Lore-Roman 156 - Ina Ritter - E-Book

Lore-Roman 156 E-Book

Ina Ritter

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Beschreibung

Dr. Niels Ohlsen ist ein gefragter Frauenarzt, für den die Arbeit und seine Patientinnen an erster Stelle stehen. Seine schöne Frau Karin hat sich an die langen einsamen Abende schon gewöhnt, aber oft sehnt sie sich nach der Nähe des geliebten Mannes.
Und dann taucht überraschend Olaf auf, der jüngere Bruder von Niels - ein Mann, der das Leben in vollen Zügen genießt, ein lebensbejahender Vagabund, dem regelmäßige Arbeit völlig wesensfremd ist.
Unter Olafs Einfluss beginnt Karin darüber nachzudenken, ob sie nicht die schönsten Jahre ihres Lebens vergeudet, wenn sie bei ihrem Mann bleibt ...


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Inhalt

Cover

Die Einsamkeit der schönen Arztfrau

Vorschau

Impressum

Die Einsamkeit der schönen Arztfrau

Warum Doktor Ohlsen seine Frau vergaß

Von Ina Ritter

Dr. Niels Ohlsen ist ein gefragter Frauenarzt, für den die Arbeit und seine Patientinnen an erster Stelle stehen. Seine schöne Frau Karin hat sich an die langen einsamen Abende schon gewöhnt, aber oft sehnt sie sich nach der Nähe des geliebten Mannes.

Und dann taucht überraschend Olaf auf, der jüngere Bruder von Niels – ein Mann, der das Leben in vollen Zügen genießt, ein lebensbejahender Vagabund, dem regelmäßige Arbeit völlig wesensfremd ist.

Unter Olafs Einfluss beginnt Karin darüber nachzudenken, ob sie nicht die schönsten Jahre ihres Lebens vergeudet, wenn sie bei ihrem Mann bleibt ...

Karin Ohlsen blickte traurig auf ihren Mann, der nur einen Meter von ihr entfernt im Sessel saß und doch weit fort war. Er sieht müde aus, dachte die junge Frau. Kein Wunder bei der Arbeit, die er sich aufbürdet.

»Niels«, sprach Karin ihn an.

Der Arzt reagierte nicht. Er führte seine Pfeife zum Mund, zog daran ohne zu merken, dass sie längst ausgegangen war.

»Niels!«, wiederholte Karin, diesmal lauter.

Wie aus einem Traum erwachend drehte der Mann den Kopf und schaute sie an.

»Hast du etwas gesagt, Liebes?«, fragte er freundlich und immer noch geistesabwesend.

»Nein, noch nicht. Soll es immer so weitergehen?«

»Was?«, fragte der Mann verständnislos. Fahrig fuhr er sich mit der rechten Hand durch sein dichtes, dunkles Haar, das an den Schläfen allerdings schon einige graue Fäden zeigte.

»Unser jetziges Leben.«

Niels Ohlsen runzelte die Stirn.

»Ich verstehe nicht, was du meinst. Worüber kannst du dich beklagen? Kommst du mit dem Haushaltsgeld nicht aus? Dann nimm dir mehr. Du kannst doch genauso über unser Konto verfügen wie ich. Oder hast du Angst, ich würde dir deshalb Vorwürfe machen? Ich verdiene wirklich genug.«

»Leider«, sagte seine Frau gepresst.

Das Gesicht ihres Mannes war eine einzige Verblüffung.

»Möchtest du dich lieber einschränken müssen wie am Anfang unserer Ehe? Da konntest du dir nichts erlauben. Wie oft habe ich gesehen, dass du sehnsüchtig auf ein Kleid in einer Schaufensterauslage geschaut hast, das für dich zu teuer war.«

»Damals hast du so etwas gesehen. Weil du mich noch angeschaut hast. Heute dagegen ... Manchmal glaube ich, dass ich für dich gar nicht mehr existiere.«

Niels konnte über diese Worte nur den Kopf schütteln.

»Was für törichte Gedanken. Du weißt doch, was du mir bedeutest. Oder müsste ich dir das jeden Tag wieder sagen?«

»Nicht jeden Tag, aber wenigstens manchmal. Für dich bin ich ein selbstverständlicher Bestandteil deines Lebens geworden. Die bequeme Frau, die immer da ist, aber keine Ansprüche stellt.«

»Das klingt fast so, als wärest du unzufrieden«, murmelte Niels verdutzt. »Worüber kannst du dich beklagen, Liebes? Ich habe immer geglaubt, wir führten eine vorbildliche Ehe. Ich jedenfalls bin mit dir restlos zufrieden. Ich würde dich vom Fleck weg wieder heiraten.«

Ein müdes Lächeln glitt über Karins Gesicht.

»Du siehst noch wunderbar jung aus, weißt du das? Du hast dich in den zehn Jahren, die wir verheiratet sind, überhaupt nicht verändert. Ich bin sehr stolz auf dich«, meinte Niels.

»Du weißt, was du sagen musst«, stellte Karin ein wenig bitter fest. Er war klug und einfühlsam, ihr Mann. Wenn es darauf ankam, wenn er sich die Mühe machte, sich einmal mit ihr zu beschäftigen. Selten genug kam es ja vor. »Ich weiß, dass ich keinen Grund habe, mich über mein Schicksal zu beklagen. Alle beneiden mich. Ich habe einen tüchtigen, erfolgreichen Mann, der sehr gut aussieht und trotzdem nicht daran denkt, mich zu betrügen. So sagen die Leute. Und so sieht es wohl auch aus.«

»Und ist es nicht auch so?«, fragte Niels kopfschüttelnd. Er klopfte seine Pfeife aus und begann dann umständlich, sie zu säubern.

»Ich bin verheiratet, aber im Grunde genommen habe ich keinen Mann. Nur einen Kostgänger, für den ich sorge, dessen Wäsche ich in Ordnung halte, aber ansonsten ...« Karin stockte.

Ungläubig starrte Dr. Ohlsen seine Frau an.

»Bist du wirklich erstaunt über meine Worte?«, fragte Karin.

»Ja. Ehrlich gesagt, ich verstehe dich nicht. Fühlst du dich vernachlässigt? Du weißt, dass ich viel zu tun habe. Von Anfang an wusstest du, was es heißt, Arztfrau zu sein. Schließlich war dein Vater auch Arzt.«

»Ja. Das war sein Beruf. Aber nebenbei war er auch ein guter Vater für seine Kinder. Und ein guter Mann seiner Frau, glaube ich. Du dagegen kennst nur deinen Beruf.«

»Dass ausgerechnet du mir das jemals zum Vorwurf machen würdest«, murmelte Niels. »Soll ich meine Patienten vernachlässigen? Wäre dir das wirklich lieber? Dein neues Kleid steht dir übrigens gut. Du bist so schlank wie ein junges Mädchen. Bestimmt schauen alle Männer auf der Straße dir nach.«

»Selbst wenn es so wäre, bildete ich mir nichts darauf ein. Du jedenfalls schaust mir nicht nach, du schaust mich nicht einmal richtig an. Mein neues Kleid ... Es ist ein Jahr alt, und ich habe es schon sehr oft angehabt.«

»Tatsächlich? Weißt du, auf Äußerlichkeiten achte ich nicht besonders ... Nun schau mich nicht so böse an, Liebling. Ich gelobe auch reumütig Besserung.«

»Nur dass du dein Wort wieder nicht halten wirst. Manchmal frage ich mich, ob ich wirklich deine Frau bin. Im Grunde genommen brauchst du mich gar nicht. Irgendeine Person, die für dich kocht und wäscht, reichte dir vollkommen.«

Eine flüchtige Röte huschte über Niels Ohlsens markantes Gesicht.

»Darüber beklagst du dich also?«

»Nicht nur. So wichtig ist es nicht, nur ... dass ich für dich überhaupt nicht existiere, als Mensch und Frau, meine ich. Aber es hat keinen Zweck, mit dir darüber zu reden. Du verstehst überhaupt gar nicht, worum es geht. Du lebst für deine Patienten und erwartest, dass auch ich genauso denke und fühle wie du. Wäre Sven nicht gestorben ...«

Liebevoll beugte Niels sich vor und legte seine Rechte auf ihren Oberarm.

