Lore-Roman 145 - Ursula Freifrau von Esch - E-Book

Lore-Roman 145 E-Book

Ursula Freifrau von Esch

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Beschreibung

Er hat alles verloren, was sein Leben ausmacht, und dabei das Lächeln verlernt. Sie strahlt auf madonnenhafte Weise, obwohl sie weiß, dass sie ihr Leben verlieren wird. Eine langjährige Freundschaft verbindet den jungen Fürsten Ruprecht von Waldhausen, der noch immer um seine verstorbene Verlobte trauert, mit der todkranken Maria Baroness von Fehlhorn, die ihn schon lange heimlich liebt. Und diese tiefe Liebe ist es, die Maria einen folgenschweren Entschluss fassen lässt ...


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Inhalt

Cover

Maria und der Fürst ohne Lächeln

Vorschau

Impressum

Maria und der Fürst ohne Lächeln

Roman um eine ungewöhnliche Ehe

Von Ursula Freifrau von Esch

Er hat alles verloren, was sein Leben ausmacht, und dabei das Lächeln verlernt. Sie strahlt auf madonnenhafte Weise, obwohl sie weiß, dass sie ihr Leben verlieren wird. Eine langjährige Freundschaft verbindet den jungen Fürsten Ruprecht von Waldhausen, der noch immer um seine verstorbene Verlobte trauert, mit der todkranken Maria Baroness von Fehlhorn, die ihn schon lange heimlich liebt.

Und diese tiefe Liebe ist es, die Maria einen folgenschweren Entschluss fassen lässt ...

Wie jeden Herbst traf sich die Crème de la crème zur Hubertusjagd des Reichsgrafen Friedrich Seymar. Wenn man dieses gesellschaftliche Ereignis versäumte, gehörte man entweder nicht zu den Auserwählten des Schicksals — oder man war todkrank. Nicht einmal ein finanzieller Ruin war Grund, die Jagd zu versäumen.

Der alte Graf Friedrich hatte mit seinen achtzig Jahren längst alle Würden und Ämter seinem ältesten Sohn übergeben. Nur das Recht, die Gäste zur Hubertusjagd zu begrüßen, hatte er sich vorbehalten.

»Und um dieses Vergnügen werde ich mich auch nicht bringen lassen!«, erklärte er bei seiner launigen Begrüßungsansprache. »Solange noch ein Atemzug in mir ist, werde ich die schönen und charmanten Damen selbst begrüßen, die unserem Schloss zu diesem Ereignis festlichen Glanz verleihen. Ich werde also auch morgen den Bügeltrunk ausschenken und den Gewinner am Abend hochleben lassen. Auch wenn manche der Damen vielleicht im Falle eines Sieges lieber von einem jüngeren Herrn geküsst würde — ob ihr es glaubt oder nicht — ich genieße es immer noch!«

Man lachte und klatschte, und der alte Graf hob den Champagnerkelch und trank auf das Gelingen der morgigen Jagd.

»Moment, ich habe noch etwas zu sagen!«, rief er lachend, als die Gäste sich nunmehr dem Dessert zuwenden wollten.

»Gott sei Dank«, seufzte eine voluminöse Dame, auf deren gewaltigem Busen ein prächtiges Collier wie in einer Schaufensterauslage sich ausnahm. »Vielleicht finde ich dann in meinem Magen noch ein kleines Plätzchen für diese köstliche Mousse au Chocolat!«

Graf Seymar wartete, bis das allgemeine Gelächter und die zustimmenden Rufe sich gelegt hatten, dann begann er erneut.

»Wie es sich gehört, habe ich zu Beginn diejenigen Freunde begrüßt, die nicht nur ihre Familie, sondern auch das Alter zu den würdigsten unserer Gäste macht. Nun aber möchte ich es mir doch nicht nehmen lassen, die beiden Glücklichsten zu begrüßen. Jawohl, die Glücklichsten und Verliebtesten, wenn man von einigen turtelnden Taubenpaaren draußen im Schlosshof absieht. Meinen lieben Neffen und Nachbarn Ruprecht Waldhausen und seine bezaubernde Verlobte. Wir freuen uns alle sehr, wenn sie nun gleichfalls bald zu unserer näheren Nachbarschaft gehört! Die schönste Prinzessin Europas: Gunhild Rottau!«

