Lore-Roman 169 - Helga Winter - E-Book

Lore-Roman 169 E-Book

Helga Winter

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Beschreibung

Für Landmädchen Hilke Winkelmann geht ein Traum in Erfüllung: Sie darf fortan bei ihrem Onkel in der Stadt wohnen. Er will sie unter seine Fittiche nehmen, und sein Adoptivsohn Peer-Eike soll ihr das Großstadtleben zeigen. Doch niemand weiß, dass Peer-Eike seit vielen Jahren schon ihr Schwarm ist, der Mann, an dem sie alle anderen misst.
Aber große Enttäuschung stellt sich ein, als Hilke erfahren muss, dass der tüchtige Peer-Eike sich vielmehr für seinen Verlag interessiert als für sie. Nie hat er Zeit, um etwas mit ihr zu unternehmen. Ihr gegenüber ist er noch nicht mal liebenswürdig. Und doch ist er der Mann, von dem sie einfach nicht loskommt.
Als ihr Vater urplötzlich stirbt, hinterlässt er eine tiefe Leere in Hilke. Ihr Onkel tut sein Bestes, um sie zu trösten. Er bittet seinen Sohn noch einmal inständig, sich um Hilke zu bemühen. Und als Peer-Eike ihr wenige Monate später einen Heiratsantrag macht, willigt sie ein, obwohl sie weiß, dass er sie nicht liebt ...


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Inhalt

Cover

Einsam und unverstanden

Vorschau

Impressum

Einsam und unverstanden

Roman um eine Verlobung wider Willen

Von Helga Winter

Für Landmädchen Hilke Winkelmann geht ein Traum in Erfüllung: Sie darf fortan bei ihrem Onkel in der Stadt wohnen. Er will sie unter seine Fittiche nehmen, und sein Adoptivsohn Peer-Eike soll ihr das Großstadtleben zeigen. Doch niemand weiß, dass Peer-Eike seit vielen Jahren schon ihr Schwarm ist, der Mann, an dem sie alle anderen misst.

Aber große Enttäuschung stellt sich ein, als Hilke erfahren muss, dass der tüchtige Peer-Eike sich vielmehr für seinen Verlag interessiert als für sie. Nie hat er Zeit, um etwas mit ihr zu unternehmen. Ihr gegenüber ist er noch nicht mal liebenswürdig. Und doch ist er der Mann, von dem sie einfach nicht loskommt.

Als ihr Vater urplötzlich stirbt, hinterlässt er eine tiefe Leere in Hilke. Ihr Onkel tut sein Bestes, um sie zu trösten. Er bittet seinen Sohn noch einmal inständig, sich um Hilke zu bemühen. Und als Peer-Eike ihr wenige Monate später einen Heiratsantrag macht, willigt sie ein, obwohl sie weiß, dass er sie nicht liebt ...

»Kommst du mit nach Wiesenhagen?«, fragte Walter Winkelmann seinen Adoptivsohn freundlich. »Ein Wochenende auf dem Land würde dir guttun. Du weißt ja, Hilke ist eine ausgezeichnete Köchin, und auch sie wird sich freuen, dich einmal wiederzusehen. Ein ausgesprochen nettes Mädchen.«

Peer-Eike schnitt unwillkürlich eine Grimasse.

»Vor allem ein stummes Mädchen«, meinte er ironisch. »Die gute Hilke weiß nicht, dass ein Mund unter anderem auch zum Sprechen da ist. Aber für ihre Dummheit kann sie nichts, und sonst ist sie ja ganz nett. Mitkommen kann ich nicht, ich habe einfach zu viel zu tun.«

»Hilke ist nicht dumm«, nahm Walter Winkelmann seine angegriffene Nichte in Schutz. »Sie hat ein sehr gutes Abitur gemacht, ist nur ein bisschen scheu und zurückhaltend.«

»Meinetwegen«, gab Peer-Eike gleichgültig nach.

Diese Hilke interessierte ihn nicht im Geringsten. Für dumme Menschen hatte er nicht viel übrig, und eine Frau, mit der man sich nicht unterhalten konnte, die nur immer stumm dasaß, musste dumm sein. Kochen konnte sie zwar, das stimmte, aber das war Peer-Eikes Meinung nach nicht unbedingt ein Zeichen von Intelligenz.

»Hat Onkel Berthold dich gebeten zu kommen?«, wollte er wissen.

»Ja, sogar ziemlich dringend. Ich weiß nicht, was er will. Er scheint sich um irgendetwas Sorgen zu machen.«

»Unsere Herbstproduktion steht noch nicht. Mir fehlen noch zwei oder drei zugkräftige Titel. Woher nehmen und nicht stehlen?«

»Du wirst schon noch etwas finden«, meinte sein Adoptivvater schmunzelnd. »Du machst dir zu große Sorgen um den Verlag, glaube ich. Er läuft doch, was willst du mehr?«

»Letztes Jahr ist der Umsatz zum ersten Mal nicht gestiegen. Das ist ein schlechtes Zeichen.«

»Bei fast allen Verlagen sind die Umsätze zurückgegangen. Wir stehen also verhältnismäßig gut da. Du verlangst zu viel von dir und anderen, Peer-Eike.«

»Der Wettbewerb ist hart, man darf sich nicht auf die faule Haut legen, sonst wird man total untergebuttert. Delling hat versucht, uns Jahn abzuwerben. Ich habe ihm mehr bieten müssen, um ihn zu halten.«

»Gibt es eigentlich noch etwas anderes, was dich interessiert, außer dem Verlag?«, fragte Walter Winkelmann. »Ich mache mir manchmal Sorgen um dich, Junge. Das Leben ist so kurz, und du hast nichts davon; sitzt den ganzen Tag an deinem Schreibtisch, nimmst dir Manuskripte mit nach Hause. Und was machst du am Wochenende? Da arbeitest du hier. Dir fehlt eine nette kleine Freundin, die dich auf andere Gedanken bringt.«

»Um Himmels willen«, wehrte Peer-Eike geradezu entsetzt ab. »Verschone mich mit Frauen. Mir reichen die, mit denen ich im Betrieb zu tun habe. War sonst noch etwas?« Er schielte auf seine Aktentasche, die neben ihm auf der Couch stand. »Ich habe da ein Manuskript bekommen, in das ich heute noch einen Blick werfen möchte. Wann willst du übrigens fahren?«

»Morgen nach dem Frühstück. Dank deiner Hilfe brauche ich mich ja im Verlag nicht mehr anzustrengen. Ich war früher auch fleißig, bestimmt, aber so wie du nie. Man muss auch leben, Peer-Eike. Überlege es dir noch einmal. Komm mit nach Wiesenhagen, aber ohne Aktentasche. Leg dich in Onkel Bertholds Garten auf eine Liege, lass dich von der Sonne bescheinen, geh ein bisschen spazieren ... du brauchst so etwas einmal. Ich finde, dass du Raubbau mit deinen Kräften treibst, und das lässt sich der beste Körper auf die Dauer nicht gefallen.«

»Du kannst leicht reden, aber wenn man nicht alles selbst macht ...«

»Wir haben tüchtige Mitarbeiter. Überlasse ihnen mehr Verantwortung.«

»Die letzte Entscheidung liegt bei mir. Entschuldige mich jetzt, Vater, aber ich möchte noch ein bisschen was tun.«

Voller Liebe schaute Walter Winkelmann dem Sohn seines besten Freundes nach, als er hinausging. Peer-Eike war zwölf gewesen, als er ihn ins Haus nahm, ein Entschluss, den er nie bereut hatte. Einen Sohn wie Peer-Eike wünschte sich wohl jeder Mann. Ein Jammer, dass seine Eltern so früh sterben mussten, dachte Walter Winkelmann. Was für eine Freude hätten sie an ihm gehabt.

Ob Peer-Eike mich liebt?, fragte er sich, während er in das dunkle Kaminloch schaute. Er schätzt mich, er achtet mich, aber Liebe ist etwas anderes. Kann Peer-Eike überhaupt lieben? Er war ein Kopfmensch, der versuchte, seine Gefühle zu unterdrücken. Aber vielleicht hatte er keine Gefühle, die er unterdrücken musste?

Aus Mädchen machte er sich nichts, und dabei wünschte sich sein Adoptivvater so sehr Enkelkinder, die er ein bisschen verwöhnen konnte. Seit Peer-Eike den Verlag leitete, hatte er viel Zeit und Muße. Er genoss sein Leben, machte viele Reisen, denn Geld spielte bei ihnen keine große Rolle. Er hätte vollkommen zufrieden sein können, wäre Peer-Eike etwas vernünftiger gewesen.

Wir haben solch ein großes Haus, ein wunderschönes Grundstück, und was hat der Junge davon?, sinnierte er. Er sitzt in seinem Arbeitszimmer über irgendwelchen Manuskripten. Woran kann er sich eigentlich freuen außer an schönen Bilanzen? Wird es jemals eine Frau geben, die es schafft, sein Herz zu erobern?

***

Am nächsten Morgen saßen sie sich beim Frühstück wie üblich schweigend gegenüber. Frau Dannhauer, ihre Hausdame, hatte den Tisch wie immer sehr hübsch gedeckt, auch die Blumen nicht vergessen, aber die beiden Herren sahen es nicht.

Beide lasen die Zeitung, als hätten sie dafür nicht auch noch später Zeit. Frau Dannhauer hatte es längst aufgegeben, das Verhalten ihrer Chefs zu kritisieren. So nett und höflich der junge Herr Winkelmann auch war, Kritik an seiner Lebensführung duldete er nicht, im Gegenteil, dann konnte er sehr schroff werden.

Jetzt griff Peer-Eike nach der Tasse, tastete einen Moment, bis er sie fand, führte sie zum Mund und ließ dann unmutig die Zeitung sinken. Die Tasse war nämlich leer.

Er goss auch seinem Adoptivvater nach, bevor er weiterlas. Er weiß bestimmt nicht, was er isst, dachte Frau Dannhauer im Hinausgehen. Mit dem möchte ich nicht verheiratet sein.

»Dann alles Gute, Vater«, verabschiedete sich Peer-Eike, als er den letzten Schluck Kaffee getrunken hatte. »Grüß Onkel Berthold und Hilke von mir. Dass die es dort draußen aushalten ... Ich würde die Wände hochgehen, müsste ich dort leben. Das einsam gelegene Haus, das winzige Dorf mit anderthalb Häusern, die Menschen, die nie ein Buch lesen ...«

»Dazu fehlt ihnen die Zeit, Peer-Eike. Sie müssen schwer arbeiten.«

»Nun, sind nicht meine Bohnen, und Onkel Berthold scheint sich ja merkwürdigerweise in Wiesenhagen wohlzufühlen.«

»Ich auch. Ich habe schon manchmal gedacht, mir in der Gegend ein Ferienhaus zu kaufen. Die herrliche Ruhe dort, die frische Luft ... Das ist eine ganz andere Luft als dieser Mief hier in der Stadt. In Wiesenhagen lebe ich richtig auf. Und dann Hilkes gute Küche ... Ich freue mich darauf.«

»Ja, ja ...« Peer-Eike war mit seinen Gedanken schon wieder ganz woanders. »Gute Erholung.« Er reichte seinem Adoptivvater die Hand und ging dann eilig hinaus, ein junger Mann, der keine Zeit zu verschwenden hatte. Und Gespräche wie dieses waren Zeitverschwendung für ihn.

»Fahren Sie nur vorsichtig«, bat Frau Dannhauer. »Ich habe Ihnen noch eine Schnitte Brot für unterwegs zurechtgemacht. Und in der Thermoskanne ist Kaffee. Gönnen Sie sich unterwegs eine Rast.«

Walter Winkelmann schmunzelte über ihre Fürsorge. Die Fahrt würde knapp zwei Stunden dauern, und er fuhr gern Auto, besonders zu Tageszeiten, in denen auf den Straßen nicht besonders viel los war.

»Und Sie passen ein bisschen auf den Jungen auf?«

»Muss man ja, Herr Winkelmann. Ich glaube, der würde glatt verhungern vor gefülltem Kühlschrank, würde man ihm nicht alles fertig auf den Tisch stellen. Solch ein Mensch ist mir früher nie begegnet.«

»Er liebt seine Arbeit.«

»Schon richtig, aber es gibt auch noch anderes, was wichtiger ist. Nun, das geht mich nichts an, aber manchmal mache ich mir auch Sorgen um den jungen Herrn. Dass er nicht einmal eine Freundin hat ...«

»Und andere Väter machen sich Sorgen, weil ihre Söhne zu viele Freundinnen haben«, meinte Walter Winkelmann schmunzelnd.

»Gute Fahrt, Herr Winkelmann, und erholen Sie sich recht gut.«

Sie hing an ihrem netten Chef, der noch nie ein böses Wort zu ihr gesagt hatte, immer rücksichtsvoll und geduldig war, ein Mann, der ihre Arbeit zu schätzen wusste. Deshalb machte es ihr auch Spaß, sein Haus zu führen. Es war ein großes Haus, viel zu groß für zwei Herren und eine Hausdame. Hier fehlten Kinder, die etwas Leben hineinbrachten. Aber wenn der junge Herr sich nichts aus Frauen machte ...

Ein Lächeln lag auf Walter Winkelmanns zerfurchtem Gesicht, als er den Motor anließ. Er freute sich auf das Wiedersehen mit seinem Bruder und mit Hilke, dessen junger Tochter. Er war schon alt gewesen, als er sie bekam, hatte überhaupt nicht mehr mit Kindern gerechnet. Sie hätte gut seine Enkelin sein können.

Unterwegs hielt er noch einmal an, um einen große Schachtel Pralinen für Hilke zu kaufen. Irgendetwas wollte er ihr mitbringen, und Blumen hatten sie in Wiesenhagen selbst genug, viel schönere, als er im Geschäft hätte bekommen können.

***

»Willst du noch einen Kuchen backen?«, fragte Berthold Winkelmann seine Tochter kopfschüttelnd. »Wer soll das alles essen?«

»Vielleicht kommt ja Peer-Eike mit, und der hat größeren Appetit als wir.« Hilkes Gesicht war vor Eifer gerötet. »Mittags gibt es einen Schweinebraten. Peer-Eike mag Schweinebraten besonders gern.«

»Was du alles so weißt«, wunderte sich ihr Vater. »Allzu oft hat der junge Herr sich nicht bei uns sehen lassen. Wer weiß, ob er diesmal überhaupt mitkommt.«

Hilke machte ein bestürztes Gesicht.

»Meinst du ...?«, begann sie, und dann schüttelte sie den Kopf. »Aber am Sonnabend und Sonntag braucht er doch nicht zu arbeiten.«

»Vielleicht hat er keine Lust, hierherzukommen, vielleicht ist es ihm hier zu einsam.«

»Glaubst du?« Hilke starrte vor sich hin. »Mag sein. Es gibt ja Menschen, die ... Aber von Peer-Eike kann ich es mir einfach nicht vorstellen. Aus Trubel macht er sich nicht viel. Auch er liebt mehr die Stille.«

»Hm«, machte ihr Vater.

Er wirkte plötzlich sehr nachdenklich. Hilke gab sich immer viel Mühe mit dem Essen, aber für Peer-Eikes bevorstehenden Besuch strengte sie sich offenbar besonders an. Sollte sie sich etwa in ihn verliebt haben? Nein, dachte er, die beiden kennen sich ja kaum. Als Junge hatte Peer-Eike gelegentlich hier seine Ferien verbracht, aber damals war Hilke noch ein reines Kind gewesen, und später ... Berthold Winkelmann besaß ein gewisses Verständnis dafür, dass es jungen Leuten in Wiesenhagen zu einsam war.

»Sie kommen!«

»Was für gute Ohren du hast«, wunderte sich der alte Herr.

Sein Gehör hatte mit der Zeit nachgelassen, ohne dass man sagen konnte, er sei schwerhörig. Er trat ans Fenster, und tatsächlich bog in diesem Augenblick der Mercedes seines Bruders von der Straße ab und fuhr auf das Grundstück.

Walter saß allein am Steuer. Da wird Hilke traurig sein, dachte ihr Vater. Er verließ das Wohnzimmer, um seinem Bruder entgegenzugehen. Sie waren fast gleichaltrig, er ein Jahr älter als Walter. Wir haben uns beide recht gut gehalten, dachte er, jedenfalls äußerlich. Vielleicht lag es an dem ruhigen Leben, das sie jetzt führten.

Seine Herzkrankheit sah man ihm nicht an. Davon wussten nur er und sein Arzt, und Berthold Winkelmann dachte nicht daran, mit anderen darüber zu sprechen.

»Schön, dich einmal wiederzusehen«, begrüßte er Walter.

»Danke für die Einladung. Wie herrlich hast du es hier. Um dieses Anwesen bist du zu beneiden. Im Garten blüht alles ...«

»Hilkes Werk. Sie hat eine glückliche Hand für Pflanzen. Peer-Eike?«

»Keine Zeit, du kennst das doch.«

»Ja«, bestätigte Berthold. Keine Lust, das wäre die Wahrheit. Walter war nur zu höflich, sie auszusprechen. »Meine Kleine wird traurig sein. Sie hat für Peer-Eike extra zwei Torten gebacken. Eine Erdbeertorte, weil er sie bei seinem letzten Besuch so gelobt hat, und eine Nusstorte. Und für uns den üblichen Topfkuchen. Wenn sie dir morgen Torte mitgibt, lehne sie nicht ab, auch wenn Peer-Eike sich vielleicht nicht viel daraus macht.«

Walter Winkelmann zog die Brauen in die Höhe.

»Glaubst du wirklich, dass Hilke etwas daran liegt, Peer-Eike wiederzusehen? Die beiden haben sich ja nicht viel zu sagen, leben in völlig verschiedenen Welten ... Und für Peer-Eike ist sie, glaube ich, immer das kleine Mädchen geblieben.«

»Das ist sie schon lange nicht mehr. Es wird einem häufig gar nicht bewusst, wie schnell Kinder heranwachsen. Hilke ist eine junge Frau ...«

»Hat sie einen Freund?«, fragte Walter mit echtem Interesse.

Sein Bruder schüttelte den Kopf.

»Nein. Es gibt zwar genug Burschen, die ihr den Hof machen, aber sie hat sich für keinen entscheiden können. Und wo soll sie hier passende Männer kennenlernen? Das macht mir manchmal etwas Kummer, Walter. Sie stellt geistige Ansprüche, und die Männer hier ... Es stimmt schon, sie passen nicht zu ihr. Aber dass Hilke in Wiesenhagen womöglich versauert, nur weil ich hier so gern lebe ...«

Walter Winkelmann horchte auf. Hatte sein Bruder etwa die Absicht, ihn zu bitten, Hilke einzuladen? Warum eigentlich nicht?, überlegte er. Etwas junges Leben im Hause wäre nur gut für uns alle. »Was sagt Hilke dazu?«

»Wozu?«, stellte Berthold sich dumm. Aber als er das listige Schmunzeln seines Bruders sah, musste er lachen. »Ich wollte es dir nach und nach beibringen ... Ich weiß, ein junges Mädchen ist eine Belastung für dich ...«

»Aber nicht, wenn es ein Mädchen wie Hilke ist«, fiel Walter seinem Bruder temperamentvoll ins Wort. »Wir könnten ein paar Partys geben, auf denen sie nette junge Männer kennenlernen kann, Peer-Eike soll sie in seinem Club einführen ...«

»Spielt er immer noch Tennis?«

»Nein. Aber aus dem Club ausgetreten ist er nicht. Im Augenblick hat er keine Zeit zum Tennisspielen, sagt er. Nur Zeit zum Arbeiten. Eine gute Idee, dass Hilke zu uns kommen soll. Aber wer sorgt für dich?«

»Kein Problem, ich komme schon zurecht. Essen kann ich im Gasthaus, und alles andere ... vielleicht suche ich mir auch jemanden, der bei mir saubermacht ...«

»Hilke wird darauf bestehen.«

»Damit wirst du recht haben«, meinte sein Bruder. »Das ist überhaupt das Hauptproblem: Hilkes Zustimmung zu bekommen. Sie behandelt mich gern, als sei ich ein Kind, für das sie sorgen muss. Unsere Rollen haben sich glatt vertauscht. So sieht sie es jedenfalls.«

»Dabei bist du noch ein ganz rüstiger Bursche, soweit man das sehen kann. Hast dich wirklich gut gehalten.«

»Ja ...«

»Oder nicht?«, fragte Walter aufhorchend.

»Doch, doch, es ist nur mein Herz ... Also der Doktor hier ist mit meinem Herzen nicht sonderlich zufrieden. Machen lässt sich nichts mehr dran. Wenn ich Glück habe, kann ich damit noch einige Jahre leben, aber es kann natürlich auch sein, dass es von einem Augenblick zum anderen mit mir zu Ende geht.«

»Berthold!« Walter wusste, dass sein Bruder nicht zur Wehleidigkeit oder zu Übertreibungen neigte.

»Wenn es mal so weit ist ...«, Berthold legte ihm die Rechte schwer auf die Schulter, »kümmerst du dich dann um Hilke? Der Gedanke, dass sie allein zurückbleibt, macht mir den größten Kummer. Ich habe mein Leben gelebt, und im Großen und Ganzen war es ein sehr schönes Leben. Hilke dagegen steht erst am Anfang, und ... Wahrscheinlich ist es meine Schuld ...«

»Was?«, fragte Walter, als sein Bruder abbrach.

»Dass ... dass Hilke so ... so vertrauensselig ist, so arglos. Ich habe immer versucht, sie vor allem Schmutz und vor allem Bösen zu bewahren. Sie sieht die Welt nicht so, wie sie ist. Sie hat romantische Vorstellungen. Und wenn ich mir überlege, dass sie einmal hier allein lebt ... Sie würde auf den ersten besten Taugenichts hereinfallen, der sie zu nehmen versteht. Schließlich ist sie eine ganz gute Partie, das hat sich herumgesprochen.«

»Sieht es wirklich so ernst mit dir aus?«, fragte Walter betroffen.

»Leider. Sag Hilke nichts davon. Wenn es so weit ist, erfährt sie es früh genug. Es genügt, wenn ich mir Sorgen mache.« Sie waren beim Sprechen durch den Garten geschlendert, denn ihr Gespräch duldete keine zufälligen Lauscher, fand Berthold. »Gleich wird auch der Kaffee fertig sein. Du darfst noch Kaffee trinken?«

»Du nicht?«

»Entschärften. Er soll schmecken wie richtiger Kaffee, steht auf der Packung. Das konnten nur Leute schreiben, die nie richtigen Kaffee getrunken haben. Na ja, was soll man machen, es gibt Schlimmeres, als auf Koffein verzichten zu müssen. Peer-Eike ... wie sieht es mit ihm aus? Ich meine, hat er schon eine Frau gefunden, für die er sich interessiert?«

»Keine Zeit.«