Lese-Adventskalender 2018 Mistelmagie - Marlies Lüer - E-Book
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Lese-Adventskalender 2018 Mistelmagie E-Book

Marlies Lüer

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Beschreibung

Es ist der 24. Dezember. Die Mistelwichtelkinder Alla und Billa warten auf das Erscheinen des Einhorns, das in der Heiligen Nacht die Wälder durchstreift, auf der Suche nach neuen Dienern des Waldes.
Eine ganz besondere Nacht: So mancher Wichtel wird für eine besondere Aufgabe auserwählt. Sind Alla und Billa diesmal dabei, obwohl noch jung an Jahren?
Um ihnen das Warten zu erleichtern, erzählen die Mistelwichtel-Eltern ihre eigene Geschichte, von der ganz und gar außergewöhnlichen Aufgabe, die das Einhorn ihnen damals stellte.

24 Kapitel für 24 Tage des Advents! Eine märchenhafte Geschichte über den Zauber der Heiligen Nacht.

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Inhaltsverzeichnis

Impressum:

Vorwort

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Lese-Adventskalender 2018

Mistelmagie

Impressum:

© 2018 – Marlies Lüer

Esslinger Str. 22, 70736 Fellbach

Cover: Isabell Schmitt-Egner

Die Reihe der Lese-Adventskalender mit je 24 Kapiteln

wurde in 2014 begonnen und endete in 2018.

2014: Der Geist der Weihnacht

2015: Folge dem Licht

2016: Die rote Kerze

2017: Winterwaldzauber

2018: Mistelmagie

Vorwort

Ich bin die uralte Uuhla.

Ich bewohnte den magischen Wald, schon bevor die erste magische Eichel gelegt wurde, bevor der erste nährende Pilz aus dem Boden spross, bevor die ersten Tannen und Eichen gen Himmel wuchsen. Ich bin der erste Gedanke, die Verkörperung der Weisheit, die Wächterin des Waldes. Ins Amt gesetzt von der Fee der Heiligen Mistel, die mir einen Eulenkörper verlieh.

Ich schwebe wachend über dem Wald.

Ich wirke Mistelmagie.

Hüben und Drüben.

Was das ist?

Folgt dieser Geschichte aufmerksam, dann werdet Ihr es erfahren.

Ihr selbst könnt an Euch echte Mistelmagie erlebt haben, ohne es zu wissen! Denn wir, die jenseits Eurer Wirklichkeit leben, wir besuchen Euch, wenn wir den Auftrag bekommen! Von wem wir beauftragt werden, uns in Eure Leben sanft einzumischen? Nur von denen, die über uns sind, die noch mehr Weisheit,

noch mehr Liebe in sich tragen:

Die, die im Licht wohnen.

Die, die in der reinen, allumfassenden Liebe baden.

Direkt aus diesem Licht kommend, geht einmal im Jahr das Einhorn durch die magischen Wälder. Wie ich, ist es einer der ersten Wächter; es wurde ins Amt gesetzt von einem Engel, dessen Namen ich nicht auszusprechen vermag, nur mein Herz kennt ihn als ein tiefes, warmes Gefühl überbordender, lichter Freude. Ich weiß, dass in diesem Jahr das Einhorn in genau diesen Teil des magischen Waldes kommen wird, zu suchen nach einem Geschöpf, das die Ehre haben wird, für eine ganz besondere Arbeit erwählt zu sein. Ich weiß das. Denn ich schwebe wachend über allen Wäldern

und sehe,

welche Richtung das Einhorn einschlägt.

Ja, es wird heuer zu den Mistelwichteln kommen.

Auch ich suchte einst diesen Teil des Waldes auf, um einen Auftrag auszuführen.

Es ist noch gar nicht so lange her.

Mein Besuch galt Falinda und Borowin, zwei Mistelwichtel-Einzelgängern,

die ihre Arbeit als Mistelbeerenbetreuer sehr ernst nahmen.

Zu ernst.

Wo blieb der Spaß? Wo das Spiel?

