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Wer im Job immer perfekt sein will, der betreibt auf Dauer eine gefährliche Selbstausbeutung. Besser und vor allem gesünder ist es, auch mal weniger als 100 Prozent zu akzeptieren. Erfahren Sie in diesem Buch, wie Sie im Berufsalltag mehr Zufriedenheit erlangen und sich das Leben leichter machen. Inhalte: - Die Denkfallen der Perfektionisten: Welche Verhaltensweisen uns krank machen - Risiken und Nebenwirkungen: von A wie Arbeitssucht bis Z wie Zwanghaftigkeit - Erfolgsstrategien gegen Perfektionismus: Wie Sie mehr Toleranz für das Nicht-Perfekte entwickeln - Was nicht weiterhilft: Warum manche Techniken nicht ausreichen, um die Ursachen des Perfektionismus in den Griff zu bekommen
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Seitenzahl: 122
Veröffentlichungsjahr: 2016
Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Print: ISBN: 978-3-648-08994-1 Bestell-Nr.: 10722-0001
ePub: ISBN: 978-3-648-08995-8 Bestell-Nr.: 10722-0100
ePDF: ISBN: 978-3-648-08996-5 Bestell-Nr.: 10722-0150
Anja Mumm
Loslassen – Raus aus der Perfektionismusfalle
1. Auflage 2016, Freiburg
© 2016, Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Munzinger Straße 9, 79111 Freiburg
Redaktionsanschrift: Fraunhoferstraße 5, 82152 Planegg/München
Telefon: (089) 895 17-0
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Internet: www.haufe.de
E-Mail: [email protected]
Redaktion: Jürgen Fischer
Redaktionsassistenz: Christine Rüber
Konzeption, Realisation und Lektorat: Nicole Jähnichen, www.textundwerk.de
Satz und Druck: Beltz Bad Langensalza GmbH, 99947 Bad Langensalza
Umschlag: Kienle gestaltet, Stuttgart
Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.
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„Nobody is perfect“ – dieses Bonmot ist uralt und unbestritten wahr. Den perfekten Menschen gibt es nicht. Und doch denken viele, dass sie vollkommen sein müssen. Sie streben jeden Tag aufs Neue nach Perfektion. Sie erbringen Höchstleistungen, um das bestmögliche Arbeitsergebnis abzuliefern. Perfektionisten sind die idealen Arbeitnehmer: Sie sind äußerst diszipliniert und fleißig. Kein Wunder also, dass Perfektionismus in unserer Gesellschaft als Tugend gilt. Er hat aber auch dunkle Schattenseiten, so vor allem für die Betroffenen selbst: Wer sich das Ziel der Perfektion gesetzt hat, führt ein anstrengendes Leben und ein unbefriedigendes obendrein, weil dieses Ziel einfach nicht zu erreichen ist. Seine Devise ist: Alles muss, um jeden Preis.[2]
Dieser TaschenGuide beantwortet alle wesentlichen Fragen rund um den Perfektionismus. Sie erfahren, warum es vielen Menschen nicht mehr reicht, „nur“ gut zu sein. Sie lernen die Denkfallen kennen, denen Perfektionisten gerne aufsitzen. Sie erfahren, warum es letztlich besser ist, nicht perfekt sein zu wollen. Zusätzlich finden Sie in diesem Büchlein viele hilfreiche Strategien, die Sie dabei unterstützen, das Streben nach Perfektion in eine weniger selbstausbeuterische Richtung zu lenken. Vielleicht fällt es Ihnen nach der Lektüre dieses TaschenGuides (wieder) leichter zu sagen: Alles kann, nichts muss.
Dafür wünsche ich Ihnen gutes Gelingen!
Ihre Anja Mumm
„Nur“ gut zu sein, reicht für viele Menschen nicht mehr aus. Wer Erfolg im Leben haben will, muss perfekt sein, denken sie und setzen alles daran, dieses Ziel zu erreichen.
In diesem Kapitel erfahren Sie u. a.,
warum Perfektionismus ein Phänomen unserer Zeit ist,[3]
was der kleine, aber feine Unterschied zwischen gut und perfekt ist,
welchen Denkfallen Perfektionisten aufsitzen,
woran Sie einen echten Perfektionisten erkennen.