Schon als Seymar von dem verliebten Paar sprach, hatten sich alle Augen lächelnd dem Brautpaar zugewandt. Sicher, manche der jungen Damen waren nicht ganz neidlos — eine Partie wie den Fürsten Ruprecht von Waldhausen gab es nicht oft —, aber andererseits war es auch gut, wenn Gunhild »aus dem Verkehr gezogen war«. Denn welches Mädchen konnte neben ihr bestehen, mochte es noch so hübsch, lieb, klug, tüchtig, vornehm und was auch immer sein. Gunhild mit ihrem sprichwörtlichen Charme stach, ohne es darauf anzulegen, eine jede aus. Besser, sie war verheiratet und damit weg vom Fenster ...

Unter den jungen Damen war manche, die schöner war als die Prinzessin Rottau — zum Beispiel die bezaubernde Maria Baroness Fehlhorn mit ihren lieblichen, madonnenhaft klassischen Zügen —, doch neben der rassigen, schwarzhaarigen Gunhild verblassten sie alle wie Sterne neben der Sonne. Wer besaß ihren Witz? Ihr Temperament? Wer ritt aber auch so vorzüglich und machte bei den Herbsttreibjagden so oft erfolgreich den Herren den Titel eines Schützenkönigs streitig?

Man muss auch erwähnen, dass auch Fürst Ruprecht, ganz abgesehen von seinem goldenen, kronengeschmückten Hintergrund, ein Mann war, wie ihn Frauen sich wünschen: hochgewachsen, schlank und elegant, mit dunklem Haar und braunen Augen war er das Idealbild des Aristokraten.

Diese beiden begrüßte der Gastgeber nun nochmals besonders herzlich und leerte auf das Glück des jungen Paares sein Glas.

»Es war wirklich liebenswürdig von euch«, schloss er seine Tischrede, »dass ihr eure Hochzeit vier Wochen nach unserer Hubertusjagd legtet. Denn obgleich wir Seymars uns etwas auf dieses Fest einbilden, ist es uns klar, dass eure Hochzeit noch um einiges aufregender und prachtvoller wird. Und das sei euch auch gegönnt! Schon deshalb, weil ihr ja nur einmal heiratet, während unsere Jagd alle Jahre wiederkommt!«

Beifall belohnte den alten Herrn, Ruprecht bedankte sich extra, und Gunhild sprang auf, lief von ihrem Platz auf der anderen Seite der hufeisenförmigen Tafel zu dem alten Grafen und küsste ihn herzlich rechts und links auf die Wangen, was er sich nur zu gern gefallen ließ.

Die anwesenden Gäste widmeten sich nun der Mousse au Chocolat, den Überlegungen bezüglich der Reitjagd am nächsten Morgen, und nicht wenige von ihnen auch der bevorstehenden Hochzeit auf Schloss Waldhausen, zu der sie samt und sonders geladen worden waren.

Besonders Maria Fehlhorns Gedanken schweiften zur Vermählung des großen Nachbarn. Es gab sehr viele Gründe, weshalb es ihr schwerfiel, sich über diese Heirat zu freuen.

Nein, sie war nicht neidisch!, sagte sie sich immer wieder und ließ dieser Feststellung einen tiefen Seufzer folgen. Trotzdem war es nicht leicht, zuschauen zu müssen ...

Sie hatte den um zwölf Jahre älteren Fürsten schon bewundert, seit sie sich zum ersten Mal getroffen hatten. Das war auf einem Kindergeburtstag gewesen, bei dem der damals sechzehnjährige Erbprinz Ruprecht die kleine, vierjährige Baroness Maria getröstet hatte, als ihre Tischnachbarin, die sechsjährige Komtess Westphal, ihr aus Bosheit die Schokolade über das weiße Kleidchen gegossen hatte.

Bestimmt erinnerte er sich nicht mehr daran! Und auch nicht an die vielen anderen Gelegenheiten, bei denen sie sich getroffen hatten, und er aufmerksam und liebenswürdig zu dem Mädchen war, das weder was Stand, noch was Vermögen anging, mithalten konnte.

Nicht zu Unrecht vermutete Maria, dass sie die heutige Einladung dem jungen Fürsten zu verdanken hatten, der ihrem Vater und auch ihr zwei seiner eigenen Reitpferde für die morgige Jagd zur Verfügung gestellt hatte. Denn sie selbst konnten sich bereits seit Jahren keinen Luxus mehr leisten.

Und wenn es Maria nicht um die Möglichkeit gegangen wäre, Ruprecht zu begegnen und vielleicht ein paar Worte mit ihm zu wechseln, ach ja, und auch, um seine wunderschöne Braut von der Nähe zu sehen, dann hätte sie bestimmt abgesagt. Unter irgendeinem Vorwand — denn sie hatte nichts anzuziehen. Nichts Neues jedenfalls. Und auch der Smoking ihres lieben Vaters war alles andere als neu. Aber er hatte sich so gefreut ...

Bei der Erinnerung, wie er über die Einladung gestrahlt hatte, kamen Maria beinahe die Tränen. Denn wer lud sie schon noch ein, wo sie sich nicht revanchieren konnten?

Sie hörte nicht, wie ihr Tischnachbar das Wort an sie richtete und bemerkte auch nicht, wie er sich schulterzuckend abwandte, als sie nicht reagierte. Sie dachte daran, was für eine große Hochzeit auf Waldhausen gefeiert werden würde!

Erst der Polterabend mit großem Diner und Tanz. Am folgenden Tag die standesamtliche Trauung mit anschließendem Empfang und warmem Büfett. Hierzu waren sämtliche Honoratioren der Umgebung geladen. Schließlich am dritten Tag die kirchliche Trauung in der Schlosskirche von Waldhausen, dann ein Essen für nicht weniger als zweihundert Personen und am Abend der Ball.

Wenn sie an all den Festlichkeiten teilnehmen wollte, brauchte sie zumindest zwei große Abendkleider und zwei elegante Nachmittagsensembles. Und sie besaß nur ein Abendkleid, das alles andere als neu war. Sie hatte es jetzt an und würde es morgen, nach der Jagd, wieder anziehen müssen — es sei denn, sie drückte sich mit einer Ausrede. Aber dann war Papa wieder enttäuscht ...

Doch nochmals in demselben Kleid kommen, nein, nie und nimmer! Ihr klang noch die spöttische Begrüßung von Komtess Sigrid Westphal in den Ohren.

»Ach, du hast wieder das hübsche Kleidchen vom letzten Jahr an. Ich täusche mich wohl nicht, dass du es schon bei unserem Tanzstundenabschlussball getragen hast, nicht wahr? Fantastisch, wie du das schaffst! Aber du bleibst ja auch immer gleich dünn!«

Die Umstehenden hatten gelacht, vielleicht hatte der eine oder andere Mitleid gespürt und war über die Taktlosigkeit der jungen Komtess entsetzt gewesen, aber ihre Partei hatte niemand ergriffen. Nur die wunderschöne, hochelegante Gunhild Rottau. Zufällig hatte sie die Bemerkung Sigrids mitbekommen, war neben die verlegene Maria getreten und hatte ihr freundschaftlich den Arm um die Schultern gelegt.

»Gelt, da bist du neidisch Sigrid, dass unsere Maria mit ihrer aristokratischen Erscheinung nicht deinen ständigen Kampf mit den Pfunden zu führen hat? Du kommst garantiert nicht mehr in dein Tanzstundenkleid hinein!«

Wieder lachten alle, aber dieses Mal schadenfroh und nicht über Maria. Sie hatte Gunhild dankbar angesehen und wollte etwas sagen, doch die Prinzessin ließ sie nicht zu Wort kommen.

»Komm mit, Ruprecht begrüßen! Er hat mir schon so viel von dir erzählt«, sagte sie und zog Maria mit sich fort.

»Die Fehlhorns sind unsere ältesten und nettesten Nachbarn«, sagte er. War nicht schon ein Fehlhorn dort angesiedelt, als die Waldhausens erst das Lehen vom Kaiser bekamen?«

»Ich — ich glaube«, murmelte Maria.

Als sie aus Hörweite der Gruppe um Sigrid Westphal waren, drückte Gunhild aufmunternd ihren Arm.

»Mach dir nichts daraus! Die sind nur dumm und eifersüchtig! Ich kenne das. Und dein Kleid ist um einiges geschmackvoller als die meisten hier. Übrigens, eine Frage, ich habe ein paar Sachen, die ich nicht mehr tragen werde, wenn ich erst verheiratet bin, willst du sie dir ansehen, vielleicht kannst du das eine oder andere umarbeiten? Du bist doch nicht beleidigt, wenn ich das frage?«

»Nein«, sagte Maria, mehr erlaubte der Kloß in ihrer Kehle nicht.

»Willst du allein hier sitzen bleiben?«, fragte spöttisch die Stimme ihres Tischherrn, und sie schrak auf, als er an ihrem Stuhl rückte.

»Oh, ich — Entschuldigung — ich habe nicht bemerkt ...«

»Ich habe bemerkt, dass du nicht bemerkt hast!«, war die herablassende Erwiderung. »Aber erzähle nicht, ich hätte mich nicht bemüht, mit dir Konversation zu machen!«

In den verschiedenen Salons wurde Kognak und Mokka gereicht, dann verabschiedeten sich die Gäste, die in der Nähe wohnten, die anderen wurden im Schloss und in den Kavaliershäusern untergebracht. Man ging allgemein früh zu Bett, um für den anstrengenden, morgigen Tag ausgeruht zu sein.

»Diese Maria Fehlhorn«, sagte Graf Ingolf Burgau zu Gunhild und Ruprecht, während er seinen Kognak schlürfte, »ist das langweiligste Mädchen, das ich in meinem ganzen Leben getroffen habe. Dabei war ich anfangs ganz angetan, sie zur Tischdame zu haben, denn sie sieht blendend aus ...«

Die beiden wechselten einen Blick und Gunhild, der noch Sigrids Bemerkung in den Ohren klang, wies den Grafen hochmütig zurecht.

»Mit dir als Tischherrn wäre ich wahrscheinlich auch schweigsam gewesen! Hast du dir überlegt, ob es vielleicht an den Themen gelegen hat, die du angeschlagen hast, die sie einschläferten oder verstummen ließen?«

Ingolf schluckte und Ruprecht, der sich über das schlagfertige Mundwerk seiner Verlobten amüsierte, meinte: »Ich kenne die kleine Fehlhorn eigentlich als recht liebes und gebildetes Mädchen!«

»Was du nicht sagst«, brummte Ingolf. »Aber das ,lieb' nehme ich dir sofort ab!«

Gunhild platzte heraus.

»Ruprecht, Liebling! Du bist einmalig, wie du dich ausdrückst. Das ist ja schlimmer, als wenn du etwas Böses über die arme Maria sagen würdest.«

Er schaute ihr verliebt in die Augen.

»Das wollte ich ganz bestimmt nicht, mein Schatz. Schließlich hast du sie unter deine Fittiche genommen. Aber ich vergleiche eben alle Mädchen und Frauen mit dir und das Ergebnis ...«

»Pst!«, unterbrach sie ihn und küsste ihn auf den Mund, »sage lieber nichts, bevor du es noch schlimmer machst!«

***

Morgens um acht Uhr war das allgemeine Frühstück für die Teilnehmer und Zuschauer der Reitjagd. Es handelte sich um eine sehr reichhaltige Mahlzeit im englischen Stil, denn vor Ende der Jagd war nichts mehr zu erwarten. Es ging laut und lustig her, die Gäste waren übermütig und aufgekratzt, wie immer bei einem sportlichen Ereignis, an welchem man selbst teilnimmt.

Wie jedes Jahr waren die Preise im kleinen, blauen Salon, der sich neben dem großen Speisesaal befand, ausgestellt. Und wie jedes Jahr hatten sich die Seymars etwas Besonderes einfallen lassen.

Der erfolgreichste Herr wurde mit einem Paar klassisch schöner Manschettenknöpfe bedacht, die erfolgreichste Dame mit einer bildschönen Goldbrosche in Gestalt eines galoppierenden Pferdes.

Als Trostpreis war für den erfolglosesten Herren eine Flasche erstklassigen französischen Kognaks bestimmt, für die entsprechende Dame zwei sehr gute Plätze im Nationaltheater zu der vielgerühmten Inszenierung von Hindemiths Oper »Cardillac« von Ponelle.

