Limoncellolügen - Gudrun Grägel - E-Book

Limoncellolügen E-Book

Gudrun Grägel

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Beschreibung

In der Hotelküche herrscht Chaos und Doro soll es richten. Sie folgt dem Hilferuf ihrer Freundin Greta Rinaldi und reist nach Limone am Gardasee, um die Saison im Hotel »Magdalena« zu retten. Job und Urlaub werden schnell zur Nebensache, denn Doro erwarten nicht nur Limoncello und Pasta, sondern auch Lügen und Mord. Ein Toter im Pool, bedrohliche Verfolger und auch in der Familie sagt nicht jeder die Wahrheit. Wem kann sie vertrauen? Wenn Doro Unrecht wittert, erwacht ihr Jagdinstinkt - und damit treibt sie nicht nur ihren Freund Vinc zur Verzweiflung.

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Gudrun Grägel

Limoncellolügen

Gardasee-Krimi

Zum Buch

Mörderische Scharade In der Hotelküche des »Magdalena« in Limone herrscht Chaos, seit Chefkoch Valdo mit gebrochenem Arm ausgefallen ist. Greta Rinaldi bittet ihre Freundin Doro, die Saison im Familienhotel zu retten. Doro Ritter ist leidenschaftliche Köchin und den Gourmettempel ihres Vaters in München für ein paar Wochen gegen Dolce Vita am Gardasee einzutauschen, klingt traumhaft. Aber neben Limoncello und Pasta bekommt Doro einen Toten im Pool serviert, verdächtige Gestalten schleichen ums Hotel und auch in der Familie gibt es Geheimnisse. Jeder kocht hier sein eigenes Süppchen. Die traumhafte Kulisse hat Risse und Doro will wissen, wer lügt und wer etwas zu verbergen hat. Was hat das geplante Hotelprojekt mit dem Verschwinden des Kochs zu tun? Als ihr Freund Vinc in Limone eintrifft, schaut Doro längst hinter die Fassaden. Dabei lässt sie sich weder von Carabiniere Mario Forti noch von Vinc bremsen. Sie mischt sich ein – das findet jemand gar nicht witzig und für Doro wird’s brenzlig.

Gudrun Grägel, 1964 in Augsburg geboren, ist Bayerisch-Schwaben treu geblieben und lebt heute mit ihrer Familie nur einen südlichen Schritt weiter, in Königsbrunn. Neben ihrer Arbeit in der Apotheke schreibt die Autorin Kriminalromane, wobei ihr das pharmazeutische Wissen und auch eine Ausbildung auf dem Gebiet der Pädagogik/Psychologie oft interessante Ideen liefern. Krimispannung, gewürzt mit südlicher Sonne und einem Schuss Romantik – da wird der Schreibtisch zum Urlaub und Urlaub zur Recherche, sagt die Autorin. In »Limoncellolügen« ermittelt die junge Köchin Doro Ritter in ihrem zweiten Fall. Gewohnt spontan und ein wenig leichtsinnig macht sie sich auf die Suche nach der Wahrheit, diesmal in Limone am Gardasee – ein Ort, an den es die Autorin immer wieder zieht.

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Susanne Tachlinski

Herstellung/Kartengestaltung: Julia Franze

E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © Thomas Hecker / shutterstock.com

ISBN 978-3-8392-6764-6

Widmung

Für Martin und FloMeine Eltern und meine Familie

 

Zitat

»Wie sehr wünschte ich meine Freunde einen Augenblick neben mich, dass sie sich der Aussicht erfreuen könnten, die vor mir liegt. Heute Abend hätte ich in Verona können sein, aber es lag mir noch eine herrliche Naturwirkung an der Seite, ein köstliches Schauspiel, der Gardasee, den wollte ich nicht versäumen, und bin herrlich für meinen Umweg belohnt.«

(Goethe. Italien-Reise Sept. 1786)

 

Personen

Doro Ritter, 26 Jahre, Tochter von Sterne- und Fernsehkoch Sascha Ritter, kocht leidenschaftlich gerne und steckt ihre Nase nicht nur in Kochtöpfe

Vincent Wolkenberg, genannt Vinc, Doros Freund

Sascha Ritter, Doro Ritters Vater, bekannter Fernseh- und Sternekoch

Vittorio und Francesca Rinaldi, Besitzer des Hotels Magdalena

Mia Rinaldi, Tochter

Adriano Rinaldi, Sohn von Francesca und Vittorio Rinaldi, verheiratet mit Greta

Laura und Davide, Adrianos Kinder aus erster Ehe

Greta Rinaldi, geb. Schönauer, Ehefrau von Adriano Rinaldo und alte Schulfreundin von Doro Ritter

Isabella Rinaldi, Exfrau von Adriano Rinaldi

*

Valdo Carlotti, Chefkoch im »Magdalena«

Niveo Marino, Hilfskoch im »Magdalena«

Irmela, Zimmermädchen im »Magdalena«

*

Corrado Scalieri, Hotelier aus Limone

Hugo Scalieri, sein Sohn

*

Mario Forti, Carabiniere

*

Jacopo Olmo, Hausmeister und stolzer Besitzer von Fini

Maria Olmo, seine Schwester

Fini, eine alte Eseldame

Julian Weigel, Hotelgast

Und weitere Gäste

Karte

 

Prolog

München

Eine Sternschnuppe zieht ihre Bahn am frühen Nachthimmel, der hier über der Stadt milchig hell beleuchtet wird. Wer sie gesehen hat, hat einen Wunsch frei.

Die Glocken vom Alten Peter schweigen, das Glockenspiel am Rathaus hat sein Tagwerk eingestellt, der Schäfflertanz ruht bis morgen, die Jungvermählten, Renate von Lothringen und Herzog Wilhelm V., haben sich bereits zur Hochzeitsnacht zurückgezogen. Irgendwo aus der Ferne weht der Klang einer späten Glocke, die sich die Stimme nicht verbieten lässt.

 

Kapitel 1

La dolce Vita – Zwiebel, Mozzarella und ein Glas Prosecco

Sabato (Samstag) – 25. AugustAbends, 21 Uhr

Hmmh. Ich mach die Augen zu und stelle meine Riechzellen auf Empfang. Auf jeden Fall überbacken … Käse … kein Gratin … Zwiebel und Mozzarella. Mediterrane Kräutermischung. Ha! Schon gewonnen. Mit siegesgewissem Lächeln im Gesicht sperr ich die Wohnungstür auf. Aufräumarbeiten in der Küche hat heute Vinc an der Backe, so viel ist sicher. Wieder mal.

Mein Schatz steht im Flur, Arme verschränkt, breitbeinig, coole Miene.

»Tomaten-Mozzarella-Brötchen, Schinken, Schalottenringe, Kräutermischung mediterran«, erwähn ich betont beiläufig und stell meine Umhängetasche seitlich an der Schuhablage ab – die sich mittlerweile auf fünf Stockwerke hochgearbeitet hat. »Ach ja, und ein paar Körnchen grober Pfeffer«, setz ich imaginär gelangweilt hinzu und drück ihm ein gönnerhaftes Küsschen auf die Wange.

Vinc verdreht gespielt verzweifelt seine Augen. »Mann, Doro, kannst du nicht wenigstens mal aus Versehen danebenliegen? Ich storniere die Wette! Allmählich wachsen mir Schwimmhäute zwischen den Fingern vom vielen Spülen.«

Mitleidslos schüttel ich den Kopf. »War deine Idee. Vier Wochen.« Ich verziehe mich auf unseren Balkon.

Sieben Kilo Lebendgewicht streichen schnurrend um meine Waden.

»Na, mein Kleiner, heute hier?«, frag ich unseren Kater, der sich nach dieser persönlichen Anrede sofort auf den Weg Richtung Küche macht. Folgsam trotte ich hinterher. Geschirrklappern und Gläserklirren weckt die Vorfreude auf einen gemütlichen Abend. Im »Macis«war’s heute stressig, Presse für Paps, mittags volles Haus, dafür war’s am Abend dann ruhig, halb neun Feierabend war locker drin, da hab ich gleich Vinc angerufen …

»Irgendein Leckerli übrig für Rambo?«, frag ich, an den Türrahmen gelehnt.

»Nix vom Tisch!«, bestimmt Vinc resolut.

Ich bin da wesentlich weicher.

»Doro, das ist so ungesund«, versucht Vinc, mich zu Konsequenz zu erziehen.

Ich grinse in mich hinein. Das hat Paps schon nicht geschafft …

Vinc schaut kurz über die Schulter, zieht eine Augenbraue hoch. Er weiß wieder mal genau, was ich denke.

»Okay«, geb ich mich geschlagen und schütte lediglich ein bisschen Trockenfutter in Rambos Schälchen. Der verzieht sich beleidigt.

»Soll ich was mit rausnehmen?«, frag ich, die Nase an Vinc’ Schulter reibend.

»Schleich dich«, sagt er drohend, was heißen soll: Bin gleich fertig, mach’s dir gemütlich.

Gerne. Der Tag in Papas Gourmettempel »Macis« war strapaziös genug. Pressebesuch für Paps, seines Zeichens Sterne- und Fernsehkoch, ziemlich gefragt, und das seit Jahren, hat sich wie immer mit Genuss in seinem Ruhm gebadet – leider kann er es nicht lassen, mich mit ins Rampenlicht zu ziehen. Find ich ja nett, dass er stolz ist auf seine Tochter, aber Hintergrund ist mir lieber.

