Liebe auf den letzten Blick - Nina Nicolai - E-Book

Liebe auf den letzten Blick E-Book

Nina Nicolai

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Flirrendes Sonnenlicht durch Eichenlaub. In der Ferne Zikadengetrommel. Die Blätter der Rosen raschelten. Und von dem höher gelegenen Obstgärten trug ein schwüler Windhauch gelegentlich die süßen Gerüche von späten Kirschen und frühen Äpfeln herüber. Es duftete nach heißen Früchten und sonnenbeschienenen Blättern. Prall schien die Junisonne auf den Park, der regungslos schien im heißen Flimmern des Mittags. Ganz im vollen Sonnenschein hatte sich die junge Dame am Rande des Swimmingpools ausgestreckt. Eine schmale Hand mit fein geformten Fingern und noch längeren, muschelfarben lackierten Fingernägeln hing im blauen glitzernden Wasser, schlug es hin und wieder mutwillig, wenn auch hörbar gelangweilt. Baronesse Davida von Stavenow lag auf dem Bauch, stützte den Kopf in die rechte Hand und hämmerte mit den Zehenspitzen den Takt zur Musik, die nur sie allein hörte. Weil sie einen sogenannten Walkman trug, den kleinen Knopf im Ohr, der es möglich machte, Musik zu genießen, ohne die Nachbarschaft mit vielleicht unwillkommenen Klängen zu behelligen. Ein äußerst knapper Bikini straffte sich so eng über dem tadellos gewachsenen Mädchenkörper, als wäre er ein Stück seiner Haut. Ein teures Stück Bademode, man sah's auf den ersten Blick, nur ein Fetzen Seide in Pink und Purpur, aber feinster Herkunft. Einige Meter entfernt, im balsamischen Schatten einer Kastanie, stand ein Tischchen. Darauf blitzte ein Sektkühler in Silber. In ihm wurde eine Champagnerflasche fachgerecht gekühlt. Eine noble französische Marke, die mit Sicherheit nicht aus einem Supermarkt stammte. Eine Kristallschüssel mit Erdbeeren befand sich auch auf dem Tischchen, gleich daneben ein kostbar geschliffenes Champagnerglas in Kelchform. Die junge Dame mit dem schwarzen glatten Haar, der aufregenden Figur und den sehr schlanken, sehr wohlgefällig langen Beinen spritzte also gelegentlich mit muschelfarben lackierten Fingern Wassertropfen in die Sonne und stieß hin und wieder kleine Seufzer aus. Seufzer, die Bände sprachen und ganz typisch für junge Damen wie Baronesse Davida waren. »Du langweilst dich, Kind?«

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Fürstenkrone – 177 –

Liebe auf den letzten Blick

Wie Prinz Gregor seine Baronesse eroberte …

Nina Nicolai

Flirrendes Sonnenlicht durch Eichenlaub. In der Ferne Zikadengetrommel. Die Blätter der Rosen raschelten. Und von dem höher gelegenen Obstgärten trug ein schwüler Windhauch gelegentlich die süßen Gerüche von späten Kirschen und frühen Äpfeln herüber. Es duftete nach heißen Früchten und sonnenbeschienenen Blättern. Prall schien die Junisonne auf den Park, der regungslos schien im heißen Flimmern des Mittags.

Ganz im vollen Sonnenschein hatte sich die junge Dame am Rande des Swimmingpools ausgestreckt. Eine schmale Hand mit fein geformten Fingern und noch längeren, muschelfarben lackierten Fingernägeln hing im blauen glitzernden Wasser, schlug es hin und wieder mutwillig, wenn auch hörbar gelangweilt.

Baronesse Davida von Stavenow lag auf dem Bauch, stützte den Kopf in die rechte Hand und hämmerte mit den Zehenspitzen den Takt zur Musik, die nur sie allein hörte. Weil sie einen sogenannten Walkman trug, den kleinen Knopf im Ohr, der es möglich machte, Musik zu genießen, ohne die Nachbarschaft mit vielleicht unwillkommenen Klängen zu behelligen.

Ein äußerst knapper Bikini straffte sich so eng über dem tadellos gewachsenen Mädchenkörper, als wäre er ein Stück seiner Haut. Ein teures Stück Bademode, man sah’s auf den ersten Blick, nur ein Fetzen Seide in Pink und Purpur, aber feinster Herkunft.

