Lichtstreife und Arschtritte - Imre Grimm - E-Book

Lichtstreife und Arschtritte E-Book

Imre Grimm

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Beschreibung

Was weiß Alexa über mich? Was kostet einmal Fluchbrechen? Haben die Young Boys Bern eine Altherrenmannschaft? Was ist ein»„Schnurz« – und warum ist der immer »piepegal«? Warum sind die meisten Köche Männer, aber die meisten Männer keine Köche? Sind Fahrstühle Orte des Argwohns und Treppenhäuser Orte der Solidarität? Ist ein Stundenlohn von 93 Pfennig eine angemessene Gage für Straßenmusik in Paris? Und wenn man gleichzeitig weint und lacht – erscheint dann ein Regenbogen? Herzlich willkommen zu »Lichtstreife und Arschtritte«, dem neuen Band mit den schönsten Kolumnen und Satiren von Imre Grimm, dem Autor des Bestsellers »Über Leben in Deutschland«, in denen er mit Witz und Wahnsinn den deutschen Alltag beobachtet. Selbst in den kleineren und größeren Frustmomenten des Lebens steckt noch Lustiges, und hier kommt es ans Licht. Ein Buch für alle, die gegen den Trend optimistisch bleiben. Denn das größte Wagnis unserer Zeit ist Zuversicht.

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Imre Grimm

Lichtstreife und Arschtritte

Neue Kolumnen aus einem lustigen Land

© 2023 zu Klampen Verlag • Röse 21 • 31832 Springe

www.zuklampen.de

Umschlaggestaltung: © Philipp Bieler unter Verwendung von Motiven von Adobe-Stock • Hannover

Satz: Germano Wallmann • Gronau • www.geisterwort.de

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH • Rudolstadt

ISBN Printausgabe 978-3-86674-999-3

ISBN E-Book-Pdf 978-3-98737-385-5

ISBN E-Book-Epub 978-3-98737-384-8

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.dnb.de› abrufbar.

Für meine Eltern

Inhalt

Vorwort

Die deutsche Sprache

Was ist ein Schnurz?

Politik & Wirtschaft

Der Kanzler im Kindergarten

Essen & Trinken

Gulaschsuppe in der Achterbahn

Der Mann & die Familie

»Kindergeburtstag gefeiert. Haus zu verkaufen. Für Bastler.«

Körper & Geist

Ein Fläschchen Schnaburziprofaxazin

Arbeit & Heimwerken

Beruf: Havariekommissar, menschliche Kanonenkugel und Zauberer

Kunst & Kultur

»Meine Braut, ihr Vater und Batman«

Lifestyle & Mode

»Neben Brad Pitt sehen wir alle aus wie Zwiebeln«

Prominente & andere Wesen

Johannes, Paulus, Georgus und Ringus

Tiere

Insekten haben zu viel Freizeit

Digitales & Technik

Alexa, was weißt du über mich?

Unterwegs

La Deutsche Vita

Sport & Freizeit

Extreme Liegewiesing

Musik

Das Konzert war Saint-Saëns-tionell

Natur

Mit Laub und Seele

Weihnachten & Silvester

Ich bitte um Entschuldigumm

Über den Autor

Vorwort

Guten Tag,

herzlich willkommen in diesem Buch. Möglicherweise stehen Sie gerade in einer Buchhandlung, während ich hier stagnierend auf meinem Kolumnistendienstsofa herumlümmle. Vielleicht haben Sie probehalber diese Seite aufgeblättert und fragen sich, ob Sie dieses Buch kaufen sollen. Oder Sie haben das Buch ungefragt geschenkt bekommen und wissen nicht, ob Sie es lesen oder gleich bei eBay reinstellen sollen.

Ich würde sagen: Lesen Sie es! Unbedingt!

Sie sollten aber besser nicht bloß auf mein Urteil setzen, denn ich bin als Autor dieses Buches ein klein wenig voreingenommen. Autoren finden ihre Bücher traditionell überaus gelungen und lesenswert.

Ich kann Ihnen aber verraten, worin es in diesem Buch geht. Vielleicht hilft das bei der Entscheidungsfindung. Dieses Buch ist eine fröhliche Sammlung von kurzen, möglichst lustigen Texten, die Schönes, Schlimmes, Verrücktes, Unverrücktes, Persönliches, Anekdotisches, Allgemeines, Spezielles, Bemerkenswertes und Beklagenswertes aus dem deutschen Alltag beschreiben. Es geht um Eierlikör im Kuhstall, die hässlichste Stadt Deutschlands, lächelnde Bäume, ältere Damen mit Schmuckhündchen, die schönsten Eselsbrücken, Schüsse im Theater, ein Wort mit elf Äs, Karneval in Norddeutschland, eine verheiratete Blaubeere und die Frage, ob ausgekipptes Popcorn auf dem Kinofußboden die Kiesauffahrt des kleinen Mannes ist.

Es ist garantiert für jeden etwas dabei. Manche Menschen benötigen einen Lichtstreif der Hoffnung, manche einen Tritt in den Arsch. Und manche wollen sich einfach mal entspannt erfreuen an der Seltsamkeit des Lebens – und zwar ohne Mehrwortsteuer. Dafür ist die Textform Glosse hervorragend geeignet. Denn »G. L. O. S. S. E.« ist natürlich die Abkürzung für »Glyphenbasiertes, labsalerzeugendes, originelles Sprachstimulanzium zur Erbauung«. Sie müssen das Buch nicht am Stück lesen wie einen 900-Seiten-Roman, sondern können nonchalant darin blättern, sich erfreuen, es zur Seite legen und immer wieder danach greifen. So haben es auch die Leserinnen und Leser meines vorherigen Buches Über Leben in Deutschland getan. Das Ziel ist ein stabiler Lustgewinn bei der Lektüre.