Rambo schleicht an mir vorbei, springt mit ein paar eleganten Sätzen von Balkon zu Balkon nach unten, bis zu der schmalen Katzenleiter für die rote Lilly aus dem ersten Stock. Okay, das heißt Gourmetmeile über den Viktualienmarkt, wo der eine oder andere Katzenfreund an ausgehungerte Streuner denkt. Rambo sieht das anders und nimmt es als Huldigung seiner stattlichen Erscheinung gnädig entgegen. Das ist ihm dann, wenn’s sein muss, sogar einen kleinen Machtkampf wert, den er aber mangels echten Hungers in der Regel verliert. Kratzt ihn vermutlich nicht wirklich, weil im »Macis« wird der Liebling des Chefs sowieso verwöhnt … Was in der Folge bedeutet, Rambo übernachtet bei Paps am Sebastiansplatz, und für Vinc und mich ist genügend Platz in der Hollywoodschaukel.

Ich gieß Wasser in die ausgetrocknete Erde im Pflanzgefäß. Das Geißblatt steht in voller Blüte, ist Blickschutz und Schattenspender zugleich, hat er prima gemacht, der Vormieter. Als Vinc mit vollbeladenem Tablett rauskommt, schieb ich schnell den kleinen, weiß lackierten Metalltisch zurecht. Sieht lecker aus, was mein Schatz kreiert hat. Nach dem ganzen Schnickschnack in Paps’ Küche freu ich mich am Abend auf was Schlichtes, als Nachtisch kuscheln mit Vinc.

Der Nachtisch hält den Erwartungen stand, dazu ein Gläschen Vino bianco frizzante – schön gekühlt, haben wir noch aus Italien, letztes Jahr von Maria.

Das Telefon klingelt.

»Nö, nicht jetzt«, nörgle ich, hangele mich aber ein Stück vor und greif mein Handy.

»Du musst mir helfen, Doro!«, kann ich grad so zwischen Schluchzern und Hicksern heraushören. Ich halt die Hand über den Lautsprecher.

»Keine Ahnung, wer dran ist«, sag ich zu Vinc und setze mich auf. Zehn-Uhr-Läuten vom Alten Peter. Über den Dächern von München.

Aus dem Handy Geheule.

»Hallo, bist du es, Lollo?« Meine Vermutung. Vinc nippt am Wein, wartet ab.

Ich leg die Hand über den Lautsprecher. »Wahrscheinlich hat sie ein graues Haar entdeckt. Und das mit 42«, spotte ich böse über die aktuelle Lebensabschnittsgefährtin meines Vaters.

»I… ich bin’s. Greta.«

»Greta?« Greta Rinaldi, geborene Schönauer, meine alte Schulfreundin. Ruft mich an und heult?

Ich mein, das irritiert mich schon. Schließlich sind wir zwar Freundinnen. Seit dem Gymi. Aber nicht beste Freundinnen.

Vinc schaut interessiert hoch, ich zucke mit den Schultern und lausche dem Gestammel am anderen Ende der Leitung. Der letzte Glockenton des Stundenschlags verklingt.

»Stopp!«, unterbreche ich Greta. »Jetzt beruhig dich mal. Kurz zusammengefasst, ihr braucht einen Ersatzkoch und du hast an mich gedacht. So weit richtig?«

Vinc runzelt die Stirn.

Ein tiefer Seufzer von Greta. »Valdo, unser Koch, hat sich den Arm gebrochen, und wo sollen wir Ende August einen neuen auftreiben? Wir haben alles versucht …«, erklärt Greta, jetzt wesentlich verständlicher.

»Ist doch kein Grund, so rumzuheulen«, bring ich die Lage auf den Punkt.

»Tut mir leid, Doro, wollt ich gar nicht … ist grad alles zu viel … und jetzt das noch. Das Hotel ist ausgebucht und fast alle Gäste wollen Halbpension. Das schafft Niveo nicht. Der ist nur Aushilfskoch.«

»Und wenn euer Valdo sich auf einen Stuhl setzt und dirigiert?« Praktiziert Paps auch, wenn er mit Abendgarderobe in seiner Küche vorbeischaut – und das selten ohne einen Verbesserungsvorschlag.

»Valdo muss ein paar Tage liegen, er hat nämlich auch eine leichte Gehirnerschütterung …«

Okay. Ich reib mir die Nase und schau zu Vinc. Sein Blick spricht Bände. Allein das, was er mitgekriegt hat, lässt anscheinend böse Ahnungen in ihm aufsteigen.

Irgendwo schlägt ne verspätete Glocke. Der alte Peter nebenan schweigt.

»Tja, Greta, wie stellst du dir das vor? Ich mein, ich arbeite bei Paps und kann nicht einfach losfahren.«

Vinc grinst unverschämt, was ihm einen Hieb auf die Schulter einbringt. War anscheinend zu schwach, er grinst frech weiter. Okay, okay, bin ihm nicht böse, er hat ja recht. Bei Bedarf kommt’s durchaus vor, dass ich schnell disponiere.

Äh … Moment, ich hab mich noch nicht entschieden …

»Und dein Mann traut mir das zu? Einer Frau, und erst 26 Jahre alt? Kein italienischer Macho?«

»Doro, ich habe mit meinen Schwiegereltern gesprochen, die haben das Sagen im Hotel, und als die gehört haben, wessen Tochter du bist, haben sie noch was aufs Gehalt draufgelegt«, schmeichelt Greta jetzt.

Hat sie allerdings den falschen Knopf erwischt. Mit Tochterbonus vom berühmten Sascha Ritter aufzutreten, hasse ich wie die Pest. Ich liebe Paps, aber ich bin ich, da leg ich extremen Wert drauf. Okay, Doro, schluck’s runter, befehl ich mir, kann Greta ja nicht wissen.

»Machen wir’s kurz«, entscheide ich. »Ich ruf dich morgen an, okay?«

»Doro, du bist ein Schatz!«, schreit mir Greta euphorisch ins Ohr.

»Mal langsam«, brems ich sie, »ich hab noch nicht Ja gesagt. Morgen, okay?«

»Ja, morgen. Ist gut.« Sagt’s und klingt so befreit, als hätte ich keine Wahl.

»Was war das jetzt?«, fragt Vinc, als ich das Handy in den Schoß sinken lasse und mich zurücklehne. Er legt den Arm um meine Schulter.

»Ich soll bei Greta in der Küche aushelfen. Am besten seit gestern.«

»Und was heißt das jetzt?«

»Na ja, die scheinen echt nen Notstand zu haben, Greta ist total verzweifelt, und Paps käme auch ohne mich aus.«

»Heißt zusammengefasst: Du fährst«, resümiert Vinc trocken.

Ich zuck die Schultern. Weiß ja selber nicht … »Na ja, wahrscheinlich … Aber Australien …«, sag ich.

»Hmm.«

»Könnten wir auch verschieben«, schlag ich vor.

»Könnten wir.«

Ich schau Vinc in die Augen. Wie meint er das jetzt? Ernst? Oder ist er beleidigt? Sauer?

Er blinzelt ein paarmal. »Ich fänd’s gar nicht so schlecht«, sagt er dann. »Der Umzug war sauteuer, die Miete und so … Eigentlich passt Italien und Kohle verdienen besser als Australien und tauchen am Great Barrier Reef. Zum Glück haben wir noch keine Flugtickets.«

Wie bitte? »Du wolltest doch auch …?«, frag ich leicht verunsichert.

Hab ich ihn überrollt mit meiner Begeisterung? Quatsch! Vinc sagt schon, was er will. Er ist halt meistens ein bisschen vernünftiger als ich. Und es stimmt ja. Ebbe in unserer Kasse.

»Und, kommst du mit? Ich mein, nach Italien.«

»Was hast du denn gedacht? Du machst Urlaub am Gardasee und ich hüte die Wohnung und nuckel an den Weinflaschen vom letzten Jahr?« Vinc schlingt die Arme um mich, sein Kuss schmeckt nach Wein und Oliven. »Allerdings kann ich erst in zwei Tagen. Fahr du mit dem Auto voraus, ich komm mit Fredis Motorrad nach.«

»Hast du dich mit Greta abgesprochen?«

»Mit Greta? Was meinst du?«

»Tja, so schnell, wie du alles regelst …« Ich zieh die Augenbrauen hoch.

»Glaubst du, nur du kannst spontan sein?«, fragt Vinc herausfordernd. »Aber im Ernst. Fredi hat ne Knieoperation hinter sich, Fußballunfall, und hat mich letzte Woche gefragt, ob ich seine Suzuki ausleihen will. Ab Montag kann ich sie haben, und ich hab mich eh schon gefragt, wann wir damit losziehen. Ich würde sagen, das ist die Gelegenheit. Also nimm deine Motorradklamotten mit.«

»Perfetto«, übe ich mich schon mal im Italienischen und wähle Paps’ Handynummer.

Vinc verzieht sich in die Küche. »Trinkst du noch ein Glas?«, ruft er von dort.

»Rat mal«, ruf ich zurück.

»Danke, das war mein Ohr«, beschwert sich Paps am anderen Ende der Leitung.

»Tschuldigung, war nicht für dich bestimmt«, sag ich zu ihm.

»Hast du was vergessen oder suchst du Rambo?«

»Weder noch. Ich kann eine Weile nicht bei dir kochen …«, komm ich ohne Umschweife zum Punkt.

