Liebe, Schafe und andere Umwege - Jaana Humpert - E-Book

Liebe, Schafe und andere Umwege E-Book

Jaana Humpert

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Beschreibung

Ein CEO auf der Flucht vor sich selbst. Eine Hippie-Frau ohne Plan – aber mit Herz. Und ein Roadtrip, der alles verändert. Nach einem privaten Tiefpunkt zieht der vierzigjährige Seppo, erfolgreicher Unternehmer aus Finnland, die Reißleine. Inkognito tauscht er Penthouse und Terminkalender gegen ein schlichtes Wohnmobil und rollt ziellos durch Europa – auf der Suche nach Ruhe, Abstand und vielleicht sich selbst. In Deutschland platzt die impulsive Lizzy in seine geordnete Welt: eine junge, laute, liebenswerte Chaotin mit freiem Geist, null Besitz und jeder Menge emotionalem Gepäck. Widerwillig nimmt Seppo sie ein Stück mit – doch aus "nur bis zur nächsten Raststätte" wird eine Reise, die beide an ihre Grenzen bringt. Während der kontrollierte Seppo lernen muss, loszulassen, verliebt sich Lizzy Hals über Kopf in den Mann, der alles ist, was sie nie wollte. Doch beide haben Geheimnisse – und nicht alle lassen sich unterwegs einfach abladen. Eine humorvolle und tiefgründige Lovestory über Gegensätze, Vertrauen, Neuanfänge – und die verrückte Fahrt namens Leben.

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Seitenzahl: 334

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Liebe, Schafe und andere Umwege

Roman

von

Jaana Humpert

Impressum

© 2025 Jaana Humpert

c/o IP-Management #18869

Ludwig-Erhard-Str. 18

20459 Hamburg, Deutschland

E-Mail: [email protected]

Coverdesign: Canva

ISBN: 0401-384769 M

Erscheinungsjahr: 2025

Druck und Vertrieb: epubli GmbH, Berlin

Selbstverlag Jaana Humpert

Alle Rechte vorbehalten.

Die Verwendung, Vervielfältigung oder Verbreitung von Textteilen – auch auszugsweise – ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet.

Dies gilt insbesondere für die Nutzung in elektronischen oder anderen Publikationssystemen.