Bald schon werde ich sie wieder besuchen.

Ihr Erstgeborener reicht ihnen schon bis an die Schultern.

Es ist an der Zeit, dass der mutige Alla, und auch die zarte Billa, von mir mehr über die Welten erfahren. Und ich werde ein Geschenk für die ganze Familie mitbringen.

Erschaffen aus einem Faden Licht,

einem Hauch Luft und einem Faden Wasser,

gewebt und geflochten,

mit Zauber besprochen

und hell wie ein Stern am Firmament.

-1-

Alla hörte sie schon von Weitem lachen und rufen. Sein Herz schlug schneller, so sehr freute er sich auf das Treffen der Jung-Wichtel. Es war ein geheimes Treffen, ohne Wissen der Eltern. Versteht sich. Schließlich dienten die Treffen dazu, die eigenen Kräfte zu erproben und Mut zu beweisen. Sein freudig klopfendes Herz allerdings war hin- und hergerissen zwischen der Möglichkeit zu lebenslustigen Taten und der Pflicht, die ihm auferlegt war. Diese Pflicht hatte einen Namen: Billa. Sie war seine kleine Schwester und er musste sie oftmals hüten, während die Eltern ihrer Arbeit als Mistelpfleger nachgingen. So auch heute. Ausgerechnet heute! Es war einfach ungerecht. Still kämpfte er mit sich und seinem Gewissen, bis er eine Idee hatte.

„Billa, willst du mir einen großen Gefallen tun? Ich brauche ein Seil. Wenn ich dir Gräser, Farne und weiche Zweige hole, bleibst du dann hier am Rand der Lichtung brav sitzen? Geh nicht zu den Jungs, die sind für dich zu wild zum Spielen. Ich bin auch ganz schnell wieder da.“

Das kleine Mädchen nickte eifrig. Sie liebte es zu flechten, zu weben und zu verknoten. Etwas plump ließ sie sich auf ihren Po fallen und streckte die Beine aus. Verträumt betrachtete sie das blühende Moos auf dem Stein vor ihr und begann, eine kleine Melodie zu summen. Alla strich ihr brüderlich übers Haar und flitzte davon. Nach einer Weile kehrte er zurück mit einem Arm voll Flechtmaterial, auch schmale Farnwedel waren darunter. Zu seiner Erleichterung saß Billa noch genau da, wo er sie verlassen hatte. Vielleicht würde es doch noch ein guter Tag für ihn werden.

„Hier hast du. Mach es schön fest, ja? Bist ein braves Kind. Bleib schön hier sitzen, ich hole dich wieder ab, ja?“

Verwundert, fast schon ängstlich schaute Billa ihren großen Bruder an. „Geh nicht“, bat sie leise.

„Schau! Dort hinten sind meine Freunde. Ich will zu ihnen, du kannst mich die ganze Zeit sehen und brauchst keine Angst haben. Mach mir das Seil bitte, oder flechte einen Korb, was du nur willst. Sind doch schöne Gräser und Zweige. Nachher suchen wir dann Erdbeeren, wenn du brav warst.“

Getröstet nickte Billa eifrig. Für Erdbeeren tat sie alles. Ihre etwas zu lange Zunge schleckte unwillkürlich über ihre Lippen. Entschlossen griff sie nach dem Flechtmaterial und begann es zu sortieren. Alla jubelte innerlich und lief zu seinen Freunden hinüber. Er winkte ihnen zu, doch sie schauten alle gebannt in die andere Richtung. Keuchend stand er schließlich zwischen den Haselnusswichteln Nuto und Nuga, dem Borkentroll ohne Namen, und den drei Tannenwichteln, Zapfi, Zapfa und Zapfo, die alle am selben Tag aus demselben Tannenzapfen entstiegen waren. Alla war der einzige Mistelwichteljunge in diesem Teil des Waldes.