»Was ist es diesmal?«, fragt Paps spöttisch.

Er ist nicht sauer. Anscheinend tut ihm Lollo wirklich gut.

»Witzig find ich das eigentlich nicht«, schiebt er trocken hinterher.

»Hallo? Kannst du meine Mimik hören?«

»Nicht nötig. Ich kenn dich seit 26 Jahren.«

»Dein Punkt«, geb ich mich geschlagen und erklär ihm die Lage.

»Ja, dann rette das Hotel deiner Freundin oder ihr Leben oder was auch immer … Aber du weißt ja: Rezepte, Gewürze, Ideen.«

»Ich weiß. Und ein paar Fläschchen Vino. Beste Qualität. Ich schau mich um. Und danke, Paps.« Ich schick einen dicken Schmatzer durch den Äther.

»Danke, das war wieder mein Ohr. Und … ich dich auch«, lacht Paps.

Eine verfrühte Sternschnuppe zieht ihre Bahn und verglüht am milchigen Nachthimmel.

»Hast du gesehen?«

Vinc tippt gerade an seinem Handy rum. »Was?«, fragt er, ohne hochzuschauen.

»Die Sternschnuppe. Ich darf mir was wünschen.«

»Also, ich wünsch mir, dass du jetzt endlich herkommst und Ruhe gibst«, brummt Vinc und legt sein Handy zur Seite. »Außerdem ist es viel zu früh für ne Sternschnuppe, war vermutlich nur ein Flugzeug.«

»Bist ja nur neidisch. Tja, blöd, dass du die Sternschnuppe nicht gesehen hast, gell. Aber manche Wünsche gehen trotzdem in Erfüllung«, tröste ich ihn und kuschel mich zu ihm auf die Hollywoodschaukel.

Kapitel 2

Lago di Garda – Wo Benacus und Phillis sich treffen

Domenica (Sonntag) – 26. AugustNachts, 22 Uhr

Nicht viel los auf der Autobahn. Langsam werd ich echt müde. Na immerhin, Bozen liegt schon hinter mir. Im Radio dudelt ein italienischer Sender, auf dem Beifahrersitz kein Vinc, nur Jacke, Handtasche und eine halb leere Wasserflasche. Ich gähne hinaus in die Dunkelheit. Eindeutig, die Tage werden kürzer. Noch ne knappe Stunde. Mann, ich krieg bald ne Kiefersperre vor lauter Gähnerei. Vielleicht mach ich doch ne kurze Pause. Vor Rovereto gibt’s eine Raststätte … Toilette und Espresso … hört sich gut an, beschließe ich und gähne weiter. Ohne schlechtes Gewissen, denn zum Glück kann sich die Jacke nicht beschweren, von wegen Gähnen ist ansteckend … So wie Vinc das macht, wenn er fährt und ich auf dem Beifahrersitz diverse Geräusche von mir gebe.

Nach zehn Minuten im gemächlichen 120-km/h-Schleichgang – für meinen Rennschlitten fast maximale Obergrenze – seh ich das Hinweisschild. Ich setze den Blinker, eine Menge LKWs, wenig PKWs. Direkt vor dem Eingang der Raststätte gibt’s genügend freie Parkplätze. Drinnen ist es ruhig. Ich gönn mir einen Coffee to go, also richtigen Kaffee, keinen Espresso, was hier üblicherweise unter Caffè läuft, und trolle mich mit dem Pappbecher nach draußen. Hab die Wahl zwischen Tankstelle und LKW-Stellplatz. Echt ne öde Angelegenheit, nachts alleine hier, mit nem Kaffee im Pappbecher … Hätt doch nur einen schnellen Espresso nehmen sollen. Egal. Der restliche Kaffee landet samt Becher im Mülleimer, ich setz mich ins Auto und aktiviere das Navi. Neu. Haben wir uns gegönnt, nachdem das alte jedes Mal gestreikt hat, wenn wir es gebraucht hätten. Eigentlich unnötig für die Strecke, gleich nach Riva schalt ich’s wieder aus.

Die Illusion, Kaffee weckt die Lebensgeister, widerlege ich mit Gähnerei Teil zwei. Egal. Bin ohnehin gleich da. Kurze WhatsApp an Greta, sie stellt schon mal die Weingläser bereit, schreibt sie … links von mir glitzert der Benaco, die Lichter des gegenüberliegenden Ufers funkeln um die Wette. Ich liebe das. Urlaubsgefühle trotz Arbeitseinsatz. Seitlich strahlen Scheinwerfer eine Art Hängebrücke an. Ist mir noch nie aufgefallen. Neu? Muss ich mir bei Gelegenheit mal genauer anschauen. Die letzten Tunnel vor Limone. Limone, der Sage nach Sohn von Gott Benacus und der Nymphe Phillis, wurde nach einem tödlichen Jagdunfall vom göttlichen Papa wiederbelebt und lebte von da ab … ja, eben am westlichen Ufer des Lacus Benacus, wie der alte Lateiner sagt. Vater und Sohn gaben See und Ort seine Namen und Stoff für eine schöne Legende – und Stoff für eine lateinische Übersetzung dieser Sage. Ich muss grinsen, wenn ich daran denke, wie der Wiesmüller – Lateinlehrer und armer Tropf, den das Los der 10c getroffen hatte – die Legende von Benacus übersetzt hat. Extra für uns, einem Haufen hoffnungsloser Lateinfälle, weil er dachte, uns damit zu begeistern. Haha. Ich glaub, so ne Geschichte hätt’s nicht gegeben …

Damals war Greta in meiner Klasse … Greta, Miriam, Anna, Lisi, Felli und ich. Mädelsclique, Greta und ich vielleicht einen Tick enger, aber beide nicht der »Bestefreundinnentyp«. Nach dem Abi haben wir uns aus den Augen verloren. Greta. Hat mich letztes Jahr eingeladen, ins Hotel Magdalena, und mir stolz ihre Familie präsentiert. Haben alte Zeiten bequatscht. Das kommt davon. Jetzt soll ich die Küche übernehmen. Vorübergehend. Okay, kein Problem. Die haben, glaub ich, 20 Doppelzimmer und zwei Familienzimmer, das pack ich locker. Mit dem Hilfskoch, wenn der nicht querarbeitet … Ah, da geht’s hoch zum Hotel. Vorsichtig umfahre ich einige Nachteulen, manche sichtlich weinschwer. War ich gerade noch müde? Voll fit, würd ich sagen! Ich freu mich. Auf Greta, auf die Arbeit, auf Italien. Motorradtouren mit Vinc.

Die schmale Straße zum Hotel gabelt sich, wird enger, Via E. de Nicola, das ist es. Rechts Silhouetten von Olivenbäumen in der spärlichen Straßenbeleuchtung, die laue Luft durchs offene Autofenster, vorne links das Hotel. Ich stelle Vinc’ mintmetallicfarbenen Luxusschlitten, seines Zeichens Opel Corsa B, Baujahr ’98, Sonderedition, hinters Hotel, wo die Privatwagen der Familie stehen. Irgendwas hat sich verändert seit dem letzten Jahr. Muss kurz überlegen, was. Genau, der Anbau ist jetzt einen Stock höher, was heißt, ein paar Gäste mehr. Kein Problem. Ich streck mich und geh ums Haus.

»Hallo, Doro«, schreit mir Greta entgegen und winkt, dass das Tablett voller Gläser bedrohlich in Schieflage gerät. Noch gut was los auf der Terrasse. Egal, muss mich erst ab morgen kümmern. Einige Gäste schauen neugierig. Interessiert sie wahrscheinlich brennend, wer die junge Frau ist, die hier mitten in der Nacht ankommt und von der Juniorchefin so herzlich begrüßt wird.

»Okay, du kannst mich loslassen, ich bleib schon da«, sag ich lachend und winde mich aus Gretas Umarmung – will ja nicht übertreiben mit der Sentimentalität.

»Tut mir leid, Doro, aber ich freu mich so!«

In Gretas Augen glitzert es verdächtig. Nee, bitte nicht schon wieder!

»Ich freu mich auch, und jetzt her mit dem Vino. Darauf stoßen wir an.«

Greta schnieft kurz, lacht und schiebt mich zu dem Tisch in der Nische zwischen gemauertem Kräuterhochbeet, Olivenbaum und Eingang zur Küche. Kenn ich vom letzten Jahr, ist immer für die Familie reserviert. Bisschen abseits der anderen Tische, Küchendüfte gratis, Treffpunkt der Familie, wenn grade ein paar Minuten nichts zu tun ist.

»Das ist Niveo«, stellt Greta mir einen jungen Italiener vor, ungefähr unser Alter, schätz ich. »Doro. Meine Freundin. Hab dir ja von ihr erzählt«, sagt sie an Niveo gewandt.

»Ciao, Doro«, sagt Niveo freundlich und stellt Wasser und Wein auf den Tisch.

Perfetto. Den mag ich.

»Ciao, Niveo. Ab morgen hast du Hilfe in der Küche«, sag ich und proste ihm zu.

»Ich helfe dir!« Sagt’s, zwinkert und geht.

Er hat’s erfasst. Ohne Worte. Muss ich Vinc erzählen.

Gretas Lachfältchen vertiefen sich. »Ich glaub, der ist genauso froh wie ich, dass du da bist. Der Gute ist in der Küche eindeutig überfordert. Er ist uns Anfang der Saison sozusagen zugeflogen. Hat eine Stelle gesucht, zum Glück haben wir uns entschieden, dass unserem Valdo ein bisschen Unterstützung nicht schaden würde, er ist ja nicht mehr der Jüngste. Und jetzt sind wir total froh, dass wir Niveo haben. Als Assistent ist er okay, aber der ist niemals Koch! War schon ein leichtes Chaos die letzten Tage. Mein Mann und Niveo rocken die Küche. Wenn’s nicht so ein Stress gewesen wäre, eigentlich zum Totlachen.«

»Entspann dich, Greta. Kein Problem für mich. Hab ich gelernt, und du weißt ja, ich bin bei Paps aufgewachsen …«

Was das heißt, kann sie immerhin ahnen, auch wenn wir privat nie übermäßig ins Detail gegangen sind.

»Italiener?«, frag ich Greta und mein den einzelnen Mann, dunkelhaarig, so um die 30, der am Handy surft und ein Fasspils trinkt.

»Nein, Deutscher. Aus Stuttgart. Sportler. Düst hier mit dem Rennrad die Pässe rauf und runter«, klärt Greta mich auf. »Der ist nett, will aber seine Ruhe, hat keine Anschlussambitionen.«

Das versteh ich gut. Geht mir abends auch oft so. Den ganzen Tag Hektik, Gäste, Presse … und Paps, da brauch ich außer Vinc nichts mehr.

Niveo bedient, Greta und ich arbeiten die Zeit von der Schule bis jetzt auf, vom Rest ihrer Familie nichts zu sehen. Hab ich nen roten Teppich erwartet? Nicht wirklich … Aber so gar keiner? Außer Greta und Niveo natürlich … Na ja. Ich rutsch tiefer in den Stuhl und streck die Beine unterm Tisch aus. Die letzten Gäste, ein Paar mittleren Alters, verabschieden sich von Niveo und winken zu uns rüber.

»Buona notte«, ruft Greta und winkt zurück.

»Warum lachst du?«, fragt sie mich.

»Die sind bestimmt fünf Jahre jünger als Paps, und ich hab sie gerade mittelalt eingestuft … Paps würde mir den Kopf abreißen. Das Wort »alt« akzeptiert er nur im Zusammenhang mit Käse oder Wein!«

»Sieht aber gut aus, dein Vater. Ich hab ihn schon ein paarmal im Fernsehen gesehen.«

»Ja, klar. Wer nicht? Aber für nen roten Teppich hat’s nicht gereicht.«

»Was für’n roter Teppich?«

Ich wink ab. »Egal … Mann, ich bin platt. Zeigst du mir mein Zimmer?«

Greta nickt. »Hol du dein Gepäck, ich stell noch die restlichen Gläser rein und mach dir dann hinten auf.«

Ich geh außen herum zum Auto. Vor der Zufahrt steht eine dunkle Limousine. Na, wenn die da parkt, kommt keiner mehr durch, denk ich, erledigt sich dann aber von selbst, der Wagen wendet und fährt Richtung Hauptstraße davon.

Halb zwei. Jetzt brauch ich ein Bett. Greta geht’s genauso. Schlüsselübergabe, Küsschen und buona notte, bis morgen früh, 6 Uhr, in der Küche.

Mein Zimmer liegt im ersten Stock des Altbaus, Familientrakt des Hauses. Kurzer Blick vom Balkon: Garten, Pool und unten der See. Ist echt ein kleines Paradies, das Hotel. Hätte Greta schlechter treffen können, denk ich. Bin aber nicht neidisch. Meine Optionen in München sind durchaus reizvoll und mit Vinc hab ich sowieso den Jackpot geknackt. Freu mich, dass er nachkommt.

Ich geh ins Zimmer, die Balkontür lass ich offen, kann keiner rein hier und selbst wenn – viel gibt’s nicht zu holen. Milde Nachtluft folgt mir. Tja, das ist der Unterschied, die Nächte bei uns sind schon kühl, bald herbstlich. Hier wird’s zwar früh dunkel, aber die Nächte sind lau. Okay, auspacken kann ich morgen. Gute-Nacht-Küsschen-WhatsApp für Vinc, obwohl der bestimmt längst schläft, wecken um halb sechs, dann hab ich noch Zeit für nen Espresso. Ich schlüpf ins Bett. Slip und Top sind warm genug, ich steck nur die Füße unter die Decke.

Kapitel 3

Scoppio Sogni – Geplatzte Träume

(Lunedi) Montag – 27. August

Irgendwo im Traum hämmert ein Irrer gegen ein Fenster und schreit. Dauert keine Minute und ich weiß, der Irre ist Greta, real, und sie hämmert nicht ans Fenster, sondern an die Tür. Und schreien tut sie auch. Nach mir. Oh Mann, hab ich verschlafen? Bin noch halb tot. Muss sie so einen Lärm machen?

»Doro! Wach auf!«

»Ja, ist ja gut, schrei nicht so«, grummel ich und schlurfe zur Tür. Hab meine gute Laune noch nicht wirklich gefunden.

»Doro, du musst mit runterkommen.« Greta schluckt und schaut mich mit großen Augen an. Käsweiß. Nicht gut.

»Was ist los?«, frag ich. »Es ist erst fünf.« Kann einen gewissen Vorwurf in der Stimme nicht verhindern.

»Niveo hat den Stuttgarter im Pool gefunden.«

»Den Stuttgarter? Im Pool?«, frag ich blöd, ich merk’s selber. Meine Gehirnzellen funktionieren noch nicht voll, vielleicht hab ich mich verhört. Macht ja keinen Sinn.

»Unseren Gast aus Stuttgart. Tot«, flüstert Greta.

»Was macht der um fünf im Pool?«

Greta zuckt mit den Schultern. »Er wollte früh los, hat sich gestern ein Lunchpaket für heute herrichten lassen.« Sie schlingt die Arme um ihren Körper. »Vielleicht wollte er vorher noch eine Runde schwimmen. Jedenfalls hat er nur Badeshorts an.«

Klingt logisch. Ich bin auch ziemlich verschwitzt. Eine Runde Pool wär angenehm … aber der ist gerade besetzt. Vinc würde den Kopf schütteln über so viel Unsensibilität. Aber das stimmt so nicht, ich bin nicht unsensibel, bin nur mit harten Tatsachen aus dem Schlaf gerissen worden. Während ich in meine Jeans schlüpfe, schweifen meine Gedanken zu Niveo.

»Was wollte eigentlich Niveo um diese Zeit am Pool?«

»Er holt in der Früh den Poolreiniger aus dem Wasser und stellt ihn in den Geräteraum, da unten neben dem Becken. Gehört zu seinem Job. Und heute war er früh dran, weil er um halb sechs in der Küche sein wollte.«

Na, dann wär ich nicht allein gewesen mit meinem Kaffee.

»Okay, los«, sag ich und schieb Greta aus dem Zimmer.

»Habt ihr den Arzt gerufen?«, frag ich, während wir ums Hotel herumeilen.

Greta nickt. »Und die Polizei.«

Dann wird’s gleich laut, denk ich und mir graust es vor den Gästen, die mit Sicherheit nicht fernzuhalten sind.

»Adriano hat sie gebeten, ohne Sirene anzufahren.«

»Gut mitgedacht, hoffentlich halten die sich auch dran«, unke ich skeptisch.

Wir stürmen zum Pool, hinten im Garten. Von der Terrasse durch ein Rasenstück, Olivenbäume und eine Art Hecke aus Zitronenbäumchen abgeteilt. Gedämpfte Stimmen, kurze Blicke zu mir, aber im Grunde nimmt mich keiner richtig wahr. Vittorio und Francesca Rinaldi, Gretas Schwiegereltern, stehen mit verschränkten Armen hinter dem Grüppchen, das am Boden kniet. Gretas Mann Adriano, seine Schwester Mia und Niveo beugen sich über den Körper des jungen Mannes. Gestern Abend saß er noch auf der Terrasse. Ich hocke mich neben Adriano, schlucke, als ich in das blasse, leblose Gesicht schaue.

»Buon giorno, Doro, kein schöner Anfang bei uns.«

»Nee, echt nicht.« Ich leg kurz meine Hand auf seinen Arm und nicke Mia zu, dann wird mein Blick wieder magisch vom Gesicht des Toten angezogen.

»Greta hat mich geholt«, sag ich leise, ohne meine Augen von der wächsernen Bleiche und den geschlossenen Lidern des jungen Mannes lösen zu können. Will damit sagen, dass ich nicht aus Sensationslust hier aufgetaucht bin.

»Ja«, Adriano schielt zu seiner Frau, »Greta hat gemeint, du kennst dich mit so was aus.«

Überrascht schau ich hoch.

»Äh …?« Na toll! Mir fehlen die Worte. Nur weil ich letztes Jahr in diese merkwürdige Geschichte reingestolpert bin. Hätte ich ihr besser nicht erzählt.

»Das Einzige, was ich weiß, ist, dass wir nicht zu viel hier rumtrampeln sollten. Vielleicht gibt’s Spuren.«

»Was für Spuren sollen das sein?«, fragt Mia irritiert.

»Keine Ahnung. Blut oder was weiß ich.«

Alle schauen auf mich. Ich sag nichts mehr, checke die Leiche. Natürlich nur optisch. Sieht ziemlich lädiert aus.