Einige Meter entfernt, im balsamischen Schatten einer Kastanie, stand ein Tischchen. Darauf blitzte ein Sektkühler in Silber. In ihm wurde eine Champagnerflasche fachgerecht gekühlt. Eine noble französische Marke, die mit Sicherheit nicht aus einem Supermarkt stammte. Eine Kristallschüssel mit Erdbeeren befand sich auch auf dem Tischchen, gleich daneben ein kostbar geschliffenes Champagnerglas in Kelchform.

Die junge Dame mit dem schwarzen glatten Haar, der aufregenden Figur und den sehr schlanken, sehr wohlgefällig langen Beinen spritzte also gelegentlich mit muschelfarben lackierten Fingern Wassertropfen in die Sonne und stieß hin und wieder kleine Seufzer aus. Seufzer, die Bände sprachen und ganz typisch für junge Damen wie Baronesse Davida waren.

»Du langweilst dich, Kind?«, fragte die alte Dame mit nachsichtigem Lächeln. Sie musste ihre Frage wiederholen, denn die Baronesse hatte infolge der ständigen Musikberieselung kein Wort verstanden.

»Großtante Harriet! Hallo, ich habe gar nicht gehört, wie du kamst.« Baronesse Davida hatte sich herumgedreht, stützte sich nun auf ihren linken Ellenbogen und unterdrückte zierlich ein Gähnen.

Sie hätte bildschön sein können – ohne diesen gelangweilten Ausdruck in ihrem fein gezeichneten Gesicht. Denn Davida von Stavenow besaß alles, was junge Schönheiten landläufig auszeichneten, sie hatte die großen tiefblauen Augen ihrer Mama geerbt und das aparte Profil ihrer Großmama. Alles an ihr war grazil und schmal, nur ihre schwarzen Haare waren üppig und kaum zu bändigen.

Die alte Dame warf einen flüchtigen Blick auf die Champagnerflasche und nickte. »Aha, du hast also im Weinkeller deines Papas gewildert. Bekommt dir denn Champagner bei dieser Wärme, Davida?«

»Ausgezeichnet, ich wüsste nicht, was man sonst trinken sollte!« Die Baronesse erhob sich seufzend und sehr lässig, wie um zu demonstrieren, wie entsetzlich sie sich langweilte, und goss sich ein Schlückchen von dem Champagner ins Kelchglas. Aufmerksam betrachtete sie die aufsteigenden Bläschen der Kohlensäure. »Diese Marke schmeckt ganz anständig, Großtantchen, nicht so ordinär wie deutscher Sekt. Undenkbar, dass man deutschen Sekt trinken kann!«

»Vielleicht ist echter französischer Champagner manchen Leuten zu teuer, Davida«, gab die alte Dame schmunzelnd zu bedenken.

»Wenn ich mir keinen Champagner leisten könnte, würde ich auf ihn verzichten. Sekt ist doch kein Ersatz, Großtante Harriet!«

»Ach ja?« Die alte Dame beobachtete das junge Mädchen, das den Champagner in winzigen Schlückchen trank und so tat, als genieße es ihn. Nein, dies war nicht mehr ihre süße spontane Davida. Wo war nur die stürmische zärtliche Davida geblieben, die ihr in früheren Jahren ans Herz gewachsen war?

Ich habe den Kindern ja gleich davon abgeraten, Davida in dieses schrecklich teure Pensionat in Genf zu schicken, erinnerte sich Baronin Harriet von Stavenow mit einem Hauch von Sorge. Wirklich schade, dass ich mich nicht durchsetzen konnte. Jetzt haben wir die Bescherung. Aus meiner reizenden Davida ist eine hochnäsige oberflächliche High-Society-Lady geworden, ein blasiertes Gänschen, du liebe Zeit!

Davida zerpflückte mit teilnahmsloser Miene ein Kastanienblatt. Ihr blauer Blick schweifte über das glitzernde warme Wasser des Swimmingpools, über den weiten gepflegten Rasen, der bis an die Terrasse Schloss Falckenthals reichte.

Ein herrlicher Anblick, dieses pfirsichrote Barockschloss im vollen Sonnenschein. Doch Baronesse Davidas Augen glitten gelangweilt über die repräsentative Anlage und streiften den auf der Gartenseite in Terrassen gegliederten Park.