Schlagen Sie eine Zeitung auf oder schauen Sie sich Beiträge im Fernsehen oder auf YouTube an. Zappen Sie sich durch die Werbung und reden Sie mit Menschen, die Kinder haben. Was sehen Sie oder bekommen Sie überall zu hören? Kinder, die mit fünf Jahren schon keine Zeit zum Spielen mehr haben, da sie zum Ballett-, Klavier- und Reitunterricht müssen bzw. dürfen. Jugendliche, die zu ihrem 18. Geburtstag eine neue Nase oder ein Augenlifting bekommen. Fotogeshoppte Modelle, die bei einer Größe von 185 Zentimetern in Kleidergröße 34 passen. Erfolgsstorys vom Manager oder der Managerin des Jahres. Castingshows, die viele in zweierlei Hinsicht faszinieren, weil es dort phänomenale Talente zu bestaunen gibt und andererseits Menschen, die an grandioser Selbstüberschätzung leiden und deswegen öffentlich scheitern.
Hinter all dem steckt der jederzeit präsente „Optimierungswahn“, der in unsere Gesellschaft Einzug gehalten hat. Was wirklich zählt, sind Leistung und Perfektion. Und das wirkt sich natürlich auch aus auf unser Aussehen, unsere Bildung, die Freizeitgestaltung, die Kindererziehung, unser Wohnen, das Auto und die Karriere. Rundumoptimierung eben.
Was dabei auf der Strecke bleibt, sind zwischenmenschliche Beziehungen, freie Zeit und Muße. Sie haben in einer globalisierten Welt, die sich immer rascher dreht, ohnehin keinen Platz mehr.[4]
Raten Sie einmal, was in Vorstellungsgesprächen am häufigsten als Schwäche genannt wird? Richtig. Neben „manchmal etwas zu schnell ungeduldig“ wird gleich noch „manchmal etwas zu perfektionistisch“ erwähnt. Bewerber wie Personaler sehen den Perfektionismus denn auch weniger als Schwäche, sondern eher als Tugend. Er ist nämlich in. Perfektionismus ist prägend für unseren Zeitgeist. Fällt dieser Begriff, denken wir sofort an Fleiß, Disziplin, Pflichtbewusstsein, Verlässlichkeit und besonders ausgeprägte tolle Fähigkeiten. Wer würde sich einen Arbeitnehmer bzw. Partner mit solchen Eigenschaften nicht wünschen?
Damit Sie mich richtig verstehen: Natürlich ist es durchaus erstrebenswert, Perfektes leisten zu wollen. Ich wünsche mir auch, dass mein Blinddarm perfekt operiert wird oder die Autowerkstatt meine Bremsen perfekt repariert. Davon hängt unter Umständen mein Leben ab. Und Menschen, die mehr tun als nur das, was sie unbedingt müssen, strahlen unbestreitbar eine Faszination auf andere aus. Bereits in der Antike wurde das Streben nach Vollkommenheit als zutiefst menschlich erkannt. Entsprechend wird Perfektionismus überwiegend nicht als etwas Schlechtes, sondern eher als ein Zuviel des Guten gesehen. Was die „Behandlung“ von Perfektionismus irgendwie zum Paradoxon werden lässt – welcher Mensch verringert schon gern bewusst eine Tugend?
Doch Vorsicht: Das Streben nach Perfektion ist etwas komplett Anderes als Perfektionismus! Laut dem Philosophen Christoph Henning ist der „moderne“ Perfektionismus erst durch das Christentum entstanden. Den Denkern der Antike hat das Perfekte als noch etwas im Diesseits Erreichbares gegolten. Perfektionismus drehte sich ursprünglich um die Frage, was ein gutes Leben für den Menschen sein kann. Und man hatte auch eine Antwort darauf parat: Jeder Mensch hat Anlagen, die es gilt, Zeit seines Lebens individuell zu entwickeln, zu kultivieren, zu vervollkommnen.[5]
Erst das Christentum hat die Vollkommenheit in diesem Sinne ins Jenseits verlegt. Man postulierte, dass der Mensch erst nach seinem Tod perfekt sein könne. Diese Vollkommenheit gibt es jedoch nicht geschenkt, sondern ist der Lohn desjenigen, der zu Lebzeiten Übermenschliches geleistet hat und durch Entsagungen Anderen ein Vorbild war.
Derzeit gibt es noch keine einheitliche Definition von Perfektionismus. Diejenigen, die sich wissenschaftlich mit diesem Phänomen beschäftigen, sind sich aber darin einig, dass Perfektionismus als ein multidimensionales Konstrukt angesehen werden kann, d. h. dass er verschiedene Facetten besitzt.
Das Wort Perfektion stammt vom lateinischen Begriff „perfectio“. Das bedeutet Vollkommenheit, Vollendung. „Perfectus“ wird übersetzt mit „das fertig Gemachte“. Im ursprünglichen Wortsinn ist perfekt also etwas, das vollkommen, endgültig beendet ist. Perfektionismus wurde, daraus abgeleitet, einerseits als übertriebenes Streben nach Vollkommenheit verstanden, andererseits als Streben nach übertriebener Vollkommenheit – was verwirrend ist, jedoch durchaus einen Unterschied macht …[6]
Seit den 1990er Jahren ist die psychologische Forschung zum Thema Perfektionismus geradezu explodiert. Die Folge daraus ist, dass es nun viele unterschiedliche Konzepte und Definitionen des Begriffs gibt. Eines der bekanntesten Konzepte basiert auf der Multidimensional Perfectionism Scale (Frost & Marten Di Bartolo, 2002), kurz: FMPS, in der insgesamt sechs Dimensionen des Perfektionismus beschrieben wurden. Die Dimensionen lauteten:
Sorge über Fehler
Handlungszweifel
Elterliche Erwartungen
Elterliche Kritik
Persönliche Ansprüche
Organisiertheit und hohe Standards
Ein Perfektionist ist nach diesen Kriterien eine Person, die sich hohe Standards setzt, über eine ausgeprägte Organisiertheit und Werteordnung verfügt, die stets versucht, Fehler zu vermeiden, häufig Unentschlossenheit zeigt und der die Bewertung durch ihre Eltern sehr wichtig ist. Letzteres wird im Lauf des Lebens dann auf weitere „Autoritäten“, wie z. B. den eigenen Chef, ausgedehnt.
Der Psychologe Joachim Stöber reduzierte im Rahmen seiner Forschungen die sechs Dimensionen auf vier („The Frost Multidimensional Perfectionism Scale [FMPS]: More perfect with four [instead of six] dimensions“). Er fand in seinen Analysen heraus, dass sich bei den Probanden in den Studien regelmäßig nur vier der sechs Dimensionen als relevant zeigten. Er identifizierte die folgenden Indikatoren für Perfektionismus:[7]
Übergroße Besorgnis um Fehler und Zweifel an der Qualität der eigenen Leistung
Übergroße elterliche Erwartungen und Kritizismus
Extrem hohe persönliche Ansprüche/Standards
Überbetonung von Organisiertheit
Lange Zeit war man in der neuzeitlichen Therapie und Forschung davon ausgegangen, dass Perfektionismus bzw. das Streben nach Perfektion für den Menschen eine Belastung darstellt. Man betrachtete Perfektionismus als eine ziemlich ungesunde Sache. Das erschien jedoch vielen Wissenschaftlern als eine zu einseitige Sichtweise. Denn: Was ist denn dann mit dem Meisterchirurg, den Spitzensportlern, der Primaballerina? Müssen solche Menschen womöglich alle in Therapie? Daraus folgend wurden eine Reihe von Versuchen angestellt (Hamachek 1978, Flett & Hewitt, 2002, Stöber & Otto 2006), um gesunden von ungesundem Perfektionismus, dem sog. dysfunktionalen Perfektionismus, abzugrenzen. Man fand Folgendes heraus.
Es gibt Ausprägungen, die in eher in einen dysfunktionalen, also ungesunden Perfektionismus münden. Das sind:
eine große Besorgnis um Fehler nebst Zweifel an der Qualität der eigenen Leistung,
ein Streben, es den hohen Erwartungen der Eltern recht zu machen und eine kritische Einstellung gegenüber sich selbst.
Dagegen sind die folgende Ausprägungen Zeichen eines funktionalen Perfektionismus, der also für sich genommen noch keine negativen Folgen für denjenigen hat, der sie aufweist:[8]
hohe persönliche Standards,
ein hohes Maß an Organisiertheit.
Die Dimensionen des Perfektionismus
Mit jeder Verschiebung hin zu höherer Besorgnis, zu Zweifeln und dem Wunsch, es den Eltern recht zu machen (das funktioniert übrigens bis über den Tod der Eltern hinaus), wird der Perfektionismus dysfunktional. Das Streben nach Perfektion bewegt sich also auf einem schmalen Grat zwischen Funktionalität und Dysfunktionalität.
Eine Klientin, Mitte 30, kam kurz nach Weihnachten zu mir und klagte mir ihr Leid: „Alle Jahre wieder stellt sich mir die Frage: Schreibt man berufliche Weihnachtsmails auch an Kollegen, Mitarbeiter und Chefs, oder nicht? Dabei gehen mir dann folgende Gedanken durch den Kopf: Schreibe ich überhaupt Weihnachtsmails oder eher Neujahrsmails, was ja irgendwie gerade en vogue ist? (Aspekt: keine Fehler machen) Sind Weihnachtswünsche überhaupt angebracht? Schließlich haben wir ja nicht nur Christen in der Firma. (Aspekte: möglichst niemandem auf die Füße treten) Wenn ich schreibe, soll es dann mit verdecktem oder offenem Empfängerkreis geschehen? (Aspekt: Transparenz schaffen vs. vielleicht jemanden vor den Kopf stoßen) Und wem schreibe ich dann und wem nicht? (Aspekt: diejenigen, die keine Post bekommen, mögen mich dann nicht mehr, wenn das rauskommt) Welche Bilder sollte ich wählen? (Aspekt: das muss ein perfektes Bild sein) Oder sollte ich das mit dem Bild doch lieber lassen? (Aspekt: Zweifel an der eigenen Kompetenz – das schaffe ich nicht). Diese ganzen Fragen stellte ich mir immer häufiger, je höher ich die Karriereleiter hochkletterte – mit dem Resultat, dass es im letzten Jahr gar keine Mails mehr gab. Und zwar nicht, weil ich mich dagegen entschieden hätte, sondern weil ich all diese Fragen nicht rechtzeitig zu meiner Zufriedenheit beantworten konnte und dann das Leben quasi für mich entschied. Und das nach all dem gedanklichen und emotionalen Stress im Vorfeld! So kann das doch nicht weitergehen …“[9]
Lässt man das Beispiel meiner Klientin einmal länger auf sich wirken, wird Eines offensichtlich: Aus ihren Überlegungen lässt sich auf eine große Unsicherheit schließen. Und wirklich: Auch der Psychologe J. Scott (2007, S. 56) hat in seinen Studien herausgefunden, dass es einen Zusammenhang zwischen Perfektionismus und geringer Selbstakzeptanz gibt. So ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass ein Mensch mit einem hohen Selbstwert überhaupt ein Problem mit Perfektionismus haben wird. Er strebt wahrscheinlich „nur“ nach Exzellenz. Das zeigt auch das folgende Beispiel.
Herr Müller ist verantwortlich für ein neues wichtiges Projekt im Unternehmen. Das Thema wird erst zukünftig hohe Relevanz haben, d. h., es ist zwar wichtig, jedoch nicht dringend. Er vereinbart mit einem der Bereichsleiter ein telefonisches Interview für 17 Uhr, um einige Punkte zu klären. Es ist sein letzter Arbeitstag, bevor er 10 Tage in Urlaub geht – zu Hause wartet neben seiner Lebenspartnerin noch eine Menge Vorbereitungsarbeit. Kurz vor 17 Uhr bekommt er von dem Bereichsleiter die Nachricht, dass dieser sich leider verspäten wird. Er wartet. Inzwischen ist es 18 Uhr. Was tun?[10]