»Habt ihr getestet, ob er noch lebt?«, frag ich und bin schockiert bei dem Gedanken, dass wir hier blöd rumreden und der Mann vielleicht …

»Ja, natürlich«, beruhigt mich Adriano. »Ich habe eine gute Erste-Hilfe-Ausbildung. Ist wichtig im Hotel. Ich habe versucht, ihn wiederzubeleben. Herzdruckmassage, beatmet … Aber es war zu spät. Die Augen … man hat gesehen, dass er tot ist. Ich habe sie geschlossen.«

Er sagt das fast schuldbewusst. Ich drück kurz seine Hand, was soll ich auch sagen? Alles gut? Nix ist gut.

»Und du hast ihn gefunden?«, wende ich mich an Niveo.

Der nickt.

»Und wo? Wie war das genau?«

Niveo runzelt die Stirn. So, als würde mich das nichts angehen, entschließt sich aber doch zu einer Antwort.

»Er trieb im Wasser, mit dem Gesicht nach unten. Ich hab ihn mit dem Blättersieb hergezogen und aus dem Wasser gehievt. War nicht leicht. Aber er war schon tot, ganz sicher.«

»Du hast also nicht versucht, ihn wiederzubeleben?«

Niveo läuft dunkelrot an. »Ich …«

»Das ist kein Vorwurf«, schieb ich schnell nach. »Ich will nur wissen, was genau passiert ist.«

Ich knie neben Adriano und versuche, mir ein Bild von dem Desaster zu machen. Ich mein, ein Toter im Pool, das ist schon eine Nummer.

»Ich habe Adriano mit dem Handy gerufen. Da war kein Puls mehr, die Augen … da war nichts mehr.« Er schluckt.

Extrem! Ist doch völlig normal, dass man fertig ist, wenn man nichts ahnend in aller Früh statt dem Poolreiniger eine Leiche im Schwimmbecken findet.

»Okay, aber …«

Der alte Rinaldi schiebt sich vor. »Basta, signorina!«, bellt er. »Was soll die Fragerei? Der Arzt kommt und die Polizei, die übernehmen das hier. Und Sie geht das nichts an!«

Mann, was war das denn? Ich schau ihn entgeistert an. Kann ich doch nichts dafür, dass es hier einen Toten gibt!

Greta baut sich vor ihrem Schwiegervater auf. Sie holt tief Luft und explodiert dann förmlich, auf jeden Fall wird sie ziemlich laut.

»Wir müssen wissen, was passiert ist. Die Polizei wird sowieso nachforschen. Also warum soll Doro nichts fragen? Und außerdem hab ich auch eine Frage.« Jetzt nimmt sie Niveo ins Visier. »Du hast gestern Nachmittag mit diesem Mann gestritten. Um was ging es da?«

»Wir haben nicht gestritten! Wir haben uns über den rücksichtslosen Autofahrer aufgeregt, der diesen Mann da«, Niveo zeigt auf den Toten, »von der Straße gedrängt hat. Hat ganz schön was abbekommen bei dem Sturz«, sagt Niveo und deutet auf die Schürfwunden am linken Arm und am linken Oberschenkel. Ich habe ihm abgeraten, Anzeige zu erstatten. Er hat keine Autonummer, und was soll das bringen?«

Ach so, deshalb sieht der so lädiert aus, denk ich und seh das Bild vor mir jetzt mit anderen Augen.

»Der Typ wollte heute …«

»Der Typ heißt Julian Weigel, verdammt, er hat einen Namen!«, ruft Greta, und Hysterie schwingt in ihrer Stimme mit.

»Genug jetzt! Haltet den Mund! Alle beide«, brüllt Gretas Schwiegervater.

»Du«, er erdolcht Greta fast mit dem Zeigefinger, und seine Augen schießen böse Blitze, »du hast meinen Sohn geheiratet, du gehörst zur Familie, ob du oder wir das wollen oder nicht. Also halt den Mund. Wir alle leben vom Hotel und können keinen Ärger gebrauchen. Wir haben Gäste und die zahlen für erholsame Tage, verstanden?«

Greta wird abwechselnd rot und blass und verstummt. Das war eine verbale Watschn in Reinform – die allerdings Gretas Hysterie im Keim erstickt. Ich steh auf und leg ihr solidarisch die Hand auf den Arm.

Wir schweigen und warten. Aus der Ferne nähern sich Sirenen. Also doch. Wir tauschen einen resignierten Blick. Dann verstummt das Geheul und zwei Minuten später fährt ein Krankenwagen vors Hotel, gefolgt von den Carabinieri.

»Sehr vernünftig, hätte ich eindeutig dagegen gewettet«, flüstere ich Greta ins Ohr.

»Hier lebt jeder vom Tourismus«, sagt sie, als würde das alles erklären. Tut’s ja eigentlich auch, wie Rinaldi eben eindrucksvoll demonstriert hat.

Die beiden Carabinieri lassen dem Arzt und den Sanitätern den Vortritt. Sie stellen sich zwei Meter abseits, unterhalten sich leise, zeigen hierhin und dorthin. Der Arzt steht auf und wendet sich an die Polizisten. Sie schauen zu dem Toten, reden. Einer der Beamten kommt zu uns rüber, spricht mit Gretas Schwiegereltern. Und mit Niveo. Der hat den Toten schließlich gefunden.

Sie sprechen schnell, aber ich versteh das meiste. Jedenfalls erzählt Niveo von dem Unfall am Vortag, welcher die meisten der Schürfwunden am Körper erklärt.

Der Carabiniere nickt. »Der Arzt stellt den Totenschein aus. Unfall. Vermutlich wollte der Mann ins Wasser springen, ist ausgerutscht und hat sich dabei den Kopf am Beckenrand gestoßen.« Er zeigt auf die Wunde am Hinterkopf des Toten.

»Vielleicht wurde er bewusstlos und ist deshalb ertrunken.« Der Beamte zuckt mit den Schultern.

»Trotzdem müssen wir die Unfallstelle untersuchen. Die Kollegen von der Spurensicherung werden gleich da sein.« Der Carabiniere schaut auf die Uhr.

»Tut mir leid, ist ärgerlich für euch, aber wir beeilen uns. Wenn die Kollegen nichts Besonderes entdecken, kannst du deine Gäste nach dem Frühstück wieder an den Pool lassen«, sagt er zu Vittorio Rinaldi, Gretas Schwiegervater.

»Danke, Mario.« Ein Handschlag unter Männern.

Aha, man kennt sich.

Mario Forti, seines Zeichens Capitano der Carabienieri, nickt den Sanitätern zu.

Die holen die Trage, legen den Toten darauf, verhüllen ihn mit einer Rettungsdecke und ziehen mit ihm ab. Ohne Leichenwagen … Wohl ebenfalls wegen der Touristen.

»Wir brauchen noch die Personalien des Toten. Die Angehörigen müssen verständigt werden. Darum kümmern wir uns.«

Vittorio nickt. Erleichtert. Dann im Militärton zu Greta: »Druck die Unterlagen für Mario aus.«

Kurzer Blickwechsel mit mir, dann huscht sie Richtung Rezeption davon.

Fünf Minuten später hält Mario Forti die Daten des Toten in den Händen, zwei Leute von der Spurensicherung fotografieren den Unfallort, untersuchen den Boden, eine Aktion von maximal zehn Minuten. Ist ja nur eine Formsache.

»Gehört das dem Mann?«, fragt Forti und zeigt auf ein Kleiderbündel auf einem der Liegestühle an der Stirnseite des Pools.

Vittorio schaut kurz rüber. »Ich denke schon«, sagt er.

»Dann packt das ein«, weist Mario Forti seine Männer an.

»Si, capitano«, meldet der Kollege.

»Du musst bei Gelegenheit noch das Protokoll unterschreiben und dein Koch auch, ich gebe dir Bescheid«, wendet sich der Capitano an Vittorio und hebt abschließend die Hände. »Dann werde ich mich auf den Weg machen. Wir melden uns.«

»Grazie, Mario.«

Nochmals ein fester Händedruck. Mario nickt Francesca zu, wir anderen sind unwichtig.

»Wie spät ist es?«, flüstere ich Greta ins Ohr. Laut zu reden, scheint irgendwie unpassend.

»Halb Sieben.«

Okay. The show must go on.

»Niveo, höchste Zeit fürs Frühstück«, reiß ich meinen Assistenten in Normallautstärke aus der surrealen Stimmung.

Aufbruchsignal für alle.

»Adriano, du machst hier alles sauber«, bestimmt Vittorio Rinaldi und verschwindet mit seiner Frau Richtung Rezeption.

Keine Frage, wer hier der Chef ist. Ist mir letztes Jahr gar nicht so aufgefallen.

Adriano bleibt hier, wir anderen eilen zum Haus.

Die Tische im Speisesaal sind schon am Vorabend eingedeckt worden, Greta und Mia servieren, Niveo und ich übernehmen den Bereich Küche, die Alten walten im Büro und an der angrenzenden Rezeption, an der die Gäste ein- und auschecken.

Hmm … irgendwie … »Äh … Greta, wart mal.«

Sie dreht sich um. »Was ist?«

»Kannst du Niveo kurz in der Küche helfen? Ich muss was nachschauen.«

»Ja gut, aber was …«

»Nichts Wichtiges«, wink ich ab. »Bin gleich wieder da.«

Okay, schnell zum Pool, bevor Adriano sauber gemacht hat. Der rückt schon mit Schlauch und Bürste an.

»Halt!«, schrei ich, und er schaut mich erschrocken an.