»Hast du es immer noch nicht verwunden?«

»Nein, und das werde ich auch nie. Mit drei Jahren ... und er war solch ein fröhliches, gesundes Kind.«

»Bitte, wein jetzt nicht.« Niels stand auf, setzte sich auf die Lehne ihres Sessels und legte unbeholfen einen Arm um ihre Schultern. »Weißt du, mit Kindern erlebt man ja nicht nur Freude ... wer weiß, wie er sich entwickelt hätte. Vielleicht hätte er uns später viel Kummer gemacht ... trotz aller Liebe, die wir ihm geschenkt hätten.«

»Soll das ein Trost sein? Mein Leben ist leer, Niels.«

»Du hältst das ganze Haus in Ordnung, und es ist schließlich ein großes Haus, erledigst die ganze Wäsche für die Praxis ...«

»Ich habe Arbeit, aber ich sehe keinen Sinn in meiner Arbeit. Du verstehst mich nicht. Lass uns aufhören, davon zu sprechen. Du hast genug in deiner Praxis und im Krankenhaus zu tun, da brauchst du nicht noch eine Frau, um die du dich kümmern musst.«

»Aber ich liebe dich, Karin«, sagte Niels leise und fast verschämt. »Ich dachte, du wüsstest das.«

»Wenn du es mir nie zeigst ...« Karin presste ihren Kopf an seine Brust. »Ich weiß, ich sollte nicht unzufrieden sein, du versuchst ja, mir ein guter Mann zu sein. Lass uns jetzt damit aufhören.«

Sehr nachdenklich blickte Niels auf sie hinab.

»Du hast wunderschönes Haar. So dicht und ... es riecht so gut ...« Er drückte einen Kuss auf ihr Haar. »Überhaupt ... ich habe verdammt Glück gehabt, dass du mich damals geheiratet hast. Schließlich war ich absolut keine gute Partie, ein kleiner Assistenzarzt ...«

»Ich habe dich geheiratet, weil ich dich liebte. Und weil ich glaubte, wir ... brauchten einander.«

»Und stimmt das nicht auch?«, fragte Niels. Er küsste sie jetzt auf die Nasenspitze. »Ich könnte mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen. Aber das muss man doch nicht jeden Tag sagen?«

»Man muss es zeigen. Wie du heute Abend wieder dagesessen hast. Mit deinen Gedanken weit fort. Mich hast du überhaupt gar nicht richtig bemerkt. Ich verlange nicht jeden Tag eine Liebeserklärung, das wäre albern, aber ein bisschen mehr ... Ach, hören wir doch auf damit«, fiel sich Karin selbst ins Wort. »Du wirst dich nicht mehr ändern, damit muss ich mich abfinden.«

»Aber ich will für dich kein Mann sein, mit dem du dich abfinden musst«, protestierte Niels. »Lass uns jetzt ins Bett gehen, ich bin müde. Und außerdem ...« Er lächelte ihr zu, aber seine Frau brachte es nicht fertig, sein Lächeln zu erwidern.

»Willst du deine ehelichen Pflichten erfüllen?«, fragte sie bitter. »Ach, Niels, und da glauben deine Patientinnen nun, du verständest etwas von Frauen.«

Trotz ihrer Selbstbeherrschung überzogen ihre Augen sich mit einem feuchten Schimmer. Sie sehnte sich nach seiner Zärtlichkeit, nach dem Gefühl, für ihn wichtig zu sein, nicht nach dem anderen, wie er jetzt glaubte.

»Habe ich schon wieder etwas Falsches gesagt?«, fragte Niels verdutzt.

»Nein, nein, es ist schon in Ordnung. Geh du zuerst ins Badezimmer, ich räume hier noch auf.« Karin erhob sich, und als sie stand, nahm Niels sie in den Arm.

»Selbst wenn ich manchmal ... vergiss nicht, dass ich ... dass ich dich immer noch verdammt gern habe. Vielleicht kann ich das nicht mehr so zeigen wie in unseren Flitterwochen, aber ...«

Karin drückte ihre Stirn an seine Brust.

»Schon gut. Es war dumm von mir, damit anzufangen. Aber einmal musste ich es dir doch sagen und dich daran erinnern, dass du eine Frau hast.«

Auch wenn ich weiß, dass du es morgen schon wieder vergessen haben wirst, setzte sie in Gedanken hinzu. Aber durfte sie sich darüber beklagen? Sie hatte Niels ja gut gekannt, als sie ihn heiratete. Sie hatte sich nur nicht vorstellen können, was es hieß, mit einem Arzt verheiratet zu sein, der nur für seinen Beruf lebte.