Auch dieser Band versammelt Kolumnen, Satiren und andere Beiträge aus den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland, bei dem ich als Journalist und Autor tätig bin, wenn ich nicht gerade Toffifee essend im Garten sitze und darüber nachdenke, was John F. Kennedy mal gesagt hat: »Das Leben ist ungerecht, aber nicht immer zu deinen Ungunsten.«

Es könnte das Motto dieses Buches sein. Bleiben wir zuversichtlich.

Viel Freude beim Lesen!

Die deutsche Sprache

Was ist ein Schnurz?

Deutsche Regeln

Es läuft gewiss nicht alles rund in diesem Land. Die Schule beginnt zu früh, das zweite Frühstück hat sich nie richtig durchgesetzt, ohne Corona würden wir immer noch mit Muscheln und Perlenketten bezahlen, und es wird insgesamt viel zu viel gemeckert. Zum Beispiel von mir. Gerade eben. Blicken wir also mal auf das Positive. Das, was funktioniert: die Verwaltung. Die läuft wie, nun ja, geschmiert. In hiesigen Amtsstuben weiß man stets, was richtig ist. Denn gewisse deutsche Grundregeln sind in Stein gemeißelt.

Ich zitiere zum Beispiel aus einem Originalkommentar zum Bundesreisekostengesetz. Da heißt es: »Stirbt ein Bediensteter während der Dienstreise, so ist damit die Dienstreise beendet.«

Klare Sache. Das sind die Dogmen, auf denen die Fundamente dieses Landes ruhen. Der Satz ist eng verwandt mit dem folgenden, ebenfalls sehr hilfreichen Hinweis aus einem offiziellen Unterrichtsblatt für die Bundeswehrverwaltung: »Der Tod stellt aus versorgungsrechtlicher Sicht die stärkste Form der Dienstunfähigkeit dar.«

Und wenn man dann tot ist? Nicht so schlimm. Denn in einer Vorschrift der Kriegsgräberfürsorge heißt es: »Die Fürsorge umfasst den lebenden Menschen einschließlich der Abwicklung des gelebt habenden Menschen.« Wobei »gelebt habend« in diesem Fall nicht die genderkonforme Variante von »tot« ist.

Sehr wertvoll ist auch die folgende Mitteilung des saarländischen Umweltministeriums: »Der Charakter des Waldes und sein Erscheinungsbild werden in erster Linie durch die Bäume bestimmt.« Ach nee?! Guter Hinweis. Danke, Saarland.

Wir kommen trotz aller Mängel ganz gut zurecht, solange wir den Deutschen Lehrerverband Hessen haben. Der stellte neulich klar: »Besteht ein Personalrat aus einer Person, dann erübrigt sich die Trennung nach Geschlechtern.« Und falls Sie sich mal fragen sollten, was »Ausfuhrbestimmungen« sind, hat das Bundeswirtschaftsministerium eine Antwort für Sie: »Ausfuhrbestimmungen sind Erklärungen zu den Erklärungen, mit denen man eine Erklärung erklärt.«

Das alles erinnert an ein älteres Merkblatt der Deutschen Bundespost, dessen Prächtigkeit pausenlos zu loben ist: »Der Wertsack«, hieß es da erläuternd, »ist ein Beutel, der aufgrund seiner besonderen Verwendung nicht Wertbeutel, sondern Wertsack genannt wird, weil sein Inhalt aus mehreren Wertbeuteln besteht, die in den Wertsack nicht verbeutelt, sondern versackt werden.«

Es ist doch schön, in einem Land zu leben, in dem über solche Fragen keine Unklarheit herrscht. Ebenso wie bei folgender Mitteilung zu Farbnormen des Deutschen Instituts für Normung in Berlin: »Der Buntton beschreibt die Art der Buntheit einer Farbe«, heißt es da. »Die Buntheit beschreibt die Verschiedenheit einer Farbe vom gleichhellen Unbunt.«

Eine gute Nachricht kommt auch von einem Landgericht in Nordrhein-Westfalen. In einem Beschluss findet sich die folgende Juristendeutschpreziose: »An sich nicht erstattbare Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens erster Instanz sind insoweit erstattbar, als durch sie erstattbare Kosten erspart bleiben.«

Und sollten sich Fragen zur Bekämpfung der Dasselfliege bei Kühen ergeben, gilt dieser Hinweis des Landkreises Oldenburg: »Rinder, bei denen trotz Durchführung der sogenannten Herbstabdasselung im Frühjahr noch Dasselbeulen auftreten, sind durch den Abdassler nachdasseln zu lassen.«

Solange wir uns alle an diese unverrückbaren Regeln halten, kommen wir ganz gut miteinander aus. Ansonsten bat mich das Verbandsblatt des Bayerischen Einzelhandels noch, auf folgenden Umstand hinzuweisen – ist vielleicht auch interessant für Sie: »Ehefrauen, die ihren Mann erschießen, haben keinen Anspruch auf Witwenrente.«

Blabylon Berlin

Jüngst weilte ich in Berlin. Ich bin gern dort, reise aber auch gern wieder ab. Vor der Rückreise mit dem Zug stand auf dem Bahnsteig eine junge Frau und telefonierte lautstark mit einem Bewerber für eine zweifellos endgeile Firma. Der Mann hatte offenbar noch keine Wohnung in Berlin, aber eine in Aussicht. Ich habe präzise notiert, was die Frau sagte. Sie sprach unter anderem Folgendes in ihr Mobilgerät: »No, du bist da safe. To be honest: Er hat da keinen need, was die Wohnung angeht. Für mich ist das ein done deal, for sure. Du kannst also erst am friday kommen, und die policy bei uns ist wirklich remote, du musst nicht ins office, wenn du dich erst mal setteln willst.« So ging das noch etwa fünfzehn Minuten weiter.

