die Pflegediagnose, aber die Anzahl der diagnoserelevanten Merkmale ist zu gering und/oder die Pflegediagnose ist weniger wichtig als andere Pflegediagnosen.

+1

Nur ein oder einige wenige Merkmal(e) verweisen auf die Pflegediagnose.

0

Es gibt keine Merkmale, die auf die Pflegediagnose verweisen. Es wird trotz ausreichend vorhandener Merkmale keine Pflegediagnose formuliert. Die Pflegediagnose kann nicht bewertet werden

–1

Es gibt mehr als ein Merkmal für die Pflegediagnose. Sie ist jedoch aufgrund der Existenz zweier diskrepanter Merkmale auszuschließen.

Nachfolgend wird anhand von vier ausgewählten Pflegediagnosen aufgezeigt, wie eine gegenseitige Beeinflussung der Diagnosen durch Interventionen aussehen kann. Alle vier Pflegediagnosen könnten aufgrund ihrer Reichweite als Pflegediagnose von höchster Priorität eingesetzt werden. Aufgrund der gegebenen Reaktionen, die in dieser kurzen Fallsituation die größte Beeinflussung auf die beteiligten Personen zeigen, wurde die Angst als die Diagnose von höchster Priorität abgeleitet

1. Angst

2. Körperliche Mobilität beeinträchtigt

3. Gefahr eines Frailty-Syndroms

4. Bereitschaft für eine gesteigerte Hoffnung

Begründung der Priorisierung und Aufzeigen der Beeinflussung der anderen Pflegediagnosen:

Reduziert sich das ängstliche Verhalten von Fr. Sommer, das sich bei allen beeinträchtigten ATLs, bei der Mobilität sowie bei der Angst vor einem Sturz zeigt (sehr große Reichweite), dann können auch die Interventionen zur Verbesserung der Mobilität laut Mobilitätsschema zügig voranschreiten und Fortschritte in der Mobilität erzielt werden. Die Gefahr eines Frailty-Syndroms verringert sich in Bezug auf die Angst sowie die Mobilität und die Bereitschaft für gesteigerte Hoffnung wird gestärkt. Fr. Sommer wird ihrem Wunsch, so schnell wie möglich nach Hause gehen zu können, immer näher kommen.

3.4.2 Ausformulierung der zu höchst priorisierenden Pflegediagnose

Pflegediagnosentitel Angst:

Definiton: „Unbestimmtes Gefühl des Unbehagens und der Bedrohung, das von einer autonomen Reaktion begleitet wird (häufig unbestimmte oder dem Individuum unbekannte Quelle); eine Besorgnis, die durch die vorweggenommene Gefahr hervorgerufen wird. Es ist ein Warnsignal für drohende Gefahr und ermöglicht es dem Individuum, Maßnahmen zum Umgang mit dieser Gefahr einzuleiten.“ (Doenges, Moorhouse & Murr, 2016, S. 148)

Beinflussende Faktoren/Einflussfaktoren/[E]:

Wesentliche Änderung der Umgebung/des Gesundheitszustandes, Stressoren, Bedrohung des aktuellen Status: Krankenhausaufenthalt nach Sturz zu Hause, chirurgischer Eingriff Totalendoprothese

Wesentliche Änderung der Rollenfunktion, zwischenmenschliche Übertragung: