Lore-Roman 158 - Ina Ritter - E-Book

Lore-Roman 158 E-Book

Ina Ritter

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Beschreibung

Dr. Christian Kronenberg ist ein intelligenter junger Mann, der seine ganze Energie in die medizinische Forschungsarbeit steckt. Der Weg zu einer steilen Karriere steht ihm offen.
Doch dann lässt sich Christian von seinem Professor überreden, für einen Abend einmal die Arbeit zu vergessen und auf den Faschingsball der Universität zu gehen. Und da blicken ihn plötzlich inmitten der ausgelassenen Menschenmenge diese vor Lebensfreude strahlenden Augen an, da ist dieses bezaubernde Lächeln - dieses faszinierende Mädchen, in das sich Christian auf den ersten Blick verliebt.
Aber wie aus heiterem Himmel fällt das fremde Mädchen plötzlich mitten auf der Tanzfläche in eine tiefe Ohnmacht. In dieser Sekunde nimmt das Schicksal des jungen Arztes seine entscheidende Wende ...


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Inhalt

Cover

Einmal noch dein Lächeln sehen

Vorschau

Impressum

Einmal noch dein Lächeln sehen

Ein junger Arzt verliebt sich in ein todkrankes Mädchen

Von Ina Ritter

Dr. Christian Kronenberg ist ein intelligenter junger Mann, der seine ganze Energie in die medizinische Forschungsarbeit steckt. Der Weg zu einer steilen Karriere steht ihm offen.

Doch dann lässt sich Christian von seinem Professor überreden, für einen Abend einmal die Arbeit zu vergessen und auf den Faschingsball der Universität zu gehen. Und da blicken ihn plötzlich inmitten der ausgelassenen Menschenmenge diese vor Lebensfreude strahlenden Augen an, da ist dieses bezaubernde Lächeln – dieses faszinierende Mädchen, in das sich Christian auf den ersten Blick verliebt.

Aber wie aus heiterem Himmel fällt das fremde Mädchen plötzlich mitten auf der Tanzfläche in eine tiefe Ohnmacht. In dieser Sekunde nimmt das Schicksal des jungen Arztes seine entscheidende Wende ...

»Die Post, Herbert.« Irmgard Gildemeister störte ihren Mann nicht gern bei der Arbeit. »Ein Brief von der Bank«, erzählte sie. »Was mögen die von uns wollen, Herbert?«

»Gib her, dann weißt du es gleich.« Der Mann, der an seinem Schreibtisch saß, war keineswegs ärgerlich über die Unterbrechung. »Heute läuft die verdammte Schreiberei nicht so wie sonst«, knurrte er, während er nach dem Brieföffner suchte. »Dann eben nicht.« Er gab die Sucherei auf und öffnete den Umschlag einfach durch Aufreißen.

Irmgard trat hinter ihn und las über seine Schulter hinweg mit.

»Unser Haus ist ...?«, sagte sie leise und tief bewegt.

»Irmgard, wir haben es geschafft!« Herbert Gildemeister, lang und dünn, stand auf und nahm seine Frau in den Arm. »Unser Haus ist schuldenfrei! Es gehört endlich uns! Ach, Mädchen ...«

»Das haben wir uns ja immer gewünscht ... Keine Sorgen mehr zu haben ... Eigentlich sind wir zu beneiden, Herbert. Wir haben es weit gebracht. Ich meine, du hast es weit gebracht«, verbesserte sie sich sofort bescheiden.

»Sag ruhig ›wir‹. Ohne deine Hilfe und deinen Zuspruch wäre ich nicht so weit gekommen. Du hast mir immer wieder Mut gemacht, wenn ich glaubte, es ginge nicht weiter.«

»Dann müssten wir eigentlich heute Abend den Sekt trinken, der von Silvester übriggeblieben ist. Das Mietshaus gehört uns schon, und jetzt auch dieses Haus ...«

»Da kann ich ja mal ganz beruhigt sterben und eine lustige Witwe hinterlassen«, meinte Herbert Gildemeister schmunzelnd. »Du wirst dann dein gutes Auskommen haben und eine Frau sein, um die sich alle vernünftigen Männer reißen werden.«

»Herbert, mit so etwas treibt man keine Scherze«, stieß Irmgard heftig hervor.

