Local Heros 2.0 - Matthias Hell - E-Book

Local Heros 2.0 E-Book

Matthias Hell

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Beschreibung

Was ist besser geeignet, um dem Einzelhandel den Weg in die Zukunft vorzuzeichnen, als Praxisbeispiele von digitalen Vorreitern, die mit ihren Handelsmodellen schon heute eindrückliche Erfolge feiern? Vor zwei Jahren wurden deshalb erstmals in Buchform 25 Local Heroes vorgestellt, die mit einer innovativen Verknüpfung der Kanäle Online und Offline vormachten, wie der Handel seine Zukunftschancen vergrößern kann. Nun gehen die Local Heroes in die zweite Runde. Fallbeispiele zur beeindruckenden Entwicklung von zehn Händlern aus dem ersten Buch stehen dabei neben 15 neuen Local Heroes. In Summe ergibt sich so eine große Bandbreite an zukunftsweisenden Handelsmodellen, die doch eines gemeinsam haben: Clever nutzen sie die digitalen Möglichkeiten und stärken damit den Handel vor Ort. Das vorliegende Buch ist bewusst anschaulich und praxisnah gestaltet – versteht es sich doch als Impulsgeber für den im Wandel befindlichen Einzelhandel: Nutzen auch Sie Ihre Chancen und werden auch Sie ein Local Hero!

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Seitenzahl: 160

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Impressum Copyright: © 2015 Matthias Hell published by: epubli GmbH, Berlinwww.epubli.de

local heroes 2.0

Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel

Matthias Hell

Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Einleitung

2.01 Omnichannel, der neue Standard im Handel

2.02 Interview mit eBay-Chef Stephan Zoll: „Händler und Kunden befinden sich in einem Rollenwechsel“

2.03 Interview mit Stephan Tromp, HDE: „Kein Händler kann es sich leisten, die digitalen Möglichkeiten zu ignorieren“

3. Die ersten Local Heroes und ihre Fortschritte

3.01 Buchhandlung Riemann: Das Bücherabo wird zum Verkaufsschlager

3.02 Cyberport: Zügiger Ausbau des Store-Netzes

3.03 Emmas Enkel: Bereit für die bundesweite Expansion

3.04 Fashion For Home: Der erste Showroom zog eine Ladenkette nach sich

3.05 FLIP4NEW: Ankaufservice stößt weiter ins stationäre Umfeld vor

3.06 Mister Spex: Neue stationäre Shop-in-Shops – und bald eigene Stores?

3.07 MyMuesli: Ladenkette wird zum wichtigen Geschäftsfaktor

3.08 NeueTischkultur: Shop-in-Shop-Lösung wird zum Fachhändlernetzwerk

3.09 Notebooksbilliger.de: Store-Strategie wird mit klarem Fokus weiterentwickelt

3.10 Shoepassion.com: Stationäre Geschäfte sorgen für erhöhten Kundennutzen

4. Zehn neue Local Heroes für den Handel von morgen

4.01 11teamsports: Von Stationär zu Online – und wieder zurück

4.02 Aetka: Handelskooperation nutzt eBay als Online-Shop-Plattform

4.03 Gravis: Apple-Händler setzt auf Multichannel à la carte

4.04 Kiveda: Online-Küchenmarke stärkt die stationäre Präsenz

4.05 Koffer24.de: Fachgeschäft sichert mit Online-Shop seine Zukunft

4.06 Media-Saturn: Auf dem Weg in die Zukunft des Einkaufens

4.07 Miele: Hersteller-Showroom verleiht den Handelspartnern Rückenwind

4.08 Modomoto: Fitting Room schafft Mehrwerte für Online-Kunden

4.09 MyParfum: Partnermodell für stationäre Parfümerien

4.10 pro aurum: Multichannel de luxe – der kanalübergreifende Edelmetallhandel

5. Die Dienstleister unter den Local Heroes

5.01 eBay: Vom reinen Online-Marktplatz zum Partner des Handels auf allen Kanälen

5.02 Autobutler: Online-Plattform vermittelt Aufträge an Kfz-Werkstätten

5.03 eBay Enterprise: Filialen als Teil der E-Commerce-Wertschöpfung

5.04 Inventorum: iPad-Kasse macht Händler fit für das Online-Geschäft

5.05 Store Analytics: Technologie-Start-up gestaltet den stationären Einkauf neu

6. Von den Local Heroes lernen

6.01 Einzelhandel der Zukunft – ganz neu, aber doch vertraut

6.02 10 Handlungsempfehlungen für einen zukunftsfähigen Einzelhandel

7 Weiterführende Links

Ich sag den Untergang ab, ohne runterzuschauen. Wir sind gekommen, um zu bleiben, wir gehen nicht mehr weg.

VORWORT

Als ich vor drei Jahren damit begann, in einer Artikelserie mit dem Titel „Local Heroes“ über die Verknüpfung von Online und Offline im Einzelhandel zu berichten, waren die Beispiele noch recht dünn gesät. Das galt erst recht für die Situation in Deutschland – die meisten Multichannel-Beispiele in einschlägigen Ratgebern und Fachbüchern bezogen sich auf Unternehmen in den USA und in Großbritannien. Kannte man sich mit den immer wieder angeführten Referenzbeispielen näher aus, wusste man zudem, dass bei Weitem nicht alles glänzte, was einem hier als Gold präsentiert wurde. Meine größte Herausforderung war es also, genügend lokal ansässige Unternehmen zu finden, die geeignet waren, dem Einzelhandel Wege in die Zukunft vorzuzeichnen.

Heute hat sich diese Situation dankenswerterweise gewandelt und ich stehe eher vor einem Luxusproblem: Täglich flattern Pressemitteilungen über neue Multichannel-Projekte in die Mailbox und E-Commerce-Dienstleister locken mit vermeintlichen Rundum-sorglos-Paketen für den Handel. Hier gilt es, die Spreu vom Weizen zu trennen: Wer ist ein echter Local Hero und taugt dazu, eine Leuchtturmfunktion für den im Umbruch begriffenen Handel einzunehmen? Und wer ist dagegen nur ein Mitläufer, der ohne echte Zukunftsvision Omnichannel lediglich als Marketing-Gag versteht?

Der Herausforderung, nach den wahren Helden des Handels zu suchen, stelle ich mich jedoch gerne – und wie ich meine, mit einigem Erfolg. Seit der ersten „Local Heroes“-Buchveröffentlichung Mitte 2013 habe ich weiter im Wochentakt auf dem Portal Location Insider Beiträge publiziert und dabei rund 50 neue Unternehmen vorgestellt. Durch die Unterstützung von eBay und dem HDE ist es mir nun erneut möglich, die besten Beispiele aus meiner Artikelserie in Buchform zu präsentieren. Dazu zählen zehn besonders spannende neue Local Heroes. Daneben gibt es Berichte über die Fortschritte von zehn Local Heroes aus dem ersten Buch sowie Porträts zu fünf besonders innovativen Dienstleistern. Abgerundet wird dieser Strauß von Praxisbeispielen einmal mehr von einigen grundlegenden Überlegungen zu den Umbrüchen im Handel und einer Reihe konkreter Handlungsempfehlungen. Damit soll das vorliegende Buch interessierten Händlern praxisnahe Impulse bieten, wie sie ihr Geschäft weiterentwickeln können, um auch zukünftig auf dem Markt zu bestehen.

Eine der schönsten Bestätigungen für meine mit den Local Heroes begonnene Arbeit sind nämlich die konkreten Fortschritte, die ich in den vergangenen Jahren begleiten – und zum Teil auch mitanregen – durfte: Viele Local Heroes aus dem ersten Buch haben sich beeindruckend entwickelt und genießen inzwischen verbreitete Wertschätzung.

Damit zeigt sich für mich, dass die Spekulationen über das Ende des stationären Handels deutlich übertrieben waren und sind. Die Local Heroes verdeutlichen, dass der Einzelhandel weiter eine Chance hat, wenn er sich an die geänderten Rahmenbedingungen anpasst, und sie vermitteln schon heute eine Vorstellung davon, wie die Zukunft des Handels aussehen könnte. Ganz klar: Die Local Heroes sind gekommen, um zu bleiben.

Matthias Hell, im Juni 2015

ES GEHT VORAN:

Der Handel ist aufgewacht. Immer mehr Schwergewichte des deutschen Einzelhandels bieten ihre Waren auch im Internet an und verknüpfen das Online-Angebot mit dem Filialgeschäft vor Ort. Services wie Click & Collect, Order from Store und stationäre Verfügbarkeitsanzeigen werden immer mehr zum Standard. Doch handelt es sich bei einigen Multichannel-Projekten auch um Me-too-Lösungen ohne echten Kundennutzen. Denn die Konsumenten sind schon längst weiter und verändern mit dem Smartphone in der Hand ihre Art einzukaufen.

Deshalb brauchen wir weiterhin Local Heroes: innovative lokale Händler, die mit der Verknüpfung von On- und Offline den Einzelhandel zukunftsfähig machen.

2|01

Omnichannel, der neue Standard im Handel

Um die erste Sammlung von Local-Heroes-Fallbeispielen in den richtigen Kontext zu rücken, diente vor zwei Jahren ein Blick auf den allgemeinen Strukturwandel im Handel: auf die nur noch marginal steigenden Einzelhandelsumsätze, auf die fortlaufende Erweiterung ohnehin schon wenig rentabler Verkaufsflächen und auf das anhaltende Wachstum der Discounter zulasten des Fachhandels. Ergänzend zu dieser Entwicklung wanderten immer größere Umsatzanteile von stationären Händlern zum Online-Handel ab. Einigen wenigen Segmenten wie dem Lebensmittelhandel, wo fast das gesamte Geschäft noch im stationären Handel abläuft, steht eine große Anzahl an Bereichen gegenüber, in denen der E-Commerce eine immer entscheidendere Rolle einnimmt – darunter Branchen wie der Mode-, Elektronik- oder Buchhandel, wo bereits 20 Prozent und mehr der Verkäufe online stattfinden.

Es ergab sich somit das Bild eines Handels, der auf zweifache Weise unter Druck geraten ist: erst durch die Discounter auf der „grünen Wiese“ und dann durch die Konkurrenz aus dem Online-Handel.

Heute, zwei Jahre später, hat sich dieses Bild noch einmal gefestigt. Auch in den Jahren 2013 und 2014 konnte der deutsche Einzelhandel nur geringe Umsatzsteigerungen erzielen: 2013 in Höhe von 1,2 Prozent und 2014 in Höhe von 1,9 Prozent.

Wesentlich dynamischer als der gesamte Einzelhandel entwickelte sich einmal mehr der Online-Handel. 2013 stiegen hier die Umsätze um 12 Prozent auf 33,3 Milliarden Euro und 2014 um 17 Prozent auf 39 Milliarden Euro.

Der Online-Handel ist damit der wesentliche Wachstumstreiber im deutschen Einzelhandel. Rechnet man die Online-Umsätze aus dem gesamten Einzelhandelsvolumen heraus, ergeben sich für 2013 und 2014 nur marginale Wachstumszahlen von 0,5 Prozent beziehungsweise 0,6 Prozent. Bedenkt man zudem, dass die Einzelhandelsflächen weiter wachsen, kann man auf vergleichbarer Fläche sogar von einem realen Umsatzrückgang ausgehen.

Neben dieser fortgesetzten Problematik für den Einzelhandel ist in den vergangenen zwei Jahren aber auch eine Entwicklung zum Tragen gekommen, die sich so zuvor noch nicht beobachten ließ: Waren es zunächst fast ausnahmslos Pure-Online-Anbieter, die das E-Commerce-Umsatzvolumen erwirtschafteten, so entfällt inzwischen der größere Teil der Online-Wertschöpfung auf Multichannel-Händler, die das stationäre Geschäft mit dem Angebot im Internet verknüpfen. Und nicht nur das – die Multichannel-Händler wachsen auch schneller als die reinen Online-Versender:

Der grundliegende Trend steht damit außer Frage: Der deutsche Handel – und darunter solche Schwergewichte wie Media-Saturn, die Rewe-Group oder Conrad Electronic – ist aufgewacht und nutzt das Internet aktiv als zusätzlichen Vertriebskanal. Das E-Commerce-Umsatzvolumen wird nicht mehr nur von den Pure-Online-Playern erwirtschaftet, sondern spiegelt zunehmend das verstärkte Internet-Angebot des klassischen Einzelhandels wider.

Der Handel hat dabei nicht nur seine Bemühungen verstärkt, durch eigene Online-Shops, Übernahmen oder die Partnerschaft mit Online-Marktplätzen eine Rolle im E-Commerce zu spielen. Auch der Fokus hat sich verändert. Während Online unter dem Paradigma einer Multichannel-Strategie zunächst als getrennter, zusätzlicher Verkaufskanal betrachtet wurde, hat sich nun eine Omnichannel-Betrachtungsweise durchgesetzt: Es gibt nicht mehr „stationäre Kunden“ oder „Online-Kunden“ – im Fokus steht vielmehr der eine Kunde, den es ganzheitlich über sämtliche zur Verfügung stehenden Kanäle anzusprechen gilt. Eine Omnichannel-Strategie umfasst dabei im Wesentlichen drei Dimensionen – Online, Mobile und Local –, die im Folgenden genauer dargestellt werden sollen.

Ohne Online geht es nicht.

Die Dimension Online ist im Rahmen einer Omnichannel-Strategie so naheliegend, dass es schon fast trivial wirkt. Wer heute ein Ladengeschäft besitzt und mit diesem nicht im Internet präsent ist, ist für viele Kunden schlicht und einfach nicht existent. Die Online-Präsenz eines stationären Geschäfts beginnt mit simplen Einträgen bei Internet-Branchenbüchern, Google und lokalen Verzeichnissen, landet aber schnell bei der Kernfrage: Online-Shop, ja oder nein? Wie die unten stehende, Anfang 2015 veröffentlichte Studie zeigt, zählt der Betrieb eines eigenen Webshops allerdings nicht einmal bei den 100 wichtigsten Retail-Marken in Deutschland zum Standard:

Mögen manche Händler weiterhin meinen, ohne einen Online-Shop auszukommen – der Kunde sieht das anders: So ergab eine GfK-Konsumentenbefragung im vergangenen Jahr, dass bei Kunden, die nach Informationen zu einem gewünschten Produkt suchen, Online-Shops an zweiter Stelle der im Internet besuchten Informationsquellen lagen. Nur Google wird öfter genutzt, um einen Kauf vorzubereiten. Wer auf einen Online-Shop verzichtet, versperrt deshalb auch Kunden den Weg ins eigene Geschäft.

Im Rahmen einer Omnichannel-Strategie ist Online-Sichtbarkeit deshalb die absolute Grundvoraussetzung. Nicht nur Informationen zum Geschäft, vor allem auch das angebotene Warensortiment sowie das gesamte Spektrum dazugehöriger Services müssen im Netz präsent sein. Dazu zählen der eigene Online-Shop, aber auch Online-Marktplätze, Preisvergleicher, lokale Shopping-Plattformen und Prospekt-Portale. Nur wer über das eigene Ladengeschäft hinaus zeigt, was er hat, kann beim kanalübergreifenden Handel mitspielen.

Mobile schafft neue Brücken zwischen Händler und Kunde

Der rasante und in seiner Breite beispiellose Siegeszug der Smartphone-Technologie sorgt glücklicherweise dafür, dass Händler die zweite Omnichannel-Dimension schwerlich ignorieren können: Mobile ist viel mehr als nur ein „zweiter Screen“ für das Internet. Indem Kunden heute jederzeit und überall online sind, werden neue Verbindungen zwischen den Kanälen Online und Stationär möglich, entstehen neue Konsummuster und erhalten Händler neue Gelegenheiten, mit ihrer Kundenklientel in Kontakt zu treten. Zumindest bei den Händlern, die bereits im Online-Handel aktiv sind, hat sich folglich auch schon ein beachtlicher Anteil mit den neuen mobilen Chancen auseinandergesetzt:

Das Marktforschungsinstitut Innofact hat im März 2015 im Auftrag des Online-Marktplatzes eBay eine Befragung unter kleinen und mittelständischen Online-Händlern, die zum Teil auch ein stationäres Geschäft betreiben, durchgeführt. Diese zeigt, dass zwar erst 5,6 Prozent der Online-Händler ihren Kunden das optimale mobile Einkaufserlebnis anbieten, nämlich eine eigene Shopping App. Jeder Vierte bis Fünfte hat aber bereits den eigenen Shop beziehungsweise die eigene Webseite Mobile-optimiert und knapp ein Drittel der Online-Händler nutzt die Kompetenz großer Online-Marktplätze im Mobile Commerce. Insgesamt sind heute 60 Prozent der Online-Händler auf mindestens eine Art und Weise mobil – ein angemessen hoher Wert, wenn man betrachtet, wie intuitiv die Konsumenten die Möglichkeiten der Mobile-Technologie für das Einkaufen adaptieren:

Vor allem die Instore-Anwendungsmöglichkeiten von Smartphones zeigen, warum Mobile so einen großen Stellenwert für den Omnichannel-Handel einnimmt: Während zwischen dem klassischen Internet und stationären Geschäften immer ein physischer Graben liegt, kommt es beim Mobile Web zum Verschmelzen von Netz und Stores. Dieser Vorgang beginnt bereits ungesteuert damit, dass Kunden in einem Ladengeschäft ihr Mobiltelefon nutzen. Für eine steigende Anzahl an Händlern, die es verstehen, dieses Kundenverhalten bewusst in ihre Verkaufsstrategie zu integrieren, bietet der Mobile-Kanal aber enorme Chancen: Vom Gelegenheitskauf auf dem Weg zur Arbeit über ortsbasierte Angebote im Umfeld eines Geschäfts bis hin zu Instore-Incentivierungen und -Informationen können Händler so selbstständig agierende Kunden in ihrer Kaufentscheidung beeinflussen und unterstützen.

Local: Das Ladengeschäft in neuem Licht

Steht ein stationäres Ladengeschäft erst einmal in einem Kontext mit den digitalen Möglichkeiten, die sich dem Handel online und mobil bieten, kann der Point of Sale neu gespielt und mit zusätzlicher Attraktivität aufgeladen werden. Das zeigt sich bereits an der Vielzahl kanalübergreifender Services, die heute bei vielen Händlern zum Standard gehören, vor wenigen Jahren aber noch gar nicht vorstellbar waren:

Das bieten deutsche Multichannel-Händler heute

Mehr als die Hälfte deutscher Multichannel-Händler bietet ihren Kunden heute die stationäre Abholung online gekaufter und bezahlter Waren (Click & Collect) sowie die Rückgabe von Online-Bestellungen in der Filiale. Ebenfalls bereits recht oft umgesetzt wird ein Showroom-artiger Ausbau des Ladengeschäfts, bei dem die stationäre Fläche dazu dient, Produkte, die es in größerer Zahl beziehungsweise unterschiedlicher Ausführung online gibt, physisch erfahrbar zu machen. Die Möglichkeit, Online-Bestellungen aus stationären Geschäften heraus zu initiieren, wird ebenfalls bereits ziemlich häufig angeboten.

Auch bei der Dimension Local sind es wieder die Kunden, die die neuen Möglichkeiten intuitiv annehmen und zeigen, mit welchen Entwicklungen wir künftig häufiger rechnen dürfen:

Welche Instore-Technologien finden Kunden attraktiv?