Und wieder seufzte sie. Sie verfügte über einen stattlichen Vorrat dieser Seufzer. Die Skala reichte von extrem gelangweilt bis ganz leicht amüsiert. Das hatte die Baronesse unter anderem in ihrem feinen Genfer Pensionat für Töchter aus ersten und allerersten Kreisen gelernt, und zwar schnell und gründlich.

In dem Nobel-Pensionat war Davida erstmalig mit jungen Damen zusammengetroffen, die mit einiger Sicherheit niemals in die peinliche Verlegenheit kommen würden, sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Wie auch, dafür fehlten ihnen die Voraussetzungen. Diese jungen Damen, zumeist Aristokratinnen edler Herkunft, Töchter von Industriellen oder einflussreichen Politikern, würden im günstigsten Fall in Sachen Wohltätigkeit aktiv sein.

»Ach, Großtante Harriet, ich weiß einfach nicht, was ich heute Nachmittag anziehen soll. Das überlege ich seit zwei Tagen!«

»Da hast du allerdings ein großes Problem, Davida!«

Sehr argwöhnisch war der Blick, den die blauäugige Baronesse ihrer Großtante zuwarf. »Machst du dich lustig über mich? Ich hoffe nicht, Großtante Harriet, denn es ist wirklich von größter Wichtigkeit, was ich anziehe. Die Modenschau ist ein gesellschaftliches Ereignis ersten Rangs!«

»Oh, du gehst zu dieser Modenschau? Ich hoffte, du würdest mit mir zusammen Tante Hetty und Tante Jetty besuchen.«

»Muss das sein?« Davida suchte sich eine besonders schöne saftige Erdbeere aus der Kristallschüssel aus und biss hinein. »Zu warm«, stellte sie abfällig fest und verzichtete auf die zweite, legte sie mit angewidertem Gesichtsausdruck zurück. »Warum lässt du hier am Pool keinen Kühlschrank aufstellen, Großtante Harriet?«

»Weil das hier kein Hotel ist, Schatz. Außerdem hättest du dir denken können, dass Erdbeeren warm werden, wenn sie in der Sonne stehen … Du wirst mich also nicht begleiten, wenn ich meine Cousinen besuche?«

Davida zog ein gelangweiltes Gesicht. »Wenn du darauf bestehst, Großtante Harriet, komme ich natürlich mit. Aber …, die Modenschau wäre mir wichtiger. Ich weiß doch gar nicht, was ich im Herbst anziehen soll. Zu schade, dass unsere Reise nach Paris geplatzt ist! Ich stehe nun ganz schön dämlich da, habe überhaupt nichts anzuziehen.«

»Liebes, übertreibst du nicht ein wenig?« Es fiel der alten Dame zunehmend schwerer, gute Miene zum koketten Spiel zu machen. »Wo hat man dir nur beigebracht, so viel Wert auf Garderobe zu legen?«

»Kleider sind furchtbar wichtig, Großtante Harriet«, teilte das junge Mädchen ernst mit. »Und heute Nachmittag muss ich etwas wahnsinnig Aufregendes anziehen. Irgendetwas noch nie Dagewesenes!«

»Du wirst entweder nackt kommen müssen oder dir einen Ring durch die Nase ziehen, Kindchen.« Baronin Harriet seufzte. Davida hatte sich gewaltig verändert. Und wie arrogant sie geworden war! »Schön, dann fahre ich allein zu Jetty und Hetty. Wirst du zusammen mit deiner alten Freundin Rabea zu dieser Modenschau gehen?«

»Rabea?«, wiederholte Davida höchst überrascht. »Du liebe Zeit, natürlich nicht! Mit der kann man sich nicht mehr sehen lasen! Allein schon, wie sie sich anzieht! Diese billige Bluse von neulich werde ich nie vergessen! Und sie hat überhaupt keine Ahnung, was in und was out ist. Nein, Rabea kannst du vergessen, mit ihr würde ich mich nur blamieren, Großtante Harriet!«

»Nur weil sie sich nicht so erlesen anzieht, Davida?«

»Sie weiß auch nicht, was läuft. Frage sie nach irgendwelchen Autorennen: Fehlanzeige! Frage sie mal, wo man vernünftige Schuhe kaufen kann. Sie weiß es auch nicht. Sie hat keinen blassen Schimmer, Großtante. Und nun stell dir mal vor, womit sie sich beschäftigt – sie studiert, ausgerechnet auch noch Pädagogik. Was bedeutet, dass sie einmal Lehrerin wird. – Lehrerin!« Davida lachte schallend.