»Ist nichts«, entwarne ich, »ich will nur die Stelle genauer überprüfen.«

»Wenn du meinst.«

Guckt ein bisschen irritiert, der Gute, enthält sich aber eines Kommentars. Gut, wüsste auch nicht, was ich antworten sollte. Ist nur so ein Bauchgefühl. Bei diesem Wort würden bei Vinc sämtliche Alarmglocken schrillen. Normalerweise find ich das witzig, aber grad nicht, dazu steckt mir der Anblick des Toten noch zu sehr in den Knochen. Hätt ich ihn bloß nicht gesehen am Abend vorher … das macht’s irgendwie realer. Quatsch, ich weiß, ist aber so.

Während ich mit den Händen über den Boden streiche, starrt mich der Mann an. Obwohl er nicht da ist. Julian Weigel heißt er. Hat er geheißen. Für ein paar Leute wird er immer so heißen.

Die Fliesen am Beckenrand sind rau. Das muss saublöd gelaufen sein … An der Kante zum Wasser klebt Blut. Und ein paar dunkle Haare. In der Fugenritze steckt etwas. Ein kleiner, fliederfarbener Knopf. Ein Hemd in dieser Farbe hat er am Abend getragen, ich seh’s vor mir. Ist er wahrscheinlich schnell reingeschlüpft, bevor er zum Pool runterging. Ein kleiner Knopf. Alles, was von ihm geblieben ist. Hier. Ich pule ihn aus der Fuge, wickle ihn in ein Papiertaschentuch und stecke ihn in die Hosentasche. Erscheint mir unwürdig, ihn einfach von Adriano in den Gulli spülen zu lassen. Und gleich planschen wieder alle im Wasser. Ich schlucke. Soll Forti checken, ob der Knopf am Hemd des Toten fehlt. Und wenn nicht, wer weiß, den kann schließlich jeder hier verloren haben.

Adriano droht mit dem Schlauch. Wahrscheinlich wird er nur das Blut in den Gulli spülen, gechlort hat er am Abend, das muss reichen. Sonst könnten die Gäste nicht ins Wasser und er wäre in Erklärungsnot.

»Kann ich jetzt weitermachen?«, fragt Adriano leicht gestresst.

»Ja, klar. Hab alles gesehen … Muss eh an die Arbeit«, murmle ich eher zu mir selber und spurte los, Richtung Küche.

»Glaub ich auch«, motzt Adriano leise.

»Hab ich gehört«, ruf ich über die Schulter und renn weiter.

»Avanti«, schreit er hinterher. Lachend, wie mir der Tonfall verrät.

Während ich zur Küche haste, kreisen Gedanken planlos in meinem Kopf herum.

Limone, eine Touristenhochburg, fast alle verdienen am Tourismus, das Bestreben, einen Unfall möglichst unauffällig und schnell zu bearbeiten, ist im Interesse aller. Da wird nicht lang gefackelt. Dumm gestürzt, Kopfverletzung, fällt in den Pool, tot. So einfach ist das. Den Einzelgänger wird keiner vermissen. Und wenn es doch einen Streit gegeben hat? Ein Gerangel? Schaut Forti da genau genug hin, wenn es um den guten Ruf des Hotels geht, um die weiße Weste von Limone?

Ich komm nicht weiter zum Nachdenken, werd ich mir später in Ruhe überlegen, weil komisch ist das schon …

Um halb acht trudeln die ersten Gäste in den Speisesaal. Die haben nicht viel mitbekommen von der ganzen Aufregung. Und letztendlich ist das Frühstücksbüfett wichtiger als ein paar Polizisten im Hotel.

Ich mach mich so gut wie möglich nützlich, heute Abend werd ich die Regie übernehmen. Ein paar Verbesserungsvorschläge bezüglich des Frühstücks hab ich schon gespeichert.

Mia schaut herein. »Adriano hilft Greta im Frühstücksraum. Mir ist total schlecht, ich leg mich kurz hin. Doro, bei dir so weit alles klar?«

»Passt. Wir schaffen das, mach dir keine Sorgen. Die Gäste werden nichts mitbekommen …«

»Kann ich dir was bringen, Mia?« Niveo zieht besorgt die Stirn in Falten, während er zwei Portionen Rührei mit Speck fabriziert. Ich verkneif mir den Hinweis, dass der Speck kein schlapper, fettiger Lappen sein sollte. Daran werden wir arbeiten müssen.

»Alles in Ordnung, ich brauche nur eine halbe Stunde Ruhe«, sagt Mia.

So schaust du auch aus, denk ich und scheuch sie mit dem Hinweis auf die hungrige Meute draußen im Speisesaal aus der Küche. Niveo schaufelt derweil das Rührei aus der Pfanne und legt den Speck dazu. Immerhin hat er das Fett mit Küchenpapier abgetupft.

Greta holt einige Kännchen Kaffee, Adriano bringt das leere Kuchentablett, reißt die Zellophanverpackung von einem neuen Hefezopf – selber machen, notier ich – schnapp mir die Teller mit den Rühreiern und bring sie raus. Ambiente schnuppern, mich sehen lassen. Mich ablenken.

»Buon giorno«, grüß ich im Vorbeigehen, stell mit einem freundlichen »Prego« die Rühreier an den Tisch, den Greta mir zugeflüstert hat. Bin verdammt gut aufgelegt – bis mich Julian Weigel vorwurfsvoll anstarrt … Ich checke das Büfett. Noch ne Stunde, da sollte ich die Wurst auf jeden Fall nachlegen. Ist höchstens die Hälfte der Gäste fertig. Nur ein Tisch, an dem unangenehm viel auf den Tellern liegen bleibt … Muss ich beobachten, find ich zum Kotzen … Na gut, erst mal Käse neu anrichten, ein paar frische Früchte dazu, hab ich in der Küche liegen sehen, aber nicht am Büfett. Kommt auf die Liste. Und die Tomaten sind viel zu kalt. Okay, das war’s erst mal.

Der Speisesaal ist leer, alles abgeräumt und verstaut. Niveo übernimmt die Theke, was heißt, Getränke und Eis für die Hotelgäste. Mittags Selbstversorgung. Abends Menü. Donnerstag ist Ruhetag, da gibt’s nur Frühstück, Getränke und Eis, kein Abendessen. Ich mach mir nen Cappuccino, stelle eine Flasche Wasser mit aufs Tablett und trage alles nach draußen, zum Privattisch. Liegt durch den großen Olivenbaum schön im Schatten, genauso wie mein Balkon.

»Und?«, frag ich Greta, die auf mich wartet, »hat jemand was mitbekommen?«

»Kaum zu glauben, aber zum Glück nicht. Obwohl wir durchaus ein paar Frühaufsteher haben. Aber letzte Woche war fast jeden Abend was los im Ort, dazu tagsüber Märkte, Ausflüge – da ist heut wohl Pause angesagt. Weißt du, der große Wechsel ist immer noch am Wochenende, und letzten Samstag sind fast alle abgereist. Das ist immer ein Riesenstress. Alle wollen zeitig frühstücken, die Rechnungen müssen fertig gemacht werden, ein paar persönliche Worte dürfen nicht fehlen, schließlich will man die Stammgäste halten, und neue Gäste sollen wiederkommen. Die Zimmer müssen möglichst schnell für die Neuankömmlinge hergerichtet werden, und die starten dann gnadenlos in den Urlaub.« Greta lacht leise.

»Kann ich mir vorstellen, nix Ruhe und Erholung, sondern das volle Programm. Am besten die Koffer ins Zimmer werfen, ein kurzer Blick vom Balkon auf den See, aber dann zack, zack auf den ersten Mercato«, spotte ich.

»Genau.« Greta stockt. »Julian Weigel ist erst am Mittwoch angekommen …«

»Ja. Echt traurig«, stimme ich Gretas plötzlicher Düsternis zu.

»Apropos, hast du was zum Schreiben?«, wechsel ich das Thema.

»Ich hol dir einen Block.«

»Lieb von dir, danke. Ich hab ein paar Ideen fürs Frühstück, Abendmenü habt ihr für die Woche eh schon festgelegt«, stell ich fest. Hab den Ordner mit den ausgedruckten Menüzetteln gesehen. Bekommt jeder Gast in der Früh an den Tisch gelegt und kann dann zwischen zwei Varianten wählen.

»Essen musst du mit Adriano besprechen. Küche ist sein Kompetenzbereich. Obwohl, eigentlich macht Valdo das selbstständig. Aber der fällt ja aus«, resümiert Greta und geht Papier und Stift holen.

Selbstständig. Ein Wort, das ich liebe. Adriano wird schon sagen, wenn ihm was nicht passt.

Okay. Brotauswahl – könnte besser sein, aber da gibt’s Verträge, lass ich lieber so, wie’s ist. Die Marmeladen in den kleinen Portionsplastikbehältern gehen gar nicht, die Fertigprodukte in dem seltsamen Spender sind auch nicht der Hit. Mal schauen – ein paar Früchte, und die sind ratzfatz selber gemacht. Könnte eine Aufgabe für Gretas Schwiegermama sein, und wenn sie persönlich keine Lust hat, kennt sie bestimmt Frauen, die sich ein paar Euro dazuverdienen wollen. Marmelade aus der Region, so was kommt an bei den Gästen. Genauso regionaler Honig. Muss ich eruieren. Kuchen übernehm ich selber, auf jeden Fall nicht mehr die matschige Pampe von heute Morgen. Säfte find ich auch grenzwertig, dünne Brühe, aber gut, ich weiß, das ist ne Preisfrage … Und für den Brand vom Vorabend gibt’s Acqua minerale, frizzante und naturale. Was mir fehlt, Preis hin oder her, ist Prosecco, gratis natürlich … Hebt eindeutig die Stimmung der Gäste, ist im Einkauf erschwinglich und bringt einen Hauch von Luxus. Auf die paar Gäste, die randvolle Gläser nach draußen tragen, kommt’s nicht an … Werd ich Adriano fragen, muss ja nicht der Teuerste sein.

