Lore-Roman 165 - Helga Winter - E-Book

Lore-Roman 165 E-Book

Helga Winter

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Beschreibung

Vanessa Komtess von Wissenhausen ist eine junge Dame, die aussieht wie einem Modejournal entstiegen. Alles an ihr ist perfekt, angefangen von den Schuhen bis zu der kunstvollen Frisur. Doch eines hat sie nicht: den perfekten Mann. Denn sie hat sich in den Falschen verliebt. Das glauben jedenfalls ihre Eltern. Cord Klenken ist ein Vertreter für Landmaschinen, erfolglos und seit Kurzem auch noch arbeitslos. Die Eltern meinen, er habe es nur auf Vanessas Vermögen abgesehen. Weil Vanessa ohne Cord nicht leben kann, drängt sie ihn zu einer heimlichen Hochzeit. Der Vater wird ihr schon nachträglich seinen Segen erteilen. Doch sie täuscht sich gewaltig. Der alte Wissenhausen tobt vor Wut und verweist seine Tochter des Hauses. Fortan sind die beiden Frischverheirateten auf sich allein gestellt. Geld haben sie keines mehr. Glücklicherweise können sie bei Vanessas Schulfreundin und deren pflegebedürftiger Tante unterkommen. Cord bemüht sich um eine neue Stelle, doch alle Versuche sind vergeblich. Als Vanessa dann ein Kind erwartet, scheint Cords Geduld am Ende zu sein. Vanessa zwingt sich zu denken, dass sie ihn doch besser kennt, diesen aufmerksamen, zärtlichen Mann, der nur in den letzten Wochen anders geworden ist, weil das Leben ihm so hart mitspielt. Doch mit der Zeit wachsen ihre Zweifel ...


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Inhalt

Cover

Ehe mit dem falschen Mann

Vorschau

Impressum

Ehe mit dem falschen Mann

Ein Roman, der nachhaltig das Herz berührt

Von Helga Winter

Vanessa Komtess von Wissenhausen ist eine junge Dame, die aussieht wie einem Modejournal entstiegen. Alles an ihr ist perfekt, angefangen von den Schuhen bis zu der kunstvollen Frisur. Doch eines hat sie nicht: den perfekten Mann. Denn sie hat sich in den Falschen verliebt. Das glauben jedenfalls ihre Eltern. Cord Klenken ist ein Vertreter für Landmaschinen, erfolglos und seit Kurzem auch noch arbeitslos. Die Eltern meinen, er habe es nur auf Vanessas Vermögen abgesehen. Weil Vanessa ohne Cord nicht leben kann, drängt sie ihn zu einer heimlichen Hochzeit. Der Vater wird ihr schon nachträglich seinen Segen erteilen. Doch sie täuscht sich gewaltig. Der alte Wissenhausen tobt vor Wut und verweist seine Tochter des Hauses. Fortan sind die beiden Frischverheirateten auf sich allein gestellt. Geld haben sie keines mehr. Glücklicherweise können sie bei Vanessas Schulfreundin und deren pflegebedürftiger Tante unterkommen. Cord bemüht sich um eine neue Stelle, doch alle Versuche sind vergeblich. Als Vanessa dann ein Kind erwartet, scheint Cords Geduld am Ende zu sein. Vanessa zwingt sich zu denken, dass sie ihn doch besser kennt, diesen aufmerksamen, zärtlichen Mann, der nur in den letzten Wochen anders geworden ist, weil das Leben ihm so hart mitspielt. Doch mit der Zeit wachsen ihre Zweifel ...

»Sie haben es immer eilig«, stellte Frau Voigtländer kopfschüttelnd fest, als sie sah, wie hastig Fräulein Schierenbeck ihren Einkaufswagen vor sich herschob. »Wie geht es denn Ihrer Tante? Schon etwas besser?«

»Ja und nein. Seitdem der Arzt ihr die neuen Tabletten verschrieben hat, spürt sie nicht mehr so große Schmerzen, aber gesund ist sie noch lange nicht.«

»Na ja, in dem Alter ...«

»So alt ist meine Tante noch gar nicht«, stellte Julia richtig. Sie warf einen Blick auf ihren Zettel, auf dem sie notiert hatte, was sie einkaufen wollte.