Unter den Teilnehmern waren auch einige alte Herrschaften, die es sich zwar nicht nehmen ließen, hoch zu Ross zu erscheinen und mitzureiten, für die aber die Seymars eine Möglichkeit vorgesehen hatten, die verschiedenen Hindernisse zu umgehen. Die Gastgeber waren stolz darauf, dass in der langen Reihe ihrer Hubertusjagden es noch nie zu einem schweren Unfall gekommen war, und sie legten größten Wert darauf, dass es so blieb.

Die Gäste saßen noch am Frühstückstisch, als der Klang von Jagdhörnern mahnte, dass es an der Zeit war, aufzubrechen. Im Schlosshof hatte sich die Bläsergruppe der gräflichen Jäger aufgestellt, um die Jagd anzublasen. Es war ein schönes Bild, wie nun die in rote Röcke gekleideten Herrenreiter, die Damen in schwarzem Jackett zu weißen Hosen mit kleidsamem kleinem Zylinder das Schloss verließen und sich im Hof versammelten. Einige der älteren Damen erschienen sogar im Reitkleid. Sie nahmen an der Jagd im Damensattel teil, was stets besondere Bewunderung erregte, da es nicht nur ungewöhnlich, sondern auch schwieriger ist.

Auch Maria Fehlhorn wurde von der allgemeinen Heiterkeit und dem Jagdfieber erfasst. Ihre anfangs gedrückte Stimmung war gewichen, besonders wenn sie sah, wie ihr Vater und Bruder mit den übrigen Gästen lachten und scherzten und in welch' ausgezeichneter Stimmung sie sich befanden. Ihr Vater sah blendend aus in seinem alten, verblichenen Jagdrock, fand Maria. Keiner wirkte eleganter und vornehmer als er. Und er war ein so ausgezeichneter Reiter, auch wenn er so gut wie keine Gelegenheit hatte, den früher von ihm so geliebten Sport auszuüben.

Und Axel, ihr kleiner, um zwei Jahre jüngerer Bruder — wie hübsch er aussah in dem von Ruprecht Waldhausen ererbten roten Frack! Auch er saß gut zu Pferde!

Der junge Baron merkte, dass seine Schwester zu ihm herüberschaute. Er hob die Hand und winkte ihr zu, und sie winkte lächelnd zurück. Trotz allem war es eine Freude, dabei zu sein.

Und Axel, er war ein so gut aussehender, charmanter und kluger junger Mann, vielleicht verliebte er sich einmal in ein reiches Mädchen, dann konnte alles noch gut werden und das Schlimmste, der Verkauf des verschuldeten Betriebes, abgewendet werden.

Ja, an so einem Tag war man einfach optimistisch, selbst wenn das Wetter nicht mitspielte. Das war natürlich schade! Eigentlich hätte man unter tiefblauem Herbsthimmel durch die bunten Wälder galoppieren sollen, stattdessen lag dicker Nebel über den Feldern.

Nachdem alle Teilnehmer sich in den Sattel geschwungen hatten oder von den Stallburschen gehoben worden waren, dies traf für die alten Damen im Reitkleid zu, ging der alte Graf Seymar, gefolgt von zwei livrierten Dienern, von einem der Teilnehmer zum anderen und reichte ihnen den Bügeltrunk. Auf den großen Silbertabletts, welche die Diener trugen, stand für jeden ein Stamperl scharfen, wärmenden Kräuterschnapses bereit.

»Mut soll er euch dieses Mal nicht machen«, warnte der alte Herr bei jedem seiner Gäste. »Es ist so verd ... neblig. Der Nebel soll sich zwar im Laufe des Vormittags heben, aber man weiß ja, was man von den Vorhersagen halten darf. Seid vorsichtig! Ich habe dem Fuchs befohlen, die Sache langsam anzugehen. Lasst euch nicht durch die Meute verführen!«

Man versprach dem besorgten alten Herrn, sehr vorsichtig zu sein. Schließlich wollten alle mit ungebrochenen Gliedern am abendlichen Fest teilnehmen.

Nun war es so weit, im Schritt verließen die Reiter den Schlosshof, um sich auf freiem Feld hinter die ungeduldig sie erwartende Meute zu setzen.