Ist das nicht incredible? Nun ist es natürlich so, dass Sprache sich permanent verändert, gewiss, es gibt auch kein deutsches Wort für dies und das und jenes und thank god auch kein Reinheitsgebot für die Sprache, das weiß ich alles, na klar. Ich gewann jedoch den Eindruck, dass die gehäufte Verwendung des englischen Idioms in diesem speziellen Fall nicht zur Präzisierung des Gesagten anhub, sondern vielmehr der vorsätzlichen Pompösisierung diente. In ihrem Satz waren immerhin 28,3 Prozent aller Wörter englisch. Es muss einen geheimen Berliner Code geben, wonach beklagenswert unhippe deutsche Sätze automatisch viel krasser werden, wenn sie mindestens 28,3 Prozent englische Wörter enthalten. Auch wenn sie inhaltlich sturzöde bleiben.

Bin ich jetzt cringe? Sicher, sicher. Gewiss ist es maximal embarassing, wenn ein Familienvater aus der Provinz den polyglotten Metropolenslang crazy findet. Aber erstens war die Frau kaum jünger als ich – höchstens zwei bis drei Jahrzehnte. Und zweitens liebe ich die englische Sprache, weil sie einfach schneller zur Sache kommt. The thing is: Klar klingt »jogging« cooler als »Dauerlauf«, »boxer shorts« cooler als »Prügelschlüpfer« und »babysitter« präziser als »Säuglingshirte«. Ich mag derlei Renommierdenglisch bloß nicht als Ausweis von urbaner Nonchalance akzeptieren. Es ist, was es ist: Blendgelaber.

Die Stadt Berlin hat übrigens im ersten Quartal 2022 7,6 Milliarden Euro Steuergeld eingenommen. Das waren 1,6 Milliarden Euro mehr als im Vergleichsquartal 2021. Diese Summe entspricht exakt 28,3 Prozent. Das kann jetzt Zufall sein, aber ich bin ziemlich sure, dass die Frau mit dem strangen wording der festen Überzeugung ist, die Zunahme der Steuereinnahmen und das Aufblühen der Berliner Wirtschaft habe direkt mit der 28,3-prozentigen Verwendung von Englisch in ihrer Businesskommunikation zu tun.

IMHO: Maybe, nur maybe, ist es for real total sus, wenn du in Berlin nicht mit Englisch am flexen bist. Aber ich dachte nur: »Sheesh! How come, dass die sprachlich so unchilly ist? Dunno! I don’t buy it. Dieses girl is going bonkers. Aber hang tight – irgendwann reden wir alle so, that’s for sure. Welcome to Blabylon Berlin.«

Redensarten mit Ei und Hase

Ostern! Zeit für eine sprachhistorische Einordnung österlicher Ausdrücke. Woher stammen unsere Redensarten mit Ei? Hier kommen die Erklärungen:

Wer war zuerst da? Die Henne oder das Ei?

Diese Redensart basiert auf der Sage vom Ritter Henner, der um 1210 mit König Hadubrand dem Haarigen wettete, er werde ihm eine Buhle besorgen, bevor seine Lieblingshenne Petunia das nächste Ei legen würde. Ritter Henner stahl im Nachbardorf eine Milchmagd, kam aber zu spät zum König: Petunia hatte bereits gelegt. Die Frage »Wer war zuerst da – der Henner oder das Ei?« war also beantwortet. Erst Jahrhunderte später machten Genderaktivisten aus Gründen der Geschlechtergerechtigkeit aus dem Henner die Henne.

Das Ei des Kolumbus

Christoph Kolumbus litt nach zeitgenössischen Berichten des Leibarztes der kastilischen Königin Isabella I. an einer seltenen Form von Klötenverklumpung. Diese löste sich erst im warmen Klima der Karibik. Zum Dank für seine Heilung benannte Kolumbus die von ihm entdeckte Insel nach dem Heiligen Erlöser der Gemächte: San Salvador. Puritanischen Nachgeborenen war die Wahrheit zu peinlich: Sie erfanden die Legende von einem Ei als Symbol für einfache Lösungen, das Kolumbus zum »Stehen« brachte, indem er es fest auf einen Tisch klopfte.

Herumeiern

Der Ausdruck »herumeiern« ist nach dem tschechischösterreichischen Apotheker Heru Meier benannt und hat mit Eiern nichts zu tun. Heru Meier pflegte, Medizin nach Lust und Laune anzurühren, und erfand auf diese Weise 1612 zufällig die Lakritze. Seither nennt man zielloses, aber erfolgreiches Herumsauen mit diversen Zutaten nach Heru Meier: heru-meiern.

Das Gelbe vom Ei

Die Redensart »Das Gelbe vom Ei« hieß bis 1736 noch »Das Weiße vom Ei«. Dann bestieg Fürst Kresimir der Pampige den Thron des Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadt. Wegen seiner auffällig hellen Haare nannte ihn die Bevölkerung Kresimir den Weißen. Der Fürst hasste den Namen und ließ das Wort weiß verbieten. Auf dem Rudolstädter Sokrates-Denkmal stehen seither die Worte »Ich, dass ich nichts«. Rudolstädter Zimmergesellen trugen die umformulierte Eierredensart in alle Welt.

Für einen Appel und ein Ei

Dieser Ausdruck ist der Titel eines österreichischen Filmklassikers von 1926. In dem dreiminütigen Frühwestern geht es um einen Mexikaner, der die verfeindeten Dörfer Villabajo und Villariba gegeneinander ausspielt. Für seine Doppeltätigkeit erhält er jeweils einen Appel und ein Ei. Regisseur Sergio Leone würdigte den Pionierfilm 1964 mit einer Hommage: Sein erster Italowestern mit Clint Eastwood hieß zunächst Für einen Appel und ein Ei (Per una mela e un uovo). Äpfel und Eier erschienen dem Verleih aber zu uncool. So wurde daraus Für eine Handvoll Dollar (Per un pugno di dollari). Später übernahm ein US-Computerhersteller für eine symbolische Handvoll Dollar die Marke Appel. Das E wurde in den Neunzigerjahren wegrationalisiert.

Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen

Jeremias Fuchs und Magnus Hase waren im Barock reisende Quacksalber, die mit großem Erfolg zerstoßene Kieselsteine als Heilpulver verkauften. Ihren Gewinn vergruben sie zeitlebens nachts an abgelegenen Orten. Sprichwörtlich für ein schwer zugängliches Nirgendwo wurde ihr Tun, weil bis heute nicht alle Verstecke ihres Reichtums gefunden worden sind.

Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts!

Der Ausdruck stammt von einem berühmten Kriminalfall: Beim Kleindeggendorfer Schützenfestmord von 1898 hatte der Student Jasper von Nichts die junge Bäckerin Heidewind Knörfel mit einem Hau-den-Lukas-Hammer aus Eifersucht erschlagen. Er vertraute sich später seinem Freund Nikolaus Hase an. Bei einer Polizeibefragung verriet ihn Hase mit den Worten: »Mein Name ist Hase, ich weiß von Nichts, dass er es war.« Der zweite Teil des Satzes wurde später gestrichen, weil deutsche Redensarten offiziell nicht mehr als ein Komma enthalten dürfen.

Hase mal ’ne Mark?

Dieser Satz spielt auf den alten sauerländischen Brauch des Hasardierens an: Als Hasen verkleidete Handwerksburschen, die Hasardeure, verteilten auf die Bitte »Hase, mal ’ne Mark?« Geldstücke an Kinder, um an die guten Taten des Regionalheiligen Korbinian von Hasenstein zu erinnern. Nach Protesten der Tierschutzorganisation Peta fügte man später ein T ein. Die Hasardeure sind heutzutage als Hedgefondsmanager verkleidet, und die Kinder fragen »Haste mal ’n Euro?«.

Viele Jäger sind des Hasen Tod

Ursprung dieser Redewendung ist der Fall des Hasen Flüchtefritz aus dem 19. Jahrhundert. An dessen Erlegung waren der Legende nach bis zu 22 Jäger beteiligt. Flüchtefritz entkam immer wieder, wurde von Kurfürst Niespulv von Nesselbart 1854 schließlich zum Problemhasen erklärt, aber erst Mitte 1857 auf der Kümpflalm im Gemeindebereich Bayrischzell (heute Landkreis Miesbach) erschossen.

Da liegt der Hase im Pfeffer

Der Satz lautete erst »Da liegt der Pfeffer im Hasen«, bis Ludowika Kireis, die Köchin von Ludwig dem XV., dazu überging, den Hasenbraten von außen zu würzen statt von innen. Im deutschen Sprachraum entschied man sich später für das prägnantere und inhaltlich gleichbedeutende Sprichwort »Isso«.

Wissen, wie der Hase läuft

Diese Redewendung hieß bis ins 19. Jahrhundert noch »Wissen, wie der Iltis läuft«. Dann fiel jemandem auf, dass Iltisse gar nicht ungewöhnlich laufen, wohl aber Hasen. So wurde aus dem Iltis der Hase. Nicht durchsetzen konnten sich hingegen die Varianten »Wissen, wie die Jakobsmuschel hüpft« und »Wissen, wie der Stirnlappenbasilisk herumeumelt«.

Die Mannschäster-Hose

Die Verenglischung des deutschen Alltags ist hinreichend beklagt worden. Noch nicht genügend betrauert haben wir dagegen den schleichenden Verlust einer zauberhaften Spielart des Englischen: das Mannschästerhosen-Englisch. Es ist dies der herzensgute Versuch nicht Englisch sprechender Deutscher vor allem in der Nachkriegszeit, der fremden Klänge robust Herr zu werden. Je mehr Menschen heute Englisch lernen und sprechen, desto seltener sind die historischen Sprachpreziosen aus jener Zeit noch zu hören. Das ist bedauerlich.

Flaggschiffvokabel des eingedeutschten Englischen ist die gute, alte Mannschästerhose, konsequent betont auf der zweiten Silbe. Es handelt sich um Hosen aus Cord, zumeist gewoben in Manchester. Zu Ruhm gekommen ist in diesem Zusammenhang auch das Kaufhaus Woolworth – freilich nicht als Wuhlwörss, sondern unter seinem deutschen Nom de plume: Wollwortt! Dort gab es unter anderem das Mayonnaise-Methadon Miracel Whip, korrekt ausgesprochen »Mirrikell-Houipp«, also, ähm, Wunderpeitsche. Im Deutschen heißt die fettreduzierte Salatcreme natürlich Mirakelwipp und nicht anders.

