Lisa im Bann des Hexeneinmaleins - Ellie Engel - E-Book

Lisa im Bann des Hexeneinmaleins E-Book

Ellie Engel

4,8

Beschreibung

Lisa ist zwölf Jahre alt und ziemlich sauer darüber, dass sie mit ihren Eltern in den Harz ziehen muss. Beim ersten Besuch auf dem Hexentanzplatz beleidigt Lisa in ihrem jugendlichen Leichtsinn die Hexenstatue, die sich dort befindet. Sie ahnt nicht, dass genau das der Oberhexe sehr gelegen kommt, denn Ende August erwarten die Hexen den mystischen blauen Mond am Himmel, für dessen Ritual eine Kinderseele benötigt wird … Die Oberhexe, die Brunnen-Walpurga vom Klobenberg, hat mit der vorlauten Lisa ihre Wahl getroffen und die Fährte nach dem Kind aufgenommen. In ihrem neuen Zuhause lernt sie liebevolle Zauberschüler und deren Lehrerin Nympfjet kennen, die Lisas Kammer des Nachts als Hexenschule nutzen. Irgendwann erzählt Lisa der Hexe Nympfjet von der Begegnung auf dem Hexentanzplatz. Diese Information löst Panik aus. Plötzlich überschlagen sich in Lisas Umfeld die Ereignisse, nichts ist mehr so, wie es einmal war. Und Lisa steckt da mittendrin. Gut gerüstet mit einem besonderen Schutzzauber nimmt sie mit ihren Freunden tapfer den Kampf gegen die bitterböse Oberhexe und ihre Schattenweiber auf …

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Vor fast tausend Jahren herrschte Luzifer, der Fürst der Unterwelt, über die Fläche des Harzes. Jede einzelne böse Tat mussten die Hexen des Landes mit ihm absprechen. Das war der regierenden Oberhexe ein Graus. Sie schmiedete zur Nacht des blauen Mondes einen Plan, um an die alleinige Herrschaft zu gelangen. In jener Nacht stand der Mond direkt neben der Erde und seine Magie war grenzenlos.

Die Hexe wusste, dass der Fürst ihr zu Füßen lag, und hatte somit ein leichtes Spiel, ihn mit einem Tanz um ein Feuer zu umgarnen. Sie lockte im fahlen blauen Licht des Mondes mit rhythmischen Bewegungen. Sie reizte damit den Fürsten und brachte ihn um seinen Verstand. Betrunken von ihrer Anmut schlug sie ihm listig einen Handel vor.

Sie schmiegte sich an ihn und forderte ihn auf, bis zum Hahnenschrei eine Mauer um den Harz zu ziehen, um allen Widersachern seine große Macht zu zeigen. Wenn er es aber nicht schaffen sollte, müsste er den Harz an die Hexe übergeben. Der Fürst belächelte ihren Versuch, die Herrschaft an sich zu reißen, und willigte ein. Er öffnete seine Hölle und warf mit Leichtigkeit riesige Schwefelbrocken um das Land. Die böse Hexe sah dabei zu, wie sich immer mehr Steine aneinanderreihten und zu einer enormen Mauer wurden. Hämisch grinsend wandte sie sich ab und lauerte einer Bäuerin auf, die auf dem Weg zum Markt war, um ihr junges Gefieder zu verkaufen. Sie erschreckte die Frau aus dem Hinterhalt so sehr, dass ein Hahn loskrähte. Der Fürst horchte auf und warf wütend den letzten Felsen auf die Erde. Er wusste sofort, dass er von der Hexe betrogen wurde und mit dieser List sein Land an sie verloren hatte. Zornig darüber, um sein Reich gebracht worden zu sein, besah er sich die unfertige Mauer und verfluchte alle Hexen.

„Jede einzelne Hexe, die ihr Leben verliert, soll sich als Stein in die Mauer setzen. So lange, bis die Letzte die Mauer schließt und mir mit ihrem Tod mein Reich zurückbringt!“ Erbost zog er sich in die Unterwelt zurück.

So war es ausgesprochen und so sollte es sein. Von nun an setzte sich jede Hexe, die ihr Leben verlor, in die Teufelsmauer.

Seither war der blaue Mond nicht mehr gesehen. Doch jetzt war die Zeit gekommen, ihn zu rufen, denn die Hexen verloren nach und nach an Kraft. Um diese zurückzubekommen, benötigten sie nicht nur die Magie des Mondes, nein, auch die Seele eines Kindes …

„Och menno! Ich will nicht in den blöden Harz ziehen!“, maulte Lisa. Sie machte dicke Backen und schlenderte hinter ihrer Mutter her, die eifrig die Umzugskartons packte.

Lisa konnte ihre Wut jetzt nicht mehr unterdrücken. Stinksauer trat sie gegen einen dieser Kartons, in dem es sofort verräterisch klirrte.