Er lachte. »Was soll uns schon passieren? Wir sind alle gesund, es ist immer nur aufwärts gegangen, und so lange unsere Verleger meine Romane noch haben wollen ...«

»Daran wird sich nie etwas ändern«, behauptete seine Frau im Brustton der Überzeugung. »Ich staune manchmal, wie du es schaffst, dass dir immer wieder etwas Neues einfällt.«

»Du bist eben mit einem kleinen Genie verheiratet, Weib. Traurig, dass ich dir das sagen muss. Hättest auch von selbst darauf kommen können. Wollen wir heute Abend groß ausgehen?«

»Wenn du willst ...«

»Du möchtest lieber zu Hause bleiben, gut, wie das Schicksal so spielt, ich nämlich auch. In meinen eigenen vier Wänden fühle ich mich halt am wohlsten. Mal sollte ich es vielleicht sagen: Das verdanke ich meiner vortrefflichen Frau.«

»Mach mich nicht verlegen, Herbert.«

»Ist auch nicht meine Absicht. Man sollte so etwas ruhig öfter einmal sagen, aber weißt du, wenn man derartige Sachen täglich schreibt und ... man bekommt sie im wirklichen Leben einfach nicht mehr über die Lippen. Aber du weißt auch so, was ich von dir halte.« Er gab ihr einen liebevollen Klaps. »Und jetzt gehe ich raus.«

»Wohin?«, fragte Irmgard. »Es kann jeden Augenblick anfangen zu schneien.«

»Nur einen Schritt vor die Haustür, und dann spucke ich auf den Boden, das habe ich mir vorgenommen. Wenn der Grund und Boden einmal mir gehört und nicht irgendeiner Bank, dann werde ich darauf spucken und sagen: Nun bist du mein!«

»Dummkopf«, sagte seine Frau liebevoll.

»Du verstehst das vielleicht nicht so. Wir haben nie etwas Eigenes gehabt in unserer Familie. Wir waren immer kleine, arme Leute. Und jetzt gehört uns das Mietshaus und dieser alte Schuppen.«

Es war ein altes Haus, das stimmte, aber im Laufe der letzten zehn Jahre hatte Herbert ständig renoviert und umgebaut, bis es schließlich zu einem Traumhaus geworden war.

»Wir müssen jetzt nur noch gesund bleiben«, meinte Irmgard.

»Wir werden nicht krank. Wir haben gar keine Zeit, krank zu sein. Uns bezahlt niemand den Arbeitsausfall. Solange wir verheiratet sind, habe ich noch keinen Tag krank im Bett gelegen, so schlecht es mir auch manchmal ging.«

»Ja, aber trotzdem ... Wir müssten eigentlich in eine private Krankenversicherung eintreten.«

»Eigentlich ja, obwohl die Prämien für uns sehr hoch sein werden. Wir sind nicht mehr die Jüngsten, das schlägt sich dann zu Buche. Wenn ich mir ausrechne, was wir in den Jahren an Prämien gespart haben ... Ist schon fast der halbe Kaufpreis für dieses Haus.«

»Wir werden älter und eines Tages vielleicht auch krank. Davor habe ich eigentlich ein bisschen Angst, Herbert. Krankheit kann sehr teuer werden. Wer versichert ist, braucht sich nicht darum zu kümmern, aber wenn man alles selbst bezahlen muss ... Und jetzt, wo die Hypothekenzinsen fortfallen ...«

»Ich werde deinen Vorschlag wohlwollend in Erwägung ziehen. Jetzt können wir uns eine Versicherung leisten. Irgendwann rufe ich mal einen Versicherungsvertreter an und lasse mir Vorschläge machen. Wann kommt Stefanie heute nach Hause, weißt du das?«

»Zum Mittagessen wird sie da sein. Dass sie so etwas Verrücktes studieren muss ...«