„Du kommst gerade richtig“, wurde er begrüßt. „Waldi will heute auf einem Eichhörnchen reiten.“

Alla staunte nicht schlecht. Waldi war der pummeligste und ungeschickteste Wichtel, den er kannte. Eichhörnchen waren flinke Läufer und immer zu derben Späßen aufgelegt. Woher nahm Waldi den Mut? Bevor er etwas sagen konnte, hörte er ihn auch schon kreischen. Anstatt auf dem Eichhörnchenrücken zu sitzen, klammerte er sich verzweifelt an dessen buschigen Schwanz, während es wie wildgeworden um den Stamm der Fichte sauste und im Versuch, seine Last loszuwerden. Doch Waldi behielt die Nerven. Nach vielen Umrundungen gab das Eichhörnchen auf und hielt inne. Gutmütig ließ es nun den Wichteljungen auf seinen Rücken klettern. Überglücklich schwenkte Waldi seine Eichelkappe und strahlte seine Kameraden an. Seine Freunde jubelten ihm zu. Alla bekam Lust, selber etwas Wildes zu unternehmen. Zumal er gewahr wurde, dass sein Erzfeind, der hochmütige Sohn des Wassermanns, seinen Bach verlassen hatte und auf sie zu floss.

„Na, ihr Zweibeiner. Heut besonders laut, was?“, lispelte er und versprühte dabei unzählige, feine Wassertröpfchen, die irgendwie unangenehm nach faulendem Fisch rochen. Der Borkentroll rief stolz: „Waldi hat heute seinen Mut gefunden!“ Aquasilva winkte lässig ab und baute sich vor Alla auf. „Wie steht es denn um deinen Mut, du Mama-Ersatz?“ Alla funkelte ihn wütend an. Das ging den Wassergeborenen gar nichts an.

„Hast du etwa wieder die doofe Billa im Schlepptau?“, fragte Zapfo. „Die können wir hier nicht brauchen.“

„Billa stört doch gar nicht. Ich habe sie beschäftigt. Und nenn meine Schwester nicht so!“

„Sag ich doch. Alla ist eine Mama“, stichelte Aquasilva. „Mama, Mama, Mama!“

Wütend hob der Mistelwichtel seine Faust, aber dann ließ er sie wieder sinken, denn ein Wasserwesen konnte man nicht schlagen, es war ja nicht von fester Statur. Aber wenigstens Zapfo konnte er sie glaubhaft drohend unter die Nase halten. „Billa mag nicht so klug wie andere Wichtel sein, aber sie ist hundertmal freundlicher als du Zapfengeborener.“

„Zeig uns jetzt deinen Mut, Mistelputzer!“, rief der Wässrige. „Oder musst du erst Billa die Windeln wechseln?“

„Pass bloß auf, du!“

Zapfi und Zapfa bauten sich erwartungsvoll neben ihrem Bruder auf. Auch Waldi kam hinzu, er war noch ganz erhitzt von seinem Ritt. Die Tannenzapfenbrüder forderten Alla lebhaft auf, dem Wasserblödmann zu zeigen, was wahrer Wichtelmut ist. Auch der Borkentroll war Feuer und Flamme, was einer gewissen Ironie nicht entbehrte.

Alla warf einen Blick auf die andere Seite der Lichtung. Billa saß noch genau dort, wo er sie zurückgelassen hatte und flocht das Seil, das er überhaupt nicht brauchte. In diesem Moment krachte es im Unterholz. Ein Hirsch kam des Wegs! Flugs kletterten die Wichtel auf den nächsten Baum und brachten sich in Sicherheit vor den harten Hufen des schweren Tieres. Alle bis auf Aquasilva, der versank einfach im Boden und tauchte dann, bis zum Hals, wieder hinter dem Hirsch auf. Hämisch grinsend forderte er Alla erneut heraus.

Das musste mal ein Ende haben! Alla würde es jetzt allen zeigen, wie mutig er war! Mutiger als sie alle zusammen.

