Lore-Roman 154 - Ina Ritter - E-Book

Lore-Roman 154 E-Book

Ina Ritter

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Beschreibung

Die bezaubernde Martina Dannenfeldt hat alles, was sich ein junges Mädchen nur erträumen kann. Sie ist bildhübsch, hat eine wohlhabende Mutter, die ihr jeden Wunsch von den Augen abliest und Ingo Graf von Havenstedt, der sie liebt und sie heiraten will.
Doch eines Tages ziehen dunkle Wolken über das unbekümmerte Leben der jungen Martina. Ingo von Havenstedt erklärt ihr plötzlich, dass die Tochter von Carola Dannenfeldt in der gräflichen Familie nicht länger willkommen ist. Für Martina bricht eine Welt zusammen ...


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Inhalt

Cover

Nicht gut genug für einen Grafen

Vorschau

Impressum

Nicht gut genug für einen Grafen

Das erschütternde Schicksal eines jungen Mädchens

Von Ina Ritter

Die bezaubernde Martina Dannenfeldt hat alles, was sich ein junges Mädchen nur erträumen kann. Sie ist bildhübsch, hat eine wohlhabende Mutter, die ihr jeden Wunsch von den Augen abliest und Ingo Graf von Havenstedt, der sie liebt und sie heiraten will.

Doch eines Tages ziehen dunkle Wolken über das unbekümmerte Leben der jungen Martina. Ingo von Havenstedt erklärt ihr plötzlich, dass die Tochter von Carola Dannenfeldt in der gräflichen Familie nicht länger willkommen ist. Für Martina bricht eine Welt zusammen ...

»Donnerwetter, hast du schon wieder ein neues Auto?«, fragte Martina Dannenfeldt ihre Mutter überwältigt, als sie den Bahnhofsvorplatz überquert hatte und Carola die Tür eines funkelnagelneuen Klassewagens aufschloss.

»Nein.« Carola Dannenfeldt lächelte ihrer überaus reizenden Tochter zu. »Der Wagen gehört mir nicht.«

»Schade«, sagte das Mädchen aus tiefstem Herzen. Fast liebevoll strich sie über den schimmernden Lack. »Du hast ihn dir nur ausgeliehen?«

»Das ist nicht ganz richtig ausgedrückt.« Mit einer Kopfbewegung bat Carola ihre Tochter einzusteigen und nahm dann selbst hinter dem Steuer Platz. »Ich benutze den Wagen ohne Wissen des Eigentümers.«

»Das verstehe ich nicht. Du willst doch damit nicht ausdrücken, dass du den Wagen ... wie soll ich sagen ... ?«

»Ja, wie sagt ihr da in eurem feinen Pensionat?«, fragte die Mutter neugierig. »Das Wort geklaut wird dir ja nicht über die Lippen gehen.«

»Du machst dich über mich lustig. Nun sag schon, wem gehört der tolle Wagen?«

»Einem jungen Mädchen. Ein Geburtstagsgeschenk.«

»Mutti, das ist doch nicht wahr? Dieses tolle Auto gehört mir?« Martina war ganz atemlos vor Aufregung. »Ist das wirklich wahr?«

»Wirklich und wahrhaftig. Die Papiere habe ich in meiner Handtasche. Es freut mich, dass ich deinen Geschmack getroffen habe.«

»Du bist ein Schatz, Mutti!« Martina strahlte ihre Mutter an. »Wird Gertraude Augen machen, wenn ich sie in diesem Schlitten besuche! Du musst allerhand Geld verdienen.«

»Ich kann nicht klagen.«

»Dann läuft deine Firma gut? Ich möchte dich einmal in deinem Büro besuchen, Mutti.«

»Und ich möchte das nicht, liebes Kind. Sei froh, dass du nichts mit dem Berufsleben zu tun hast.«

»Aber trotzdem ... Dass du so viel Geld verdienst, um mir zum Geburtstag ein Auto schenken zu können ... Und dann haben wir das große Haus, den tollen Schmuck ...«

»Man muss wissen, was die Leute wollen, dann kann man auch Geld verdienen.«

»Was verkaufst du eigentlich?« Martina lachte ein wenig verlegen. »Eigentlich toll, dass ich das nicht weiß. Aber du sprichst nie von deinem Betrieb.«

»Weil ich meine, dass du dich nicht dafür zu interessieren brauchst. Genügt es nicht, dass du immer genügend Geld zur Verfügung hast?«

»Natürlich. Ich habe manchmal nur so ein schlechtes Gewissen, Mutti. Du arbeitest, und ich genieße mein Leben.«

»Sei froh, dass du es kannst. Als ich so alt war wie du ... Aber nein, die Platte will ich nicht abspielen.«

»Dabei würde ich sie gern hören. Was hast du gemacht, als du so alt warst wie ich?«

»Dies und das.«

»Du, hast du was dagegen, wenn ich ... Gertraude hat mich eingeladen«, fragte das junge Mädchen.

»Kenne ich diese Gertraude?«

»Ich habe dir schon vor ihr erzählt. Gertraude von Havenstedt. Komtess von Havenstedt.«

»Ach, die. Und die willst du besuchen?«

»Wenn du nichts dagegen hast ... Sie bewohnen so etwas Ähnliches wie ein Schloss. Ein ziemlich alter Schuppen, scheint es, aber auf ihren Fotos sieht es recht romantisch aus. Und Ingo ist ein toller Reiter. Er ...« Martina brach ab.

Ihre Mutter wandte kurz den Kopf. »Seit wann habt ihr Männer im Pensionat?«

»Gelegentlich verstecken wir einen«, erklärte Martina. »Weißt du, Ingo ... er ist bloß Gertraudes Bruder.«

»Aha. Ein Bruder. Und wie alt?«

»Etwas älter als ich. Ich weiß schon, was du denkst, aber so ist das nicht.«

»Aber du hoffst, dass es noch so wird«, parierte Carola.

»Mutti, manchmal bist du schrecklich«, stöhnte das Mädchen. »Ich gebe zu, dass ich Ingo ganz nett finde ...«

»Und weiter?«

»Nichts weiter. Ich finde ihn ganz nett. Und er hat mir versprochen, dass ich Manolo reiten darf.«

»Ich bin zutiefst beeindruckt. Noch tiefer beeindruckt wäre ich, wüsste ich, was es mit Manolo auf sich hat.«

»Manolo hat ein paar große Springen gewonnen. Das Pferd ist sehr viel wert. Man hat ihnen schon achtzigtausend Mark dafür geboten.«

»Für ein Pferd ganz anständig. So, und dieses Wundertier darfst du reiten. Bist du denn solch eine gute Reiterin?«

»Die Beste aus der Klasse. Aber wir haben nur alte Gäule, müde Klepper. So eine Art lebende Schaukelpferde, verstehst du? Es muss herrlich sein, einmal auf einem richtigen Pferd reiten zu können.«

»Und dieser ... wie heißt er noch, will es dir ermöglichen?«

»Ja. Er heißt übrigens Ingo.«

»Und wie sieht er aus?«

Martina zuckte die Schultern. »Wie er aussieht? Nicht schlecht, würde ich sagen, jedenfalls schwärmen einige für ihn.«

»Meine Tochter inbegriffen?«

»Ich? Pöh.« Martina war zwar zur Dame erzogen worden, aber manchmal vergaß sie alles, was man ihr eingetrichtert hatte. »Wäre er nicht Gertraudes Bruder ...«

Carola lächelte vor sich hin.

»Und ein einfaches Fräulein Dannenfeldt ist den hochgräflichen Herrschaften willkommen?«

»Eingebildet sind die nicht, überhaupt nicht. Oder jedenfalls nur ein bisschen«, schränkte Martina ehrlich ein. »Natürlich schließt sich Gertraude nicht an jeden an ... Aber wir beide mögen uns.«

»Das spricht nicht unbedingt gegen ihren Geschmack«, meinte Carola Dannenfeldt. »Willst du deinen Wagen jetzt fahren?« Sie hatten inzwischen die Stadt hinter sich gelassen, und Carola war noch jung genug, um zu wissen, wie sehr ihre Tochter darauf brennen würde, endlich selbst chauffieren zu dürfen.

»Wenn ich darf ...«

»Es ist dein Wagen. Ich hatte ihn mir nur unrechtmäßig angeeignet, wie du weißt. Tu mir einen Gefallen und fahre nicht zu schnell. Ich hänge nämlich noch am Leben.«

»Du bist wirklich ein Schatz.« Bevor sie die Plätze wechselten, gab Martina ihrer Mutter einen Kuss. »Wer dich anschaut, würde niemals glauben, dass du so wahnsinnig tüchtig bist.«

»Ach, sehe ich so dumm aus?«, forderte Carola ein Kompliment heraus.

»Du hast genau erraten, was ich dachte«, erwiderte Martina mit gespieltem Ernst, und dann lachten beide.

»Mensch, das ist ein Auto«, seufzte Martina, als sie Gas gab. »Wenn ich an den Karren denke, in dem ich fahren gelernt habe ... Eine müde Mühle.«

»Aber es hat Spaß gemacht ... Wie lange wirst du zu Hause bleiben?« Sie sprach die Frage möglichst beiläufig aus, konnte aber doch nicht verhindern, dass eine große Spannung in ihrem Tonfall mitschwang.

Martina war zu sehr mit dem neuen Auto beschäftigt, um ein Ohr dafür zu haben.

»Ich soll möglichst bald kommen, haben sie gesagt. Ich dachte, ich fahre nächste Woche.«

»Nächste Woche schon?« Carola nickte, und dann brachte sie sogar ein tapferes Lächeln zustande. »Die Landluft wird dir guttun. Obwohl ich nicht den Eindruck gewonnen habe, als hättest du Urlaub nötig. In eurem Internat scheint ihr euch nicht totzuarbeiten.«

»Wenn es nach denen ginge ...« Martina schüttelte sich ordentlich. »Ich habe gar keine Lust, nach den großen Ferien wieder zurückzufahren. Weißt du, was ich am liebsten möchte?«

Die Mutter wusste es nicht.

»Bei dir arbeiten. Dir in der Firma mithelfen. Als deine Sekretärin. Oder glaubst du, ich könnte dein tüchtiges Fräulein Krone nicht ersetzen?«

»Du sollst dein Leben genießen, solange es geht. Und meine Firma ... in meiner Firma brauche ich dich nicht.«

»Wie du willst ...« Martina war eingeschnappt.

***

Carola und ihre Tochter saßen abends gemütlich vor dem Kamin, in dem ein fröhliches Feuer prasselte, als das Telefon klingelte.

»Bleib sitzen«, bat Frau Carola, als Martina aufsprang. »Der Anruf ist bestimmt für mich.« Sie hatte die Stirn leicht gerunzelt, als sie sich meldete.

»Für dich.« Carola hielt ihrer Tochter den Hörer hin, und dabei lächelte sie in einer Art und Weise, die Martina schon erraten ließ, wer sie sprechen wollte.

Etwas außer Atem nahm sie den Hörer entgegen.

»Dannenfeldt«, meldete sie sich.

Ihre Mutter war diskret genug, wieder zum Sessel vor dem Kamin zurückzugehen. Es lag ihr einfach nicht, Gespräche zu belauschen, die nicht für sie bestimmt waren.

»Ja«, sagte Martina. »Nein. Wenn du meinst ... ja, ich will es versuchen ...« Und dazwischen waren immer lange Pausen, in denen sie zuhörte.

Die Kleine ist verliebt, dachte Carola. Was für ein Mensch mag das sein, dieser Ingo? Sie nahm sich vor, Erkundigungen einzuziehen. Ein alter Titel imponierte ihr ganz und gar nicht, auch nicht die Tatsache, dass die Havenstedts Grundbesitzer waren. Für sie zählte nur der Mensch selbst, und da war sie nicht geneigt, sich allzu sehr auf Martinas Urteil zu verlassen.

»Ich soll dich unbekannterweise von Ingo grüßen.« Martina kauerte sich im Sessel zusammen und schaute verträumt in das flackernde Kaminfeuer. »Sonntag startet er in einem kleinen Turnier.«

»Aha.« Carola konnte sich denken, worum der junge Mann ihre Tochter gebeten hatte. Aber in drei Tagen war schon Sonntag.

»Ich habe gesagt, ich müsse es mir noch überlegen. Dir wäre es doch bestimmt nicht recht, wenn ich schon übermorgen ...?«

»Wenn du ihm gern die Daumen drücken möchtest, darfst du meinetwegen fahren.«

Carola brachte es sogar fertig zu lächeln, obwohl sie eben ein nicht ganz kleines Opfer angeboten hatte. Sie hing an ihrer Tochter, die sie viel zu wenig bei sich hatte. Schon seit vielen Jahren verbrachte Martina den größten Teil des Jahres in vornehmen und meistens deshalb sehr teuren Internaten im Ausland. All das, was ihre Mutter sich gewünscht und nie bekommen hatte, ihrer Tochter schenkte sie es.

»Darf ich wirklich, Mutti?« Martina rutschte aus dem Sessel und umarmte die Mutter. »Du bist wirklich ein Schatz. Ingo hat nämlich alle Aussichten, Erster zu werden. Es gibt nur einen Konkurrenten, der ihm gefährlich werden könnte.« In der nächsten Viertelstunde klärte sie ihre Mutter über alle Einzelheiten auf.

Carola gab sich den Anschein zuzuhören, aber in Wirklichkeit interessierte sie sich nicht dafür.

»Das ist bestimmt wieder Ingo.« Das Telefon klingelte zum zweiten Mal, und diesmal machte Carola keinen Versuch, ihre Tochter zurückzuhalten. »Für dich. Von deiner Firma. Dass die Leute ohne dich nicht fertigwerden können ...«

»Für mich ...?« Carola ging gemessen zum Apparat und meldete sich. »Ja, ich verstehe. Es passt mir nicht, aber es spielt keine Rolle. Ich fahre sofort los. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Bis gleich dann.« Sie legte den Hörer auf und drehte sich zu Martina herum. »Ich muss leider sofort abfahren. Man braucht mich.«

»Nimm mich mit, Mutti, bitte. Ich verspreche dir auch, ganz still dazusitzen und keinen Ton zu sagen, wenn du arbeitest. Aber um diese Zeit noch ...«

»Das ist in meinem Betrieb leider nicht zu vermeiden. Geh ins Bett, Kleines. Es wird wahrscheinlich spät werden. Vor fünf Uhr kann ich kaum zu Hause sein.«

»Dass du auch nachts arbeiten musst ...«

»Ich kann es mir nicht aussuchen. Schlaf gut, Kleines.« Sie gab ihrer Tochter einen Kuss und ging dann hinaus.

»Nimm mich doch mal mit«, wiederholte sie ihre Bitte, als Carola gleich darauf zur Tür ging. »Ich bin so schrecklich neugierig.«

»Nein, leg dich ins Bett und träum etwas Schönes.«

***

Gegen Morgen schreckte Martina hoch. Das Haus lag sehr ruhig, deshalb hatte sie wahrscheinlich der Motor des zurückgekehrten Wagens geweckt. Sie hörte das leise Klappen der Haustür, dann den leichten Schritt der Mutter in der Diele.

Sie warf die Decke ab, schlüpfte in die Pantoffeln und warf sich im Gehen den hübschen Morgenmantel über. Wie erwartet, traf sie ihre Mutter in der Küche. Carola setzte gerade den Wasserkessel auf den Herd.

»Guten Morgen, Mutti.« Martina erschrak über Carolas Aussehen. Wie müde sie wirkte! Impulsiv schlang sie die Arme um ihre Schultern und küsste sie auf beide Wangen. »Während du dich abgerackert hast, habe ich faul im Bett gelegen und geschlafen. War es sehr schwer?«

»Es ging so ... Leicht war es nicht. Aber es hat sich gelohnt. Geschenkt wird einem nichts im Leben.«

»Und jetzt trinkst du Kaffee ... Wäre es nicht besser, du würdest dich gleich zu Bett legen? Du riechst so ... nach Zigaretten und nach ... ich mag es gar nicht sagen.«

»Nun sag es schon.« Frau Carola setzte sich und schaute vor sich hin. Sie war sehr müde.

»Nach Alkohol. Weißt du, so wie es manchmal in Kneipen riecht ...«

»Sie haben alle viel geraucht. Und viel getrunken.«

»Und du mittendrin. Arme Mutti.«

»Du brauchst mich nicht zu bedauern. Es hat sich gelohnt. Darauf kommt es an. Wer Geld verdienen will, kann nicht wählerisch sein. Ist es dir nicht zu kalt?«

»Nein. Worum ging es denn bei dem Geschäft?«

»Um eine größere Lieferung Alkohol.« Frau Carola lächelte. »Das übliche, Martina. Frag nicht mehr, ich habe einfach keine Lust, über das Geschäft zu sprechen. Leg dich wieder hin.«

»Ich bin nicht mehr müde. Was möchtest du heute essen? Ich werde einmal für uns kochen, ganz gleich, ob Ilse darüber schimpft oder nicht.«

»Wenn es dir Spaß macht ...«

Ilse war die Frau, die den Haushalt versorgte. Carola hatte einfach keine Lust, selbst sauberzumachen, und als Ilse erst einmal gemerkt hatte, dass sie sich häufig nichts kochte, da hatte sie stillschweigend die Leitung des gesamten Haushaltes übernommen. Carola Dannenfeldt brauchte sich um nichts zu kümmern.