Kapitel 1 Seppo

Es war einer dieser Tage! Seppo hatte fluchtartig das Büro verlassen, war aber nicht weit gekommen. Sein Ausriss endete am Tresen einer Jazzbar, direkt gegenüber dem Firmensitz der Kehonen-Werke. Die größte Schokoladenmanufaktur Finnlands, die inzwischen weltweite Geschäftsbeziehungen unterhielt. Sein Unternehmen, die Bürde, die Vater ihm bei seinem Ableben hinterlassen hatte. Danke für gar nichts! Seit dem Studium quälte er sich täglich in den Betrieb, sich ständig seiner Verantwortung für fast zweitausend Mitarbeiter bewusst. Die Firma erwirtschaftete beeindruckende Umsätze, was größtenteils der Kreativabteilung zu verdanken war, die mit immer neuen Ideen überraschte. Seinen Leuten gab er am heutigen Desaster keine Schuld, denn er allein hatte es verbockt. Die Verträge mit dem deutschen Unternehmen über den exklusiven Export einiger hochwertiger Artikel aus ihrem Sortiment waren schon fast unterschrieben, und dann war der Deal auf der Zielgraden doch geplatzt. Wieso hatte er sich bloß zu dieser Dummheit hinreißen lassen? Das waren nicht die ersten Geschäfte mit den Deutschen, er kannte deren Eigenarten. Sie waren eiskalte Händler, die sich nicht unter Wert verkauften. Seppo hasste es, mit diesen Leuten zusammenzuarbeiten, denn sie waren arrogant, penibel und leider die wichtigsten Geschäftspartner für sein erfolgreiches Unternehmen. Im Laufe der Verhandlungen hatte ihn eine unbändige Wut gepackt, und er hatte das Bedürfnis verspürt, ihnen eine Lehre zu erteilen. Seppo kippte den Wodka mit einem Schluck herunter und gab dem Barkeeper ein Zeichen, nachzuschenken. Eine Lektion hatte an diesem Nachmittag nur eine Person erhalten, und das war er selbst. Nachdem er sich im Rahmen des Gesprächs geweigert hatte, auf ihre Forderungen einzugehen, obwohl diese ausgesprochen fair waren, standen die Männer mit einem Lächeln auf. Da war es wieder, dieses überhebliche Grinsen, das dem Gegenüber verdeutlichte, dass er verloren hatte. „Dann tut es uns leid, Herr Kehonen. Es ist zu befürchten, dass wir so nicht zusammenkommen. Wir lassen Ihnen unser Angebot hier, Sie können es gerne überdenken und sich gegebenenfalls bei uns melden!“ Dann waren sie in ihren spießigen, nachtblauen, nahezu identischen Anzügen davongerauscht, die Nasen gefühlte elf Meter hoch über dem Boden. Ihnen war klar, dass sie Seppo an gewissen Teilen seines männlichen Geschlechts gepackt hatten. Stimmte er den Forderungen nicht zu, würde seiner Firma ein Millionendeal durch die Lappen gehen, und die Alternative war nicht besser: Dieser Weg führte ihn direkt in den Allerwertesten der hochnäsigen Schlipsträger, und er müsste seinen Fehler einräumen. Nach Seppos drittem Glas Wodka setzte die Livemusik ein. Das Einzige, was er mehr hasste als die Deutschen, war Jazz. Er gab dem Kellner die Kreditkarte, um die Getränke zu bezahlen, und war froh, dem Lärm, den andere Menschen Musik nannten, zu entfliehen. So stand er auf der abendlichen Straße Helsinkis. Den lauten Straßen Helsinkis! Seppo war bei seinen Großeltern in Lappland aufgewachsen und liebte die Ruhe, die Natur. Die finnische Hauptstadt raubte ihm seit Jahren den letzten Nerv. Heute zog es ihn nach Hause, wo er sich auf die Couch werfen und von Netflix berieseln lassen würde. Morgen war ein neuer Tag! Die Villa, ebenfalls aus dem Nachlass seines Vaters, war zu Fuß erreichbar. Er schloss die Haustür auf, schlüpfte aus den Schuhen und schlenderte in die Küche. Aus dem Kühlschrank nahm er eine Flasche Bier, öffnete sie und trottete über den endlos langen Flur durch die Empfangshalle zum Fernsehzimmer. Zu seiner Überraschung war das Sofa, auf dem er den heutigen Abend sturzbesoffen ausklingen lassen wollte, belegt. Ein nackter Hintern fuhr hoch und runter, dazu vernahm er das leise Geräusch eines verwundeten Tieres. Klang das nicht nach einem Pavian? Seppo setzte sich in den Sessel, lockerte seine Krawatte und betrachtete das Schauspiel. Wer hätte gedacht, dass dieser beschissene Tag um einen weiteren Höhepunkt bereichert werden würde? Die Person, die diese befremdlichen Töne von sich gab, schien in Wahrheit kein Affe zu sein. Anhand der langen, blonden Haare und den schlanken Beinen, die sich fest um den rödelnden Hintern geschlungen hatten, meinte Seppo seine Frau Tarja zu erkennen. Er trank einen Schluck von dem Bier und überlegte. Was war hier los? Es war definitiv klar, dass es sich bei dem Kerl, der in diesem Moment einen lauten Schrei ausstieß, um im Anschluss in sich zusammenzusacken, nicht um Seppo handelte. Wie seltsam, denn es war sein Haus, seine Couch und vor allem seine Gattin, die jetzt etwas sagte, was den Unbekannten zum Lachen brachte. In diesem Augenblick drehte Tarja den Kopf und erblickte ihren Mann. Die Frau sprang auf, wobei der Fremde von ihr rutschte und mit einem harten Aufprall neben dem Sofa auf dem Boden landete. Erst quiekte er vor Schmerzen auf, dann erblickte er den ungebetenen Besucher und wiederholte das Geräusch voller Panik. Tarja nahm ihre Bluse vom Boden und versuchte, ihre nackten Brüste zu bedecken. Sie versteckte ihren Körper, dabei war Seppo der Mann, dem sie vor über zehn Jahren das Ja-Wort gegeben hatte. Diese ganze Situation kam ihm derart surreal vor, dass er intuitiv laut auflachte. „Verdammt, was tust du hier?