„Seht her!“, rief er und ließ sich vom Ast fallen, genau auf die Krone des Hirsches. „Ich bin ein Hirschreiter!“, schrie er. „Ich bin der Mutigste von allen!“

Das Tier ließ es sich gefallen, so ein Wichtelkind wog ja nicht viel. In aller Seelenruhe setzte es seinen Weg fort und nahm Alla mit, der seinen Kameraden und seinem Erzfeind triumphierend zuwinkte. In seinen Augen loderte ein wilder Glanz. Aquasilva war mittlerweile zur Gänze wiederaufgetaucht und sprühte vor Staunen in alle Richtungen seine müffelnden Tröpfchen.

Dieser großartige Moment nahm für Alla ein jähes Ende.

Denn Billa war verschwunden.

-2-

Alla sprang vom Geweih auf den nächstgelegenen Baum, kletterte dann flink herab und drehte sich langsam im Kreis, suchte mit den Augen das Unterholz ab. Er hob sogar seine Nase in den Wind, um zu schnuppern. Billa roch immer ein wenig nach Erdbeeren, fand er. Wo steckte sie nur? „Schwesterherz, wo bist du?“, murmelte Alla. Er hatte sie wirklich nicht lange aus den Augen gelassen. Wirklich nicht! Er nahm den Auftrag der Eltern, über seine kleine Schwester zu wachen, sehr ernst. Aber schließlich war auch er nur ein junger Wichtel und kein Alleskönner, obwohl er zu den geschicktesten und zuverlässigsten Wichtelknaben gehörte. Und seit eben zu den Mutigsten. Billa hingegen – nun ja, Billa war Billa. Lieb, verträumt, und leider wirklich nicht sehr helle. Tief im Inneren wusste er, dass sie weitgehend zu nichts zu gebrauchen war. Aber sie war sein kleines Schwesterchen und er liebte sie. Genau wie Mama und Papa, die ihre beiden Kinder über alles liebten. Alla war froh, gute Eltern zu haben. Die hatte nicht jeder. Fliegenpilz-Wichteleltern zum Beispiel waren dafür bekannt, ihre Kinder ständig zu bevormunden und zu beschimpfen. Nichts konnten sie ihnen recht machen. Sie waren im Wesen so giftig und schlecht gelaunt wie die Pilze, die sie zu pflegen hatten. Gleiches zu Gleichem, sagte sein Papa immer. Wenn möglich, mied man im Magischen Wald die Gesellschaft der Fliegenpilzwichtel. Sie waren irgendwie auch unheimlich, denn sie verkehrten mit zwielichtigen Hexen und Zauberern. Mistelwichtel hingegen verkehrten gelegentlich mit zwar ebenfalls zauberkundigen aber weisen Druiden – und natürlich mit der Mistelfee. Einfach mit allen Waldbewohnern, die freundlich und fleißig waren. Angenehme Gesellschaft. Angenehmes Leben! Doch Billa nun suchen zu müssen, war nicht angenehm. Es war höchste Zeit, zum heimischen Baum zurückzukehren. Aber nicht ohne Billa.

Alla seufzte auf. All diese Gedanken hatten die Angst unterdrücken sollen, Billa könnte etwas zugestoßen sein – doch er hatte längst vor Angst zu schwitzen begonnen. Jetzt war es ihm egal, ob Räuberratten oder andere gefährliche Tiere ihn hören würden – er rannte los, in eine beliebige Richtung, und schrie laut „BILLAAA!“