Ja, wenn ihr Kind nicht gestorben wäre ... Niemand hatte dem Kleinen helfen können. Und danach ... Sie hatte ja gewusst, dass sie keine Kinder mehr bekommen konnte. Und Karin hatte geglaubt, sich damit abgefunden zu haben.

Ich werde mich nie damit abfinden, wusste die junge Frau jetzt. Aber das ahnte Niels nicht einmal. Er hielt sie für eine beneidenswerte Frau, ihr kluger, törichter Mann. Sie hörte, wie er sich im Badezimmer die Zähne putzte und gurgelte.

Ich liebe ihn noch immer, dachte sie. Oder mache ich mir nur etwas vor, wenn ich das glaube? Bleibt mir denn etwas anderes übrig, als diesen Mann zu lieben, für den ich meistens gar nicht existiere?

Hör auf, dich zu bemitleiden, Karin, rief sie sich zur Ordnung. Mache Niels das Herz nicht unnötig schwer. Er hat so schon genug Sorgen.

***

»Du darfst ruhig Zeitung lesen«, erlaubte Karin ihrem Mann am nächsten Morgen am Frühstückstisch.

»Und da wollte ich mich nun gerade bessern«, erwiderte Niels schmunzelnd. »Du gibst mir auch wirklich keine Chance, Liebling. Wie hübsch du wieder aussiehst. Zum Anbeißen. Du wirst von Tag zu Tag jünger.«

»Brich dir keine Verzierung ab, Niels«, erwiderte seine wirklich sehr jung aussehende Frau lächelnd.

Allerdings war ihr bei den Komplimenten ihres Mannes eine zarte Röte ins Gesicht gestiegen, die Niels diesmal wohl registrierte. Es freute ihn, dass seine Frau immer noch erröten konnte wie ein junges Mädchen, ohne dadurch auch nur im Geringsten albern zu wirken.

»Ich will versuchen, heute Mittag pünktlich zum Essen zu kommen«, versprach er. »Ich will mir ja nicht den Zorn meiner Frau zuziehen.«

»Habe ich jemals geschimpft, wenn ich dir dein Essen warmstellen musste?«, fragte Karin.

»Nein. Du bist eben eine fabelhafte Frau und eigentlich viel zu gut für mich. Ich warte auf deinen Widerspruch, Karin«, setzte er vergnügt hinzu, als seine Frau ihn nur anschaute.

»Gute Vorsätze hast du ja genug ...«, meinte Karin.

»Aber du willst Taten sehen, das verstehe ich. Hast du wirklich nichts dagegen, wenn ich einen kleinen Blick in die Zeitung werfe? Du weißt ja, tagsüber komme ich einfach nicht dazu.«

»Lies nur, ich habe ja dann das Vergnügen, dich dabei anschauen zu dürfen. Das ersetzt mir ein volles Fernsehprogramm.«

Unbehaglich schaute Niels zu ihr hinüber, aber dann gab er es auf, das Rätsel lösen zu wollen, das ihre Worte ihm stellten. Er griff nach der Zeitung und hatte Karin sofort vergessen. Er kaute automatisch, seine Rechte suchte tastend nach dem Brötchen, weil er sich nicht die Zeit nahm, auf den Teller zu schauen.

Du wirst dich nie ändern, dachte seine Frau, und ihre gute Stimmung war wie weggeblasen. Ich muss mich damit abfinden, in seinem Leben nur die zweite Geige zu spielen. Aber ging das nicht vielen Ehefrauen so, vielleicht sogar den meisten? Und die hatten in der Regel nicht einmal Männer, die so viel für ihre Frauen taten wie Niels für sie. In finanzieller Hinsicht.

»Dann will ich mich auf den Weg machen. Frau Köhnekamp wird schon da sein, nehme ich an. Wenn ich die nicht hätte ...«

»Dann hättest du womöglich mich. Schaudert es dir nicht bei dieser Vorstellung?«, fragte Karin.

»Du hast im Haus genug zu tun«, gab Niels zurück.

