Lost & Dark Places Köln - Bettina Sons - E-Book

Lost & Dark Places Köln E-Book

Bettina Sons

0,0
17,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Industriestandort Köln? Lange ist es her, als Adenauer sein Privatvermögen in einer Fabrik verbrannte. Besuchen Sie diese und andere Industriebrachen und lassen Sie sich fesseln von genauso düsteren wie spannenden Erzählungen: über die Keupstraße, in der schon vor 100 Jahren ein Serienmörder wohnte und in die immer wieder der Terror zurückkehrt oder über einen Amokläufer, der mit einem selbstgebauten Flammenwerfer eine Schule überfiel.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 162

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der Innenhof von Alt St. Alban (Kapitel 14)

Bettina Sons & Manuel Jansen

Lost & Dark PlacesKÖLN

33 vergessene, verlassene und unheimliche Orte

INHALT

Vorwort

Verhaltensregeln für Lost Places

33 LOST & DARK PLACES

1Knochenmosaike der 11.000 Jungfrauen

Die Goldene Kammer der Kirche St. Ursula

2Verhungert, erstochen, ertrunken?

Die Weckschnapp-Sage vom Kunibertstürmchen

3Das traurige Ausflugslokal

Die Bastei an der Rheinpromenade

4Kunst und Kultur in der Kloake

Der Kronleuchtersaal unter dem Theodor-Heuss-Ring

5Das erste Kölner Freibad

Das Freibad Riehl – eine Spurensuche

6Der vergessene Vergnügungspark

Das Kölner Tivoli

7Der Serienkiller vom Goldenen Ross

Am Schauplatz des Verbrechens

8Industriebrache unter Denkmalschutz

Der Verfall von Klöckner-Humboldt-Deutz

9Das Krankenhaus auf dem Rollfeld

Alter Flughafen am Merheimer Klinikum

10Nazi-Kaserne, Pferdestall und Filmkulisse

Das verfallene Fort-IX-Gelände

11Wo uralte Bäume über die Toten wachen

Die Gedenkstätte Gremberger Wäldchen

12Im Schutz der U-Bahn-Haltestelle

Der Atombunker Köln-Kalk

13Ein Durchgang unter dem Rhein

Der Versorgungstunnel RheinEnergie

14Die ausgebombte Kirche

Alt St. Alban – ein Mahnmal gegen den Krieg

15Fragmente einer süßen Vergangenheit

Die Schokoladenfabrik Stollwerck

16Zwischen Krieg und Frieden

Friedenspark mit Fort I

17Eine Brücke mit Geschichte

Die Kölner Südbrücke

18Befestigungsanlage mit Rosengarten

Das Zwischenwerk VIII b

19Sprichst du die Wahrheit?

Die Strafe der Blutsäule St. Gereon

20Asyl für Kranke und Schutzsuchende

Der Melatenfriedhof

21Ein Leuchtturm in der Stadt?

Das Bahnviadukt Ehrenfeld samt Heliosturm

22Park der Vergänglichkeit

Der alte Decksteiner Friedhof

23Secret Service am Spielplatz

Die sogenannten »Russenhäuser«

24Wo der Schlamm unter den Rädern spritzte

BMX-Racing in Vogelsang

25Ein Ort, der Luftfahrtgeschichte schrieb

Der Flughafen Butzweilerhof

26Fußball auf der Pferderennbahn

Das Alte Stadion im Weidenpescher Sportpark

27Die Betonzigarre in Niehl

Das Geheimnis des Winkelturms

28Amoklauf mit DIY-Flammenwerfer

Tatort Grundschule Volkhoven

29Der »Dodemannsorth«

St. Amandus – auf den Spuren einer Legende

30Welches Gespenst suchen Sie denn?

Die Geistervilla »Haus Fühlingen«

31Leere statt Lehre

Die verlassene Gemeinschaftshauptschule Worringen

32Die Apachen kommen

Wilder Westen in Roggendorf

33Die Geisterautobahn

Die alte Autobahn A4

Register

Impressum

Wirtschaftsgebäude des ehemaligen Freibads in den Riehler Rheinauen (Kapitel 5)

Blick durch ein zerschlagenes Fenster in die KHD-Hallen (Kapitel 8)

Alte Pferdeboxen im rechtsrheinischen Fort IX (Kapitel 10)

Das älteste erhaltene Stadion Deutschlands ist völlig überwuchert (Kapitel 26).