So sind die Konsumenten bereits überraschend aufgeschlossen gegenüber neuen Technologien am Point of Sale wie zum Beispiel Tablets und Touchscreens oder interaktiven Shoppingwalls und Schaufenstern. Auch Zukunftslösungen wie das Mobile Payment mittels Smartphone oder die Indoornavigation in Ladengeschäften mithilfe von Beacon-Sendern werden von vielen Kunden schon heute positiv bewertet.

Wichtig ist, dass es dabei nicht bloß um technische Gimmicks geht, sondern dass neue Technologien am Point of Sale dazu dienen, das Einkaufserlebnis der Kunden zu verbessern und On-/Offline-Verknüpfungen zu schaffen, die sich intuitiv in das Nutzerverhalten der Konsumenten eingliedern. Gelingt dies, ist Omnichannel nicht nur ein abstrakter Trendbegriff, sondern der Einzelhandel hat damit die Gelegenheit, seine Chancen innerhalb der fortlaufenden digitalen Transformation zu stärken.

Der neue Handelsstandard Omnichannel eignet sich mit seinen Dimensionen Online, Mobile und Local deshalb gut als Matrix, vor der sich die in diesem Buch versammelten Local Heroes bewähren können. Doch bevor wir zu den 25 Fallbeispielen besonders innovativer Handelsunternehmen kommen, sollen im Folgenden noch zwei Experten den Entwicklungsstand und die Potenziale des deutschen Handels aus ihrer Sicht beschreiben.

Abb.: Stephan Zoll eBay, Quelle: eBay

2|02

Interview mit eBay-Chef Stephan Zoll

„Händler und Kunden befinden sich in einem Rollenwechsel“

Seit 2007 ist Stephan Zoll für den eBay-Konzern tätig und leitet dabei seit Mitte 2013 das Geschäft des Online-Marktplatzes in Deutschland – eine Rolle, die der promovierte Jurist bereits in den Jahren 2009 bis 2011 ausfüllte. Täglich befindet sich Zoll im Austausch mit den Händlern auf dem Marktplatz, das Spektrum reicht dabei von klassischen Einzelhändlern und auf eBay spezialisierten Online-Anbietern bis hin zu großen Internet-Versendern und namhaften Handelsketten. Gleichzeitig steht der gebürtige Hamburger an der Spitze eines der größten weltweiten E-Commerce-Unternehmen und hat dabei Einblick in die neuesten digitalen Trends und Entwicklungen. Stephan Zoll ist deshalb bestens geeignet, die Veränderungen, vor denen sich der Einzelhandel befindet, aus Online-Sicht genauer zu beleuchten.

Herr Zoll, als die Local Heroes vor drei Jahren an den Start gingen, war die Suche nach kanalübergreifenden Händlern noch eine immense Herausforderung. Heute geht es bei der großen Menge an Omnichannel-Cases dagegen vor allem um das Herausfiltern der am besten geeigneten Beispiele. Würden Sie zustimmen, dass in den deutschen Einzelhandel Bewegung gekommen ist?

Stephan Zoll: Auf jeden Fall. In den Handel ist Momentum gekommen. Begriffe wie Multichannel oder Omnichannel geistern ja schon seit einigen Jahren herum, aber ernst genommen und wirklich strategisch umgesetzt werden sie aus meiner Sicht erst seit etwa zwei Jahren. Das liegt zum einen daran, dass der E-Commerce inzwischen einen relevanten Anteil von zehn Prozent und mehr am Einzelhandelsvolumen erreicht hat. Wir wissen, dass aktuell 60 Prozent der Online-Händler mobil aktiv sind – davon 28,6 Prozent über eine Präsenz auf einem Online-Marktplatz. Es hat sich zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt: Das geht nicht mehr weg. Die Konsumenten – und zwar die breite Masse – kaufen wirklich nachhaltig online ein. Mehr als 70 Prozent der deutschen Bevölkerung zwischen 14 und 69 Jahren kaufen laut ACTA mittlerweile online ein, und in den letzten fünf Jahren hat sich die Zahl der Intensivkäufer mehr als verdoppelt. Diese Einsicht war für viele Händler ein Weckruf und der Startschuss für das ernsthafte Anpassen ihrer Geschäftsstrategien.