Vergeblich. So oft er auch die Richtung wechselte und so sehr er auch lauschte und seine Augen anstrengte – keine Spur von seiner kleinen Schwester. Alla kletterte einen Baum hoch, mit seinen starken Krallen an den Zehen war das ja auch kein Problem für ihn, Wichtel waren von Natur aus gute Kletterer, doch der Ausblick war nicht weit genug. Alles Grün war so dicht gewachsen, dass er kaum den Boden sehen konnte. Mittlerweile zitterte er vor Angst und Schuldgefühlen. Hastig kletterte er wieder herunter und sprang in die Fichtennadeldecke hinab, die seinen Schwung abfederte. Da fiel ihm ein, was sein Vater ihm mal geraten hatte: „Wenn man nicht mehr weiterweiß und sich die Gedanken nur noch im Kreise drehen, dann sollte man zum Anfang des Problems zurückkehren, innehalten, und dann neu beginnen mit dem Denken.“ Konnte die Lösung so einfach sein? Alla beschloss, an die Stelle zurückzulaufen, an der er Billa zuletzt gesehen hatte. Eine Haselmaus zuckte erschrocken zurück, als er an ihr vorbeilief und fast auf ihre Nase getreten wäre. „Rüpel!“, rief sie ihm mit ihrer piepsigen Stimme ungnädig nach. Dank Allas sehr gutem Spürsinn fand er genau zu der Stelle, wo er hinwollte. Seine Freunde waren nicht mehr zu sehen. Sie ließen ihn im Stich, diese Helden … Keuchend stützte er seine Hände in die Hüften und sah sich um. Ja, da waren ihrer beider Fußspuren. Wieso, im Namen des Heimatwaldes, hatte er nicht gleich Billas Spuren verfolgt? Wie hatte er nur so kopflos davonlaufen können? Ihre Spuren führten in Richtung Bach. Wo ihre Füße keine Abdrücke hinterlassen hatten, war mal ein Zweiglein abgeknickt oder Steinchen waren verschoben. Alla folgte den Spuren in höchster Konzentration und bald schon wurde er mit dem Duft von Walderdbeeren belohnt. Aber!! Zu früh gefreut! Das war nicht Billa. Hier drüben wuchsen tatsächlich die roten, süßen Beeren. Sie waren fast so groß wie sein Kopf. Alla war durstig, also biss er kräftig zu und stärkte sich, bis die Erdbeere zur Hälfte verspeist war. Erfrischt wischte er sich über den Mund, seine Lippen waren klebrig und süß, und vermutlich war sein halbes Gesicht rotgefärbt. Egal! Er konnte sich ja am Bachufer waschen. Hoffentlich tauchte Aquasilva dort nicht auf. Der war der Letzte, den er jetzt sehen wollte. Alla folgte dem Rauschen, das immer lauter wurde, je näher er dem Wasserlauf kam. Die Blubbergeräusche enthielten mehr als nur die Stimme des Wassers, ihm war, als würde er … ja! Das war Billas Stimme, die er hörte, sie sang ein Liedchen. Hocherfreut rannte er seiner Schwester entgegen. Ihm war so leicht ums Herz, dass er förmlich über dem Waldboden schwebte.

„Billa, da bist du ja! Geht es dir gut?“ Alla umarmte sein Schwesterlein stürmisch. Sie quietschte vergnügt und küsste ihn auf die Wange, die so süß schmeckte. Genießerisch leckte sie ihm mit der Zunge quer übers Gesicht und kicherte. „Iiih, lass das“, bat Alla. „Was machst du hier so ganz allein?“, schimpfte er nun mit ihr. „Du darfst doch nicht alleine durch den Wald gehen, die Eltern haben es verboten.“

„Aber der Bach hat mich gerufen. Hier wächst sehr schönes Gras.“ Sie hielt strahlend vor Eifer und Freude einen kunstvoll aus Gräsern geflochtenen Korb hoch, direkt vor Allas Augen. Das Seil, das sie ihm geflochten hatte, lag darinnen. Er schob das Kunstwerk beiseite und schaute ihr mit tiefem Ernst in das niedliche, runde Gesicht mit den zu schrägen Augen, die wie Schlitze wirkten. „Ich weiß, dass du gerne flechtest und eine wahre Meisterin darin bist. Warum hast du mich nicht gefragt, ob wir noch mehr Gräser suchen gehen können? Du warst auf einmal fort und ich hatte schreckliche Angst um dich. Was, wenn eine Räuberratte gekommen wäre?“ „Dann hättest du mich gerettet. Du bist doch mein großer Bruder.“ „Aber, wie soll ich dich beschützen, wenn ich nicht da bin?“ „Dann geh doch nicht fort.“ Billa lächelte ihn verträumt an und zupfte hier und da am Graskorb.