Ein verrostetes Schild im Friedenspark zeigt den Hochwasserstand am 29.11.1892 an (Kapitel 16).

Im ehemaligen Westerndorf Carson City in Köln-Roggendorf haben Vandalen einige Hütten in Schutt und Asche gelegt (Kapitel 32).

VORWORT

Dass Köln nicht nur aus Dom, Kölsch und Karneval besteht, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben, Touristen besuchen gerne viele der Kirchen und Museen. Doch Lost & Dark Places? Düstere Orte, um die sich gruselige Legenden ranken, kann sich der Tourist noch vorstellen. Wo soll es denn in einer Großstadt verlassene Gebäude oder Orte geben? Mancherorts, wie bei den alten Fabrikgebäuden der Firma Klöckner-Humboldt-Deutz, werden sie in moderne Gebäudekomplexe integriert. Anderenorts, etwa vom Kölner Tivoli oder dem Riehler Freibad, sind nur noch fragmentartige Teile in Parks erkennbar. Und bei manchen Komplexen muss man zweimal hinsehen, um die Geschichte nachvollziehen zu können. So waren zum Beispiel sowohl die Merheimer Klink als auch die Motorworld am Butzweilerhof einmal Flughäfen. An letzterem Ort haben die Stadtplaner immerhin versucht, noch etwas Flughafenflair zu erhalten: In Ossendorf am Butzweilerhof steht nicht nur ein altes Flugzeug auf dem Gelände, auch die umliegenden Spielplätze widmen sich dem Motto Airport. Das ehemals militärisch genutzte Fort I steht nun im Mittelpunkt des Friedensparks. Die Südbrücke wird zwar noch als Brücke genutzt, aber ihre stattlichen Pfeiler gleichen nicht nur wegen der Graffitis manchen Lost Places. Der als Hochbunker errichtete Winkelturm in der ehemaligen Glanzstofffabrik, mit der Konrad Adenauer sich beim Aktienkauf auf Kredit verspekulierte, trotzte nicht nur den Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg, sondern auch dem Abriss der umstehenden Hallen. Gänzlich verlassen sind hingegen die erst in den 1980er-Jahren errichtete BMX-Bahn in Vogelsang und das nicht wesentlich ältere Westerndorf »Carson City« am Stadtrand in Roggendorf. Unsäglich auch das Schicksal der ältesten erhaltenen Fußballtribüne Deutschlands an der Galopprennbahn in Weidenpesch, für die sich zwar immer wieder einige Bürger und Politiker eingesetzt haben, die derzeit aber trotz des Denkmalschutzes endgültig zu verfallen droht.

An manchen Stellen wundert sich der Passant, weshalb eine alte Kuriosität am Wegesrand zu sehen ist, so beispielsweise bei dem Luftschiffanker, einem meterhohen Stein mit Metallöse, der am Rand der Matthias-Brüggen-Straße vor einer Halle des Abschleppdienstes Colonia steht, oder bei einem Geländer mitten in den Riehler Rheinauen, das vor 50 Jahren inmitten des Kölner Tivolis die Terrasse des Wiener Cafés einfasste. In der Heliosstraße in Ehrenfeld endet sogar eine Schienentrasse mitten auf dem Bürgersteig, ohne dass dies für den Passanten erklärbar wäre. Daneben steht ein Leuchtturm!

Andererseits ranken sich düstere Legenden um Plätze, die jeder Kölner schon zigmal passiert hat, ohne von ihrer Geschichte auch nur zu ahnen. So sollen im Kunibertstürmchen am Konrad-Adenauer-Ufer Delinquenten nicht nur eingesperrt, sondern durch eine Weckschnappfalle auch grausam aufgeschlitzt und hingerichtet worden sein. Einheimische wie Touristen gehen achtlos an der Blutsäule in St. Gereon vorbei, ohne sich bewusst zu sein, dass dieser nachgesagt wird, sie könne Gut und Böse unterscheiden, weil sie mit dem Blut von Märtyrern bespritzt wurde. Ein äußerlich unscheinbarer Raum im Ursulakloster ist innen imposant und prachtvoll mit den Knochen von angeblich 11.000 Jungfrauen ausgestattet, die noch heute von den elf Tropfen, Flammen oder Tränen (so die offizielle Bezeichnung auf der Website der Stadt Köln) im Wappen der Stadt repräsentiert werden.

Ein Serienmörder mordete in der Mülheimer Keupstraße, lange bevor diese ihre landesweite tragische Bekanntheit durch die Terroristen der NSU erzielte. Auch der erste Amoklauf in der damals noch jungen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland fand in Köln statt: Im Vorort Volkhoven tötete ein geistig verwirrter Attentäter mit einem selbst gebauten Flammenwerfer und einem Dreizack acht Schüler und zwei Lehrerinnen, bevor er sich mit Pflanzengift das Leben nahm.

Düster sind natürlich immer auch Friedhöfe, erst recht, wenn wie beim Melaten gruselige Geschichten hinzukommen oder sie inzwischen verlassen sind – wie der Decksteiner Friedhof. Mulmig wird bestimmt auch manchem, der in 25 Meter Tiefe unter dem Rhein in einer im Innendurchmesser drei Meter kleinen Röhre spazieren gehen muss und die Schiffe über sich fahren hört.

Mit diesem Buch lernen Sie Köln von einer ganz anderen Seite kennen. Wir haben uns von den herkömmlichen Objekten der Begierde ab- und den verlassenen, düsteren und abwegigen Objekten zugewandt und dabei einiges über die Geschichte Kölns und einiger Kölnerinnen und Kölner kennengelernt. Bei all denen, die uns dabei unterstützt haben, möchten wir uns herzlich bedanken: bei Tim Farin für die Vermittlung sowie das Gegenlesen der Berichte, bei Anne Colonia (annecolonia.koeln), die uns dank ihrer Stadtführungen unter dem Motto »Stadtspaziergang mit Herz & Seele« mit Rat, Tat, Wort und Bild zur Seite stehen konnte, und bei Herbert Jansen für seine ständigen Ideen und Vorschläge. Ein spezieller Dank gebührt last but not least unseren Eltern, Geschwistern sowie Jona & Mika, die uns immer restlos unterstützen. Viel Spaß beim Entdecken dieses Kölns auf den nachfolgenden Seiten!

Heute belagern nur noch friedliche Tauben den aus Kanonenkugeln gegossenen Adler im Friedenspark (Kapitel 16).

Streetart in einem alten Viaduktbogen unter dem Leuchtturm in der Heliosstraße in Köln-Ehrenfeld (Kapitel 21)

VERHALTENSREGELN FÜR LOST PLACES

1. Behandeln Sie die Orte mit Respekt

Jedes Bauwerk und jedes Gebäude erzählt eine Geschichte aus vergangenen Tagen. Dies gilt es zu schützen. Und auch wenn es teilweise nicht so aussieht, aber jeder dieser Lost Places hat einen Eigentümer. Das sollte respektiert werden. Das beinhaltet vor allen Dingen, dass nichts zerstört oder gewaltsam geöffnet wird. Sind Fenster oder Türen verschlossen, sollte das auch so bleiben. Gehen Sie respektvoll mit dem Ort um.

2. Nehmen Sie nichts mit, lassen Sie nichts da

Wenn Sie etwas von einem Lost Place mitnehmen, und sei es noch so klein, ist es Diebstahl. Wie bereits in Punkt 1 gesagt, alle diese Orte haben einen Eigentümer. Daher gilt die Regel: Alles bleibt, wie es ist. Belassen Sie es bei den schönen Einblicken und Fotos, die Sie an dem Ort machen. Gleiches gilt auch umgekehrt: Lassen Sie nichts liegen. Keine Essensreste, keine Kaugummis, keine Kippenstummel.

Eine verzierte Außenwand im Fort IX (Kapitel 10)

3. Rauchen verboten

Das bringt uns zum nächsten Punkt: Rauchen verboten. Zollen Sie dem ehrwürdigen Ort Respekt und verzichten Sie für die Zeit, die Sie da sind, auf Rauchen. Kippenstummel brauchen nicht nur 15 Jahre zum Verrotten (sie sollten übrigens nirgends achtlos weggeworfen werden), sondern können schnell ein Feuer verursachen.

4. Keine Graffiti

Dass Sie nichts hinterlassen sollen, gilt auch für Kunstwerke an den Wänden. Man sprüht einfach nicht auf fremdes Eigentum, sei es noch so schön. Lassen Sie die Wände wie sie sind, sodass auch noch Menschen nach Ihnen den Ort so erleben können, wie er früher einmal war.

5. Seien Sie vorsichtig

Vorsicht ist besser als Nachsicht. Das gilt vor allem bei Lost Places. Marodes Holz, verrostete Geländer, einsturzgefährdete Decken, lockere Böden (teilweise befinden sich noch Kellergeschosse darunter), eingeschlagene Fenster – die Liste der Gefahren solcher Orte ist lang. Seien Sie daher immer wachsam. Begeben Sie sich niemals in Gefahr für das eine Foto. Das ist es nicht wert. Treppen und obere Etagen sind eine gängige Gefahrenquelle. Schauen Sie sich den Zustand der Treppe und der Decke genau an. Nehmen Sie auch eine Taschenlampe für dunkle Räume und Keller mit.

6. Gehen Sie nicht allein

Es ist ratsam, immer mindestens zu zweit, besser noch zu dritt, einen Lost Place zu besuchen. Da gilt die alte Regel: Ist eine Person verletzt, bleibt die zweite vor Ort und die dritte holt Hilfe. Zudem weiß man nie, wen man vor Ort trifft. Plünderer, Spinner und betrunkene Jugendliche sind auch oft in Lost Places anzutreffen. Da ist es beruhigender, nicht allein unterwegs zu sein.

7. Erregen Sie kein Aufsehen

Da viele Lost Places in Privatbesitz sind, gilt hier »Betreten verboten«. Auch wenn das Tor angelweit aufsteht oder ein riesiges Loch im Zaun ist. An Orten, an denen das Zugangsrecht nicht ganz klar ist, ist es ratsam, sein Auto nicht direkt vor dem Gelände zu parken. Schauen Sie beim Betreten des Geländes auch immer, dass Sie niemand sieht. So vermeiden Sie unerwünschte Begegnungen und mögliche Konfrontationen mit der Polizei.

Ausrüstung

Wir empfehlen Folgendes:

• Festes Schuhwerk, hohe Socken (Schutz vor Zecken)

• Reißfeste Kleidung, ggf. leichte Regenjacke

• Kamera inkl. Zusatzakku, Speicherkarten, Stativ

• Proviant und Getränke (nehmen Sie aber alles wieder mit)

• Kopf- oder Stirnlampe für freie Hände

• Taschenlampe mit weitem Winkel für Keller und dunkle Räume

• Taschenmesser

• Aufgeladenes Handy (ggf. Powerbank)

• Notizblock und Stift

• Pflaster und Taschentücher

• Mücken- und Zeckenspray

Trau-Ort der Western-Enthusiasten – die Kapelle von Carson City (Kapitel 32)

Die Nachbildung der Skulptur »Trauerndes Elternpaar« von Käthe Kollwitz (Kapitel 14)

 1 

KNOCHENMOSAIKE DER 11.000 JUNGFRAUEN

Die Goldene Kammer der Kirche St. Ursula

Völlig überrumpelt wird man von seinen Gefühlen, wenn man die unscheinbar in einer kleinen Kapelle gelegene Goldene Kammer betritt – unter Kölnern auch einfach nur »Knochenkammer« genannt. Zu Recht, denn im Inneren sind Tausende Knochen zu sehen.

Adresse Ursulaplatz, 50668 Köln GPS 50.945685, 6.953926 Anfahrt Mit fast allen Bahnlinien bis Dom/Hauptbahnhof

Schriftzüge aus vielen Einzelknochen lassen einen in der goldenen Kammer erschauern.

EINE MAKABRE KAPELLE Betritt man die Kirche St. Ursula durch die Hauptpforte, steht man zunächst in einem Vorraum mit Informationstafeln über die Geschichte des Gebäudes. Zur Rechten befindet sich eine unscheinbare Metalltüre, durch die man eine Goldene Kammer betreten kann. Doch als wir dies tun, läuft es uns kalt den Rücken hinunter. Da wir in der Dunkelheit dort sind, dringt kein Licht in den kleinen Raum und es scheint, als würden uns Hunderte Schädel mit ihren leeren Augenhöhlen anstarren. Über 600 Schädel kann man in der sogenannten »Knochenkammer« betrachten, alle hinter mundgeblasenen Glasscheiben und mit kunstvoll verzierten und wertvollen Brokatmasken verhüllt, eingerahmt von goldenen Schnitzereien. Doch nicht nur die Köpfe sind zu sehen, sondern eben auch die Arm-, Bein-, Becken- sowie Rippenknochen der Toten. Alle Knochenteile sind nach ihrer Funktion im Körper sortiert und mit feinem Draht an den Wänden kunstvoll zu Ornamenten angeordnet. So gibt es Blumenmuster oder fantasievolle Mosaike zu betrachten. Teilweise bilden sie auch Buchstaben, sodass dort unter anderem an der Wand in lateinischer Sprache zu lesen ist: »S. Ursula pro nobis ora« (»Heilige Ursula, bitte für uns«). Zudem sind 118 Reliquienbüsten vorhanden, teilweise mit sichtbaren Hohlkörpern, in denen ebenfalls Gebeine zu finden sind. Was uns Gänsehaut verursacht, war für Menschen früher ein Kraftort. Sie gingen dorthin, um die Knochen mit geweihten Gegenständen zu berühren und so etwas von der Kraft der Märtyrerinnen zu bekommen, von denen die Knochen und Schädel stammen. Allen Büsten gemeinsam ist der durchaus freundliche Gesichtsausdruck, der den Gläubigen zeigen sollte, wie selig machend es ist, in den Himmel aufgenommen zu werden, und ihnen den Schrecken vor dem Tod nehmen sollte; schließlich wurden die Worte »Memento Mori« (»Bedenke, dass du sterblich bist«) gerade zu Zeiten des Barocks immer wieder betont. In der Mitte der Kapelle, die im Schachbrettmuster gefliest wurde, befindet sich ein Altar, und auch hinter diesem ragen die Knochen bis zur Decke.

Mit fröhlichem Gesicht sehnt sie sich nach der Aufnahme im Himmel.

11 ODER 11.000 JUNGFRAUEN? Schenkt man der Legende Glauben, sind dies die sterblichen Überreste der heiligen Ursula und ihrer Gefolgschaft, die aus zahlreichen Jungfrauen bestand – 11.000 sollen es gewesen sein. Ursula war eine christliche bretonische Königstochter, die im 4. Jahrhundert n. Chr. lebte und auf Anordnung ihres Vaters einen ungläubigen englischen Königssohn heiraten sollte. Sie willigte nur unter der Bedingung ein, dass dieser sich taufen ließe und sie selbst vorher drei Jahre lang in Begleitung von zehn Gefährtinnen und 11.000 Jungfrauen pilgern dürfe. Während dieser Wallfahrt, die sie nach Rom führen sollte, kam die Pilgergruppe auch an Köln vorbei, wo alle als Märtyrerinnen starben, nachdem sie von den Hunnen, die im 5. Jahrhundert die Stadt regierten, angegriffen und niedergemetzelt worden waren. Nur Ursula kam zunächst mit dem Leben davon, weil sich der Hunnenkönig in sie verliebte. Doch als sie seiner Aufforderung, ihn zu heiraten, nicht nachkam, wurde auch sie schlussendlich durch einen Pfeil getötet. Der römische Senator Clematis ließ zum Gedenken an die getöteten Frauen im 12. Jahrhundert die dreischiffige Kirche errichten. Doch es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass es nicht 11.000, sondern nur elf Jungfrauen waren, denn nach dem Zweiten Weltkrieg fand man genau diese Anzahl an Gräbern in der Kirche. Bei einer Erweiterung der Stadtbefestigung im 12. Jahrhundert wurden allerdings weitere Berge von Knochen ausgegraben. Damals dachte man dabei wirklich an Ursulas Begleiterinnen, wahrscheinlicher ist aber, dass es die Überreste eines Friedhofs waren, der sich an ebendieser Stelle befunden hatte. Zudem könnte sich ein »Lesefehler« eingeschlichen haben, sodass aus dem »XIM«, welches für »11 Märtyrerinnen« stand, ein »11 milia«, also »11.000« wurde. Die Masse an Märtyrerinnen machte Köln dann natürlich zu einem wichtigen Wallfahrtsort, und auch Ursula wurde berühmt, was auch nicht zu verachten war.

IM STADTWAPPEN VEREWIGT Im 17. Jahrhundert stiftete der reiche Kölner Ratsherr Johann Baptist von Crane mit seiner Ehefrau die Goldene Kammer. Fast 90 Prozent der Stadt Köln wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört, und auch St. Ursula bekam einen Treffer ab. Die Kammer allerdings blieb wie durch ein Wunder unbeschädigt. Die heilige Ursula ist heute die Kölner Stadtpatronin und die elf Flammen – oder auch Tränen – im Stadtwappen sollen ihre Gefolgschaft, die 11(000) Jungfrauen, symbolisieren.

Hinter den Gittern sind die wertvollen Brokatmasken gut zu erkennen.

In der Schreckenskammer

Nach dem Grusel in der Knochenkammer können Sie in die nur wenige Meter entfernte »Schreckenskammer« wechseln. Sie liegt direkt gegenüber auf dem Ursulaplatz und garantiert – ganz entgegen ihrem Namen – eher Erholung vom vorhergehenden Schrecken. Das Kölner Brauhaus (schreckenskammer.com) lockt bei schönem Wetter auch mit einem Biergarten, immer aber mit Kölner Spezialitäten und anderer Hausmannskost. Hier wird nach eigenem altem Rezept das hauseigene Kölsch gebraut, das als Besonderheit ohne Kohlensäure abgefüllt wird. Laut Angaben auf der Webseite des Brauhauses wurden die verurteilten Gefangenen auf dem Weg zur Richtstelle (»Weckschnapp«, siehe Seite 20) hierher gebracht, um noch eine Henkersmahlzeit zu sich zu nehmen. Übrigens: Der Boden wird hier nur mit Sand gereinigt – erschrecken Sie also nicht, wenn es unter Ihren Schuhen ein wenig knirscht.

Unzählige Knochen bilden den Hintergrund für opulent verzierte goldene Ornamente.

 2 

VERHUNGERT, ERSTOCHEN, ERTRUNKEN?

Die Weckschnapp-Sage vom Kunibertstürmchen

Ganz unschuldig und fast unauffällig steht das Kunibertstürmchen am Rheinufer, etwa in Höhe des nach ihm benannten Thürmchenswalls. Um dieses Türmchen rankt sich allerdings eine grausame Sage über Verrat, Folter und Flucht.

Adresse Konrad-Adenauer-Ufer 69A, 50668 Köln GPS 50.949299, 6.965373 Anfahrt Mit der Buslinie SB40 bis St. Vincenz-Haus; mit der Stadtbahnlinie 4, 12, 15, 16 bis Ebertplatz

Das Kunibertstürmchen am Rheinufer ist eingebettet zwischen alten und neuen Häusern.

TEIL DER STADTMAUER Ursprünglich war das 17 Meter hohe Türmchen zusammen mit dem Kunibertsturm und dem Ark Gegenstand der ab dem Jahr 1180 gebauten mittelalterlichen Stadtmauer. Beim Ark handelte es sich um ein im Rhein stehendes turmartiges Element, das mit dem Kunibertsturm über einen Bogen (einen Wehrgang) verbunden war und so ein Tor bildete, durch welches Besucher etwa entlang der heutigen Straße am Konrad-Adenauer-Ufer in die Stadt gelangen konnten. Die Torbogenanlage gehörte zur Pfarrei St. Kunibert, was den Ursprung des Namens erklärt. Der Ark stürzte allerdings im Jahr 1784 aufgrund einer Eis- und Hochwasserkatastrophe in den Rhein, und der Kunibertsturm wurde im Jahr 1891 abgerissen, nachdem die Stadtmauer bereits im Jahr 1881 diesem Schicksal anheimfiel. Was blieb, war nur noch das kleinere Kunibertstürmchen, in dem die Weckschnapp-Sage verortet ist.

»SCHNAPP DAS BROT!« Nach dieser erstmals im Jahr 1826 von Ernst Weyden festgehaltenen düsteren Sage wurden Delinquenten aus gehobenen Kreisen von sogenannten »heimlichen Gerichten« zunächst im Kunibertsturm gefoltert, bevor sie eingesperrt und auf grausamste Weise hingerichtet wurden: Man gab ihnen weder zu essen noch zu trinken, hängte ihnen aber schrecklicherweise einen Laib Brot – auf Kölsch einen »Weck« – von der Dachkonstruktion herunter, gerade so hoch, dass sie ihn nur durch einen Sprung erreichen konnten. Sobald der völlig ausgehungerte Gefangene jedoch nach diesem »Weck« sprang, öffnete sich unter ihm eine Falltür, die ihn direkt in den Rhein beförderte. Na ja, fast direkt … vorher musste er noch einen langen, schmalen Schacht passieren, in dem an allen Seiten Messer befestigt waren, die den armen Wicht rundum aufschlitzten und zerstückelten. Erst nach dieser peinvollen Prozedur gelangte er ins kühle Rheinwasser, wo er, sofern er nicht ohnehin bereits gestorben war, schließlich jämmerlich ertrank.

DER EINZIGE ÜBERLEBENDE