»Dass du nach dem Kaffee schlafen kannst ...«, wunderte sich Martina.

»Ich könnte ohne den Kaffee nicht schlafen. Wie man es gewohnt ist, Kind.« Sie gähnte hinter vorgehaltener Hand.

Eine halbe Stunde später lag sie im Bett und schlief tief und fest, wie Martina sah. Sie war auf Zehenspitzen ins Schlafzimmer ihrer Mutter gegangen, und sie spürte Mitleid mit der Frau, die so viel arbeiten musste.

»Seien Sie leise, Mutti schläft«, wisperte sie Ilse zu, die pünktlich um acht Uhr das Haus betrat.

Die Haushälterin bedachte sie mit einem schiefen Blick. Sie war immer leise, Martina konnte sich ihre Ermahnung sparen.

***

»Fahr vorsichtig«, gab Carola ihrer Tochter mit auf den Weg, als sie sich in ihren neuen Wagen gesetzt hatte. »Ruf mich sofort an, wenn du in Havenstedt angekommen bist. Vergiss es nicht, bitte.«

»Ich verspreche es«, versicherte Martina geduldig.

Sie erreichte Havenstedt etwa zwei Stunden später. Das schlossartige Gutshaus kannte sie bisher nur von Fotografien und fand, dass es auf Bildern entschieden romantischer aussah. Immerhin war es ein Bau, der ihr imponierte.

Sie ging die Freitreppe hinauf, und bevor sie noch die Tür öffnen konnte, tat es ein anderer für sie, ein würdiger Mann mit weißem Haar, der eine Art Livree trug.

Das ist bestimmt Jonny, dachte Martina. Gertraude hatte ihr von dem alten Faktotum des Hauses erzählt. Eigentlich hieß er Johann, aber sie hatte ihn immer Jonny genannt, und der Alte dachte schon längst nicht mehr daran, sich dagegen zu wehren.

Aus etwas trüben Augen schaute er die junge Dame an.

»Mein Name ist Dannenfeldt. Sind die Herrschaften zu Hause?«

»Ja. Der junge Herr ist zur Bahn gefahren, um Sie abzuholen.«

Martina stutzte, dann lachte sie. Natürlich, Ingo hatte ja keine Ahnung, dass sie jetzt die stolze Besitzerin eines neuen Wagens war.

»Der junge Herr war heute Morgen schon einmal am Zug, aber das gnädige Fräulein ist nicht gekommen.«

»Das gnädige Fräulein benutzte den eigenen Wagen«, belehrte Martina ihn, während es um ihre Mundwinkel zuckte. »Darf ich eintreten?«

»Ich bitte um Verzeihung, gnädiges Fräulein.« Der Alte trat zur Seite und gab ihr den Weg in die Halle frei.

»Mensch, Martina!« Gertraude kam die Treppe heruntergerast. »Du bist schon da?«

»Nein, ich komme erst in zehn Minuten.«

Die beiden Mädchen umarmten und küssten sich.

»Du hast ein neues Kostüm ... Toll siehst du aus! Wo hast du es gekauft? Und dann die Tasche dazu ... Todschick alles.« Gertraude ging um ihre Freundin herum, als sei die ein Ausstellungsstück. »Komm, ich mache dich mit meinen Eltern bekannt. Sie freuen sich darauf. Ehrlich, das sage ich nicht nur, weil ich eine junge Dame bin.« Sie lachten beide, denn die Ermahnung, sich wie junge Damen zu benehmen, hörten sie im Internat jeden Tag ein paarmal.