»Ihre Tante kann froh sein, eine Nichte wie Sie zu haben. Sie opfern sich richtig auf, Fräulein Schierenbeck. Gestern Abend habe ich noch zu meinem Mann gesagt, richtig ist das eigentlich nicht, habe ich gesagt. Ich meine, dass Sie immer nur für Ihre Tante leben, nie ausgehen, eigentlich nie richtig unter Menschen kommen ... Man ist schließlich nur einmal jung. Und was haben Sie von Ihrer Jugend?«

Julia achtete nicht auf das Geschwätz der Nachbarin. Sie hatte immer ein schlechtes Gewissen, wenn sie Tante Hermine allein lassen musste. Dabei verlangte ihre Tante keineswegs ständig ihre Gesellschaft, im Gegenteil, oft genug sagte sie das gleiche wie Frau Voigtländer.

»Immer diese langen Schlangen an der Kasse!« Frau Voigtländer schüttelte den Kopf. »Da sollten sie eine Frau mehr einstellen. Na ja, dann müssen wir halt warten. Ihre Tante kann von Glück sagen, dass Sie mal Krankenschwester gelernt haben. Sonst hätte sie womöglich in ein Pflegeheim gehen müssen. Ihre Tante hat schon gewusst, was sie tat, als sie Sie Schwester lernen ließ. Jetzt hat sie gleich eine Pflegerin zu Hause, und zwar die beste, die sie sich nur wünschen kann. War wirklich sehr klug von Ihrer Tante, das alles so vorauszuplanen.«

»Ich wollte gern Krankenschwester werden.« Dass die Menschen anderen immer niedrige Motive unterstellen müssen, dachte Julia.

Frau Voigtländer schaute das Mädchen nachdenklich an.

»Ich will mich ja nicht in Ihre Angelegenheiten einmischen, Fräulein Schierenbeck, wirklich, das liegt mir fern, aber ...«

Wenn du dich nicht einmischen willst, dann halt deinen Mund, hätte Julia ihr am liebsten erwidert.

»Sie sind so ein hübsches junges Ding, wenn ich das mal ganz offen sagen darf, bloß – man sieht das erst auf den zweiten Blick. Sie müssten mehr aus sich machen, Fräulein Schierenbeck. Ein bisschen Lippenrot ... Und dann so Schatten um die Augen ... Und natürlich eine andere Frisur. Sie tragen Ihr Haar altmodisch, und wenn die Männer auch nichts von Mode verstehen, irgendwie kriegen sie das mit. Und eine altmodische Frau, die wollen sie nicht haben. Sie sollten mal zu meinem Friseur gehen, der würde etwas aus Ihrem Kopf machen. Hätte ich Ihr Haar ...« Sie seufzte tief von innen heraus. »So dick, und dann dieses echte Blond! Früher hab ich ja mal gedacht, Sie täten es sich färben, aber jetzt weiß ich, auf den Gedanken kommen Sie überhaupt nicht. Alles echt bei Ihnen. – Wie langsam das hier nur vorangeht! Die da vorn kauft wohl für eine ganze Kompanie ein. Sehen Sie, ein ganzes Pfund Butter. Dabei haben die es gar nicht so. Ihr Mann ist bloß Vertreter. Aber dick Butter aufs Brot, das muss sein. Kennen Sie das Auto, das die fahren?«

»Nein«, erwiderte Julia in einem Ton, der einer empfindlicheren Frau das Weitersprechen verwehrt hätte.

Frau Voigtländer war nicht empfindlich.

»Einen Opel, aber der gehörte eigentlich ins Museum. Dass die olle Kiste überhaupt noch fährt! – Sie haben ja überhaupt kein Auto.«

»Wir brauchen auch keins.«

»Ihre Tante, die will wohl keins bezahlen?«, fragte Frau Voigtländer. »Dabei wäre es doch ganz schön, wenn sie mal rauskäme aus ihrem Haus. Obwohl, das muss der Neid ihr lassen, es ist schon ein schönes Haus, und dann das große Grundstück ... Wie Sie das in Ordnung halten, Fräulein Schierenbeck, alle Achtung! Unseres ist viel kleiner, aber ich weiß einfach nicht, woher ich die Zeit nehmen soll, im Garten zu arbeiten. Das macht mein Mann.«

Du solltest nicht so viel auf der Straße stehen und klatschen, dann hättest du Zeit, dachte Julia. Es ging an der Kasse wirklich sehr langsam voran, und ihre Ungeduld stieg von Minute zu Minute, die sie hier warten musste.

»Ihre Tante, die muss jetzt ja wohl fest liegen, nicht?«, fragte Frau Voigtländer in unstillbarer Neugierde. »Besucht ihr Sohn sie denn manchmal?«

»Nein. Er – hat wenig Zeit.«

»Verstehe. Die Frau ... So ist das, wenn die Söhne heiraten, dann ist die Mutter abgemeldet, und die Frau hat das Sagen. Mit dem Lothar war nie viel los. Er hat seiner Mutter viel Kummer gemacht. Wird wohl ganz wie der Vater. Als der Schierenbeck gestorben ist, da haben nicht viele um ihn getrauert. Ihre Tante hat es natürlich nicht zugegeben, aber ich glaube, die war ganz froh, dass er weg musste. War das ein Egoist! Na ja, man soll von Toten nichts Schlechtes reden, aber wie man über den etwas Gutes sagen soll ...? Ein Glück für Sie, dass Ihre Tante Sie damals aufgenommen hat, als Ihre Eltern plötzlich starben. So ist sie, gutmütig bis zur Dummheit. Aber jetzt zahlt es sich für sie aus. Manchmal werden gute Taten belohnt. Kommt ja selten genug vor. Denn ihr Sohn, der hätte sie glatt ins Altenheim abgeschoben. Es geht mich ja nichts an, aber wenn Ihre Tante mal ... Wer erbt das alles?«

»Weiß ich nicht«, erwiderte Julia abweisend und aufgebracht. »Ich hoffe ja, dass meine Tante noch lange nicht sterben muss.«

»Das hoffe ich auch, aber man muss ja auf alles gefasst sein, und es kann nie etwas schaden, sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Wenn es noch kein neues Testament gibt, dann sollten Sie jetzt darauf achten, dass Ihre Tante Sie rechtzeitig versorgt.«

»Das werde ich meiner Tante überlassen.«

»An Tod und Testament denken alte Leute nicht gern, das schieben die immer vor sich her, und eines Tages ist es dann zu spät, und die Hinterbliebenen haben das Nachsehen. Der Lothar, der hat nun wirklich keinen Pfennig verdient, wenn Sie mich fragen. Zu Weihnachten schickte er seiner Mutter einen Gruß, anstatt selbst zu kommen. Aber wenn es ans Erben geht, dann steht er vor der Tür, bevor sie noch ganz kalt ist, wetten?«

Julia atmete auf, als sie jetzt die Kasse erreicht hatte und ihre Einkäufe auf das Band legen konnte. Sie wollte einfach nicht daran denken, dass ihre geliebte Tante Hermine auch einmal sterben musste. Sie war die älteste Schwester ihres Vaters, eine Frau, die Julia von ganzem Herzen liebte. Und nicht nur weil sie wusste, was sie ihr verdankte. Tante Hermine war ein Mensch, der einem anderen nie etwas Böses zugefügt hatte, der nie ein abfälliges Wort über einen anderen Menschen gesprochen hatte. Und da dachte man doch nicht ans Erben, wenn sie krank wurde. Man hoffte, dass es ihr bald wieder besser gehen möge.

»Auf Wiedersehen«, warf sie Frau Voigtländer hin, als sie bezahlt hatte.

»Warten Sie doch noch einen Moment, ich komme dann mit«, schlug Frau Voigtländer vor.

»Keine Zeit. Meine Tante wartet auf mich.«

»Immer diese Eile bei den jungen Leuten.«

Die füllige Nachbarin konnte nur den Kopf schütteln.

***

Julia hastete nach Hause. Auf dem Weg zur Tür suchte sie das Schlüsselbund hervor. Es war ein wunderschöner, warmer Tag. Ich hätte Tante Hermine auf die Terrasse schieben sollen, dachte sie. Selbst gehen konnte Tante Hermine nicht, sie musste im Rollstuhl sitzen, eine alte Frau, die ihre Behinderung klaglos ertrug.

»Ich bin wieder da«, rief sie in die Stille des Hauses.

»Wie schön«, gab Tante Hermine zurück. Sie lächelte zu ihrer Nichte hoch, als diese gleich darauf ins Wohnzimmer trat, wo sie auf dem Sofa lag. »Du hättest dich nicht so zu beeilen brauchen, du bist ja ganz außer Atem. Lass dir Zeit, Julia.«

»Ich habe mich gar nicht beeilt«, behauptete das Mädchen. »Du brauchst jetzt deine Tropfen, Tante Hermine.«

»Und deshalb hast du dich so abgehetzt? Mir geht es schon gut. Du bist ganz erhitzt.«

»Es ist warm geworden. Was hältst du davon, wenn ich deinen Rollstuhl auf die Terrasse schiebe?«

»Wenn du das tun willst? Wer weiß, wie viele schöne Tage ich noch erleben werde.«

»Tante Hermine, das darfst du nicht sagen. Du wirst bestimmt wieder gesund. Der Doktor ist mit dir sehr zufrieden.«

»Was soll er auch anders sagen? Optimismus gehört zu seinem Handwerk. Ich weiß selbst, was mit mir los ist. Aber mach nicht solch ein Gesicht, morgen oder übermorgen bin ich noch nicht dran. Dass du so viel Kraft hast«, murmelte sie, als Julia sie hochhob und in den Rollstuhl setzte.

»Du wiegst ja kaum etwas, Tante Hermine. Du musst mehr essen.«

»Wenn man den ganzen Tag rumsitzt oder rumliegt, hat man keinen Appetit. Außerdem wäre es schlimm, wenn ich eine dicke alte Frau wäre. So ist es schon besser. Wenn ich dich nicht hätte, Julchen ...«

»Ich bin es, die dankbar sein muss, Tante Hermine. Versuch nicht immer, den Spieß umzudrehen.«

Die alte Dame lächelte nur über diese Bemerkung. Als lebenserfahrene Frau wusste sie besser, wie selten Dankbarkeit anzutreffen war. Ihr eigener Sohn, für den sie doch so viel getan hatte, fand kaum Zeit, sich um sie zu kümmern. Und Julchen, ihre Nichte, sorgte besser für sie als eine Tochter es hätte tun können. Und dies geschah nicht allein aus Dankbarkeit. Sie tat es, weil sie ein guter Mensch war.

»Eigentlich bin ich für dich nur eine Last. Wie willst du jemals einen netten Mann zum Heiraten kennenlernen, wenn du immer zu Hause bleibst?«

»Ich denke nicht ans Heiraten. Es gibt so viele unglückliche Ehen ...«

»Ja. Weil man über die vielen glücklichen nicht schreibt. Ich möchte so gern noch erleben, dass du einen passenden Mann findest, Julchen. Aber das zu hoffen ist wohl vermessen.«

»Ich hole dir jetzt etwas zu trinken.«

Tante Hermine lächelte hinter ihr her. Sie war dem Schicksal dankbar, dass es vor vielen Jahren Julia in ihr Haus geführt hatte, so traurig der Anlass auch gewesen war. Für sie war es ein glücklicher Tag gewesen.

***

»Wer mag das sein?«, fragte Tante Hermine, als jemand klingelte.

»Hoffentlich nicht Frau Voigtländer, die sich wieder etwas ausleihen will und dann stundenlang bleibt.«

»Lothar wird es ja nicht sein ...«, fügte Hermine Schierenbeck leise hinzu.

Sie gab es nicht zu, aber sie litt darunter, dass ihr einziger Sohn so wenig Zeit für seine Mutter hatte. Dabei war sie völlig außerstande, ihm dafür zu zürnen. Er hatte schließlich seinen Beruf, eine anspruchsvolle Frau, da musste die Mutter schon zurückstehen.

Sie hörte Julia einen Schrei ausstoßen und schmunzelte. Das klang nach freudiger Überraschung.

Und so war es auch.

»Bist du es wirklich?«, fragte Julia strahlend die hübsche, junge Dame, die geklingelt hatte. »Komm rein! Du hast dich verändert.«

»Und du nicht. Fast möchte ich sagen – leider«, erklärte Vanessa von Wissenhausen lächelnd. »Du siehst immer noch so brav und bieder aus wie früher, als wir alle in der Klasse von dir abschrieben. Wie geht es dir?«

»Danke, ich bin zufrieden. Und wie geht es dir? Du siehst elegant aus.«

»Na ja, wenn Geld keine Rolle spielt ... Ich war vorsichtig und habe mir die richtigen Eltern ausgesucht, Julia. Das heißt – fast die richtigen.« Einen Moment glitt ein Schatten über ihr hübsches Gesicht.

»Darf ich dich mit meiner Tante bekannt machen? Ich habe ihr schon viel von dir erzählt, Vanessa. Du bist sozusagen meine Renommierfreundin, eine leibhaftige Komtess.«

»Ich wünschte, ich wäre es nicht«, seufzte Vanessa, während sie Julia durch die große Diele auf die Terrasse folgte.

Forschend schaute Hermine Schierenbeck der jungen Dame entgegen. Auf Julias Menschenkenntnis vertraute sie nicht. Ihre Nichte neigte dazu, von allen das Beste zu denken, so oft sie auch schon enttäuscht worden war. An und für sich ein liebenswerter Charakterzug, nur ein bisschen gefährlich, weil Julia dadurch immer wieder in Gefahr geriet, ausgenutzt zu werden.

Was will die Komtess von Julia?, fragte sie sich misstrauisch. Seit Jahren hatte ihre Nichte nichts mehr von dieser Vanessa gehört, und dass sie jetzt plötzlich vor der Tür stand, bedeutete sicherlich nicht, dass sie Julia nur wiedersehen wollte.

Ihre Nichte allerdings schien so etwas nicht zu denken. Sie strahlte Vanessa an, eine junge Dame, die aussah wie einem Modejournal entstiegen. Alles an ihr war perfekt, angefangen von den Schuhen bis zu der kunstvollen Frisur.

Und trotzdem ist mir Julia tausendmal lieber, überlegte Hermine Schierenbeck.

»Ihr habt einen hübschen Garten«, äußerte Vanessa eine Stunde später, nachdem sie Kaffee getrunken hatten.

»Wenn ich ihn dir zeigen soll ...«, bot ihr Julia sofort an.

Sie will mit Julchen unter vier Augen sprechen, begriff Hermine Schierenbeck. Dass Julia so etwas gar nicht merkte. Sie sah die beiden jungen Damen nur, ohne verstehen zu können, worüber sie sprachen, aber es war deutlich, dass die Komtess Julias Erklärungen nicht zuhörte.

»Es wundert mich, dass du noch keinen Mann gefunden hast«, unterbrach Vanessa ihre ehemalige Schulfreundin mitten in einem Satz.

»Hab' noch nicht den richtigen gefunden. Und wie steht es mit dir, Vanessa? Du hast doch sicherlich die große Auswahl.«

»Ja, das schon ...«, bestätigte Vanessa langgezogen.

»Aber?«, fragte Julia aufhorchend.

Vanessa riss eine Blüte ab, betrachtete sie geistesabwesend und warf sie dann in das Beet.

»Ich habe mich in den falschen Mann verliebt. Das glauben jedenfalls meine Eltern, und die müssen es ja wissen, die sind ja so viel klüger als ich.«

Tiefe Erbitterung schwang in ihrer Stimme mit.

»Wieso?«, fragte Julia verständnislos.

Vanessas Zunge glitt über ihre vollen dunkelroten Lippen, während sie nach den richtigen Worten suchte.

»Er – er ist Vertreter.«

»Und?«, fragte Julia verständnislos. »Wenn er tüchtig und nett ist ...«

»Natürlich ist er das. Trotzdem passt er meinen Eltern nicht. Er ist nicht von Adel und – überhaupt. Sie haben mir verboten, ihn wiederzusehen.«

»Das ist sehr grausam.«

»Ich kann ohne Cord nicht leben. Bloß ... Bei uns können wir uns nicht einmal heimlich treffen. Jeder kennt mich, und die Leute klatschen viel. Es würde meinem Vater bestimmt zu Ohren kommen, wenn wir uns sehen. Es ist schrecklich. Und ich verstehe meinen Vater nicht. Da sagt er immer, er wolle nur mein Bestes, dass ich glücklich werde, und dann ...« Vanessa von Wissenhausens hübsche Augen füllten sich mit Tränen. »Sie haben da einen anderen für mich, aber den will ich nicht. Ich will nur Cord, keinen anderen.«

»Wenn du deinen Eltern das klarmachst ... Dass es heutzutage noch Standesvorurteile gibt!«

»So ist Vati nicht. Er meint, Cord hätte es nur auf unser Vermögen abgesehen, dabei kennt er Cord gar nicht richtig, nicht so wie ich. Aber darüber kann man mit ihm nicht reden. Ich bin ja so unglücklich, Julchen. Cord sagt, unsere Liebe hätte keine Zukunft. Aber ich kann nicht ohne ihn leben«, wiederholte sie verzweifelt.

»Wenn du deinen Eltern klarmachst ...«

»Ich habe es versucht, nicht nur einmal, immer wieder. Aber mit Vati kann man darüber nicht reden. Er hat sich seine Meinung gebildet, und dabei bleibt er. Cord ist so ... Ich kann ihn dir gar nicht beschreiben. Einen Mann wie ihn habe ich vorher nicht kennengelernt, mir nicht vorstellen können, dass ein Mann so sein kann. Er liest mir jeden Wunsch von den Augen ab, und wenn wir mal allein sind ... Es ist, als bebe die Erde unter mir, wenn er mich küsst.«

Das konnte Julia nicht nachempfinden, obwohl sie jetzt voller Anteilnahme nickte.

»Und wie sieht eure Zukunft aus?«

Vanessa presste ihre Zähne in die Unterlippe. Das Sprechen fiel ihr offenbar sehr schwer.

»Sie haben mir verboten, Cord wiederzusehen. Ja, und deshalb ... Da bist du mir eingefallen. Auch hier in der Stadt kennt man mich; wenn der Zufall es will, dann sieht mich jemand und erzählt es Vati. Da dachte ich ...«

Julia schaute sie starr an.

»Es ist doch nichts Verbotenes, wenn wir uns hier bei dir treffen. Wir können doch nicht in ein Hotel gehen. Dort sind bestimmt Leute, die mich kennen. Und Cord will nicht, dass ich noch mehr Ärger bekomme. Er will, dass – dass ich vernünftig bin. Dabei sehe ich ihm an, wie unglücklich er selbst ist. Ich kann einfach nicht ohne ihn leben.«

Das wusste Julia inzwischen, auch wenn ihr klarer Verstand sich weigerte, das zu glauben. Vanessa war schon in der Schule immer ein wenig überspannt gewesen, eine romantische Träumerin, voller hochfliegender Pläne und großer Gefühle. Was hatte sie nicht alles werden wollen.

»Was machst du beruflich?«, fragte sie aus der naheliegenden Gedankenverbindung heraus.

»Nichts. Was soll ich machen? Du meinst, ob ich etwas gelernt habe? Nein. Vati meint, ich würde ja doch bald heiraten. – Wie ist es, Julchen, willst du uns helfen? Bitte! Ich weiß sonst keinen Ausweg, ich habe niemanden, den ich bitten könnte. Nicht wahr, du lässt uns nicht im Stich?«

»Hinter dem Rücken deiner Eltern?«

»Es liegt doch an ihnen. Warum verbieten sie mir, Cord wiederzusehen? Nur weil er Vertreter ist? Er vertritt eine Fabrik für landwirtschaftliche Maschinen. Dadurch habe ich ihn kennengelernt. Es war Liebe auf den ersten Blick – von beiden Seiten. Als ich ihn sah, da war es, als wäre ich vom Blitz getroffen. Ja, und als Vati merkte, was los ist, hat er mir eine furchtbare Szene gemacht. Und natürlich hat er Cord nichts abgekauft. Er hat die Maschinen woanders bestellt.«

»Das kann ich verstehen. Ich meine, wenn er deinen Cord ablehnt ... Aber warum denn nur, wenn er nicht adelsstolz ist?«

»Das habe ich dir doch schon gesagt: Er meint, Cord hätte es nur auf meine Mitgift abgesehen. Dabei würde Cord mich vom Fleck weg heiraten, auch wenn ich ganz arm wäre.«

»Und warum tut er es nicht?«, fragte Julia.

Vanessa blieb stehen und starrte sie aus weitaufgerissenen Augen an.