Sie fühlte sich von allen im Stich gelassen. Bisher fand sie es cool, die Tochter von einem Arzt zu sein, es verschaffte ihr einen hohen Beliebtheitsgrad. Aber jetzt wollte ihr Vater lieber Kuhmelker und diverse Landeier behandeln, anstatt in der Stadt zu bleiben. Mit dieser Entscheidung fühlte sie sich von ihm grenzenlos verraten. Wie konnte ihr Vater es nur zulassen, dass ihre kleine heile Welt zusammenbrach.

Lisa schnaufte grummelnd und trat gegen eine andere Kiste. Bockig setzte sie sich in ihre Fensterbank und sah auf die Straße. „Kann ich nicht hier bei Oma und Opa bleiben? Die finden das auch nicht schön, dass wir wegziehen.“

Lisas Mutter beschriftete einen Karton und antwortete: „Ach Schatz, mach es uns doch nicht unnötig schwer. Papa hat sich nun mal dafür entschieden, eine Praxis zu übernehmen. Glaube mir, dieser große Schritt hat ihn lange beschäftigt. Und nun freue ich mich für ihn und das solltest du auch.“

Doch Lisa wollte alles andere, nur nicht sich freuen.

Nachdem ihre Eltern ihr gesagt haben, dass sie in den Ober-Harz ziehen werden, glaubte sie nicht mehr daran, dass das wirklich ihre Eltern waren. Selbst ihre Freunde bedauerten Lisa zutiefst. Sie unterstützten ihre Bedenken tatkräftig, indem sie ihr noch zuflüsterten, dass sich dort, wo sie bald wohnen wird, Fuchs und Hase die Pfoten schütteln! Und Kino und Shoppen könne sie total vergessen. Dafür habe sie die Möglichkeit, Kartoffeln auf dem Acker zu roden. Jaja. Wer den Schaden nicht hat, konnte auch gut spotten. Lisa wurde auf ihre Eltern immer wütender und wünschte sich die weit hinter den Mond.

„Ich will neue Eltern“, brummte Lisa ärgerlich und verkroch sich hinter ihrem Kleiderschrank, der von ihrer Mutter gerade ausgeräumt wurde.

„Das ist nicht so einfach, sich neue Eltern zu besorgen“, schmunzelte ihre Mutter hinter der Kleiderschranktür. „Aber ich kann dich beruhigen. Ich wollte bestimmt zwanzigmal neue Eltern haben. Ich bin sogar zum Einwohnermeldeamt gegangen und hatte darum gebeten, dass sie doch mal gucken sollten, ob es nicht Familien gibt, wo ich besser hinpasse als zu meiner!“ Obwohl Lisa stinksauer war, musste sie trotzdem kichern.

„Wenn die sich ordentlich angestrengt hätten, hätten die für dich bestimmt einen ewig langweiligen Bauernhof gefunden“, brummte Lisa. „Denn wie ich jetzt feststellen muss, zieht es euch ja zu Kuhscheiße und Langeweile.“

Ihre Mutter lächelte kopfschüttelnd und munterte sie auf. „Ach Schatz. Alles ist nur halb so schlimm, wie es sich immer anhört. Du wirst schnell Freunde finden und bald denkst du gar nicht mehr daran, dass du eigentlich nie umziehen wolltest.“

Lisa drehte sich weg und kämpfte mit den Tränen. „Was weißt du schon, was ich denken werde. Meine Freunde sind hier …“ Sie schluckte trocken und ließ ihre Mutter mit dem Packen allein.

Ehe sich Lisa versah, wurden Tage später alle Kisten, Kartons und Möbel in einen großen Lkw geladen. Als die große Ladeklappe geschlossen wurde, schaute sie noch einmal über die Schulter zu ihrem alten Haus. „Tschüss“, flüsterte sie, setzte sich ins Auto und lehnte sich traurig gegen die Rückbank.

Nach dreistündiger Fahrt freuten sich Lisas unternehmungslustige Eltern auf eine kleine Pause, um etwas zu essen. „Wir können ja auf den Hexentanzplatz, uns die Beine vertreten.“ Lisas Mutter zwinkerte ihrem Mann kaum merklich zu. „Das ist eine hervorragende Idee von dir, mein Schatz“, sie verstand die Anspielung und spielte mit. Lisa war der vielsagende Blickwechsel ihrer Eltern nicht verborgen geblieben und maulte innerlich. Jaaa klar. Natürlich läuft dieser spontane Halt rein zufällig ab! Für wie bescheuert halten die mich eigentlich, dachte Lisa ungehalten. Mit Null-Bock-Stimmung setzte sie ihre Kopfhörermuscheln in die Ohren und summte laut mit. Es dauerte nicht lange, da flippten ihre Eltern im Auto völlig aus. „Oh, guck doch mal, wie schön das hier ist“, hörte Lisa dumpf. „Da, schau mal – eine Bobbahn. Wollen wir da mal hinuntersausen?“ Ihre Eltern waren in ihrer Freude nicht zu bremsen.