»Was ist daran so komisch?«, fragte die alte Dame befremdet.

»Ich würde nicht für Geld oder gute Worte Lehrerin sein wollen! Das ist mir viel zu anstrengend. Und so wenig chic! Die tragen doch alle flache Schuhe, mit Kreppsohlen möglichst, einen braven Haarknoten und Schlapperröcke, selbst gestrickt.«

»Davida, du bist aber unfair! Beneidest du nicht sogar Mädchen wie deine Freundin Rabea, weil sie etwas Ernsthaftes und Nützliches tun?« Nun runzelte die alte Dame die Stirn.

»Ich? Also, Großtante Harriet, du hast vielleicht Ideen!« Davida nippte an ihrem Champagner und lächelte überlegen. »Ich werde mich hüten, so etwas tun zu wollen! Es gibt doch nichts Spießigeres als so eine regelmäßige Beschäftigung! Wenn ich schon etwas mache, dann muss es witzig sein oder kreativ zumindest! Ich werde vielleicht Kleider entwerfen. Möglicherweise arbeite ich auch als Model!«

Du meine Güte, die Zeit in Genf hat ihr ja mehr geschadet, als ich dachte!, überlegte die Baronin ungeduldig und fragte sich, wie es wohl mit Davida weitergehen sollte. Wuchs sich diese Arroganz wieder aus oder musste man etwas nachhelfen?

»Meinst du denn, dein Talent reicht dafür aus?«, erkundigte sich die Baronin liebenswürdig. »Es gibt so viele Modezeichner, Kind!«

»Aber so wenig hervorragende. Und ich werde sie alle übertreffen, Großtante Harriet«, eröffnete die Baronesse, die sehr viel von sich hielt. Was sie ihrer Umgebung auch ständig mitteilte. »Ich werde mir in Paris ein Studio einrichten. Wenn mir genügend Zeit bleibt, ein zweites in New York. Die amerikanische Mode ist eine Katastrophe, musst du wissen.«

»Das wusste ich nicht«, erwiderte die alte Dame mit feinem Lächeln. »Aber sag mal, wenn du nun zwischen der Alten und der Neuen Welt hin und her jettest, wo bleibt da Zeit für eine Familie?«

»Eine Familie, Großtante Harriet?« Da rümpfte die Baronesse die sehr feine schmale Nase. »Wer denkt denn daran! Die hat sich doch überholt im Zeitalter der Computer.«

»Nun, der Meinung bin ich allerdings nicht, Davida. Ich könnte mir vorstellen, dass man seine große Liebe auch heiraten möchte.«

»Schon wieder so ein altmodischer Begriff!« Davida seufzte genervt. »Heiraten! Die große Liebe! Familie! Liebe Großtante Harriet, heutzutage ist das passé, verstanden? Man zieht eventuell noch zusammen, wenn man sich okay findet. Doch alles andere kannst du vergessen.«

»Wie schade. Hochzeiten haben immer so etwas Hoffnungsvolles! Danach könnten wir wohl kaum mit deiner Verheiratung rechnen, oder?«

»Damit kann ich leider nicht dienen.« Davida lächelte wieder ihr neues, blasiertes Lächeln, frisch aus ihrem Genfer Pensionat importiert. »Ich glaube nämlich nicht an diesen albernen Schmus von der großen Liebe. Warum sollte ich dann heiraten, nicht?«

»Ja, warum, glaubst du wohl, wird überhaupt noch geheiratet?«

Davida überlegte nicht lange. »Die meisten Leute sind wohl auf das romantische Gerede hereingefallen und glauben an die Liebe. Doch ich denke, sehr viele Hochzeiten finden aus reiner Gewöhnung statt. Den Leuten ist halt nichts Gescheiteres eingefallen!«

Und Davida von Stavenow, die gelangweilte Sommer-Schönheit mit den kornblumenblauen Augen und den reizenden Grübchen in den Wangen, die allerdings nur zu sehen waren, wenn die Baronesse herzlich lächelte, was leider immer seltener der Fall war, zupfte an ihrem Nichts von Bikini und schaute arglos-arrogant drein. Ein Kunststückchen, das gekonnt absolvierte, wer vier Jahre lang Zögling des feinen Genfer Pensionats der Madame Eglantine Dufour gewesen war.