»Hast du dich immer noch nicht damit abgefunden?«, fragte Herbert Gildemeister schmunzelnd. »Ich finde es sehr vernünftig, dass sie sich für Sinologie entschieden hat. Stell dir vor, sie hätte Lehrerin werden wollen. Dann stände sie jetzt auf der Straße.«

»Sinologie ... Wer weiß überhaupt, was das ist?«

»Die, die Steffies Kenntnisse einmal brauchen«, erwiderte der Mann prompt. »Die Hälfte der Menschheit spricht chinesisch, Irmgard. Was für ein riesiger Markt wartet darauf, von uns erschlossen zu werde. Und wer hier in Europa kann chinesisch, wer kennt sich in chinesischer Kultur und Denkweise aus? Eine Handvoll Menschen. Und die wird man einmal mit Gold aufwiegen.«

»Ihr und euer Optimismus ... Wenn sie nun ihren Doktortitel hat, dann ...«

»... macht sie erst einmal ein Vierteljahr Urlaub, bevor sie sich um eine Stellung bemüht«, nahm ihr Herbert das Wort aus dem Mund. »Sie hat so fleißig studiert.«

»Ja. Das muss man ihr lassen, fleißig war sie. Aber dass jemand Chinesisch lernt ...«

»Das haben wir nun schon oft genug besprochen.« Der Mann legte einen Arm um Irmgards Schultern. »Mach dir um Stefanie keine Sorgen, sie weiß, was sie will. Was gibt es denn heute zu essen?«

»Eigentlich wollte ich die Erbsensuppe aufwärmen. Aber ... ich kaufe rasch noch Fleisch und mache uns etwas Besseres. Denn, wie mein kluger Mann bereits richtig bemerkte, heute ist für die Familie Gildemeister ein großer Tag.«

Herbert Gildemeister gehörte zu den glücklichen Menschen, die stets das Positive an einer Sache sehen. Er folgte seiner Frau ins Freie und blieb auf dem Weg stehen. Dann drehte er sich langsam um. Ein ganz eigenes Leuchten lag auf seinem Gesicht, als er sein Haus anschaute. Und dann spuckte er tatsächlich auf den Boden, der jetzt ihm gehörte.

Anschließend eilte er ins Haus zurück, denn es war empfindlich kalt, obwohl die Sonne schien. Aber an solch einem Tag wie heute musste die Sonne auch einfach scheinen. Herbert ging in sein Arbeitszimmer, setzte sich an seinen Schreibtisch, aber ihm fehlte einfach die Lust zum Schreiben.

***

Stefanie Gildemeister strahlte, als sie ihr Elternhaus betrat, aber wann strahlte sie einmal nicht? Ihr ging es gut, und das wusste sie auch zu schätzen.

»Hallo, Wirtschaft!«, rief sie in die Stille des Hauses hinein. Sie wunderte sich flüchtig, dass die Schreibmaschine ihres Vaters nicht klapperte.

»Bist du schon da?«, fragte Irmgard Gildemeister.

»Nein«, erwiderte Stefanie und machte prompt ein ernsthaftes Gesicht. »Ich komme erst in fünf Minuten. Weißt du, ich hatte einfach keine Lust mehr zu arbeiten. In der Bibliothek war heute ein Blödmann, der seinen Mund nicht halten konnte. Dabei hängen überall Schilder, dass Reden verboten ist. Schließlich habe ich vorgezogen, das Weite zu suchen.«

»Schön. Ich meine, dass du schon da bist. In einer halben Stunde gibt es Essen. Vater hat heute einen Brief von der Bank bekommen, unser Haus ist schuldenfrei. Wir brauchen nichts mehr abzubezahlen.«

»Fein. Ich hatte immer ein schlechtes Gewissen, euch auf der Tasche zu liegen. Und sogar jetzt noch, wo ich mein Examen habe.«

»Dafür arbeitest du an deiner Doktorarbeit, und die schreibt man nicht nebenbei mit der linken Hand. Hast du heute etwas geschafft?«