Apropos Prosecco. Greta bringt Papier und Stift und findet die Idee mit Prosecco auch gut – und zwar für uns, nicht für’s Büfett! Ich schreib mir ein paar Stichpunkte auf, Greta holt die Gläser, ich meine Zigaretten. Greta raucht nicht, ich schon, gelegentlich, so wie jetzt …

Ich lehn mich zurück und verschränke die Arme hinterm Kopf. »Du hast es echt schön hier«, sag ich zu Greta. »See, Pool, Sonne … eigentlich Dauerurlaub.«

»Hast du ne Ahnung«, seufzt Greta, »von wegen Urlaub und Hauptgewinn.«

Dann verstummt sie. Und meine Tiefenentspannung verschwindet im Nirwana.

Ich setz mich auf. »Was ist los? Raus mir der Sprache! Hast du Probleme? Hast du deshalb geheult, letztes Mal am Telefon?«

»Ach, Doro«, jammert Greta. »Es läuft gerade alles schief in meinem Leben. Ich hätte nicht nach Italien ziehen sollen. Hier will mich keiner. Schon gar nicht Adrianos Familie.« Greta schaut mich an, als würde ein Widerspruch meinerseits alles ins rechte Licht rücken.

»Wie kommst du darauf?«, tu ich ihr den Gefallen und frag nach. Ein bisschen konkreter muss sie schon werden.

Sie schnieft. »Du hast es doch mitbekommen, heute früh am Pool. Als wäre ich schuld an dem ganzen Desaster.«

»Ach komm, dein Schwiegervater war gestresst. Und das versteh ich sogar. Ich mein, der Tote und die Folgen, die daraus entstehen könnten. Die Angst, dass die Gäste was mitbekommen, dass ihm womöglich irgendeine Fahrlässigkeit angehängt wird …«

»Das ist es nicht. Adrianos Eltern waren entsetzt, als ihr Sohn eine Deutsche geheiratet hat. Ich kann mich anstrengen, wie ich will, sie sind nie zufrieden. Immer heißt es: Isabella hat das so gemacht, Isabella wollte das nicht so haben … Isabella, Isabella … bla, bla, bla«, stößt Greta bitter hervor.

Ist mir lieber, wenn sie wütend ist, als wenn sie heult.

»Isabella ist Adrianos Exfrau?«, kombiniere ich messerscharf.

Greta nickt und starrt auf ihre Hände. »Und sie sieht auch noch megagut aus«, seufzt sie und lacht unglücklich.

»Gibt’s Grund zur Eifersucht?«, frag ich, weil’s ja nicht das erste Mal wäre, dass alte Liebe wieder aufflammt.

Greta schüttelt den Kopf. »Nein, das nicht, aber sie schneit alle paar Wochen hier rein und bringt alles durcheinander. Da kann man nichts machen, sie ist die Mutter von Laura und Davide.«

»Wieso sind die Kinder eigentlich nicht bei ihr?«

»Die wären ihr nur im Weg. Als Model ist sie viel unterwegs. Und Adriano würde das niemals zulassen.«

Model – wie die Freundinnen von Paps. Muss ein Virus sein. Ich schüttle den bösen Gedanken ab.

»Aber er lässt zu, dass du unglücklich bist«, stelle ich schonungslos fest.

»Er sitzt halt zwischen den Stühlen«, sucht Greta nach einer Entschuldigung.

Aber das lasse ich nicht gelten.

»Hallo! Dein Mann soll sich gefälligst auf deinen Stuhl setzen!«

Meine Empörung muntert Greta auf. Sie nimmt ihr Glas und prostet mir zu. »Salute, Doro. Schön, dass du da bist.«

»Salute. Ja, ich freu mich auch«, sag ich und mein es auch so.

»Tut einfach gut, mit einer Freundin zu reden. Doppelt schön, weil wir uns nach der Schule ewig nicht gesehen haben … erst wieder im letzten Jahr … Und du bist trotzdem gekommen.«

Tja, Greta spricht aus, was ich mir auch schon gedacht habe.

»Wir waren nie die typischen Mädels, mit Händchenhalten, Tagebuch und Kicherpartys.«

»Stimmt«, lacht Greta, »wir haben uns lieber mit Kopfhörern im Zimmer verbarrikadiert und gelesen. Oder mit der Gitarre in den Englischen Garten verdrückt.«

»Ich hab oft Paps in der Küche geholfen. Hat mir Spaß gemacht.«

»Ja, und alle haben für den tollen Sascha Ritter geschwärmt und wollten dich als Freundin. Da war ich immer ein bisschen eifersüchtig.«

»Auf wen? Auf Paps oder auf mich?«

Wir lachen beide. Ich vor allem, weil ich Paps vor mir sehe, wie er geschmeichelt Autogramme verteilt.

»Felli war total in deinen Vater verknallt.« Greta kichert.

»Ich glaub, das ist sie heute noch.« Ich kichere auch – eben doch Mädelsgequatsche, denk ich – und lästere fröhlich weiter. »Sie taucht immer mal wieder im ›Macis‹ auf, und so, wie sie ihm hinterherschmachtet … Ohne Worte!«

»Wieso eigentlich ›Macis‹?War’s früher nicht›Saschas‹?Seid ihr umgezogen oder so?«

»Nee …« Jetzt bin ich in der Zwickmühle. Klar, früher hieß Papas Gourmettempel »Saschas«. Und der Grund, warum das nicht mehr so ist … Paps würde mir den Kopf abreißen. Andererseits find ich es blöd, Greta die offizielle Version von Modernisierung bla, bla, bla zu servieren. Ich geb mir nen Ruck. Was soll’s, Greta lebt hier in Italien.

»Macis, die Muskatblüte. Paps ist ein absoluter Muskatfan, die Idee hat ihm schon lange gefallen, aber eine bewährte Marke umzubenennen, macht man nicht einfach so, und …«, ich zögere kurz, »okay, es war so: Paps hat eine Bemerkung von nem Gast aufgeschnappt. Der hat beim Rausgehen übersehen, dass der Chef und seine Tochter an der Speisekarte am Eingang zugange waren, und hat böse über den Namen abgelästert. Sachen wie: ›Saschas‹ klinge nach Bordell auf der Reeperbahn oder der Besitzer sei schlicht und einfach ein selbstverliebter Egomane. Er solle sein Lokal besser ›Narziss‹ nennen …«

»Na, immerhin kennt der sich in der griechischen Mythologie aus«, spottet Greta. »Aber dass dein Vater deswegen gleich sein Restaurant umbenennt?« Sie legt ungläubig die Stirn in Falten. »Da müsste er doch drüberstehen!«

»Tut er normalerweise auch. Aber fatalerweise hab ich ne Woche vorher die Originalität des Namens infrage gestellt …«

»Oh, oh!« Greta nickt verstehend.

»Genau! Und das hat an ihm genagt. Weil – mein lieber Paps ist ein bisschen eitel, und vor allem sieht er sich als Künstler. Mangelnde Originalität, Langeweile oder Spießer – das sind No-Go-Begriffe im Zusammenhang mit Sascha Ritter!« Ich lache leise, als ich an Paps’ auffallend dunkle Gesichtsfarbe während unserer Diskussion denke.

»Wir hatten einen internen Wettbewerb ausgetragen. Vater gegen Tochter. Schlachtfeld Küche. Auf dem er mein Werk als fantasielos abgewertet hat – was es auch war, wie ich im Nachhinein zugeben muss. War einfach nicht gelungen und ich war beleidigt – und hab zum Gegenschlag ausgeholt. Er hat dann wortlos das Feld geräumt. Nach zwei Tagen haben wir uns versöhnt, aber ich hab gesehen, wie er skeptisch auf die Leuchtschrift über dem Eingang gestarrt hat.«

»Und dann kommt einer und nennt ihn einen selbstverliebten Egomanen.«

»Genau.Und ich war auch noch Zeugin! ›Idiot‹, hat Paps geknurrt, ›ein Egomane ist selbstverliebt!‹›Macis‹ hat uns dann beiden gut gefallen. Ich will nicht angeben, aber die Idee ist von mir – weil Paps liebt Muskat, egal ob als Nuss oder Blüte beziehungsweise Samenmantel. Und ein bisschen Intellekt darf ja sein – nach dem Narziss!« Wir kichern.

»Und der Typ hat Lokalverbot bekommen?«

»Nee, das nicht, aber ehrlich gesagt sind wir eigentlich immer ausgebucht, wenn er anruft …«

»Tja«, Greta schaut unschuldig, »geht uns manchmal auch so …«

»Five.«

»Five.«

Wir klatschen ab.

Mia taucht wieder auf. Schwebt zart, nein, ätherisch trifft’s besser, auf die Bühne. Ich hab echt keine Figurprobleme, aber solche Frauen machen mich gefühlsmäßig zehn Kilo schwerer.