»Sprach der hohe Herr, und weil er immer recht hat, wagte seine ergebene Dienerin nicht, ihm zu widersprechen. Ich weiß, du hast Frau Köhnekamp sozusagen geerbt und darfst sie nicht entlassen ...«

»Meine Patienten sind an sie gewöhnt und ... glaub mir, Liebling, sie ist für mich eine unentbehrliche Hilfe. Sie weiß alles über die Patienten, über ihre Krankheiten, über ihre familiären Verhältnisse.«

»Wie müssen ihr bei deinem Lob die Ohren klingeln«, äußerte Karin spöttisch. »Ich weiß ja, was für eine Perle sie ist. Auch wenn man es ihr äußerlich nicht ansieht.«

»Immerhin brauchst du auf sie nicht eifersüchtig zu sein«, stellte Niels fest. »Obwohl du in der Beziehung sowieso unbesorgt sein könntest. Ich dächte im Traum nicht daran, nach einer anderen Frau zu schauen.«

»Wann denn auch, wenn nicht im Traum? Du hast ja nicht einmal Zeit, mich zu betrügen, du Armer.«

»Ich bin wirklich bedauernswert.« Niels Ohlsens Praxis lag im selben Haus im Erdgeschoss, er brauchte nur die Treppe hinunterzugehen, eine sehr bequeme Regelung für ihn. Er ging zur Tür, dann fiel ihm etwas ein. Er blieb stehen, drehte sich um, ging zu seiner Frau zurück, nahm sie in den Arm und gab ihr einen Kuss. »Das will ich in Zukunft nicht mehr vergessen«, gelobte er anschließend.

»Dann mach dir einen Knoten ins Taschentuch. Ach, Niels ...«, seufzte Karin.

Er gab sich ja Mühe, aber es war schlimm, dass er sich Mühe geben musste, um das zu tun, was für einen Mann, der seine Frau liebte, eigentlich selbstverständlich war.

»Habe ich schon wieder etwas falsch gemacht?«, erkundigte sich Niels. »Du wirst doch jetzt nicht etwa schwierig, Liebling?«

»Es fiele mir nie ein, deine Seelenruhe zu gefährden, Liebling«, gab Karin heftig zurück.

»Ich soll wohl nicht immer Liebling zu dir sagen«, fiel Niels schuldbewusst ein.

Jedenfalls nicht so gleichgültig, verbesserte seine Frau ihn in Gedanken. Früher hatte sie sich gefreut, wenn er Liebling zu ihr sagte. Weil er es dann auch so meinte, sich etwas dabei dachte, weil er fühlte, was er aussprach. Jetzt dagegen ... Es war ein Wort ohne Inhalt geworden, Routine.

Und deshalb nicht genug. Es war fast eine Kränkung für eine empfindliche Frau wie Karin Ohlsen.

»Was wirst du heute machen?«, erkundigte sich Niels.

»Die Gardinen vom Schlafzimmer waschen. Seit wann interessiert dich das?«

»Schon immer. Du, ich muss jetzt runter ...« Niels nickte ihr zu, drehte sich um und hastete hinaus.

Schon auf der ersten Treppenstufe wird er nicht mehr an mich denken, dachte seine Frau. Wie nett er sein konnte, wenn er sich ein bisschen anstrengte. Aber darf ich das überhaupt von ihm verlangen?, fragte sie sich gleichzeitig. Sein Beruf frisst ihn auf. Sicher, ein Arzt muss seinen Beruf ernst nehmen, aber Niels übertrieb, fand jedenfalls seine Frau, die mehr von ihm haben wollte.

***

»Guten Morgen«, sagte der Arzt unterdessen, als er sein Sprechzimmer betreten hatte und Frau Köhnekamp an ihrem Schreibtisch sitzen sah.

»Guten Morgen, Herr Doktor«, gab die füllige Frau freundlich zurück. »Wie haben Sie geschlafen?«

»Danke, sehr gut, bin nicht gestört worden. Und Sie, Frau Köhnekamp?«

»Ich konnte wieder nicht einschlafen. – Das Wartezimmer ist schon voll, Herr Doktor. Wollen wir gleich anfangen?«

»Rufen Sie die erste Patientin herein, bitte.« Niels knöpfte sich den weißen Kittel zu, während er auf die Tür schaute.