»Ging so. Ich sagte schon, dieser Blödmann hat mich gestört. Wollte mir unbedingt erzählen, dass ich der Traum seiner schlaflosen Nächte bin. Und selbst mein Hinweis, dass ich mich in festen Händen befinde, hat ihn nicht abgehalten, mir sein übervolles Herz auszuschütten. Ich solle Edwin sausen lassen und lieber ihn nehmen, hat er mir doch allen Ernstes vorgeschlagen.«

»Auch ein Student?«

»Nee, ein junger Dozent, hoffnungsvoller wissenschaftlicher Nachwuchs. Soweit ein ganz netter Kerl, bloß seine idiotische Verliebtheit ...«

»Davor ist auch ein vernünftiger Mann nicht gefeit. Abgesehen davon kann ich verstehen, dass sich ein Mann in dich verliebt.«

»Danke, liebe Mutter, so etwas hört man gern. Noch zwei Monate, dann werde ich meine Arbeit wohl fertig haben und endlich anfangen, Geld zu verdienen.«

»Nein, erst einmal sollst du noch Urlaub machen. Irgendeine große, schöne Reise. Vielleicht sogar nach ...«

»Nein, Mutsch!« Stefanie nahm ihre Mutter in den Arm. »Doch nicht etwa nach China? Also das wäre ja irre!«

»Pst, pst, dein Vater weiß es noch nicht. Er wollte unnötig Geld für mich ausgeben, aber ich möchte, dass du es für deine große Reise bekommst. Dann lernst du endlich einmal die Menschen kennen, mit denen du dich jetzt in deinen Büchern beschäftigst.«

»Entschuldige, viele Universitätslehrer sind Chinesen, so echt, wie sie nur sein können. Dass ich tatsächlich nach China komme ... Und worauf willst du deshalb verzichten?«

»Reden wir nicht davon. Hast du ordentlich Hunger?«

»Ja. Was wollte Vati dir spendieren?«, hakte Stefanie nach.

»Nichts Wichtiges.«

»Einen Nerz«, meldete sich Herbert Gildemeister, als er jetzt aus der Küche in die Diele trat. »Und was muss ich da hören, Irmgard?«

»Ein Nerz macht alt. Kannst ihn mir zur goldenen Hochzeit schenken«, schlug seine Frau vor. »Die Chinareise ist für Stefanie viel wichtiger. Ich weiß, wie sehr sie sich die Reise schon immer gewünscht hat, und jetzt, wo es endlich möglich ist, dass Touristen ins Land dürfen ...«

»Mutter, Mutter«, äußerte der Mann und tat, als seufzte er. »Ich weiß doch, wieviel dir an dem Nerz liegt.«

»Du weißt gar nichts. Nur in deinen Romanen bist du immer so klug, aber sonst verstehst du nicht viel von Frauen.«

»Willst du nicht protestieren, Stefanie?«, fragte der Schriftsteller mit gespielter Empörung.

»Du bist der beste und liebste Vater der Welt, auf Wunsch gebe ich dir das auch schriftlich«, lachte Stefanie. »Aber Scherz beiseite, ich meine es ernst. Was ihr alles für mich getan habt ... So richtig nach Strich und Faden verwöhnt. Und ich undankbares Balg habe das gar nicht gemerkt und für selbstverständlich hingenommen.«

»Du warst nie undankbar, im Gegenteil, wir könnten uns keine bessere Tochter wünschen. Und nun genug der gegenseitigen Komplimente, Mutter soll sich lieber ums Essen kümmern. Es gibt heute ein Festmenü. Und du kommst mit deiner Doktorarbeit also gut voran?«

»Ja. Ich will dich ja nicht enttäuschen. Fräulein Doktor Gildemeister. Klingt nicht schlecht. Aber bei den Eltern ...«

Stefanie war übermütig, ohne dass sie dafür einen besonderen Grund hatte. Vielleicht lag es daran, dass die Komplimente und Annäherungsversuche des Dozenten ihr trotz aller gegenteiligen Beteuerungen geschmeichelt hatten?