Ruprecht von Waldhausen ritt auch dieses Jahr wieder den großen Fuchswallach Hektor. Das Pferd war mit seinen vierzehn Jahren nicht mehr das jüngste, aber durch sein hundertprozentig zuverlässiges Temperament hervorragend für Jagden dieser Art geeignet. Da konnten zehn Hasen vor Hektor aufstehen — er galoppierte unentwegt und ruhig weiter in schönen, weitausgreifenden Sprüngen. Er war völlig trittsicher, scheute auch nicht, wenn der Wind etwas über das Feld trieb. Und wenn die Pferde aller anderen Teilnehmer aus irgendwelchen Gründen verrücktspielten, ausbrachen und stiegen, so gehorchte Hektor seinem Herrn weiterhin auf die leiseste Hilfe, und seine Ruhe übertrug sich auf die anderen Tiere.

Nicht zuletzt aus diesem Grund hatte sich Ruprecht entschlossen, den Fuchs zu reiten. Er hatte nämlich Gunhild vor einigen Monaten — eines der vielen großzügigen und luxuriösen Geschenke zur offiziellen Verlobung — mit einer traumhaft schönen Rappstute überrascht. Er hatte dem Tier nicht widerstehen können, da er fand, es erinnere in seiner Art an Gunhild. Es war ein sehr temperamentvolles, hochgezüchtetes und sensibles Vollblut von makelloser Schönheit, dabei gutmütig und sanft.

Die großen, dunklen Augen waren aufmerksam und klug, der Kopf fein und edel, die schlanken, nervigen Beine verrieten Zähigkeit ebenso wie Schnelligkeit. Mähne und Schweif waren lang, dicht und seidig — eine Seltenheit bei Vollblütern. Im Falle von Gunhilds Stute deutete es auf den starken arabischen Einschlag hin. Je höher dieser ist, umso wertvoller ist das Pferd.

Gunhild war hingerissen von dem Geschenk, denn sie war eine leidenschaftliche Pferdeliebhaberin und Reiterin. Die Prinzessin hatte Diamant, so hieß die Stute, oft und regelmäßig geritten und es hatte nie irgendwelche Schwierigkeiten gegeben. Auch nicht im Gelände bei kleineren Jagden. Und so hatte sie zum Kummer Ruprechts auch darauf bestanden, Diamant heute zu reiten. Daraufhin verzichtete er, den siebenjährigen Halbbruder Diamants zu reiten, einen prächtigen Falben, den er vor zwei Jahren als Zuchthengst gekauft hatte. Da er jedoch so hervorragende Eigenschaften als Reitpferd hatte, beschloss der Fürst, ihn erst einmal auf diesem Gebiet auszunützen, bevor er ihn zur Zucht abstellte, da ein Zuchthengst im Allgemeinen als Reittier ungeeignet ist.

Weder Gunhild noch ihre Stute vermochten dem Geläut der Meute zu widerstehen und setzten sich sehr bald an die Spitze der Reiter. Ruprecht sah es mit Besorgnis, und ein leichter Schenkeldruck veranlasste Hektor, aufzuholen.

»Gunhild!«, rief der Fürst. »Würdest du mir nicht den Gefallen tun?«

Sie wandte ihm ihr strahlendes, schönes Gesicht zu und lachte.

»Diamant und ich mögen nicht! Du siehst doch, wie wunderbar sie geht — und ganz ruhig und gleichmäßig. Bestimmt ist das besser, als wenn ich im Pulk reite.«

»Trotzdem! Der Nebel!«, wandte der Fürst ein.

Aber Gunhild wollte nicht auf ihn hören.

»Du gönnst mir nur die hübsche Brosche nicht!«, rief sie scherzend.

»Ich schenke dir eine weit schönere!«, versprach er.

Sie schüttelte lachend den Kopf. Vor ihnen tauchte ein Hindernis auf, eine niedrige Hecke.

»Hohopp!«, feuerte Gunhild ihre Stute an, und die hob sich so leicht vom Boden, als hätte sie Flügel und setzte ebenso schwerelos wieder auf. Sie war ein Traumpferd.

Gunhild lachte ihrem Verlobten zu, und er erwiderte ihr Lachen und nickte anerkennend. Bestimmt machte er sich ganz unbegründete Sorgen.