Bis heute nicht restlos geklärt ist die korrekte Aussprache der Worchestersauce. Englischexperten beharren auf »Wuuhstersoße«. Das wäre eine eklatante Verschwendung von Buchstaben, sinnlos in ein überlanges Wort geklebt. Der pragmatische Deutsche verweigert sich dieser Vergeudung. Hierzulande hat sich als Aussprachelösung die optimistische Vernuschelung durchgesetzt (»Gibst du mir mal bitte die Whms$%&X!stersoße?«). Hier gilt, was der große Philosoph Lothar Matthäus einst sagte: »My English is not so good, my German is much better.«

Pionier der munteren Eindeutschung war Keksfabrikant Hermann Bahlsen, der 1912 den britischen »Cake« zum »Keks« germanisierte. Erst seit 1955 jedoch ist Englisch Pflichtsprache in deutschen Schulen (und erst seit 2005 in Grundschulen). Über Jahrzehnte sprach man englische Wörter also genauso aus, wie man sie las. Man rauchte »Pallmall«, »Dunnhill« oder »Schtoiwesannt«, und aus »fashionable« wurde »fesch«. Von da war es nicht mehr weit bis zum sympathischen »Slip«-Abkömmling, dem »Schlüpper«. Und warum auch nicht? Der Satz »Mein Sohn hat einen Ferien-Jopp als Jatzer« lässt doch keine Fragen offen. Und wer ernsthaft »Tapperwähr« sagen würde statt »Tupperwahre«, der würde auf der nächsten Tupperparty ruckzuck verbal eingetuppert.

Eine mir sehr nahestehende Verwandte erinnert sich auch an das »Grahamm-Brot«. Das ist helles Brot aus Weizenschrot und heißt korrekt natürlich »Gräihämm-Brot«, denn es ist eine Erfindung des amerikanischen Predigers Sylvester Graham (1794–1851), einem Propagandisten der Sittsamkeit. Der Mann war fest davon überzeugt, dass dunkles Brot sexuelle Lust und Liderlichkeit unbotmäßig steigere. Wir alle kennen den Effekt: Eine Scheibe Schwarzbrot und ab geht’s in die Kissen! Pumpernickel – das Viagra des kleinen Mannes.

Das Thema Mannschästerhosen-Englisch beflügelte nicht wenige Leser, die mich freundlicherweise mit weiteren Preziosen aus der weiten Welt des Mannschästerhosenenglisch versorgten. So erinnern sich die Leser Manfred W. und Stefan R. an die Orangenlimonade »Suhnkist«, die man in den Achtzigerjahren selbstverständlich mit langem, deutschem »U« aussprach und nicht »Ssannkist«. Leser Rainer P. berichtet, wie seine Mutter beim Fleischer stets konsequent »Rossbeff« verlangte, bis Sohn Rainer sie motivierte, die Sache beim nächsten Mal wie »Roustbief« auszusprechen. »Meine Mutter, des Englischen nicht mächtig, verrenkte sich ihre Zunge beim Wort ›Rooastbiif‹«, schrieb er. Die Fleischereifachverkäuferin habe zunächst nichts verstanden und schließlich geantwortet: »Ach, Rossbeff woll’n Se!« Geht doch.

Stefan R. wiederum ergänzt das Vokabularium des Mannschästerhosenenglisch um die Wörter »Swietschört« (Sweatshirt), »Pullunder« und »Kappolder« (für den »Cupholder« im Auto). Es waren andere Zeiten. Die Globalisierung lag erst in den Anfängen. So sprach man in meiner Familie ganz selbstverständlich nicht von »Nju Jork«, sondern von »Neff Jork«. Und vom »Micheliehn-Männchen«, nicht vom »Mischeläh-Männchen«, wobei hier natürlich das Französische Pate steht.

Es besteht freilich kein Anlass, sich über derlei eingedeutschte Fremdwörter zu erheben. Denn das Mannschästerhosenenglisch hat bis heute Bestand. So sprechen die meisten Deutschen von »Ammazohn« und nicht von »Ämmäsonn« wie in Emerson, Lake and Palmer. Oder sagen Sie »Passel« zum Puzzle? Und wer sagt schon »Kollgäit« zu der Zahnpasta Colgate? Ironischerweise heißt die Parfümerie Douglas, deren Name auf den schottischen Seifensieder John Sharp Douglas zurückgeht, tatsächlich »Duglass« wie in »Carglass«. Es ist die korrekte Aussprache des schottischen »Douglas«. Das vermeintlich kosmopolitischere »Daggläss« wäre also falsch.

Der Jeanspionier Levi Strauss hingegen, 1829 als Löb Strauß in Buttenheim bei Bamberg geboren, nannte sich erst 1847 nach der Emigration in die USA Levi – und zwar englisch ausgesprochen: »Liehweih«. Weshalb die berühmte Hose im Genitiv (Levi’s) auch »Lieweiss« heißt und nicht »Lewwiss«. Anders als die kanadische Stadt Levis in Québec, die sich »Löwiss« nennt. Es ist kompliziert.

Für »Mannschäster« übrigens gibt es bei Google nicht einen einzigen Treffer. Die Forschung muss sich des Themas dringend mal annehmen. Ich kann in meinem » Jopp« ja nur an der Oberfläche kratzen. Darauf einen Schluck »Wuuhstersoße«, eine »Schtoiwesannt« und ein schönes Stück »Rossbeff«.

Unheimlich viele Forscher trinken gerne Pils

Dem Esel ist in der Scherzliteratur viel Unrecht geschehen – ähnlich wie Klein Fritzchen, den Schwaben und Ostfriesen. Der Esel gilt zu Unrecht als doof und bockig. Zu Ruhm hat er es dennoch gebracht – vor allem wegen der gleichnamigen Brücke. So lassen sich, wie wir alle wissen, im Altgriechischen die fünf Verben des Imperativs Aorist mit dem Eselsbrückenmerksatz »Labet eure Eltern in der Kneipe« memorieren.