“ Er verstummte und schaute sie erstaunt an. „Ich wohne hier! Nein, stopp: Soweit mir bekannt ist, gehört das Haus sogar mir!“ Tarja hatte sich wieder unter Kontrolle und kniff die Augen wütend zusammen. Völlig anders als ihr Gast: Der arme Kerl erkannte mit Grauen, dass zwei Hände nicht ausreichten, um seine Männlichkeit vor dem gehörnten Ehemann zu verstecken und die schmerzende Stelle am Kopf zu reiben. Man sah schon jetzt, dass dort, wo er auf das Parkett geknallt war, eine riesige Beule wachsen würde. „Dein Lover benötigt Eis!“ Seppo trank einen Schluck aus seiner Flasche und beobachtete die Szene. Obwohl es sich hier um die Tragödie seines Lebens handelte, unterhielt ihn das Ganze besser, als es jeder Film auf Netflix gekonnt hätte. Die Affäre seiner Frau sprang so schnell in die Klamotten, dass sich ein Bein in der Jeans verfing. Fast wäre der große Mann ein weiteres Mal gestürzt, und Seppo bekam etwas Mitleid mit dem Unbekannten. Tarja kleidete sich ebenfalls an, aber wesentlich weniger hektisch. Dabei waren ihre blauen Augen zornig auf den Ehemann gerichtet. Dieser seufzte und ließ den Kopf gegen das Sesselpolster sinken. Sie vögelte auf seiner Couch einen anderen, und Seppo trug die Schuld! Verkehrte Welt! Inzwischen war der Fremde halbwegs angezogen und stand verlegen in der Tür. Nervös hob er zum Abschied die Hand, woraufhin Seppo ihm zuprostete. Dann war er allein mit der Furie, die sich seine Ehefrau schimpfte. Tarja überschüttete ihren Mann mit Vorwürfen: Nie hatte er Zeit, der Sex mit ihm sei zu selten und katastrophal, seine Gedanken drehten sich immer nur um die Firma, er nahm sie nicht als Frau wahr. Seppo schloss die Augen und hörte sich ihr Gezeter an. Er wartete geduldig auf das Ende ihrer Litanei, oder bis sie Luft schnappte, für den nächsten Angriff. Endlich war sie einige Sekunden still. „Wer ist der Kerl?“ Sie straffte die Schultern, das blonde Haar zerzaust, und schaute ihn trotzig an. „Er heißt Marc und ist Türsteher in meinem Lieblingsklub!“ Seppo hatte keine Ahnung, um welchen Klub es sich handelte, und es interessierte ihn auch nicht. „Wie lange geht das schon mit euch?“ Bei dieser Frage wirkte sie jetzt doch etwas verlegen. „Das war das erste Mal!“ Das glaubte er ungesehen! Er betrachtete seine Frau. Als sie sich kennenlernten, arbeitete sie auf den internationalen Laufstegen. Er hatte Tarja vor über elf Jahren in Helsinki auf einer Gala getroffen und sich auf den ersten Blick in sie verliebt. In ihrem durchtrainierten, weiblichen Körper, mit fast 1,80 Größe, ihre langen, blonden Haare und Augen, in der Farbe von Meerwasser. Die finnische Presse feierte sie von Anfang an als das Traumpaar: Der Millionenerbe und das Model! Leider war ihr Charakter nicht so bezaubernd wie ihr Äußeres. Tarja war egoistisch, berechnend und herrisch. Einzig Seppos Vater hatte die Frau durchschaut und abgelehnt. Der alte Herr hatte ihn damals unter Druck gesetzt und das junge Paar einen Ehevertrag aufsetzen lassen. Was für eine göttliche Vorsehung! Tarja würde nur mit den Sachen verschwinden, mit denen sie bei ihm aufschlug. Das war der Finnin bewusst und schien ihr in dem Moment ebenfalls durch den Kopf zu rauschen. Mit wippendem Gang näherte sie sich Seppo und ließ sich dann auf der Lehne des Sessels nieder. Er schloss die Augen und atmete den Duft ihres teuren Parfüms ein. Ihr Geruch machte ihn schon immer verrückt, so wie fast alles an dieser Schönheit. Warmer Atem erhitzte sein Ohr und eine weiche Hand legte sich auf seine Wange. „Ich liebe nur dich! Andere Männer sind billiger Trost, weil du nie Zeit hast! Ich bin mir deiner Gefühle nicht sicher, und das ist verletzend.“ Geschickte Finger öffneten die ersten drei Knöpfe des Hemdes und glitten über seine Haut. Seppo ergriff ihr Handgelenk und hinderte sie daran, ihn weiter zu berühren. „Ich werde jetzt in unser Schlafzimmer gehen und möchte dich vorerst nicht mehr sehen. Übernachte bei deinem Türsteher, im Gästezimmer oder hier, auf der durchgebumsten Couch, nur nicht in meiner Nähe.“ Er stand auf und verließ den Raum, nicht ohne den Umweg durch die Küche zu nehmen, und, mit einigen Flaschen Bier aus dem Kühlschrank, in die obere Etage zu verschwinden.

Am nächsten Morgen erwachte Seppo allein in dem großen Ehebett. Sein Kopf schmerzte, und es kam ihm vor, als hätte er nicht eine Minute geschlafen. Obwohl er lange und kalt duschte, änderte sich nichts an seinem erschöpften Zustand. Seppo band seine Krawatte vor dem Spiegel und erinnerte sich nervös, welche Aufgabe ihm heute bevorstand. Er würde sein letztes bisschen Würde über Bord werfen und bei den Deutschen zu Kreuze kriechen. Der Finne betrachtete sich einige Sekunden lang im Spiegel. Er wirkte erschreckend blass, ein Eindruck, den das dunkelgraue Hemd verstärkte. Er schloss kurz die Augen. Am kommenden Wochenende sollte er unbedingt entspannen, nach Lappland fliegen, sich endlich ausruhen. Kein Geräusch war in der Villa zu hören, entweder schlief Tarja oder sie war nicht daheim. Mit beidem konnte er leben! Nachdem Seppo den Kaffeevollautomaten betätigt hatte, nahm er einen Schluck der heißen, braunen Flüssigkeit. Verwundert beobachtete er, dass seine Hände zitterten. Ihm kam die Idee, den Fahrer zu rufen, doch das verwarf er wieder. Seppo stellte die halb volle Tasse auf den Tisch, zog das Jackett seines Anzuges an und brach auf, in Richtung der Kehonen-Werke. In Gedanken probte er das Gespräch mit den Deutschen, da durchfuhr ihn ein Schwindel. Der Finne klammerte sich an die nächste Laterne und schloss kurz die Augen. In dem Moment überkam ihn eine nie gekannte Übelkeit, gleichzeitig verspürte er diese unerträglichen Schmerzen. Verwirrt schaute er an sich herunter, davon überzeugt, an seinem Körper eine Verletzung vorzufinden. Bevor Seppo etwas erkannte, waren seine Beine nicht mehr in der Lage, das Gewicht zu halten, und er knickte ein. Die Hand auf seine vor Schmerzen brüllende Brust gedrückt, erinnerte er sich an einen Antikriegsfilm, den er vor Jahren einmal gesehen hatte. In der Schlussszene lag einer der Darsteller ebenfalls so auf den Knien, mit erhobenen Armen, weil der rettende Hubschrauber ohne ihn davonflog. Seppo hoffte, dass er ähnlich cool wirkte, wenn sein Ableben schon hier, mitten auf den verhassten Straßen Helsinkis, stattfand. Ein irres Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, ausgelöst durch den Schwachsinn, der ihm im Angesicht des Todes durch den Kopf rauschte. So viel dazu, dass das ganze Leben an einem vorbeizog: Bei ihm war es ein alter Hollywoodstreifen! Er hörte Stimmen, hektisches Rufen nach einem Krankenwagen, und dann wurde es um ihn herum schwarz.

Als Seppo wieder zu sich kam, herrschte Totenstille. Totenstill war angesichts der Lage, in der er sich bei seiner letzten Erinnerung befand, alles andere als positiv. Doch dann war er da, ein unverkennbarer Piepton, und der Finne atmete erleichtert auf. Das war das typische Geräusch einer Patientenüberwachung im Krankenhaus. Das bedeutete, dass er vermutlich am Leben war. Langsam öffnete Seppo die Augen und schaute sich in dem weißen, unpersönlichen Zimmer um. Neben ihm saß ein Mann, eindeutig ein Arzt, aber zeitgleich identifizierte er ihn als Anti, seinen besten Freund seit Kindertagen. Sie waren in Lappland aufgewachsen, nahe Rovaniemi, und in jungen Jahren zusammen in die finnische Hauptstadt gezogen. „Da bist du ja wieder!“ Seppo versuchte sich aufzurichten, doch sein Kumpel drückte ihn zurück in die Kissen und betätigte stattdessen den Knopf, der die Lehne automatisch hochstellte. „Was ist passiert?“ Anti reichte ihm ein Glas Wasser. „Herzinfarkt!“ Seppo starrte ihn an und ließ die nüchternen Worte seines Gegenübers einen Moment lang sacken. „Wie kann das sein? Ich bin doch erst vierzig Jahre alt!“ Sein Freund sah ihn ernst an. „Genau darüber solltest du dir Gedanken machen! Das war eine Warnung, es war ein leichter Infarkt, der dank der schnellen Hilfe von Passanten keine bleibenden Schäden an deinem Herzmuskel hinterlassen wird. Der nächste könnte deine letzte gute Tat auf dieser schönen Erde sein.“ Seppo war geschockt, Bilder von seinem Ableben stürmten durch sein Gehirn. Es dauerte einige Minuten, bis er das Gehörte halbwegs verarbeitet hatte, dann wurde er geschäftlich. „Was schlägst du vor?“ Anti sah ihn mit ernstem Blick an. „Steig aus, mach eine Pause. Du stehst kurz vor einem Burn-out oder sogar dem Finale. Dein Körper benötigt Ruhe. Flieg mit deiner Frau in die Karibik, leg dich in die Sonne und tu einfach mal nichts!“ Seppo hob die Hand, um seinen Kumpel zu unterbrechen. Mit kurzen Worten schilderte er ihm die Situation, die er am Vorabend in seinem Haus vorgefunden hatte. Anti seufzte. „Ok, dann wohl ohne Tarja. Das ist vielleicht sogar besser! Fahr für einige Wochen raus, nach Lappland oder ziellos durch Europa. Du musst den Kopf freibekommen, dich entspannen. In deiner Firma sind fähige Leute, die den Betrieb auch eine Zeit lang ohne dich schmeißen.“ Anti erhob sich. „Ich muss los, im OP wartet jemand, der nicht so viel Glück hatte wie du. Der arme Vogel bekommt durch unseren Eingriff hoffentlich noch ein paar schöne Jahre geschenkt.“ Lange, nachdem sein Freund den Raum verlassen hatte, starrte Seppo auf die weiße Tür. Dann fällte er eine Entscheidung.