Alla seufzte. Diskutieren mit Billa war zwecklos. Sie verstand es einfach nicht. „Komm, steh auf. Wir müssen jetzt heim. Bald wird der Mond aufgehen, es wird schon dunkel. Die Eltern warten.“

-3-

Alla nahm seine Schwester an die Hand und führte sie durch den Wald. Mit ihrer anderen Hand hielt sie das Graskörbchen fest, und dann und wann blieb sie störrisch stehen, um ein besonders schönes Blatt zu betrachten und aufzuheben, oder sie griff nach einer Tannennadel oder einem Eichelhütchen, die wohl allein in ihren Augen etwas besonders Schönes waren. Das dauerte jedes Mal eine gefühlte Ewigkeit, bis sie mit ihrer Entscheidung, es in den Korb zu legen oder nicht, zufrieden war und weiterging. Alla begann sich zu sorgen, denn es wurde immer dunkler. Je mehr der Wichteljunge das Mädchen drängte, sich zu beeilen, umso störrischer wurde sie, bis sie sich schließlich auf einem kleinen Steinpilz niederließ und über müde Beine klagte.

„Billa, geh bitte weiter. Die Eltern warten schon und wir dürfen nicht zu spät heimkommen. Nachts kann es im Wald sehr gefährlich sein. Hast du denn gar keinen Hunger?“, versuchte er sie abzulenken.

„Doch, habe ich.“

„Na, dann los. Zuhause gibt es bestimmt Haselnussbrei mit gebratenen Heidelbeeren.“

„Trag mich!“

„Nein! Du bist mir viel zu schwer“, rief Alla verärgert und zog sie energisch hoch, woraufhin Billa anfing zu quengeln und zu jammern. „Du hast gesunde, starke Beine, also lauf gefälligst.“ Nicht zum ersten Mal wünschte Alla sich insgeheim einen großen Bruder anstelle einer kleinen Schwester. Er klappte seine langen Wichtelohren zur Hälfte herunter, und schon war die Lautstärke der Kleinmädchenstimme erträglicher. Mit unmissverständlicher Entschlossenheit zerrte er Billa hinter sich her, und mit ebenso großer Entschlossenheit stemmte sie sich wehleidig dagegen.

Mit einem Mal schwebte sanft ein silbriges Etwas herbei, wie eine Wolke sah es aus, oder wie ein sehr fein gesponnenes Tuch. Es gab leise, angenehme Geräusche von sich, war größer als die Wichtelkinder und hüllte sie für einen Moment in sich ein. Kühl war es, feucht und doch angenehm. Alla schnappte nach Luft. Ein Waldflüsterer! Noch nie war er einem begegnet, doch Mutter hatte ihm viele Geschichten erzählt über alle Wesen des Waldes, und besonders gern welche über die hilfreichen Waldflüsterer. Daher war er sich ganz sicher, hier einen vor sich zu haben.

Schuwuuhchmmm … machte der. Schowaahhhrrrriiii … erklang es ringsum.

Billa staunte, ihr Mund stand weit offen, ihre Augen waren groß und glänzend. Sie wand ihre Hand aus der ihres Bruders, der sie immer noch gewissenhaft umklammert hielt. Mit sicherem Instinkt fühlte sie, dass dieses Wesen ein gutes war. Tastend strich sie über die silbrige Fläche und atmete scharf ein. War das schön! So weich! So glatt! So glücklich machend! Billa ließ sogar ihr Graskörbchen fallen und hatte es im selben Moment vergessen. Aus der lustig zitternden und wallenden Fläche kamen ihr Fäden entgegen, sie umschmeichelten ihre Finger. Billa konnte nicht widerstehen und begann, sie zu lauter Zöpfchen zu flechten und setzte sich auf das lebende „Tuch“. Alla war so erleichtert! Auch er ließ sich nun nieder und gleich darauf begann der Waldflüsterer zu schweben. Behutsam stieg das magische Wesen in die Höhe, sorgsam darauf achtend, die Wichtel sicher in sich zu bergen.

---ENDE DER LESEPROBE---