Überhaupt scheint Alkohol im Merksatzwesen eine bedeutende Rolle zu spielen. Physiker greifen zur Veranschaulichung des Guggenheim-Quadrats zur Thermodynamik gern zu zwei Eselsbrücken, die Auskunft über ihre liebste Freizeitbeschäftigung sowie ihre Rechtschreibkenntnisse mit 3,0 Promille geben. Der erste lautet: »Unheimlich viele Forscher trinken gerne Pils hinterm Schreibtisch.« Der zweite lautet folgerichtig: »Suv (Suff) hilft Fysikern pei großen Taten.« Und Dressurreiter und -reiterinnen merken sich die Reihenfolge der Orientierungsbuchstaben an der Bande (M, B, F, A, K, E, H und C) mit dem Satz: »Mein Bester Freund Alfred Kann Einen Heben, Cheerio!«

Das führt direkt zu den sieben Todsünden Stolz, Geiz, Neid, Unmäßigkeit, Unzucht, Zorn und Trägheit. Da gibt es, was die Alltagstauglichkeit des passenden Merkwortes angeht, freilich noch Optimierungsbedarf: »Sto-Gei-Nei-Un-Un-Zo-Trä«?! Das klingt wie »Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben« auf Esperanto.

Die Klassiker der Merkszene sind denn auch andere: »753 – Rom kroch aus dem Ei« etwa oder »Im Jahre 333 bei Issos Keilerei« zur Schlacht bei Issos. Medizinerinnen merken sich die essenziellen Aminosäuren (Phenylalanin, Isoleucin, Tryptophan, Methionin, Leucin, Valin, Lysin, Threonin) mit einem Kurzdrama, das ich gern von Sofia Coppola verfilmt sähe: »Phänomenale Isolde trübt mitunter Leutnant Valentins lüsterne Träume.«

Die Eselsbrücke zur Dauer einer Schwangerschaft nach dem Eisprung in Tagen dagegen ist vergleichsweise unromantisch (268 Tage: »Zwei machten Sex und gaben nicht Acht«). Sämtliche Blitzschlagtipps im Wald dagegen sind sachlich Unfug: »Buchen sollst du suchen, Eichen musst du weichen«? Alles Quatsch. Merke: »Bei Gewitter im Wald? Verlasse ihn bald!« Oder noch kürzer: »Macht es Bumm, sei nicht dumm.«

Vergleichsweise gemütlich geht es in der Politik zu, wo man sich die Reihenfolge der Kanzler(innen) seit 1949 – also Adenauer, Erhard, Kiesinger, Brandt, Schmidt, Kohl, Schröder, Merkel und Scholz – wie folgt merkt: »Alle ehemaligen Kanzler bringen samstags knusprige Semmeln mit Senf.« Wobei ja zumindest Erdgaslobbyist Gerhard Schröder, wie man hört, statt knuspriger Wurstsemmeln mit Senf inzwischen Müsli mit Hafermilch bevorzugt, bezahlt mit schmutzigem Geld. Biologen memorieren den Spaltbeinaufbau von Krebstieren (Crustacea Coxa, Basis, Ischium, Merus, Carpus, Propodus, Daktylus) übrigens mit folgendem Kurzrezept: »Currywurst braun? Ich mach Curry-Pulver drauf.« Dem alten Schröder hätte das gefallen.

Das Thema Eselsbrücken veranlasste Leser Volker B., mir einen erweiterten, sehr schönen Merksatz zur oben schon erwähnten Reihenfolge der Orientierungsbahnpunkte für Dressurreiter auf einem 60-Meter-Dressurviereck beizusteuern. Die Buchstabenkette (M, R, B, P, F, A, K, V, E, S, H, C am Rand plus G, I, X, L, D auf der Mittellinie) wirkt auf den ersten Blick, als sei ein Eichhörnchen auf der Tastatur herumgehüpft. Folgender Merksatz hilft: »Mein Ross Braucht Paraden Für Alle Korrekten Volten; Es Soll Heute Chic Gehen In Xavers Leichter Dressur.«

Leser Detlef R. hingegen übersandte einen Hinweis auf allerhand hübsche Medizinerverse zur korrekten Reihenfolge der Hirnnerven – darunter auch solche, die für ein in einem seriösen Verlag erscheinendes Buch untauglich sind. Hier die braven Varianten: »Oh, oh, oh, tausende Tanten arbeiten für viel Geld, vor allem als Hebammen« beziehungsweise »Oliver operiert optimalerweise tagtäglich, aber (sobald) Frauen vorbeikamen, geierte Vater allen hinterher«. Das wirft zwar kein gutes Licht auf Vater, ist aber im Vergleich zu sachverwandten Sprüchen noch harmlos. Leser Michael F. schließlich meldete einen neueren Merkspruch zur Reihenfolge der Planeten (ohne Pluto), der klingt wie eine Warnung vor Taschendieben: »Mamis volle Einkaufstaschen machen jeden Spaziergänger unheimlich neugierig.«

Überhaupt: Eselsbrücken können Leben retten. So erinnern sich Kletternde zur Überprüfung von Verschlüssen und Karabinern ihres Partners mit dem schönen Satz »Partnercheck – sonst Partner weg!«. Ein Vers, der im Grunde weit über die Kletterszene hinaus auf Beziehungen insgesamt anwendbar ist. Und falls beim Absturz die Milz reißt: Die Größe des weithin unterschätzen Organs (4 cm x 7 cm x 11 cm), dessen Existenz vielen Menschen erst durch Otto Waalkes bewusst wurde (»Milz an Großhirn: Soll ich mich auch ballen?«), merken sich Mediziner mit »4711«. Wobei davon auszugehen ist, dass Milzen nicht nach Kölnisch Wasser riechen.

