Lesebuch des moralischen Lebens - Stoiker Epiktet - E-Book

Lesebuch des moralischen Lebens E-Book

Stoiker Epiktet

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Beschreibung

Epiktets Lesebuch bietet eine kurze und einprägsam formulierte Quintessenz seiner stoischen Lehre. Die Kürze und gekonnte Zuspitzung des Buches sind der Grund den großen Einfluss, den der Lebensrat des Epiktet bis heute ausübt. Die Ideale Epiktets sind Unabhängigkeit und Affektkontrolle. »Sei standhaft und maßvoll«, lautet sein Kernsatz.

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Seitenzahl: 67

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Lesebuch des moralischen Lebens

TitelseiteErster Teil123456789101112131415161718192021222324252627282930313233343536373839404142434546474849505152Zweiter Teil1 Worüber wir gebieten und worüber wir nicht gebieten2 Begehren und Meiden3 Bedenke das eigentliche Wesen der Dinge4 Ärger meiden, Haltung bewahren5 Die Dinge und die Meinungen darüber sind nicht dasselbe6 Falscher und echter Stolz7 Der Ruf des Steuermanns8 Nicht mein Wille9 Kein Hindernis für dich10 Gegenkräfte in dir11 Es gibt keinen Verlust12 Gleichmut hat seinen Preis13 Entweder -- oder14 Falsches und richtiges Wollen15 Warte, bis du an die Reihe kommst16 Mitleiden, aber mit Vorbehalt17 Das Leben ein Schauspiel18 Über Vorzeichen19 Der Weg zur Freiheit20 Beleidigungen treffen dich nicht21 Meditatio mortis22 Trotze dem Spott23 Bleib deiner Maxime treu24 Helfen ja, aber nicht um jeden Preis25 Ehren haben ihren Preis26 Duldsamkeit -- auch wenn es dich trifft27 Vom Bösen28 Liefere dich keinem anderen aus29 Bedenke die Voraussetzungen und Folgen30 Tu immer deine Pflicht31 Frömmigkeit32 Mißbrauche das Orakel nicht33 Wichtige Lebensregeln34 Die Herausforderung sinnlicher Lust35 Tue recht und fürchte niemanden36 Übe Zurückhaltung37 Überfordere dich nicht38 Hüte dich vor seelischem Schaden39 Zügle deine Ansprüche40 Die Ehre der Frauen41 Körper und Geist42 Wem Beleidigungen schaden43 Jedes Ding hat zwei Henkel44 Fehlschlüsse45 Urteile nicht voreilig47 Bilde dir nichts ein46 Handeln statt reden48 Kennzeichen eines Fortschreitenden49 Theorie und Praxis50 Von der Treue zur Philosophie51 Entscheide dich jetzt52 Das Wichtigste: die Praxis53 KernsätzeImpressum

Epiktet

Lesebuch des moralischen Lebens

übersetzt von C. Hilty

Erster Teil

1

Einige Dinge stehen in unserer Macht, andere hingegen nicht. In unserer Macht sind Urteil, Bestrebung, Begier und Abneigung, mit einem Wort alles das, was Produkt unseres Willens ist. Nicht in unserer Macht sind unser Leib, Besitz, Ehre, Amt, und alles was nicht unser Werk ist. Was in unserer Macht ist, ist seiner Natur gemäß frei, kann nicht verboten oder verhindert werden; was aber nicht in unserer Macht steht, ist knechtisch, kann verwehrt werden, gehört einem anderen zu.

Deshalb bedenke, dass du Hinderung erfahren, in Trauer und Unruhe geraten, ja sogar Götter und Menschen anklagen wirst, wenn du das von Natur Dienstbare für frei und das Fremde für dein eigen ansiehst. Hältst du dagegen für dein Eigentum nur, was wirklich dein eigen ist, und betrachtest das Fremde als fremd, so wird dich niemand jemals zwingen oder hindern; du wirst niemanden anklagen oder beschimpfen, und nicht das geringste mit Widerwillen tun; niemand kann dir schaden; du wirst keinen Feind haben, und nichts, was dir nachteilig sein könnte, wird dir begegnen.

Willst du nun aber nach so großartigen Dingen trachten, so bedenke, dass du sie nicht bloß mit mittelmäßigem Ernste angreifen, sondern manches gänzlich aufgeben, anderes einstweilen hintansetzen musst. Wenn du jene Dinge erstrebst, gleichzeitig aber in hohen Ämtern stehen oder reich sein willst, so wirst du wahrscheinlich diese letzteren Güter nur umso weniger erreichen, weil du eben zugleich nach den ersteren begehrst. Ganz sicher aber wirst du dasjenige ganz verfehlen, woraus allein Glück und Freiheit entsteht.