»Ingo ist zur Bahn gefahren, um mich abzuholen?«

»Ja. Er wusste nicht, mit welchem Zug du kommst, und so hat er beschlossen, zu jedem Zug an die Bahn zu fahren. Lass ihn warten, kann ihm gar nicht schaden. Nichts erzieht einen jungen Mann besser zur Ehe als warten.«

»Es tut mir leid ...«

»Mir gar nicht. Ingo ist immer furchtbar frech. Ich frage mich, was du an ihm findest.«

Graf und Gräfin Havenstedt waren so vornehm, wie Martina sich die Angehörigen eines alten Adelsgeschlechts früher immer vorgestellt hatte. Graf Harald war schlank, fast hager, hatte ein scharfgeschnittenes Gesicht und eine kühn vorspringende Nase. Sein ehemals dunkles Haar lag glatt um seinen Kopf und hatte inzwischen viele graue Strähnen.

Gräfin Sonja war gleichfalls schlank, und Martina dachte unwillkürlich, ein paar Stückchen Kuchen mehr auf ihren Rippen würden ihr besser stehen. Sie wusste noch nicht, dass Gräfin Sonja essen konnte, was sie wollte, ohne dass sie zunahm.

»Ob ich Ingo abholen soll?«, überlegte Martina laut, als eine Viertelstunde vergangen war.

»Lass ihn nur warten«, riet Gertraude herzlos. »Der Zug wird wieder einmal Verspätung haben. Er versäumt ja nichts. Oder glaubst du etwa, du versäumst etwas, wenn er nicht da ist?«, fragte sie schmunzelnd.

Martina wurde rot, und Gertraude stutzte.

»Ach, so ist das«, äußerte sie dann in freundschaftlicher Offenheit. »Sag bloß, dass du dich in den alten Affen verliebt hast.« Sie hatten sich inzwischen in Gertraudes Zimmer zurückgezogen.

»Red nicht solch einen Unsinn!«, fuhr Martina sie an.

»Natürlich ist es Unsinn zu glauben, jemand könne sich in Ingo verlieben, aber du neigst dazu, Unsinn zu machen. Im Ernst gesprochen, findest du ihn etwa nett?«

»Ich werde jetzt losfahren und ihn abholen.«

»Wem nicht zu raten ist, dem ist nicht zu helfen. Sei dir seiner ewigen Dankbarkeit gewiss, wenn du ihn erlöst. Der nächste Zug trifft nämlich in einer halben Stunde ein; er wird beschlossen haben, den auch noch abzuwarten. Muss Liebe schön sein«, setzte sie noch stichelnd hinzu.

Martina hielt es für an der Zeit, Gertraudes spitzer Zunge zu entgehen. Auf der Herfahrt war sie am Bahnhof vorbeigekommen und wusste deshalb, welchen Weg sie einschlagen musste. Schon nach einer knappen Viertelstunde parkte sie ihren Wagen.

Sie stieg aus und warf die Tür ihres BMW hinter sich zu. Sie sah Ingo sofort. Er schlenderte den Bahnsteig entlang, die Hände auf dem Rücken zusammengelegt, und Martina hätte wetten mögen, dass er Unmutsfalten auf der Stirn hatte.

»Erwarten Herr Graf jemanden?«, fragte sie.

Ingo schnellte herum. »Mensch, Tina, woher kommst du?«

»Nicht gesehen? Gerade eben vom Himmel gefallen. Soll ich dir beim Warten ein bisschen Gesellschaft leisten?«

»Warst du etwa im letzten Zug?«

»Nein. Ich bin mit dem eigenen Wagen gekommen. Nett von dir, dass du mich abholen wolltest. Du siehst übrigens ganz zünftig aus.« Sie spielte auf seinen Reitanzug an.

Ingo lächelte ein wenig töricht. Die Überraschung hatte ihm wohl die Schlagfertigkeit genommen.

»Dann hast du jetzt ein eigenes Auto?«

»Zum Geburtstag geschenkt bekommen. Mutti hatte ihren großzügigen Tag.«

»Sie scheint es zu haben ...«

»Sieht ganz so aus«, bestätigte Martina. Sie warf ihm von der Seite einen Blick zu, den der junge Mann nicht deuten konnte. »Freust du dich wirklich, dass ich euch besuche?«, fragte sie.

»Nein. Ich bin nur zu höflich, das zu sagen«, behauptete Ingo. »Hast du einen Reitanzug mit?«

»Alles, was eine junge Dame von Welt braucht. Sogar ein Abendkleid. Für den Fall, dass sich jemand findet, der mich einmal groß ausführen will.«