Vier Jahre zu lange, dachte Baronin Harriet jetzt und schaute lieber auf ihre Armbanduhr, eine kostbare Angelegenheit in Weißgold und Brillanten, sternförmig gefasst, als in die blasierte Miene ihrer Großnichte.

»Ach, du meine Güte!«, rief sie erschrocken aus. »Jetzt muss ich mich aber tummeln, Kindchen. Nimm’s mir nicht übel, dass ich unsere interessante Unterhaltung so abrupt beende, doch Jetty und Hetty erwarten mich pünktlich zum Tee. Und du erinnerst dich sicherlich noch, wie ungnädig meine Cousinen werden können, wenn man sich verspätet.«

»Viel Spaß, Großtante Harriet.« Davida war nicht gerade untröstlich, im Gegenteil, sie schenkte der alten Dame eines ihrer selten gewordenen natürlichen Lächeln und hechtete mit akkuratem elegantem Startsprung in den einladend glitzernd azurblauen Pool.

Na, dachte Baronin Harriet aufatmend und kümmerte sich nicht um die funkelnden Wassertropfen, die durch die flirrende Mittagsluft spritzten. Wenigstens das erinnert noch an meine süße Davida von früher. Dieses vertrackte Genfer Pensionat, hat es mir doch das liebe Kind völlig verbogen!

Ich muss unbedingt mit Hetty und Jetty über den Kasus sprechen, nahm sich Baronin Harriet in ihrer liebenswürdig energischen Art vor, und rückte ihre diamantenbesetzte Hufeisennadel am Kragen ihres weiß getupften Grauseidenen zurecht. So kann’s keinesfalls weitergehen, fügte Harriet von Stavenow in Gedanken hinzu, während sich ihre immer so heitere gelassene Miene bewölkte. Nicht einmal, und das ist ja wohl das weitaus Tollste, was sich das Kind bis dato leistete, an die große Liebe glaubt Davida!

*

Im Gartenkabinett hielten die grünseiden bezogenen Möbel hinter den zugezogenen Vorhängen aus schwerem Atlas ihre Mittagsruhe. Es war in allen Räumen des Erdgeschosses, die der Repräsentation vorbehalten waren, um die Mittagszeit so still wie in der Nacht. Sacht bauschten sich die Spitzengardinen, als Baronin Harriet die zweiflügelige Terrassentür aufstieß.

Sie zog einen Vorhang zur Seite, um Sonnenlicht hereinfluten zu lassen. Sogleich flirrten lustige helle Kringel über die ovalen Damenporträts an den Wänden, kitzelten despektierlich die Nasen der schönen Ahninnen, liebkosten die rosigen und teilweise sehr üppigen Dekolle­tés. Auch diese Damen hielten Blumen in den Händen, Blumen natürlich, die ihre eigene symbolische Sprache sprachen. Eine Nelke für die eheliche Treue, eine Rose für die Liebe, ein Veilchen für Bescheidenheit, Efeu für Häuslichkeit.

»Es ist Post gekommen, Durchlaucht«, sagte eine helle Mädchenstimme und weckte die alte Dame aus ihren Gedanken.

»Post?« Baronin Harriet wandte sich um und schaute das junge semmelblonde Hausmädchen mit Namen Stine an. Unzählige Sommersprossen tummelten sich auf der Stupsnase der fülligen Stine, die vom Land kam und sich ihre herzerfrischende Natürlichkeit bewahrt hatte. Es gab nichts, wovor sich Stine fürchtete.

»So vergnügt, Stine?«, fragte die alte Dame beiläufig und nahm den Brief an sich, warf einen erstaunten Blick auf die Briefmarken.

»Jawohl, Durchlaucht«, bestätigte Stine begeistert, wurde noch rotwangiger und wischte sich die Hände an der krachend gestärkten weißen Schürze ab. »Bei dem Wetter muss man wohl froh sein.«