Kapitel 2 Lizzy

Sie hatte sich direkt hinter die Auffahrt zum Rastplatz gestellt und hielt ihren Daumen in die Höhe. Jahrelange Erfahrung hatte ihr gezeigt, dass das die Chancen erhöhte, eine Mitfahrgelegenheit zu finden. Wie erwartet, dauerte es nicht lange, bis ein Lastwagen neben ihr stoppte. „Wohin?“ Der Fahrer wirkte nicht sonderlich sympathisch, aber bei dieser Art zu reisen, nahm man, was kam. „Richtung Süden!“ Der Mann schien einen Augenblick zu überlegen, dann nickte er. „Bis Kassel kannst du mitfahren, aber ich muss erst meine Pausenzeit einhalten!“ Sie lächelte ihn an, doch bevor sie in den Wagen stieg, flitzte sie vor das Fahrzeug und fotografierte das Nummernschild mit ihrem Handy. Der Mann hinter dem Steuer reagierte genervt. „Kommst du jetzt, oder was?“ Eilig lief Lizzy um den Wagen herum, öffnete die Tür und kletterte auf den Sitz, die große Reisetasche an sich geklammert, den Rucksack auf ihren Bauch geschnallt. Nachdem sie endlich alles verstaut hatte, startete der Kerl das Fahrzeug und bremste schon nach ein paar Metern abrupt ab. „So, hier machen wir Rast!“ Die junge Frau hatte erwartet, dass der Mann seine Stulle oder eine Thermoskanne hervorholen würde, aber er hatte sich zu ihr gedreht und starrte sie an. Etwas an diesem Blick gefiel Lizzy nicht! In ihr keimte der unangenehme Verdacht auf, dass sie sein Lunchpaket werden sollte. Der Kerl wirkte unsauber, sein Karohemd war voller Flecken, und an den schmutzigen Füßen trug er offene Sandalen. Während sie ihn musterte, hatte sie seinen heranfliegenden Arm nicht kommen sehen, mit dem er sie am Genick packte. Der Mann war kräftig und Lizzy schnappte einen Moment nach Luft. „Jetzt können wir uns ein wenig amüsieren, bevor die Reise losgeht.“ Seine Stimme war belegt, und es gab keinen Zweifel daran, was er vorhatte. Lizzy wehrte sich angeekelt, als er ihr Gesicht immer näher an den Schritt seiner versifften Shorts schob und sie ahnte, was er unter „amüsieren“ verstand. Erfüllt von Panik riss sie sich los, schlug nach dem Mann und erwischte ihn mit dem Ellenbogen am Auge. Der schrie vor Schmerzen auf, reagierte aber erstaunlich schnell und knallte ihren Kopf gegen die Beifahrerscheibe. Lizzy sah Sterne, doch sie hatte keine Zeit zum Jammern. Ihr blieb nur diese kleine Chance zur Flucht. Endlich fanden ihre verzweifelt tastenden Hände den Hebel, und die Tür sprang auf. Lizzy stürzte mehr aus dem Lastwagen, als zu klettern. Die Reisetasche hatte sie im Fallen erwischt, doch ihr Rucksack und die Jacke lagen noch im Fahrzeug. Das war ihr in diesem Moment egal, wütend zeigte sie dem notgeilen Arschloch den Mittelfinger und bedachte ihn mit ihren besten Schimpfworten. Der Dreckskerl hielt weiterhin eine Hand auf sein lädiertes Auge gedrückt und brüllte etwas Unverständliches zurück. Dann warf er ihre Sachen auf den Asphalt, ließ den Motor an und verschwand, hoffentlich für immer, aus Lizzys Sichtfeld. Sie raffte ihre paar Habseligkeiten zusammen und setzte sich auf einen Felsblock, der als Absperrung diente. Ihr Kopf schmerzte und ihr Herz klopfte bis zum Hals. Erst jetzt wurde ihr bewusst, was hätte passieren können. Ihre Hände zitterten, und sie war unfähig, etwas gegen die Tränen zu unternehmen, die ihr über das Gesicht liefen. Fast wäre schon diese Station ihrer Reise in einem Desaster geendet. Künftig würde sie auf ihr Gefühl hören, bevor sie in ein Auto stieg. Sie schloss die Augen und dachte an Pepe Melcovic und daran, dass sie all das für ihn auf sich nahm. Es war über ein Jahr her, dass sie ihn kennengelernt hatte. Lizzy, mal wieder obdachlos, hatte auf einer Parkbank gesessen, als ein eleganter, älterer Herr neben ihr stehen blieb. „Ist der Platz noch frei?“ Er hatte einen leichten Akzent und seine blauen Augen faszinierten sie sofort. Lizzy hatte gelächelt und genickt. Ihr Gespräch dauerte lange, und am kommenden Tag trafen sie sich erneut. Wieder auf der einen Bank, erneut, um angeblich Enten zu füttern. Eine Woche später betrachteten sie sich als Freunde. Heute wusste sie nicht, ob Pepe sie gerettet hatte oder umgekehrt. Der alte Mann stammte aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus einer Ecke des heutigen Kroatiens. Schnell hatte er durchschaut, dass das junge Mädchen mit den verfilzten Haaren kein Zuhause hatte. Etwa einen Monat nach ihrem Kennenlernen hatte er sie eines Nachmittags mit ernstem Blick angesehen. „Ich weiß, dass meine Bitte etwas unverschämt ist, und du denkst vermutlich, dass ich ein frecher, alter Bock bin. Meine Gesundheit baut in letzter Zeit immer weiter ab, und ich kann nicht mehr allein leben. Meine Tochter würde mich lieber heute als morgen in ein Pflegeheim verfrachten. Für sie ist mein Verfallsdatum abgelaufen, ich bin ein Störfaktor auf ihrem Weg zum Erbe. Leider ist aus dem Mädchen ein genauso böser Schrubber geworden, wie ihre Mutter schon einer war!