Lisa stellte einfach die Musik lauter und leierte mit den Augen. Umso mehr sich ihre Eltern bemühten, das Mädchen aufzumuntern, desto blöder fand sie ihr Vorhaben, eine Pause einzulegen.

Sie kochte innerlich vor Wut und konterte gegen alles, was sie vorschlugen. „Ich habe keine Lust, mir den Schwachsinn anzutun. Ich bin kein Kleinkind mehr, das sich auf einer Rodelbahn zum Affen macht.“

„Los, Lisa. Sei nicht so bockig. Eine Pause auf dem Hexentanzplatz. Hey, das ist was Tolles, Schönes und was Aufregendes. Hier lebt die Geschichte der Hexen. Hier treffen sich heute noch in der Nacht zum 1. Mai, also in der Walpurgisnacht, alle Hexen der Welt, um Rituale abzuhalten. Der Sage nach sammelten sich sämtliche Hexen hier auf dem Hexentanzplatz." Lisas Mutter trampelte leicht mit den Füßen auf, um zu veranschaulichen, auf welch historischem Berg sie sich befanden. „Die Hexen nutzten dieses schroffe, fast senkrecht stehende Felsmassiv vor Urzeiten schon als Flugplatz rüber zum Blocksberg, um sich dort mit dem Höllenfürsten zu vermählen.“ Ihre Mutter zerrte an Lisas Jacke und tat so, als sei sie eine böse Hexe. „Uuuuaahhh! Komm aus dem Auto, mein Kind. Ich will dich in meinem Ofen braten.“

Lisa ließ sich nicht beeindrucken. „Oh, wie blöd. Böse Hexen. Höllenfürst. Fliegen. Hexentanzplatz. Wer hat sich so einen Blödsinn ausgedacht, um kleine Kinder zu erschrecken? Das macht auf mich keinen Eindruck“, meckerte sie.

Frau Lindner traf ein hoffnungsloser Blick ihres Mannes. „Wird wohl die nächste Zeit nicht so einfach werden mit unserer Frau Tochter.“ Lisas Mutter lächelte nur und zuckte allwissend die Schultern. „Wird schon“, versprach sie ihrem Mann, der sich manchmal mit den Ansichten und Gefühlsausbrüchen seiner Tochter etwas schwertat.

Angezickt sonderte sich Lisa auf dem besagten Hexentanzplatz von ihren Eltern ab. Sie ging in verschiedene Läden und stellte fest, dass das Thema in den Verkaufsständen augenscheinlich auf den Mythos Hexen hinwies. In jeder Ecke gab es große und kleine Hexen – aus Stoff, Holz oder Porzellan. Je nach Belieben war das Gesicht mal gruselig oder freundlich bemalt. Zudem gab es auch noch den Teufel als Gegenstück.

„So ein kitschiger Scheiß auch“, grummelte Lisa genervt. Sie fühlte sich erneut darin bestätigt, dass sie hier mit Sicherheit fehl am Platze war. Nicht überzeugt von dem ganzen Hexen-Hokuspokus wie die anderen Touristen schlenderte sie weiterhin gelangweilt und angeödet über den Platz.

Sie kramte etwas Kleingeld aus ihrer Jeans und kaufte sich an einem Stand eine Tüte mit buntem Gummizeug. Kauend setzte sie sich auf eine der Bänke, um das bunte Treiben zu beobachten. Ihr Augenmerk legte sich auf eine Traube von Schülern, die mitten auf dem Platz um eine in Bronze gegossene Hexe standen und sich amüsierten. War ja auch kein Wunder. Einige stellten sich hinter dieses splitterfasernackte Exemplar und machten obszöne Bewegungen und lachten sich halb kaputt. Und andere wiederum hielten diesen lustigen Moment mit der Kamera für die Ewigkeit fest. Lisa verdrehte ihre Augen und wollte innerlich brechen, als sie sah, dass erwachsene Leute über den fetten Hintern der Hexe streichelten und sich ihres Lebens freuten.

Nachdem die Touris um die Hexe herum weniger wurden, stolzierte Lisa zu der Bronzehexe. Sie schlurfte um die Hexe herum und begann sie zu schikanieren und zu beleidigen. „Du bist ganz schön hässlich und einen viel zu dicken Hintern hast du auch! Nee, wie ich sehe, bist du richtig fett. Und schämen solltest du dich, jeden lässt du über deine riesigen ausladenden Pobacken streicheln. Pfui, grün sollst du vor Scham werden! Denn potthässlich bist du ja schon.“ Lisa ging einige Schritte zurück und war stolz darauf, mit der Hexe mal Klartext geredet zu haben. Sie warf ihr einen letzten siegreichen Blick zu und wollte weitergehen. Doch im selben Moment blitzten die Augen der Hexe feuerrot auf und ihr Mund verzog sich zu einem hämischen Grinsen.

