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Beschreibung

Das Wesen des Limerick ist der Unsinn – ein Unsinn freilich mit Methode. Denn der Limerick folgt erstens einem bestimmten Rhythmus- und Reimschema, und er beginnt zweitens fast immer mit »There was ...« (Es war einmal ...), womit angedeutet wird, daß es sich um Vergangenes handelt. Und das ist gut so; denn im Limerick geht es oft um Seltsamkeiten oder Mißgeschicke, die, bemerkte man sie an Zeitgenossen, mit diskretem Stillschweigen übergangen würden. Der Limerick hingegen setzt ihnen eine Pointe auf. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Limericks, Limericks

Herausgegeben von Jürgen Dahl

FISCHER E-Books

Inhalt

Kapitel 1: Nur für Leser, die überhaupt nicht wissen, was ein Limerick istKapitel 2: Eine Schwierigkeit, nicht von ungefährKapitel 3: Von den Anfängen des LimerickKapitel 4: Was dann geschahKapitel 5: Der polyglotte LimerickKapitel 6: D. abgek. Lim.Kapitel 7: Der verlängerte LimerickKapitel 8: Der verwegene LimerickKapitel 9: Viereinhalb Dutzend gemischteKapitel 10: Der Limerick in der KulturgeschichteKapitel 11: Der unanonyme LimerickKapitel 12: Der ungeistliche LimerickKapitel 13: Der ungezogene Limerick

Kapitel 1: Nur für Leser, die überhaupt nicht wissen, was ein Limerick ist

Wenn Sie träumen, Sie äßen einen Schuh, dann kann das ein Hinweis Ihres Unterbewußtseins auf eine unbezahlte Schuhrechnung sein. Wenn Sie darüber aufwachen mit einem Geschmack von Leder und Wichse auf der Zunge und vorsichtshalber nachsehen, ob die Schuhe unterm Bett beide noch da sind, dann werden Sie in den meisten Fällen feststellen, daß dem so ist.

 

In Peru jedoch gab es einmal einen Mann, der mußte, als er kauend erwachte, konstatieren, daß es in der Tat sein Schuh war, den er aß.

 

Sie werden sagen: Das ist ja Unsinn!

Eben darauf sollte es hinaus. Und wenn Sie diesen Unsinn jetzt in Verse kleiden, dann hört sich das etwa so an:

Es war einmal ein Mann aus Peru,

dem träumte, er äß’ seinen Schuh.

Er erwachte voll Graus,

spuckte kräftig aus,

und sieh’ da, – er spuckte ’nen Schuh!

Was Sie da vor sich haben, ist ein Limerick. Genauer gesagt: die sehr freie Übersetzung eines solchen, denn das Original ist englisch und lautet:

 

 

 

1There was an old man of Peru,

Who dreamt he was eating his shoe.

He awoke in the night

With a terrible fright

And found it was perfectly true.

 

 

 

Wenn Sie nun immer noch darauf bestehen, daß es sich da um Unsinn handelt, – dann sind Sie auf dem besten Wege, in das Wesen des Limerick einzudringen. Sein Wesen ist: der Unsinn.

Und zwar hat dieser Unsinn Methode (wohin kämen wir auch, wenn der Unsinn nicht wenigstens Methode hätte …!). Er wird nicht einfach so hingereimt.

 

Sondern erstens folgt der Limerick einem bestimmten Rhythmus, der seit seinen Kindertagen der gleiche geblieben ist und folgendermaßen lautet:

 

tum túm tum tum túm tum tum túm

tum túm tum tum túm tum tum túm

tum tum túm tum tum túm

tum tum túm tum tum túm

tum túm tum tum túm tum tum túm

Als gebildeter Mensch, der Sie sind, denken Sie jetzt gleich an Wanderers Nachtlied oder an die Göttliche Komödie und bemerken mit Recht, daß Sie noch nie einen so stupiden Rhythmus gehört haben. Ohne daß Ihnen grundsätzlich widersprochen werden soll, sei Ihre Aufmerksamkeit doch auf die Tatsache gelenkt, daß es sich in den genannten Fällen um Dichter handelt, die einen Ruf zu verlieren hatten und daher um eine pflegliche Behandlung der Form nicht herumkamen, während die Schöpfer des Limerick meist anonym bleiben. Gar nicht zu reden davon, daß dem unsinnigen Inhalt einer Strophe keine andere Form als die stupideste angemessen sein kann, – und von diesem Standpunkt aus wiederum ist die Form des Limerick schlechthin genial.

 

Zweitens reimt sich der Limerick. Und zwar: a a b b a. Oder: rot – Tod – Liebe – Triebe – Not. Wobei durchaus kleine Webfehler vorkommen können, etwa, daß sich auf Riga überraschend Tiger reimt, ein Scherz für sich.

 

Und drittens folgt der Limerick einem bestimmten inneren Plan auf die Weise, daß in der ersten Zeile zunächst der Held der Strophe vorgestellt wird; im klassischen Limerick geschieht das mit den Worten:

There was a young girl of Khartoum

oder There was an old lady of Corfu

oder There was a young man of Cape Horn und so weiter.

 

Die zweite Zeile erweitert diese Vorstellung, indem sie hinzufügt, was der Betreffende tut, was ihm geschieht oder was ihn besonders auszeichnet.

 

Die folgenden zwei Kurzzeilen erzählen dann mit stenografischer Behendigkeit eine Geschichte, worauf das Ganze von der letzten Zeile (die fast immer erst den eigentlichen Witz enthält) überraschend bekrönt wird.

 

Stellen Sie sich vor, Sie erklettern einen steilen Berg; Sie erreichen die Spitze schweratmend am Ende der vierten Zeile. Dann kommt die fünfte: Sie stellen fest, daß von der anderen Seite ein Lift hochgeht. So ist der Limerick.

 

 

 

Zum Beispiel:

2There was an old lady of Harrow,

Her views were exceedingly narrow.

Bis hierhin läßt sich alles ganz harmlos an. Aber bald zeigen sich verdächtige Folgen der geistigen Beschränktheit jener Harrowerin:

 

 

 

She built two baths

at the end of her paths

was natürlich als Marotte einer alten Dame auch noch vertretbar ist. – Nun aber kommt’s:

 

 

 

for the different sexes of sparrows.

 

 

 

Tableau! Was ein Limerick ist, müßten Sie jetzt eigentlich wissen …

Kapitel 2: Eine Schwierigkeit, nicht von ungefähr

Wenn Sie den Limerick von der Dame aus Harrow in schlichte Prosa übersetzen, dann lautet er:

Es war einmal eine alte Dame aus Harrow, die hatte einen sehr beschränkten Horizont. Sie baute am Ende ihrer Gartenwege zwei getrennte Badezimmer für die verschiedenen Geschlechter der Spatzen.

 

Es wird Ihnen kaum entgehen, daß der Witz nun hin ist. Der Limerick hat die Prosa übelgenommen; er ist buchstäblich zu Tode beleidigt und lebt erst wieder auf, wenn man ihm die Form zurückgibt, die ihm gebührt.

 

Das wiederum im Deutschen zu bewerkstelligen, ist nicht nur schwierig, sondern in den meisten Fällen fast aussichtslos, selbst wenn man dabei mit den Fakten großzügig verfahrt. Der Limerick ist eine so durch und durch angelsächsische Angelegenheit, ein poetisches Lebewesen von so eigenem Charakter, daß er sich allen Versuchen einer Anverwandlung hartnäckig entzieht.

 

Daß deshalb das Volk der Dichter und Denker auf den Limerickgenuß verzichten soll, hat einige Leute so gewurmt, daß sie sich dennoch an Übersetzungen gewagt haben. Aber die Ergebnisse sind in den seltensten Fällen Limericks, sondern, wenn es gut geht, Scherzgedichte, denen irgendwo ein Quentchen Undefinierbares fehlt.

 

Für den puren Unsinn in dieser speziellen Zubereitungsart fehlen uns gewissermaßen die Worte, die uns für den Tiefsinn so mühelos zu Gebote stehen. So gibt es in der Tat nur ein Mittel, dem nationalen Unglück der Limerickunkenntnis zu steuern, nämlich: ein ganz klein wenig Englisch zu können. Und zwar nur eben so viel, daß man in der Lage ist, sich mit Hilfe der unserer Auswahl beigegebenen Prosaübersetzung den Weg ins Original zu bahnen und sich dieses dann, indem man die Übersetzung schnell wieder vergißt, auf der Zunge zergehen zu lassen. Wenn Sie noch ein klein wenig angelsächseln, wird es Ihnen spielend gelingen …

 

Was wäre am Schluß dieses Kapitels unsinniger und folglich sinnvoller als ein Übersetzungsversuch:

Eine alte Dame aus Plauen

beschloß einst, ganz sittsam zu bauen.

Sie erbaute im Moos

zwei getrennte Klos

für Spatzenmänner und -frauen.

Kapitel 3: Von den Anfängen des Limerick

Der Limerick gehört zu England wie das Oberhaus, der Hyde Park und die Teepause: er ist eine Institution, repräsentiert mehrere zeitliche und ewige Werte, die vollzählig aufzuführen der Anstand verbietet, und wurde vor etwa hundert Jahren erfunden.