“ Lizzy hatte sich gefragt, worauf ihr Gegenüber hinauswollte. „Mein Haus ist groß, und ich habe ein Gästezimmer. Magst du bei mir einziehen, mir vielleicht etwas im Haushalt zur Hand gehen und gelegentlich Gesellschaft leisten? Ich kann dir für deine Leistung einen fairen Lohn bezahlen, außerdem eine kostenlose Unterkunft und warme Mahlzeiten. Die musst du allerdings vorher, für uns beide, zubereiten!“ Bei den letzten Worten hatte er ihr schelmisch zugezwinkert und Lizzy hatte laut aufgelacht. „Aber du kennst mich doch gar nicht, vielleicht bin ich eine Verrückte oder eine Mörderin, die dich nachts im Schlaf überfällt und dir den Hals durchschneidet!“ Pepe sah sie ernst an. „Und, bist du das?“ Sie schüttelte hektisch mit dem Kopf. „Natürlich nicht!“ Daraufhin zuckte der alte Mann mit den Schultern und grinste. „Dann hätten wir das ja auch geklärt!“ Das war der Anfang ihrer tiefen, innigen Freundschaft. Das Zusammenleben mit Pepe war aufregend und abwechslungsreich. Ihr neuer Arbeitgeber steckte voller Abenteuerlust! Sie gingen in den Freizeitpark, wo sie Achterbahn fuhren, sie begleitete ihn zum Seniorentanz, wo Pepe sich köstlich darüber amüsierte, wie neidisch die anderen alten Säcke auf seine jugendliche Begleiterin waren. Die Abende verbrachten sie mit Gesellschaftsspielen, am liebsten Schach, das er ihr zuvor mühsam beigebracht hatte. Manchmal, meist wenn sie kroatischen Pflaumenschnaps getrunken hatten, erzählte er von früher. Von seiner Heimat, von den Eltern, dem Bauernhof, den einer seiner Brüder übernommen hatte, ihn aber im Krieg 1991, zusammen mit seinem Leben, verlor. Dann wurden seine Augen glasig und seine Stimme klang belegt. Lizzy holte ihm in diesen bewegenden Augenblicken das Akkordeon aus dem Schrank und Pepe sang kroatische Lieder. Die junge Frau war davon so berührt, dass sie leise weinte. Dann legte der alte Mann das Instrument weg, nahm das Mädchen in die Arme und redete tröstend, in seiner Muttersprache, auf sie ein. Nie hatte sie sich geborgener gefühlt als in diesen Momenten. Seit einigen Wochen baute Pepe gesundheitlich immer weiter ab. Anfangs hatte er ohne Lizzys Hilfe nicht mehr aufstehen können, blieb häufig tagelang im Bett. Sie las ihm aus seinen Lieblingsbüchern vor, oder sie spielten Karten. Doch auch das wurde ihm irgendwann zu anstrengend. Dann saß sie nur bei ihm, hielt seine Hand und genoss die Nähe. Dieser alte Mann war ihr in der kurzen Zeit mehr Familie, als sie je zuvor eine gehabt hatte. Als sich sein Zustand weiter verschlechterte, besuchte ihn seine Tochter Susanne. Wie der Kroate versprochen hatte, war sie ein Miststück, wie man es kaum ein zweites Mal fand. Sie fegte durch die Wohnung und scannte alle Wertgegenstände, wobei sie Lizzy wie eine verwesende Ratte betrachtete. Sie rauschte in das Zimmer ihres Vaters und knallte seiner Mitbewohnerin die Tür vor der Nase zu. Lizzy hörte, dass laut diskutiert wurde, und zum ersten Mal klang Pepes Stimme wütend. Schon nach zwanzig Minuten stürmte Susanne wieder aus dem Raum und blieb nah vor Lizzy stehen. Ihre Nasenspitzen berührten sich fast, als die kaltherzige Frau sprach: „Ich habe dich, kleine Schlampe, durchschaut. Du brauchst nicht zu glauben, dass du dir etwas von Vaters Erbe erschleichen kannst, eher klage ich dich in Grund und Boden!“ Lizzy rang nach schlagfertigen Worten, da schepperte die Haustür zu. Langsam schlich sie zu Pepe, der schockierend bleich aussah. „Hast du einen Augenblick Zeit?“ Sie nickte und setzte sich auf die Bettkante. Die Hand des alten Mannes zitterte, als er ihre ergriff. „Ich habe eine große Bitte an dich. Doch dieser Gefallen ist nicht legal und könnte dich in Schwierigkeiten bringen. Ich werde dir nicht böse sein, wenn du ablehnst!“ Lizzy lachte. „Wenn du nicht langsam auf den Punkt kommst …!“ Pepe grinste. „Ich sterbe darüber hinweg, meinst du?“ Dann wurde er ernst und erzählte seine Geschichte.