„Alter, was war das denn?“ Ohne den Blick von der Hexe zu nehmen, stolperte Lisa rücklings über ihre eigenen Füße, konnte sich aber gerade noch fangen.

Unerwartet stand plötzlich eine Frau neben ihr und sprach sie mit einer seltsamen Stimme an:

„Möchtest du etwas über den Harz, seine Hexen und mystischen Geschichten lesen?“, fragte eine fast zahnlose alte Frau und hielt ihr eine Broschüre entgegen. Mann, wo kam die denn so schnell um die Ecke?, fragte sich Lisa und antwortete, ohne lange zu überlegen: „Nee, nee …!“, wehrte sie das Heft entschlossen ab. „Nee, echt, das würde ich eh nicht lesen.“

„Bist du dir sicher?“, hakte die Frau merkwürdig spitz nach. Sie beugte sich zu Lisa und schaute ihr tief in die Augen. Lisa durchströmte plötzlich eine Urangst, die eine Gänsehaut über ihren Körper jagte.

Lisa schluckte und nickte stumm.

„Na, dann werde ich einen anderen Weg finden“, sagte sie lächelnd und Lisa überrieselte der nächste Schauer. Langsam wandte sich die Frau von ihr ab und verschwand in einer Gruppe Touristen.

Lisa schüttelte sich. Boah, was war das denn? Sie wischte sich über die Augen und konnte das Erlebte gar nicht fassen. Das überraschte Auftreten der komischen Frau war Lisa nicht geheuer. Schnell suchte sie nach ihren Eltern.

Es stellte sich als nicht so einfach heraus, jemanden aus einer umherziehenden und durcheinanderlaufenden Menge zu finden. Panik machte sich kurzfristig in Lisa breit. Sie drehte sich im Kreis, rannte auf Menschen zu, die ihren Eltern zum Verwechseln ähnlich sahen. Doch erst als sie nach ihnen griff, stellte sie fest, dass sie es leider nicht waren.

Wie ein aufgescheuchtes Huhn lief sie nervös umher. Wenn ich die nicht gleich finde, lass ich die ausrufen, entschied sich Lisa. Das war aber nicht mehr nötig. Ihr Blick blieb an einem Souvenirlädchen hängen, dort sah sie ihre Eltern, wie sie sich lächerlich benahmen. Natürlich, wie soll es auch anders sein. Wie kleine Kinder probierten sie gruselige Hexen- und Teufelsmasken an und machten Scherze. Erleichtert darüber, ihre Eltern gefunden zu haben, holte sie tief Luft und überlegte, ob sie ihnen von der eigenartigen Begegnung erzählen sollte. „Die denken doch, dass ich genauso herumspinne wie sie selber. Und fühlen sich nachher noch bestätigt, das Richtige getan zu haben!“

Lisa war verunsichert. Sie drehte sich noch einmal um, und vergewisserte sich, dass auch die merkwürdige Frau mit ihrem grottenhässlichen Kopftuch nicht hinter ihr her war. Wie von ihr erhofft, war die Alte nicht mehr zu sehen. Nicht einmal eine, die der von eben auch nur im Geringsten ähnlich sah. Lisa fiel ein großer Stein vom Herzen.

Auch wenn Lisa immer taff und cool auftrat, musste sie zugeben, dass das prompte Erscheinen der Frau ihr schon einen Schrecken einjagte. Wie die auf einmal neben Lisa stand, war schon gruselig. Dennoch konnte sie erleichtert sein, so blitzschnell wie die da gewesen ist, so zackig hatte sie sich auch wieder in Luft aufgelöst.

Lisa stellte sich auf ihre Zehenspitzen, um besser über die Köpfe der Passanten sehen zu können. Sie suchte nach diesem ollen Kopftuch, das sie unter Millionen wiedererkannt hätte. Aber Gott sei Dank blitzte wirklich nichts mehr Derartiges zwischen den ganzen Besuchern auf.

Von Weitem sah sie, dass sich wieder viele Leute um die Furcht einflößende Touristenattraktion sammelten. Lachend stellten sie sich daneben und machten Fotos. Lisa konnte genau sehen, dass die gespenstischen Augen der Hexe nicht mehr leuchteten. Dafür wirkte ihr Mund noch schauderhaft grinsend.

War das jetzt eine optische Täuschung oder hatte sie dieses hämische Grinsen schon immer in ihrem Gesicht? Lisa ärgerte sich darüber, die Hexe nicht genau genug angesehen zu haben. Doch dann blinzelte sie in die Sonne und musste über sich selbst lachen.

So was Blödes, die Gruselgeschichten ihrer Eltern scheinen zu fruchten. Kopfschüttelnd glaubte sie, dem Phänomen der roten Augen auf die Schliche gekommen zu sein.

Sonnenstrahlen streiften das Metall und ließen die Augen wie Feuer leuchten. So wird’s sein.