 

Fast alle Dinge werden zweimal erfunden. Zuerst von einem Pechvogel; dabei geraten sie in Vergessenheit und werden erst später von den Chronisten wieder ausgegraben, und beim zweiten Mal von einem Glückspilz, der mit seiner Erfindung durchdringt.

 

Den Limerick hat ein zu seiner Zeit geschätzter Landschaftsmaler namens Edward Lear (nicht) erfunden. Des Limericks Vorgänger stehen in einem 1822 anonym erschienenen Buch ›Anecdotes and Adventures of Fifteen Gentlemen‹. Sie wurden vergessen, während die Limericks des Mr. Lear einen beispiellosen Siegeszug antraten, zunächst durch das britische Inselreich.

 

Dabei war jener Edward Lear gar kein richtiger Engländer, sondern hatte einen dänischen Vater und eine irische Mutter. Geboren wurde er in der Nähe von London im gleichen Jahr, als Napoleon vor Moskau stand (Da haben Sie gefehlt? Das war anno 1812!). Edward war das jüngste von 21 Kindern und mußte sich mit Hilfe seiner recht artigen zeichnerischen Begabung schon früh selbst durchschlagen. Ein anderer Edward, der 13. Earl of Derby, der in Knowsley eine private Menagerie besaß, engagierte ihn für längere Zeit als Zeichner seiner Tiere, welche Tätigkeit Lear genügend Zeit ließ, sich außer mit den Vögeln und Affen des Earl auch mit dessen Kindern zu befassen. Für sie erfand er seine skurrilen Geschichten und Gedichte, deren wichtigster Teil die Limericks sind. Mit komischen Zeichnungen versehen, gab er dieses Allotria 1846 als ›Book of Nonsense‹ zum erstenmal in Druck; womit für das zarte Musenkind das Wichtigste getan war.

 

 

 

3There was a sick man of Tobago,

Lived long on rice, gruel and sago;

But at last, to his bliss,

The physician said this:

›To a roast leg of mutton you may go!‹

 

 

 

Es war einmal ein kranker Mann aus Tobago, der lebte lange von Reis, Haferschleim und Sago. Doch schließlich sagte der Arzt zu seiner Freude: ›Zum – – – Hammelbraten mit Ihnen!‹

 

Aus den ›Anecdotes and Adventures of Fifteen Gentlemen‹, 1822.

Vorher hatte es einmal eine Sippe von Scherzgedichten gegeben, die alle auf den Kehrreim ›Will you come up to Limerick!‹ endeten. Von da her lieh sich der Limerick seinen Namen, auf den sonst eine ehrenwerte, durch ernsthaften Gewerbefleiß ausgezeichnete irische Stadt hört.

 

Wohingegen der Limerick weder ernsthaft noch ausschließlich ehrenwert ist. Seine Seele ist, wie gesagt, der Unsinn, die mutwillige Aufhebung der sonst in jenem Lande so leidenschaftlich gelebten Ordnung. Am laufenden Band geschehen Dinge, die nicht nur dieser menschlichen Ordnung, sondern auch allen sonst gültigen Naturgesetzen strikt zuwiderlaufen. Der Surrealismus hat hier Triumphe gefeiert, lange bevor es ihn überhaupt gab: Vögel nisten im Bart eines honorigen Mannes, ein anderer läuft mit Schweinen in den Händen zum Strand (und das täglich), eine junge Frau reitet (lächelnd!) auf einem Tiger, kurz, eine vielköpfige Versammlung völlig verrückter Männer, Mädchen und Matronen führt ein höchst sonderbares, vom gewohnten Wohlverhalten beträchtlich abweichendes spectaculum auf.

 

Als Edward Lear 1888 an der Riviera starb, war das ›Book of Nonsense‹ fast jedes Jahr in einer neuen Auflage erschienen, dazu drei weitere mit Unsinn angefüllte Bücher. Auf den folgenden Seiten ist das Bemerkenswerteste daraus zusammengestellt.

 

4There was an old man with a beard,

Who said, ›It is just as I feared!

Two owls and a hen,

Four larks and a wren,

Have all built their nests in my beard!‹

 

 

 

Es war mal ein alter Mann mit einem Bart, der sagte: ›Es ist schon so, wie ich gefürchtet hatte! Zwei Eulen, eine Henne, vier Lerchen und ein Zaunkönig haben ihre Nester in meinem Bart gebaut!‹

 

 

 

5There was a young lady of Portugal,

Whose ideas were excessively nautical;

She climbed up a tree

To examine the sea,

But declared she would never leave Portugal.

 

 

 

Ein reizendes Mädchen aus Vinn, das hatte das Meer nur im Sinn. Es erstieg einen Baum, um es anzuschaun, doch verweigerte strikt eine Fahrt hin.

 

 

 

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