»Habt ihr Lust, zum Faschingsball in die Mensa mitzukommen?«, wechselte Stefanie das Thema.

»Nein«, erwiderte ihr Vater, »ja« gleichzeitig ihre Mutter. Und dann lachte sie. »Du kennst doch deinen Vater. Zu viele Menschen, zu laute Musik, und aus Tanzen macht er sich eh nichts ...«

»Trefflicher hätte selbst ich es nicht formulieren können«, bestätigte ihr Mann. »Geh allein, Irmgard, oder lade deinen Hausfreund ein.«

»Ich weiß nicht, ob ich dich nicht einmal beim Wort nehmen sollte. Wir kommen sehr wenig unter Menschen.«

»Entschuldige, wir haben unseren Freundeskreis, fahren zweimal im Jahr in Urlaub und lernen dabei nette Menschen kennen ... Heirate nie einen Mann, der nicht tanzen will«, wandte er sich vergnügt an seine Tochter. »Denn dann wirst du unglücklich werden. Ein Leben ohne Tanzvergnügen ... es ist kein Leben.«

»Ihr könnt es euch ja noch einmal überlegen. Es ist immer viel los und macht irre Spaß. Ich hab noch ein Mandarinkostüm für dich, Vati. Du musst dir dann noch einen Bart ankleben ... Und für dich finde ich auch noch etwas Passendes, Mutti.«

»Du gehst natürlich wieder als Chinesin.«

»Als armer Kuli.« Stefanie warf ihre Aktentasche auf den niedrigen Tisch in der Diele. »Mal sehen, als was Edwin gehen wird. Er verkleidet sich nicht gern. Komisch, das wollen die meisten Männer nicht.«

»Wir sind eben von Natur aus schon so attraktiv, dass wir es nicht nötig haben, uns mit fremden Federn zu schmücken«, schlug Herbert Gildemeister als Erklärung vor. »Ich soll als Mandarin rumlaufen ... Genügt schon, dass meine Tochter eine halbe Chinesin ist.«

***

»Haben Sie sich schon ein Kostüm besorgt?«, fragte Professor Borcherding seinen Assistenten Dr. Kronenberg.

Der junge Mann wandte den Kopf. Es dauerte Sekunden, bis der Sinn der Frage sein Bewusstsein erreicht hatte. Er saß am Elektronenmikroskop der Universität, ganz in seine Arbeit vertieft.

Schmunzelnd wiederholte Borcherding seine Frage.

»Ich gehe gar nicht hin.« Christian Kronenberg schnitt eine Grimasse. »Was soll ich da?«

»Nun hören Sie mal, Christian!« Irgendwann hatte Professor Borcherding sich das Recht herausgenommen, seinen früheren Lieblingsstudenten und jetzigen Assistenten mit dem Vornamen anzureden. »Dort gibt es jede Menge hübscher Mädchen, die alle etwas erleben wollen. Also wenn ich da an die Faschingsfeste von früher denke ... Bevor ich verheiratet war, ich meine ... Mann, o Mann.« Ein verschmitztes Lächeln glitt über sein faltiges Gesicht. »Das waren noch Zeiten! Und das Wunderbare ist, diese Zeiten sind nicht schlechter geworden. Weil die Menschen sich gleichbleiben. Also meine Frau würde es mir nie verzeihen, wenn wir zu Hause blieben. Ich erinnere mich, vor drei Jahren ging es mir mal schlecht, da steckte mir eine Grippe oder so etwas Ähnliches in den Knochen. Glauben Sie, dass ich mich ins Bett legen durfte? Nicht daran zu denken. Ein paar Aspirin geschluckt, und los ging es. Und als der Morgen graute, war ich gesund. Ich habe die ganze Grippe ausgeschwitzt.«

»Ich mache mir nicht viel aus Tanzen. Außerdem sitzt mir keine Grippe in den Knochen.«

»Ich wollte Ihnen den Faschingsball nicht als Therapie empfehlen«, versicherte der Professor. »Aber Sie müssen hier einfach einmal heraus. Seit Monaten hängen Sie hier herum, als gäbe es nichts anderes.«

»Die Arbeit macht mir Spaß, und ich finde, wir kommen auch gut voran, Herr Professor«, sagte Christian.