»Frau Gottwald«, stellte Christa Köhnekamp die erste Patientin vor. »Zum ersten Mal bei uns.«

Der Gynäkologe reichte ihr freundlich die Hand. Mit einer Handbewegung bat er sie, neben seinem Schreibtisch auf einem Stuhl Platz zu nehmen.

Frau Gottwald spielte nervös mit dem Verschluss ihrer Handtasche. Sogar Niels Ohlsen sah, dass die Tasche viel Geld gekostet haben musste, obwohl er von solchen Sachen nichts verstand. Die Frau war dezent elegant gekleidet, ebenso dezent war auch ihr Make-up. Eine Privatpatientin.

»Ich möchte, dass Sie mich einmal gründlich untersuchen, Herr Doktor Ohlsen.« Frau Gottwald hatte sich einen sichtlichen Ruck gegeben. »Ich erwarte nämlich ein Kind, und da möchte ich, dass ein Fachmann mich untersucht. Mein Mann besteht darauf, denn ... es ist mein erstes Kind und ... so jung bin ich auch nicht mehr ...«

Niels warf einen diskreten Blick auf die Karteikarte, die Frau Köhnekamp schon mit den persönlichen Daten der neuen Patientin ausgefüllt hatte. Einundvierzig Jahre alt. Und dann ihr erstes Kind ...

»Wir haben uns immer Kinder gewünscht, aber es hat nie geklappt. Ich bin seit zehn Jahren verheiratet ... und nun ... man liest ja so manches über Frauen in meinem Alter, die ihr erstes Kind erwarten. Da soll es eine Möglichkeit geben festzustellen, ob das Baby ... ob es ... irgendwelche Anomalien aufweisen wird.«

Niels nickte mitfühlend. »Sie denken an die Amniozentese, eine Fruchtwasseruntersuchung, die uns die nötigen Hinweise gibt. Ich selbst kann sie nicht durchführen, werde Sie aber, wenn Sie es wünschen, an eine Klinik überweisen. Bei der Gelegenheit werden Sie übrigens auch gleich erfahren, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. In welchem Monat sind Sie?«

»Ende des dritten. Diese Untersuchung ... ist sie gefährlich?«, fragte Frau Gottwald stockend.

»Das Risiko ist absolut vertretbar. Ich kann Ihnen dazu raten. Die Möglichkeit, ein mongoloides Kind zu bekommen, ist in Ihrem Alter größer als bei jüngeren werdenden Müttern.«

Inga Gottwald schluckte. »Und wenn ...?«

»Dann müssen Sie und Ihr Mann entscheiden, was geschehen soll.«

»Ja, ich verstehe ... Aber ich bin eigentlich immer gesund gewesen, mein Mann auch ... Ich rauche nicht, trinke kaum Alkohol, nur gelegentlich in Gesellschaft ...«

»Sie brauchen sich überhaupt noch keine Sorgen zu machen, Frau Gottwald. Ich möchte Sie dann jetzt untersuchen. Wenn Sie sich dort hinter dem Vorhang freimachen wollen ... Frau Köhnekamp wird Ihnen behilflich sein.«

Dr. Ohlsen wusste, wie peinlich den meisten Frauen die Untersuchung auf dem gynäkologischen Stuhl war, aber er konnte sie ihnen nicht ersparen. Während er arbeitete, versuchte er, Frau Gottwald durch freundliche Fragen abzulenken.

Trotzdem atmete Inga sichtlich auf, als sie wieder hinter den Vorhang huschen konnte. Sie war eine moderne Frau von heute, aber trotzdem ...

»Sie brauchen sich, glaube ich, keine Sorgen zu machen«, erklärte Dr. Ohlsen, als die Frau wieder auf ihrem Stuhl saß. »Ich habe keine Anomalien feststellen können. Hier ist der Schein für die Klinik. Wenn Sie wollen, rufe ich die Kollegen dort an, damit Sie nicht unnötig lange zu warten brauchen.«

»Und wann erfahre ich das Ergebnis?«, fragte Inga Gottwald mit dünner Stimme.

»Darauf werden Sie allerdings einige Wochen warten müssen. Dafür haben Sie dann die Sicherheit, dass ihr Kind gesund ist. Machen Sie sich noch keine unnötigen Sorgen.«