»Na, du Arme, geht’s wieder besser?«, ruft Greta ihr mitfühlend entgegen.

»Ich hab gerade von einer Kugel Erdbeereis geträumt.« Mia lacht und macht sich an der Eisbar zu schaffen.

Greta beugt sich zu mir. »Mia ist ein Schatz. Sie hält immer zu mir«, flüstert sie. Ihre Miene verdüstert sich. »Mehr als Adriano.«

»Ach komm, Greta, Kopf hoch, das rocken wir«, sag ich cool, »denk an den alten Wiesmüller, den haben wir uns auch zurechtgebogen.«

Greta muss lachen. »Vielen herzlichen Dank auch. Meinen Mann mit Wiesmüller zu vergleichen!«

»Der Gedanke hat was«, finde ich und smile, »aber im Ernst, du weißt, was ich meine, oder? Musketiere … alle für einen und so.«

»Mein armer Adriano tut mir jetzt schon leid …«

»Was gibt es zu lachen?«, fragt Mia neugierig. Sie lässt sich mit einer Megakugel Erdbeereis in der Waffel auf einen Stuhl fallen.

»Lass das bloß die Kinder hier nicht sehen, die wollen nie wieder eine normale Kugel«, zieh ich sie auf.

»Oje!« Mia schaut erschrocken auf ihren Erdbeereisberg.

»Entspann dich, Mia, alle Monster sind am Pool«, geb ich Entwarnung.

»Monster! Doro, wenn das die lieben Eltern hören.«

Wir lachen. Tut gut nach dem ganzen Stress. Der Tod von Julian Weigel steckt uns allen in den Knochen.

»Tja, Mädels, ich verzieh mich. Sachen auspacken, Nickerchen und so … Soll ich gleich die Gläser mitnehmen?«, frag ich und steh auf.

»Nee, lass mal«, winkt Greta ab.

»Ich helfe Greta«, sagt Mia.

Na, dann … Ich überlege kurz. Soll ich außenrum gehen, über den Parkplatz zum Hintereingang – da könnte ich gleich noch meine Sonnenbrille aus dem Auto holen. Ich entschließe mich dann aber für den Weg durchs alte Haupthaus. Ist kühler als draußen.

Im Minibüro hinter der Rezeption herrscht gähnende Leere. Francesca und Vittorio pflegen ihre Siesta bis zum späten Nachmittag. Hat sich nicht verändert seit dem letzten Jahr. Die Jungen halten abwechselnd die Stellung, ist nicht viel los um die Zeit. Die meisten Gäste sind am See oder gehen ne Kleinigkeit essen oder schlafen am Pool. Manche in der prallen Sonne … Okay, wer’s braucht. Später vielleicht Eiskaffee, ein kühles Pils vom Fass oder einen prickelnden Spritz. Sofort perlen verlockende Bilder an meinem geistigen Auge vorbei. Gibt’s für mich aber erst nach der Abendschicht. Auch wenn das »Magdalena« überschaubar ist, 50 oder 60 Essen punktgenau zu servieren, ist zwar nicht wirklich eine Herausforderung, ich will mich aber auch nicht blamieren.

Ich streife die Flipflops ab und streck mich auf dem Bett aus. Die Fahrt steckt mir noch in den Knochen. Ist zwar echt keine Weltreise von München an den Gardasee, aber dann noch die Aufregung vom Morgen … Ein alter Hausschlappen ist ein fitter Turnschuh gegen mich! Ich fummel mein Handy aus der Hosentasche, dabei spür ich den Knubbel in der kleinen Seitentasche. Ach, Mensch, den Knopf hab ich ganz vergessen, den bring ich später noch zu Forti.

Ich drücke Vinc’ Nummer, aber er geht nicht ran. Die Hände im Nacken verschränkt, döse ich vor mich hin. Muss kurz eingeschlafen sein, jedenfalls höre ich jetzt jemanden sprechen. Männlich. Italiener. Spricht schnell und mit Dialekt. Klingt irgendwie … interessant. »Was interessiert dich eigentlich nicht?«, würde Vinc dazu mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sticheln. Vinc … Ich drücke die Wahlwiederholung. Wieder nix. Schade. Na ja, probier ich’s später noch mal. Muss langsam in die Küche, Abendessen vorbereiten, ist schließlich kein Urlaub hier. Mein Akku ist wieder aufgeladen, trotzdem, zwei Minuten gönn ich mir noch. Ich mach die Augen zu und freu mich auf Vinc. Träume von unseren Motorradtouren … Die Stimme von drüben wird lauter. Der Typ ist jetzt anscheinend auf dem Balkon. Aha. Muss ich mir merken. Wichtige Dinge nicht draußen besprechen. Ich grins vor mich hin, steh auf und stell mich an die Balkontüre. Ich hab keinerlei Skrupel zu lauschen, außerdem versteh ich eh nur ein paar Brocken, mein Rudimentäritalienisch ist absolut überfordert. Was ich raushöre, sind lediglich ein paar Worte. »Mama« und »Unfall«, er könne nichts für den Tod … und dass er in Sicherheit sei.Bin mir nicht sicher, der Stimme nach könnte es Niveo sein. Greta fragen, wer das Zimmer neben mir hat, notier ich für mich. Okay, er telefoniert also mit seiner Mutter, er kann nichts für den Tod und – er hat Angst. Letzteres kann ich an seiner Stimme hören. Wovor, frag ich mich. Da kann ich nur Vermutungen anstellen, aber darin bin ich ja Meisterin – würde Vinc zumindest behaupten. Hmm, ein Toter, ein seltsames Telefongespräch, meine Antennen sind auf Empfang! Was hat Niveo mit dem Tod von Julian Weigel zu tun? Und wovor hat er Angst? Kein Mensch hat irgendeinen Verdacht gegen ihn geäußert. Ich hab ihn gefragt, ob er versucht hat, den Mann wiederzubeleben … Das war kein Vorwurf, ich wollte nur den Ablauf ein wenig strukturieren. Und der Streit, auf den ihn Mia angesprochen hat … Ich mein, selbst wenn er mit dem Mann eine Auseinandersetzung gehabt hätte, hätte das noch lange nichts mit dem Tod von Julian Weigel zu tun. Außerdem hat er das ja mit dem Fahrradunfall erklärt. Ja gut, erzählen kann er viel! Hat er ein schlechtes Gewissen, weil er nicht sofort Erste Hilfe geleistet hat? Oder hat er vielleicht das Reinigungsmittel am Pool liegen lassen? War die Stelle glitschig? Mir ist nichts aufgefallen, als ich den Beckenrand in der Früh überprüft habe. Außerdem war Julian Weigel heute Morgen ja vor Niveo am Pool. Muss ich mir noch mal anschauen. Ein Blick auf mein Handy … 14.45 Uhr auf dem Display. 15 Uhr, hat Niveo gesagt. Eine Viertelstunde … okay, das passt. Noch schnell ins Bad, wo mir ein Blick in den Spiegel zeigt, dass sich meine hellbraune Naturkrause in einen Wischmopp verwandelt hat. Ich wähle das Zehnfingerprogramm und stürme aus dem Zimmer, Treppen runter, durch den Garten Richtung Pool. Einige Liegen auf der Wiese sind belegt, Schirme spenden Schatten, selige Ruhe. Genauso im Poolbereich. Gut, dann werd ich nicht angequatscht. Weil – blöde Fragen stellen darf nämlich nur ich!

An der Unfallstelle geh ich in die Hocke und rastere das Umfeld ab. Hmm, nichts. Absolut nichts, über das man stolpern könnte, nichts ist schmierig.

»Hast du was verloren?«

Ich bin mit den Gedanken bei Julian Weigel und nehme das Kind mit der piepsigen Stimme eher unbewusst wahr.

»Äh …«, ist alles, was mir einfällt. Was die Kleine aber nicht stört, sie hockt sich neben mich und lässt die Füße ins Wasser baumeln. Die Mutter blinzelt träge rüber, ein Auge auf ihr Engelchen, das sicher noch nicht schwimmen kann.

»Wie heißt du?«, fragt das Engelchen und wackelt mit den Zehen im Wasser.

»Doro. Und du?«

»Ich bin Frida. Da drüben ist meine Mama.« Sie zeigt mit dem ausgestreckten Finger und bestätigt damit meine Vermutung.

»Papa holt ein Bier«, informiert sie mich dann noch.

Ich unterdrücke mühsam ein Grinsen.

»Ich hab Schwimmflügel. Gehst du mit mir ins Wasser?«, beendet Frida die Vorstellungsrunde.

»Nee du, ich muss in die Küche, damit du heute Abend etwas in dein Bäuchlein kriegst«, sag ich und klopf ihr lachend auf dasselbige.

Interessiert schaut sie mich an. »Kann ich mitkommen?«

Oje, hab, glaub ich, nen Fan gewonnen. Paps sammelt die mondänen Damen der High Society und ich kleine Knirpse am Pool!

»Nee, Schätzchen, in der Küche ist’s viel zu gefährlich, weißt du. Die heißen Töpfe, Messer und lauter solche Dinge. Du gehst planschen, ich geh kochen, okay? Aber pass auf, dass du nicht ausrutschst. Wenn der Boden nass ist, wird’s glatt.« Womit ich wieder beim Thema bin.

»Ich laufe immer hier am Rand, der ist nicht glatt«, ruft Frau Naseweis, steht auf und hüpft davon.