Sie war zufrieden mit dieser Erklärung. Ihren Eltern wird sie nichts davon sagen. Die würden eh denken, dass sie der Umzug mehr mitgenommen hat, als erwartet. Ihr Vater würde ihr ekligen Baldriantee verschreiben, der bitter wie Galle schmeckte, und eine Gesprächstherapie verordnen. Diesen Gedanken fand Lisa scheußlicher als die hässliche Frau von eben.

Sie schüttelte sich und entschied, es zu ihrem ersten Geheimnis in ihrem neuen Zuhause zu machen.

Heilfroh darüber, dass ihre Eltern ebenso genug von dem ganzen Spektakel auf dem komischen Hexenplatz hatten, marschierten sie schnurstracks zum Auto.

„Sag, Schatz, hast du was Interessantes erlebt?“, fragte ihr Vater augenzwinkernd.

Lisa schluckte und überlegte, was sie darauf sagen sollte, als ihre Mutter für sie antwortete: „Uaahh, sie hat eine böse buckelige Hexe ohne Zähne gesehen.“

Lisa stutzte. „Woher … wie …“, stotterte sie. „Wahrlich könnte das eine böse Hexe gewesen sein“, fügte sie leise hinzu.

„Wer?“, fragte ihre Mutter überrascht und guckte in eine Gruppe, die von einer Hexe über den Platz geführt wurde.

„Ach niemand!“, winkte sie ab und ging vor.

„Ach Lisa, dich hat es wohl auch erwischt“, schmunzelte ihr Vater. „Sobald Frauen Bekanntschaft mit dem Mythos Hexen machen, werden hier alle Frauen plötzlich zu welchen. Sie infizieren sich wie mit einem Virus. Dafür sorgen schon die Geschichten um den Höllenfürsten und die dünne Harzluft. Frauen stehen nämlich unweigerlich auf Bösewichte“, meinte er frech und erntete darauf von seiner Frau einen kleinen Boxhieb. „Vergiss es, Papa, ich habe mich bestimmt nicht angesteckt. Ich bin immun gegen Märchen und Sagen aller Art. Besonders über olle Hexen.“

Lachend schüttelte er seinen Kopf und lenkte schnell ab. Bevor Lisa wieder schlechte Laune bekam, zeigte er auf eine Bratwurstbude. „Sag mal, hast du überhaupt was gegessen?“, rief er Lisa nach, die schon ein gutes Stück vorgelaufen war.

Lisa blieb stehen und drehte sich zu ihm um, blickte auf die zusammengeknüllte Süßigkeitentüte in ihrer Hand und schwindelte. „Ja, habe ich. Lasst uns fahren. Ich bin müde und habe für heute mehr als genug von diesem nervigen Platz.“

Als Lisas Vater wenig später an der Schranke den Parkscheinautomat bediente, beschlich Lisa ein Kribbeln im Nacken. Langsam drehte sie sich um und riskierte einen vorsichtigen Blick aus der Heckscheibe. Sie hatte jetzt eigentlich damit gerechnet, die Alte mit dem hässlichen Kopftuch zu sehen, dir ihr böse hinterher guckte. Aber bis auf wackelnde Büsche war da nichts. Erleichtert drehte sie sich wieder in Fahrtrichtung und steckte sich zur Beruhigung ihre Ohrstöpsel in die Ohren, um laut Musik zu hören. Sie schwor sich, dass sie mit dem Hexentanzplatz und allem Hexenkram nichts zu tun haben wollte. „Never ever“, flüsterte sie und summte ein Lied mit.

Nach Lisas Maß an gefühlten tausend Stunden hielt ihr Vater vor einem sonderbaren, skurrilen Haus an und sagte: „Sieh mal, Lisa. Ist das nicht wunderschön?“

Schön war was anderes, dachte Lisa mit dem ersten Blick aufs Haus. Oh Gott. So hässlich hatte sie sich ihr neues Heim nun wirklich nicht vorgestellt. Sie rollte und verdrehte ihre Augen und konnte das nicht glauben, was sie da sah! Das Haus war sehr hoch, schmal und ururalt. Zum Dach hin neigte es sich nach rechts. Die vielen roten Ziegeln waren so verlegt, dass es aussah, als würde es eine rote Zipfelmütze tragen. Überall bröckelte der Putz von der Fassade und hinterließ unschöne Löcher. An den Fenstern, die kleinen Dachluken glichen, waren grüne Fensterläden angebracht, die teilweise nur noch an einem Scharnier hingen. Sie ging einen Schritt zurück, um es besser ansehen zu können. Kurioserweise konnte man jetzt denken: es ist angezogen. Wilder Wein, der sich um das ganze Haus schlängelte, ließ es aussehen, als hätte es eine Weste und eine halbe Hose an.

Alles in allem betrachtet, machte das Haus den Eindruck, als würde es nur noch da stehen, weil es da stehen wollte und einfach zu faul war, umzubrechen. Gedanklich nahm Lisa einen Balken weg und sah es wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Sie fand zu diesem Wrack echt keine Worte. Das alles musste doch ein böser Traum sein! „Hoffentlich kommen mich meine Freunde hier niemals besuchen!“, flüsterte sie.

Während Lisa bestürzt seufzte, lief ihr Vater an ihr vorbei, um die Tür aufzuschließen.

„Hereinspaziert“, sagte er mit einer kleinen Verbeugung und gab für Lisa den Eingang frei. Doch die stand wie festgewachsen auf dem Gartenweg und wollte ungern einen Fuß in das Haus setzen.

„Nun komm schon“, bat er zwinkernd, „drinnen ist es schöner.“

Unschlüssig folgte sie seiner Aufforderung und machte zwei Schritte auf die Tür zu.

Ihr ungeteiltes Interesse weckten plötzlich zwei Rottweilerköpfe, die unpassend an der alten groben Holztür hingen. Schnell erkannte sie, dass irgendjemand die Köpfe nachträglich angebracht hat. Aber wieso gerade Wachhunde? Löwen hatte Lisa schon öfter an Türen gesichtet, doch Hunde noch nicht. Neugierig ging sie mit ihrem Gesicht nah an einen dieser Klopfköpfe heran … und hatte das dumme Gefühl, dass die geschnitzte Nachbildung atmete.

Sichtlich erschrocken fuhr sie herum und musste sich eingestehen, dass so viel Unheimliches innerhalb der paar Stunden nicht mit rechten Dingen zugehen konnte.

„Papa. Ich will hier nicht wohnen!“, meinte sie bestimmend. Doch ihr Vater war schon weit im Haus verschwunden und konnte ihren Willen nicht mehr hören. Zögerlich spähte sie ins Haus. Sie konnte sich nicht durchringen, da reinzugehen. Mannomann! Reiß dich bloß zusammen, Lisa Lindner, überlegte sie und rief leise nach ihrem Vater. „Papa?“ Als sie keine Antwort bekam, rief sie ein zweites Mal. „Papa, wo bist du?“ Keine Antwort war auch ’ne Antwort, dachte sie, holte noch mal tief Luft und trat mutig über die Schwelle.

Aber dann spürte sie, wie ihre Haare am ganzen Körper leicht elektrisierten. Was war das nun schon wieder? Sie ging einen Schritt zurück und dann wieder einen vor. Das Gefühl blieb aber gleich. Sollte sie denn gar nicht mehr zur Ruhe kommen? So und nicht anders muss sich ein Magnetfeld anfühlen, schlussfolgerte sie. Aber wieso hier? Und wenn, warum? Lisa schüttelte ihren Kopf und kratzte sich am Kinn. Es kann doch nicht sein, dass sich Schlag für Schlag mysteriöse Eigenarten häuften.

„Na dann, herzlich willkommen in deinem neuen Zuhause. Wer weiß, was hier noch so für Leichen im Keller vergraben sind“, meinte sie besorgt und guckte in den dunklen langen Flur. Am liebsten wollte sie, anstatt weiter ins Haus zu gehen, doch lieber wieder umkehren und das Weite suchen.

Die ganzen Gruselgeschichten über den Harz hatten sich schon dermaßen in ihrem Kopf festgefressen, dass Lisa inzwischen selbst an eine Gehirnwäsche glaubte.

Bisher glaubte sie weder an Geister noch an Hexen. Niemals brauchte sie Licht zum Einschlafen. Aber jetzt wurde ihr so nach und nach klar, dass sie in diesem Haus damit anfangen würde.

Lisa schlug sich gegen die Stirn. „Hör sofort damit auf!“, schallt sie sich. „Warum jetzt mit einem Mal Schreckgespenster sehen, wo es nur Erklärungen für braucht?“

Kopfschüttelnd über ihre Wahnvorstellungen blickte sie zu ihrer Mutter und fragte sich, was sie wohl daran hinderte, ins Haus zu gehen.

Neugierig schaute sie hinter sich und sah, dass ihre Mutter sich unterhielt. Als Lisa näher heranging, setzte ihr Herzschlag einen Takt aus. Das darf jetzt nicht wahr sein.

„Das ist doch …“ Lisa wankte und musste sich an einem Baum abstützen, um nicht in die Knie zu sacken.

Ihre ahnungslose Mutter stand tatsächlich am Gartenzaun und plauderte munter mit der alten Frau vom Hexentanzplatz. Unter Millionen von ekligen Kopftüchern hätte sie dieses immer wiedererkannt. Als sie Lisa erblickte, wie die sich an einem Baum festklammerte, lächelte sie bösartig. Lisa wusste jetzt nicht so genau, was sie machen sollte. Zu ihrer Mutter gehen und die Alte auflaufen lassen, indem sie ein paar unangenehme Fragen stellte? Lisa würde schon gern wissen, wie sie so schnell hinterherkommen konnte. Unschlüssig trampelte sie von einem Fuß auf den anderen. Selbstverständlich sah die Alte an Lisas Mutter vorbei und ihr direkt in die Augen. Sofort stellte sich bei Lisa vom Scheitel bis zur Sohle die gleiche Gänsehaut auf wie auf dem Hexentanzplatz. Lisa deutete das als Alarmsignal, denn ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass mit dieser Frau irgendetwas nicht stimmte.

„Komm, Lisa, komm rein und such dir hier oben dein Zimmer aus.“ Ihr Vater hielt freudestrahlend seinen Kopf aus dem ersten Stock und strahlte über sich hinaus. Als er seine Frau schwatzen sah, freute er sich noch mehr. „Ach Schatz, wie schön. Du hast ja bereits Bekanntschaft geschlossen“, rief er ihr zu und begrüßte die Fremde mit einem freundlichen Nicken. Damit löste er ungewollt den Blickkontakt der alten Frau zu Lisa.

Im Nu war alles halb so schlimm. Die Aufregung, die Lisa gerade noch hatte, war plötzlich verschwunden. Weniger skeptisch kniff sie ihre Augen zusammen und warf einen letzten Blick zu den beiden. Ihre Mutter schien sich einfach nur nett zu unterhalten. Vermutlich war sie das auch. Mit dieser Feststellung drehte sie sich auf dem Absatz um und ging endlich ins Haus zu ihrem Vater.

Hier stieß Lisa vorerst auf anderes, was sie beschäftigen sollte. Der Fußboden knarzte und quietschte unheimlich. Die Türen, die sie aufschob, um in die Zimmer zu sehen, verursachten zusätzlich grauenhafte Töne. Na ja, ein Wachhund wird hier nicht benötigt, stellte Lisa nüchtern fest. Bei den vielen Geräuschen, die das Gebälk unter jedem Schritt hervorbrachte, wird jeder Einbrecher das Fürchten kriegen und das Weite suchen. Sie grinste bei dem Gedanken und ging weiter. Die Räume, die sie danach betrat, waren klein, aber hell. Aus jedem Fenster, aus dem sie sah, erblickte sie freundliches Grün und bunte Blumen. Sie seufzte und empfand das wenigstens als ein erfreuliches Zeichen. Das Gebäude versprach nach und nach schöner und heimeliger zu werden und weckte Lisas Abenteuerlust, jede Ecke zu durchforsten. Sie erkundete immer schneller und freudiger das verwinkelte Haus mit seinen vielen Türen. Zu ihrem Entzücken und nach den ersten bizarren Eindrücken fand sie im oberen Bereich ein gemütliches Zimmerchen und verliebte sich.

Man musste vier Stufen ins Zimmer hinuntergehen. An der Stirnseite des Zimmers liefen am Boden kleine Fenster entlang. Es waren wunderschöne, bunte Bleifenster, in denen eine Hexe auf dem Besen eingeschliffen war, die fröhlich mit den Sonnenstrahlen auf dem Besen ritt. Das Zimmer hatte unter der Zimmerdecke viele Balken, die etwas Rustikales ausstrahlten. Langsam wanderte sie durch ihr neues Zimmer und entdeckte nebenan noch einen großen Raum, in dem sehr viele Regale und Kleiderbügel lagen.

„Oh. Das ist das Tollste überhaupt“, stieß Lisa aus und hüpfte vor Freude auf und ab. „Ein begehbarer Kleiderschrank. Wie klasse ist das denn!“

Lisas Vater nickte aufmunternd. „Das haben wir uns schon von vornherein gedacht, dass das Zimmer genau deine Kragenweite ist.“

Lisa stürmte in die Arme ihres Vaters und vergessen war der erste scheußliche Eindruck vom Haus.

Nun waren Tage vergangen. Lisa lag allein auf ihrem Zimmerboden und zeichnete mit den Fingern den Schatten der kleinen zuckenden Hexe nach. Sie war stocksauer auf ihre Eltern. Mit dem bescheuerten Umzug hatten sie ihr die ganzen Ferien versaut. Ach was, ihr ganzes Leben. Gelangweilt wälzte sie sich von einer Seite auf die andere.

„Oh menno, das ist so öde hier. Ich könnte brechen“, beklagte sie sich bei der kleinen Hexe im Fenster. „Warum kann ich nicht schon in einem Alter sein, in dem ich selbst entscheide, wo ich leben will?“, jammerte sie.

Aber selbst von der kleinen Hexe fühlte sie sich im Stich gelassen und meinte frech: „Na ja, wie ich sehe, bist du auf dem Ohr genauso taub wie meine Eltern!“

Am Anfang hatte sich Lisa mit ihrem neuen Zimmer ja noch etwas ablenken können. Aber je mehr ihr Zimmer Gestalt annahm, umso trauriger, nutzloser und vernachlässigter fühlte sie sich. Manchmal sogar sehr, sehr allein gelassen. Ihr Vater war eifrig mit seiner neuen Praxis beschäftigt und ihre Mutter mit der Einrichtung und Renovierung des Hauses. Für Lisa blieb zwar die Möglichkeit, rauszugehen und neue Freunde zu suchen, aber dafür war noch nicht der richtige Zeitpunkt. Sie wollte ihren Eltern noch etwas länger ein schlechtes Gewissen einreden.

Sie sollten schon glauben, dass Lisa hier oben unter dem Dach in ihrem kleinen Kämmerlein vor Einsamkeit sterben wird! Nicht einmal die kleine Hexe im Fenster, die momentan ihr einziger Gesprächspartner war, machte Anzeichen, irgendwann mal ihre feste Freundin zu werden.

„Oh menno! Wenn das so weitergeht, verblöde ich hier total.“

Sie sprang auf und lief die Treppen runter, um in den Garten zu gehen. Sie wollte doch nicht in ihrem Zimmer allein und traurig verenden. Vorsorglich setzte sie eine Leidensmiene auf und ging durch die Küche.

Ihre Mutter hob den Kopf und freute sich über ihren Besuch. „Ich wollte einen Kuchen backen, willst du mir helfen?“

„Nee, will ich nicht. Eigentlich will ich nur sterben“, antwortete sie theatralisch und ging laut seufzend durch die Terrassentür in den Garten. Grinsend zog sie die Tür hinter sich ins Schloss. Sie wusste ganz genau, dass sich ihre Mutter jetzt Sorgen um ihr Wohl machte. Sollte sie auch. Man hätte sie schließlich fragen können, ob sie wegziehen will. Aber nein, sie war ja nur das Kind ohne Mitspracherecht!

Augenblicke später stromerte sie auch schon im Garten herum. Von Langeweile konnte hier wirklich nicht die Rede sein. Es gab eine ganze Menge zu erforschen. Das Grundstück war riesengroß und sehr verwinkelt. Ob ihre Eltern wussten, dass durch den Garten sogar ein kleiner Bach floss? Wohl kaum. Sie sprang mit einem Satz drüber. Leider war es auf der anderen Seite des Baches kaum möglich, weiterzugehen. Das Gestrüpp verdichtete sich zusehends. Lisa suchte sich einen dicken Ast und schlug sich damit den Weg frei und ging drauflos.

Gedankenverloren graste sie das Grundstück ab und entdeckte dabei eine baufällige Hütte, die sie eher zufällig fand, weil sie unbedingt über aufgestapelte morsche Baumstämme klettern musste. Lisa schaute sich um. Da die Hütte fast außerhalb vom Grundstück lag, wollte sie sichergehen, dass diese tatsächlich auf ihrem Grundstück stand.

Das Häuschen war von Unkraut und wildem Wein regelrecht zugewuchert. Lisa packte jetzt die Abenteuerlust. Ungeduldig bahnte sie sich einen Weg frei. Sie schlug mit ihrem Stock links und rechts das Unkraut beiseite und trampelte es mit den Füßen platt. Endlich konnte sie zu einem Fenster gelangen. Mit dem Ärmel ihrer Jacke putzte sie ein kleines Loch und blinzelte hindurch. Viel konnte sie nicht erkennen, auch nicht mit platt gedrückter Nase.

„Hm, Mist“, flüsterte sie, überlegte aber gleich, wie sie am besten bis an die Tür gelangen konnte. „Ohne Handschuhe wird das wohl schwierig“, überlegte sie laut, als sie auf viele stachelige Rosenbüsche und Disteln guckte. Enttäuscht entschied sie, dass die Hütte bis zum nächsten Tag warten musste. Dann wollte sie aus dem Schuppen ihres Vaters einiges Werkzeug mitnehmen, um mal ordentlich um die Hütte Unkraut zu jäten. Denn jetzt wollte sie natürlich auch wissen, was sich darin verbirgt. So wie es drumherum aussah, könnte sie vielleicht einen Schatz beherbergen.

Sie warf einen letzten Blick durch das winzige Loch. Geradeso konnte sie einen Brunnen mitten im Raum erkennen und … „Hä? Was ist das denn?“ Aufgeregt rubbelte sie das Loch größer. „Da lag doch eben noch eine Ziege vor dem Brunnen? Bin ich denn jetzt völlig plemplem?“, fragte sie sich wieder laut, als sie durch das Guckloch stierte.

Grübelnd kaute sie auf ihrer Unterlippe. Am liebsten würde sie sofort zum Haus zurücklaufen und die Heckenschere holen.

Doch mit dem Blick auf die Uhr stellte sie fest, dass sie sich sputen musste, wenn sie zum Abendbrot pünktlich zu Hause sein wollte.

„Mist aber auch. Warum muss das schon so spät sein“, bedauerte sie. Enttäuscht, ihr Abenteuer abbrechen zu müssen, lief sie los. Schwor sich aber, morgen dieser kurzweiligen Erscheinung neben dem Brunnen auf den Grund zu gehen.