Mediziner merken sich die, nun ja, Nebenflüsse der Halsschlagader mit dem Satz »Theo Lingen frühstückt stets fantastische Ochsenschwanzsuppe aus mageren Tieren«, wozu dem Mann zu gratulieren ist. In der Geografie ist der zärtliche Merkvers zur Vereinigung von Werra und Fulda zur Weser in Hannoversch Münden zu beträchtlichem Ruhm gekommen (»Wo Werra sich und Fulda küssen / sie ihre Namen büßen müssen. / Und hier entsteht durch diesen Kuss / deutsch bis zum Meer der Weser-Fluss«). Während die Mündung der Spree in regionstypischer Nüchternheit profan beschrieben wird: »Bei Spandau steht ’ne Warnungstafel, da stürzt die Spree sich in die Havel.«

Zur korrekten Aufzählung der sechs Gitarrensaiten (E-A-D-G-H-E) hat sich folgender Spruch durchgesetzt: »Eine Alte Dame Geht Heute Einkaufen.« Wohingegen Ukulele Spielende sich ihre vier Saiten wie folgt merken: »Gute Clowns Ernten Applaus.«

Hier spiegelt sich präzise der Unterschied zwischen Gitarre- und Ukulelespielern: ernsthaftes Handwerk hier – schalkhafter Schabernack dort.

Das Wetter

Seltsam, dass man so viel netter

ist, wenn man bei schönem Wetter

sich begegnet,

als wenn’s regnet.

Ich muss noch Besorgungen machen

Haben wir jemals ausreichend die Pracht und Anmut des deutschen Wortes »Besorgungen« gewürdigt? Das schmucklose Äußere dieses Begriffs täuscht über seine universalen Möglichkeiten hinweg. Es ist ein Zauberwort. Niemand wird sich jemals dafür rechtfertigen müssen, »Besorgungen« zu machen. Stattdessen wird es heißen: »Weichet zur Seite, ihr Leute! Dieser Mann hat Besorgungen zu machen! Stehet ihm nicht im Wege herum!«

»Besorgungen« – das kann alles bedeuten. Sie hatten keinen Bock, die Steuer zu machen, und sind stattdessen lieber smöfte im Baumarkt herumgepetert? Sagen Sie nicht: »Ich hatte keinen Bock.« Sagen Sie: »Ich hatte noch Besorgungen zu machen.« Sie müssen eine Leiche in der mexikanischen Wüste verscharren? Sagen Sie nicht: »Ich muss eine Leiche in der Wüste verscharren.« Sagen Sie: »Ich habe noch Besorgungen zu machen.«

»Ich muss noch Besorgungen machen« ist das »Ich muss noch Zigaretten holen« für die kleineren Fälle; wenn Sie eine Auszeit brauchen, aber mit Ihrer Rückkehr in den Schoß der Familie zu rechnen ist. Aber überreizen Sie den Effekt nicht! »Wo warst du?« – »Ich musste noch Besorgungen machen.« – »Ach ja? Sechs Wochen lang??«

Es gibt allerdings Anlässe, bei denen es sich schickt, bei der Wahrheit zu bleiben. Ein sehr toller Freund von mir hat vor Jahren mal spontan seinen Job bei einer überregionalen Burgerbratanstalt gekündigt, weil abends Gesprengte Ketten mit Steve McQueen im Fernsehen lief (liebe Kinder, so war das damals – man musste nehmen, was kam, und zwar, wann es kam). Ich weiß nicht, ob ich jemals einen besseren Grund gehört habe, einen doofen Job zu kündigen, als »Heute Abend läuft Gesprengte Ketten mit Steve McQueen im Fernsehen«. Da kann der Hinweis »Ich muss noch Besorgungen machen« nicht mithalten.

In der Regel aber genügt der Hinweis auf unaufschiebbare »Besorgungen«, wenn es darum geht, sich geschickt einer Erledigung zu entledigen. Das Verb dazu ist freilich maximal umständlich: »Ich mache eine Besorgung.« Das klingt, als müsse die Besorgung erst noch hergestellt werden wie ein Stuhl oder ein Tisch. Aber was soll man erwarten von einer Sprache wie der unseren, die beängstigende Determinativkomposita kennt wie zum Beispiel »kaltschleudern«, »Krächzvogel« oder »Determinativkompositum«?

Die hiesige Wortschmiedekunst hat sprachliche Goldstücke wie »Bevorratungsverrichtung« (vulgo: Einkaufen), »Fracksausen« und »schnurzpiepegal« hervorgebracht. Wobei niemand jemals final geklärt hat, was eigentlich ein »Schnurz« ist, wie er/sie/es piept und warum er/sie/es egal sein soll. Ist es nicht diskriminierend, Schnürze kollektiv für piepegal zu erklären, ohne den Einzelfall zu kennen? Besteht nicht immer auch die Möglichkeit, dass es neben egalen auch relevante Schnürze geben könnte, solange niemand Wesen und Zweck eines Schnurzes kennt? Womöglich sind es Schnürze, die am Ende über das Schicksal unserer Welt entscheiden. Vorausgesetzt natürlich, sie sind nicht gerade unterwegs, um Besorgungen zu machen.

Määränpäähänpääsy

In der ewigen Rangliste der erfreulichsten Sprachen der Welt nimmt für mich das Finnische einen führenden Platz in meinem Herzen ein. Nicht nur, dass »Prost« dort wunderbarerweise »Kipp es!« heißt (na gut: »Kippis« – aber Sie wissen, was ich meine). Als Anwender einer eher ungeliebten Sprache namens »Doittsch!!«, die vom Rest der Welt wahlweise als Schwarz-Weiß-Film-Nazisprech (»Achtung, Achtung!«) oder Halskrankheit (»Achtung, Achtung!«) empfunden wird, mag ich einfach diesen Charme vokalreicher Idiome.