Der junge Pepe Marcovic war im Alter von zwanzig Jahren nach Deutschland gekommen, da er in seiner Heimat keine Anstellung gefunden hatte und der elterliche Hof nicht genug abwarf, um alle erwachsenen Kinder zu ernähren. Er ergatterte einen Job in einem Kalkwerk, anfangs als Hilfskraft, wurde er durch Fleiß und Sympathie schnell zum Vorarbeiter. Er, der attraktive Kroate mit den meerblauen Augen, gefiel den Frauen, doch er hatte sein Herz nur an eine verloren: Marianne. Sie war die Tochter des Chefs, dem Besitzer der Kalkwerke. Der Herr Papa war wenig begeistert, dass sein einziges Kind ausgerechnet mit dem ungelernten Gastarbeiter um die Ecke kam. Doch die junge Frau erreichte immer, was sie wollte — einen Charakterzug, den Pepe nach der Hochzeit ebenfalls schmerzvoll zu spüren bekam. Seine Ehe entwickelte sich zu einem Albtraum. Marianne hatte kaum ein freundliches Wort für ihren Mann übrig. Sein Einkommen reichte in ihren Augen nicht aus, weshalb sie immer wieder Geld von ihrem Vater bekamen. Aus ihrer Sicht hatte er nicht genug Ehrgeiz, und es bereitete ihr keinen Kummer, ihn in der Öffentlichkeit bei jeder sich bietenden Gelegenheit bloßzustellen. Sie hasste es, wenn er auf seinem Akkordeon spielte, und schämte sich, dass ihr Mann aus Jugoslawien stammte. Bei Fremden stellte sie sich häufig mit ihrem deutschen Geburtsnamen vor, um nicht mit einem Ausländer in Verbindung gebracht zu werden. Mit der Geburt der Tochter verschlimmerte sich die Situation, Marianne verabscheute ihre neue Position als Mutter und hatte durchgehend schlechte Laune. Nachdem das Kind alt genug war, hackten zwei Frauen auf Pepe herum. Umso erleichterter war der Mann, als sein Schwiegervater ihn nach Österreich auf einen Lehrgang schickte. Zwei Wochen lang sollte er im Salzburger Land auf Buchführung geschult werden, um später den Betrieb zu übernehmen. Anfangs war er froh, von zu Hause fortzukommen, doch dann lernte er sie kennen: seine Anna! Die junge Frau arbeitete in dem Hotel, in das man ihn einquartiert hatte. Sie hatte braune Haare, ihre Augen waren fast schwarz und sie schien immer fröhlich. Wie anders war diese Schönheit im Vergleich mit seiner Frau? Es traf Pepe wie ein Blitz, und seine Gefühle wurden von dem Mädchen erwidert. Zwischen den beiden entstand eine liebevolle Beziehung, und sie verbrachten jede freie Minute miteinander. Am Tag der Abreise schworen sie sich, bald wieder zusammenzukommen und ihr weiteres Leben gemeinsam zu verbringen. Zurück in Deutschland erklärte Pepe seiner Frau am selben Abend, dass er sie verlassen würde. Ihre Reaktion fiel schlimmer aus als erwartet: Erst machte sie ihm eine Szene, dann heulte sie, dann folgte wieder eine Szene. Am Schluss teilte sie ihm mit sachlicher Stimme mit, dass er nie glücklich werden würde. Sie würde seinen Ruf ruinieren, mithilfe ihres Vaters dafür sorgen, dass er keine Anstellung bekam, und sie würde Annas Leben ebenfalls in tausend Einzelteile zerlegen. Das war der Punkt, an dem Pepe einen langen Brief schrieb und die Beziehung zu der Österreicherin beendete. Er kannte Marianne. Ihr Vater hatte ausreichend Einfluss und Geld, um Annas Zukunft über die Grenzen hinaus zu zerstören. Er konnte sie nur schützen, wenn er den Kontakt zu ihr sofort abbrach. Doch er hatte Anna nie vergessen, und als seine Frau vor einigen Jahren an Krebs starb, reiste er nach Österreich und suchte sie, die Liebe seines Lebens. Das Ergebnis seiner Recherchen riss eine nicht mehr heilende Wunde in sein Herz. Er erfuhr, dass Anna kurz nach ihrer Trennung von einem Auto erfasst worden und an der Unfallstelle verstorben war. Gerüchte besagten, dass man ihre Asche auf dem Underberg verteilt hätte. Das war der Ort, an dem Pepe und Anna sich zum ersten Mal geküsst hatten. Der Kroate hatte sich sofort in sein Auto gesetzt und war dorthin gefahren. Als er auf dem Berg stand, an dem seine Beziehung zu dem Mädchen begonnen und ihre Überreste die letzte Ruhe gefunden hatten, weinte Pepe. Er hatte in seinem ganzen Leben genau zweimal Tränen vergossen: an dem Tag, als ihn die Trauer um seine große Liebe erfasste, und heute, nachdem er seiner Mitbewohnerin davon erzählte. Auch Lizzy weinte angesichts dieser traurigen Geschichte ohne Happy End, und so lagen sie sich lange in den Armen. Nach einiger Zeit hob das Mädchen die Decke an und kuschelte sich darunter, ihren Kopf auf der Brust des Kroaten. „Du erinnerst mich sehr an meine Anna!“ Pepe seufzte leise und streichelte der jungen Frau mit seiner zittrigen Hand über die filzigen, langen Haare. So lagen sie da, fühlten Trost in dem Herzschlag und der Wärme des jeweils anderen. Endlich fand Lizzy ihre Stimme zurück. „Sag, was soll ich für dich tun?“ Dann erzählte er ihr von dem Wunsch, und die junge Frau schluckte. Als der alte Mann geendet hatte, richtete er sich auf, wühlte in seinem Nachtschrank und überreichte ihr einen Umschlag. „Öffne den bitte erst nach meinem Tod.“ Sie nahm das dicke Papier entgegen, und wieder brannten Tränen in ihren Augen. Die Vorstellung, Pepe zu verlieren, zerriss ihr das Herz. Für sie stand es außer Frage, dass sie ihm seinen letzten Wunsch erfüllen würde! Alles, was legal war, hatte er in seinem Testament geregelt und Lizzy eine Kopie davon überreicht. Das Original musste er von einem Notar beglaubigen lassen, darum hatte er den Mann, der zeitgleich ein langjähriger Freund war, für den nächsten Tag einbestellt. Als Pepe eingeschlafen war, stand Lizzy auf und setzte sich auf den Stuhl. Dabei betrachtete sie den Kroaten, der in den letzten Monaten zu ihrer einzigen Familie geworden war. Sie erkannte, dass sich seine Atmung verlangsamte, zog ihr Handy hervor und rief den Hausarzt. Als er nach fünfzehn Minuten eintraf, bescheinigte er den Tod des alten Mannes. Da Lizzy offiziell, mit Arbeitsvertrag, Pepes Angestellte war, konnte Susanne sie nicht sofort aus dem Haus werfen, und es blieb ein kurzes Zeitfenster, um Vorbereitungen zu treffen. Das war vor fast drei Wochen, und sie hatte den Verlust nicht ansatzweise verarbeitet. Jetzt, auf dem Stein hockend, an einer Autobahnraststätte, verlassen von allem, kamen die Bilder in ihr hoch. Pünktlich dazu setzte ein unvorstellbarer Platzregen ein, der sie innerhalb von Sekunden durchnässte. Gott musste sie wirklich hassen! Wieder flossen die Tränen. Lizzy trauerte über ihre Situation, den Verlust ihres einzigen Freundes und die beschissene Erfahrung mit dem Dreckskerl aus dem Lastwagen. So saß sie da, leise schluchzend, im prasselnden Regen, als ein roter Kastenwagen neben ihr hielt. Sie betrachtete den Fahrer, der die Seitenscheibe heruntergelassen hatte. Der Mann war älter, etwa um die vierzig Jahre, blond und hatte umwerfend blaue Augen. Sofort hatte sie das Bild von Pepe vor sich und schluckte. „Steig ein!“ Seine Stimme war dunkel und hatte einen unbekannten Akzent. Man merkte seinem Tonfall an, dass er es gewohnt war, Befehle zu erteilen.

Kapitel 3 Seppo