Bemühe dich daher, jedem unangenehmen Gedanken damit zu begegnen, dass du sagst: »Du bist nicht das, was du zu sein scheinst (etwas Reelles), sondern bloß ein Gedankending (eine Einbildung).« Alsdann prüfe nach den von dir angenommenen Grundregeln, besonders nach der ersten, ob es zu den in unserer Macht stehenden Dingen gehöre oder nicht. Gehört es zu den nicht in unserer Macht stehenden, so halte dies Wort bereit: »Es berührt mich nicht.«

2

Mache dir klar, dass die Begierde das Erlangen desjenigen verspricht, was man begehrt, die Abneigung aber nicht in das hineingeraten will, was verabscheut wird, und dass der, welchen seine Begierde täuscht, unglücklich ist, noch unglücklicher aber der, welcher in das gerät, was er nicht leiden kann.

Wenn du nun bloß das verabscheust, was denjenigen Dingen zuwider ist, welche in deiner Macht stehen, so wird dir nichts, was du verabscheuen müsstest, begegnen können. Verabscheust du aber die Krankheit, oder den Tod, oder die Armut, so wirst du unglücklich werden. Gestatte dir daher keine Abneigung gegen alles, was nicht in unserer Macht ist, und lasse sie nur gegen das walten, was der Natur der in unserer Macht stehenden Dinge zuwider ist.

Der Begierde aber enthalte dich vorderhand gänzlich. Denn begehrst du etwas, was nicht in unserer Macht ist, so musst du notwendig das Glück vermissen; von dem aber, was in unserer Macht ist und was zu begehren sich ziemt, weißt du einstweilen noch nichts. Bei allem Begehren und Verabscheuen wende dich nur sanft und gelassen ab und zu.

3

Bei allen erfreulichen, nützlichen und daher von dir geliebten Dingen unterlass nie, dir klar zu machen, wie sie beschaffen sind, und fange hierbei bei den kleinsten Gütern an. Siehst du einen Krug, so sage dir, dass du einen Krug siehst; dann wirst du nicht in Unruhe geraten, wenn er bricht. Umarmst du dein Kind oder Weib, so sage dir, dass du einen Menschen küssest, so wird dir nicht ungelassen werden, wenn er stirbt.

4

Beginnst du irgendein Werk, so bedenke genau, von welcher Art es sei. Willst du baden gehen, so erwäge zuvor bei dir selbst, was sich alles im Bade zu ereignen pflegt, dass einige sich herausdrängen, andere ungestüm hineinstürzen, einige schimpfen, andere stehlen. Daher wirst du mit größerer Sicherheit die Sache unternehmen, wenn du dir von vornherein sagst: »Ich will baden und dabei meine vernunftgemäßen Entschlüsse behaupten.«

So verfahre bei jedem Werk. Dann hast du, wenn sich während des Badens irgendetwas Hinderndes ereignet, sogleich den Gedanken bei der Hand: »Nicht bloß dieses (baden z. B.) wollte ich, sondern auch meinen freien Willen und Charakter bewahren. Ich würde ihn aber nicht behaupten, wenn ich über das, was hier vorgeht, ungehalten sein wollte.«

5

Nicht die Dinge selbst, sondern die Meinungen über dieselben beunruhigen die Menschen. So ist der Tod an und für sich nichts Schreckliches, sonst wäre er auch dem Sokrates so vorgekommen; vielmehr ist die vorgefasste Meinung von ihm, dass er etwas Schreckliches sei, das Schreckhafte. Wir wollen daher, wenn wir von etwas gehindert, beunruhigt oder betrübt werden, niemals andere anklagen, sondern uns selber, nämlich unsere Meinung davon. Seines Unglücks wegen andere anklagen, ist die Art der Ungebildeten, sich selbst, die der Anfänger, noch sich, die der gebildeten und vollständig erzogenen.

6

Sei nicht stolz auf einen Vorzug, der nicht dein eigen ist. Wenn ein Pferd in stolzer Selbsterhebung sagen würde: »Ich bin schön«, so wäre dies erträglich; wenn du aber mit Stolz sprächest: »Ich habe ein schönes Pferd«, so bist du stolz auf des Pferdes Vorzug. Was gehört dir dabei? Die Denkungsart. Mit Recht wirst du dann stolz sein können, wenn du darin richtig handelst, denn dann bist du auf eine gute Eigenschaft stolz, die wirklich dir angehört.

7

Bist du auf einer Seereise, wenn das Schiff zeitweise in einem Hafen vor Anker liegt und du aussteigst, um Wasser zu holen, auf dem Wege etwa auch ein Müschelchen oder ein Zwiebelchen auflesen magst, dabei aber stets deine Gedanken auf das Schiff gerichtet haben und fortwährend zurückschauen musst, ob nicht etwa der Steuermann rufe, und wenn er ruft, alles verlassen musst, um nicht sonst wie die Schafe gebunden (gleich einem ungehorsamen oder entlaufenen Sklaven) in das Schiff geworfen zu werden, so magst du auch im Leben, wofern dir ein Frauchen oder Kindchen gegeben ist, dich daran freuen; wenn aber der Steuermann ruft, so eile zum Schiffe, verlass alles, schaue dich nach nichts um.

Bist du schon ein Greis, so entferne dich überhaupt nie mehr weit vom Schiffe, damit du nicht zurückbleibst, wenn der Steuermann ruft.

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