Wenn zum Beispiel der US-Präsident sagt: »I’m the decider, and I decide what is best!«, dann klingt das auf Finnisch viel putziger und irgendwie nicht so zum Kopfschütteln: »Minä olen päättäjä, ja päätän mikä on parasta.«

Neulich war ich mal in Lappland. Das war sehr nett. Deutsch mit finnischem Akzent klingt ähnlich herzerwärmend wie ungarisch eingefärbtes Deutsch, und das wichtigste Mitbringsel aus dem Geburtsland des Weihnachtsmannes ist ein Wort, das nur nach vielen Stunden in einer 100 Grad heißen Sauna geboren worden sein kann. Achtung! – es folgen acht (!) Ä in einem Wort: »Määränpäähänpääsy«. Das heißt angeblich so viel wie: »Es ist wichtig, ins Ziel zu gelangen.«

Und was machen wir bis dahin? »Kaffeepaussi«. Das ist ebenfalls finnisch und bedeutet – Kaffeepause. Das Wort ist mit Fug und Recht neulich zum schönsten ausgewanderten deutschen Wort der Welt gewählt worden.

Als der liebe Gott die Buchstaben über die Erde verstreute, arbeitete er eben nicht sehr sorgfältig. Finnland ist mit Umlauten klar überversorgt. Anderswo – wie in Italien – herrscht dafür kein Mangel an Vokalen (»O sole mio«). Und im Osten regiert der Konsonant. Der deutsche Satz »Der fleckige Windhund hat eine Handvoll Getreide verzehrt« etwa heißt im Tschechischen: »Chrt pln skvrn zhltl hrst zrn.« Vokale: null. Konsonanten: 24. Chance in Prozent, den Satz als deutscher TV-Nachrichtensprecher fehlerfrei über die Lippen zu bringen: null.

Nun geht’s in ARD und ZDF ja nicht täglich um fleckige Windhunde aus Tschechien. Trotzdem haben die öffentlichrechtlichen Moderatoren und Reporter den Anspruch, geographische Eigennamen (»Eyjafjallajökull«), schwierige Städte (»Worcestershire«) oder Personen (»Michel Houellebecq«) sowie Fachwörter aus Musik, Medizin, Religion, Militär, Wissenschaft, Technik oder Sport korrekt auszusprechen. Bei der akustischen Akkuratesse hilft die ARD-Aussprache-Datenbank (ADB). Dort finden sich 340 000 »phonetische Stützräder«.

Eine Sprachschule hat jüngst die acht für Nichtdeutsche am schwierigsten auszusprechenden deutschen Wörter gewählt. Es sind – in aufsteigender Reihenfolge: Schlittschuhlaufen, Quietscheentchen, Rührei, Fünfhundertfünfundfünfzig, Brötchen, Eichhörnchen, Schleswig-Holstein und Streichholzschächtelchen. Die deutsche Sprache ist eine einzige Zumutung. Umso freundlicher müssen wir zu jedem sein, der sie zu lernen bereit ist.

Näheres regelt ein Bundesgesetz

Vor Gebrauch schütteln. Während der Fahrt nicht aus dem Fenster lehnen. Bitte keine heiße Asche einfüllen. Eltern haften für ihre Kinder. Näheres regelt ein Bundesgesetz. Hier half der Marshallplan. Schutt abladen verboten. Diese Angaben sind wie immer ohne Gewähr. Ausfahrt Tag und Nacht freihalten. Und nun das Wetter für Morgen, Sonntag.

Es gibt Augenblicke, da erschlägt mich die lyrische Schönheit des Alltags. Man spricht immer bloß von »Kunst im öffentlichen Raum«, wenn irgendwo rostiges Gestänge herumsteht, das ein haariger Künstler aus dem Weserbergland in den Siebzigern dem Stadtrat aufgeschwatzt hat. Viel schöner ist doch die Sprache im öffentlichen Raum, die Rhetorik der deutschen Ordnung. Die Poesie der Verbindlichkeit, die wir im Kapitel Deutsche Regeln schon liebevoll gestreift haben.

Vor Jahren wurde der Satz »Ilsebill salzte nach« aus Günter Grass’ Der Butt zum schönsten ersten Satz eines deutschsprachigen Romans gewählt. Ich möchte dem nicht widersprechen. In der Jury saßen immerhin ZDF-Moderatorin Marietta Slomka und der frühere Handballtrainer Heiner Brand, und die müssen es ja wissen.

Ich persönlich finde aber einen Satz wie »Kann Spuren von Nüssen enthalten« viel schöner. Spuren von Nüssen. Ich stelle mir sofort vor, wie die unsichtbaren Seelen kleiner Nüsslein noch immer glucksend und sich haschend durch die Gegend spuken und leise verwehend so lange gegenwärtig bleiben, bis sie ein letzter Zauberhauch dereinst ganz vertrieben haben wird.

Zeitlose Klassiker, wohin man sieht: Nur gültig wie gebucht. Nach Gebrauch verschließen. Blasenfrei zapfen. Vorsicht! Frisch gebohnert. Während der Fahrt nicht mit dem Fahrer sprechen. Betteln und Hausieren verboten. Rechts stehen, links gehen. Abgabe nur in haushaltsüblichen Mengen. Nur durcherhitzt verzehren. Betreten der Grünfläche verboten. Umtausch nur originalverpackt. Automatisch geschlossene Nüsse während der Fahrt nicht blasenfrei verzehren. Originalverpackte Kinder werden haushaltsüblich eingeschränkt. Widerrechtlich abgestellte Hausierer werden kostenpflichtig durcherhitzt.

Ich möchte, dass dereinst auf meinem Grabstein steht: »Achtung: Behälter steht unter Druck. Füllhöhenschwankungen transportbedingt. Widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge werden kostenpflichtig abgeschleppt. Tür schließt automatisch. Aufzug im Brandfall nicht benutzen. Näheres regelt ein Bundesgesetz.«