»Trotzdem muss man mal raus, entspannen. Mann, Sie sind jung, ein junger Mann, haben Sie denn nie den Wunsch, mal was Schnuckeliges in den Arm zu nehmen? Und wo es heutzutage die Pille gibt ... Was hatte ich früher manchmal Angst, bis ... aber heutzutage, ihr wisst gar nicht, wie gut ihr es habt. Wäre ich so jung wie Sie, Christian ... Wenn meine Frau mich so reden hören könnte ...« Er grinste wieder. »Dienstlicher Befehl, Sie begleiten uns. Meine Frau tanzt nämlich leidenschaftlich gern, und ich ... also ehrlich gesagt, ich lasse auch ganz gern einmal einen Tanz aus. Und dann müssen Sie für mich einspringen. Aber dass Sie nicht mit meiner Frau flirten, hören Sie?«

Christian zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Er sah sehr gut aus, hatte braunes, naturwelliges Haar, ein schmales, ernstes Gesicht und ein Kinn, das Energie und Tatkraft verriet.

»Sie werden jemanden anders finden. Es ist schade um die Zeit, die man verliert«, meinte Christian.

»Sie wollen mich im Stich lassen?«

»Keineswegs, nur ...«

»Sie müssen mitkommen! Schon um mich nicht vor meiner Angetrauten zu blamieren. Ich habe ihr nämlich schon gesagt, dass sie einen flotten Tänzer haben wird. Was soll sie von mir denken, wenn der junge Mann sich einfach über meine Wünsche hinwegsetzt? Ich habe jetzt schon zu Hause wenig zu sagen, aber dann bin ich ganz unten durch. Die Stunden auf dem Ball gehen auch herum ... Und vielleicht lernen Sie da ein hübsches, nettes Mädchen kennen, das eine sturmfreie Bude hat und Sie als krönenden Abschluss noch zu einer Tasse Kaffee bei sich einlädt. Oder machen die es heute anders?«

»Im Prinzip hat sich da auch nicht viel geändert ... Muss es denn wirklich sein, Herr Professor?«

»Es muss sein, Christian.« In deinem Interesse, dachte Professor Borcherding.

Er hatte Angst, dass Christian die schönsten Jahre seines Lebens ein bisschen vergeudete. Selbstverständlich wusste er den verbissenen Arbeitseifer des jungen Arztes zu schätzen. Aber es gab auch noch etwas anderes als Arbeit. Offenbar hatte Christian das nur noch nicht entdeckt, und es wurde deshalb allerhöchste Zeit, dass er es nachholte.

»Ich habe auch gar kein Kostüm«, fiel Christian ein, und prompt lächelte er erleichtert.

»Ziehen Sie Ihr Oberhemd aus und gehen Sie als Leichtmatrose. Also abgemacht. Selbstverständlich sind Sie mein Gast, Christian. Ich meine, eine finanzielle Belastung entsteht Ihnen nicht.«

Der Professor wusste schließlich, wie wenig sein Assistent verdiente. Für sein Gehalt würde keine Putzfrau arbeiten, dachte er. Eine Schweinerei, dass das wissenschaftliche Personal so schlecht bezahlt wurde, aber Borcherding konnte es nicht ändern. Da hatte so ein Mensch nun sechs Jahre studiert, noch ein paar Jahre praktisch gearbeitet, und dann bekam er nicht genug, um eine Familie ernähren zu können. Kein Wunder, dass die meisten begabten Kollegen keine Lust hatten, in der Forschung zu arbeiten.

Die Industrie ausgenommen. Dort wusste man Tüchtigkeit noch zu honorieren.

»Hätte ich eine Tochter ...«, sagte der Professor aus seinen Gedanken heraus. »Wetten, dass ich versuchen würde, euch zu verkuppeln? Aber ich habe nur einen Sohn ...«