Zum anderen gibt es inzwischen eine steigende Anzahl an Beispielen aus dem Ausland, die zeigen, wie der Handel erfolgreich seine Zukunft gestalten kann. Ich denke hier beispielsweise an die Warenhauskette Macy’s in den USA, die mit viel Aufwand und beträchtlichen Investitionen große Schritte in Richtung Multichannel gemacht hat.

Beobachten Sie beim deutschen Handel einen generellen Meinungswandel oder ist das Bild noch recht uneinheitlich und geht die Neuausrichtung je nach Branche und Segment unterschiedlich schnell voran?

Stephan Zoll: Natürlich gibt es Branchen, die schneller oder langsamer sind, wenn es um die Ausrichtung auf die digitale Entwicklung geht. Zum Beispiel liegt die Unterhaltungselektronikbranche mit mehr als 20 Prozent Online-Anteil am Umsatz des Gesamtmarktes weiter vorne in der Neuausrichtung als beispielsweise der Möbelhandel, wo der Online-Anteil noch im einstelligen Prozentbereich liegt. Und auch innerhalb der Branchen gibt es Unterschiede. Ein Beispiel ist im Fashion-Bereich der Erfolg von Zalando. Das hat in der Branche zu einem Aufwachen geführt und dafür gesorgt, dass das Thema Online mittlerweile voll im Fokus steht. Solche Beispiele setzen Zeichen. Sie zeigen, welche Erfolge möglich sind, und sorgen bei den Händlern für Beschleunigung, die noch nicht so weit entwickelt sind.

Gleichzeitig ist heute bei vielen Online-Unternehmen die Aufmerksamkeit für den stationären Handel größer. Das zeigt sich in der steigenden Anzahl an Online-Händlern, die stationäre Filialen eröffnen, sowie in der wachsenden Menge an digitalen Diensten und Lösungen für den klassischen Handel. Und auch bei eBay findet man heute immer mehr Händler mit einem eher traditionellen Background ...

Stephan Zoll: Wir verstehen uns bereits seit mehr als zwei Jahren nicht mehr in erster Linie als E-Commerce-Unternehmen, sondern ganz allgemein als Partner des Handels. Denn uns ist wichtig, dass das Warenangebot, das Kunden bei eBay finden, im Internet einzigartig ist. Dabei hilft es, wenn wir auch verstärkt stationäre Händler in unseren Online-Marktplatz integrieren. Diese Händler können nämlich mit Produkten, Preisen und auch Warenvolumina aufwarten, wie es sie sonst im Online-Bereich nicht gibt. Zudem liegt die Ware bereits bei den Kunden vor Ort. So sind Fortentwicklungen möglich wie die Abholung von Online-Bestellungen im Laden um die Ecke. Das führt auch für uns zu einer Differenzierung, und wir können damit eine Nutzererfahrung bieten, die noch besser ist als bisher. Bei diesen Entwicklungen sind wir in den letzten Jahren auf einige Händler getroffen, mit denen wir unsere Partnerschaft immer mehr vertiefen. Dadurch ergeben sich Win-win-Situationen, wie es sie nicht allzu häufig gibt.

Stationäre Händler bieten ihre Waren bei eBay an, der Kunde kauft diese zum Beispiel mobil per Smartphone und holt seine Bestellung schließlich per Click & Collect in der nächsten Filiale ab – damit befinden wir uns bereits mitten im schönsten Omnichannel-Szenario. Was ist aus Ihrer Sicht der entscheidende Vorteil, der sich aus diesem Entwicklungssprung für die Kunden ergibt?

Stephan Zoll: