Lost & Dark Places Leipzig - Marius Mechler - E-Book
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Lost & Dark Places Leipzig E-Book

Marius Mechler

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Beschreibung

Krieg, deutsche Teilung und Wende haben ihre Spuren in Leipzig hinterlassen – bis heute. Ein altes Stadtbad, ein stillgelegter Flughafen, ein verwaister Industriebahnhof, ein leerstehendes Herrenhaus ... diese und andere stumme Zeugen der Geschichte »erzählen« von einer anderen Zeit. Fast immer sind sie mit dem Schicksal von Menschen verwoben, oft stehen tragische Wendungen dahinter, teils sogar Verbrechen. Dark Tourism at its best!

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Seitenzahl: 163

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Im Wald bei Taucha versteckt sich ein alter Spitzbunker im Dickicht (Kapitel 14).

Marius Mechler

Lost & Dark PlacesLEIPZIG

33 vergessene, verlassene und unheimliche Orte

Zeugnis der Industrialisierung: eine leerstehende Fabrik aus dem 19. Jhdt. in Plagwitz (Kapitel 25)

Das Treppenhaus einer ehemaligen Strafvollzugsanstalt (Kapitel 17)

Die alte Produktionshalle der Maschinenfabrik Swiderski (Kapitel 25)

INHALT

Leipzigs Schattenseiten

Verhaltensregeln für Lost Places

33 LOST & DARK PLACES

1Konserviertes Relikt

Die Stasi-Zentrale

2Marode Pracht

Das alte Stadtbad

3Kurze Lebensspanne

Der Bowlingtreff

4Blutiges Spektakel

Die letzte öffentliche Hinrichtung

5Heruntergekommener Stolz

Das barocke Bürgerhaus

6Park der Toten

Der Alte Johannisfriedhof

7Mittendrin

Die Ruinen im Park

8Einsame Spitze

Der Kirchturm der Propsteikirche

9Am Nicht-Ort

Kursdorf

10Vergessene Welt

Das Bahnbetriebswerk

11Die Gruselvilla

Das verlassene Fabrikanten-Anwesen

12Verwunschener Garten

Das Rittergut Mockau

13Im Sinkflug

Der Zeppelinflughafen

14Ort ohne Erinnerung

Die Überreste der Mitteldeutschen Motorenwerke

15Nur eine Siedlung?

Die verlassenen Wohnblöcke

16Paranoia

Der geheime Stasi-Bunker

17Hinter dicken Mauern

Die zentrale Hinrichtungsstätte der DDR

18Auf dem Abstellgleis

Der Lokschuppen

19Dornröschenschlaf

Das Rittergut Gaschwitz

20Spielball des Schicksals

Die Kirchenruine

21In Memoriam

Der alte Gottesacker

22Im Dickicht versunken

Der verwilderte Friedhof

23Jahrhundertprojekt

Der Lindenauer Hafen

24Auf dem Trockenen

Die Schleusenruine Wüsteneutzsch

25Symbol des Wandels

Die baufällige Maschinenfabrik

26Ausgesponnen

Die alte Spinnerei

27Blaue Irreführung

Das (falsche) Kaufhaus Held

28Schwieriges Erbe

Der ehemalige VEB Polygraph Reprotechnik

29Nächster Halt: Verfall

Der Bahnhof Leutzsch

30Ironie des Schicksals

Die Horn'sche Fabrik

31Zwei Welten

Der Robert-Koch-Park

32Ein legendärer Ort

Die Rote Diskothek

33Postapokalyptische Stille

Der leere Baumarkt

Register

Impressum

Der zugewucherte Eingang der Roten Diskothek in Schleußig (Kapitel 32)

Ein marodes Speicherhaus am Lindenauer Hafen (Kapitel 23)

KAPITELÜBERBLICK

1Die Stasi-Zentrale

2Das alte Stadtbad

3Der Bowlingtreff

4Die letzte öffentliche Hinrichtung

5Das barocke Bürgerhaus

6Der Alte Johannisfriedhof

7Die Ruinen im Park

8Der Kirchturm der Propsteikirche

9Am Nicht-Ort – Kursdorf

10Das Bahnbetriebswerk

11Das verlassene Fabrikanten-Anwesen

12Das Rittergut Mockau

13Der Zeppelinflughafen

14Die Überreste der Mitteldeutschen Motorenwerke

15Die verlassenen Wohnblöcke

16Der geheime Stasi-Bunker

17Die zentrale Hinrichtungsstätte der DDR

18Der Lokschuppen

19Das Rittergut Gaschwitz

20Die Kirchenruine

21Der alte Gottesacker

22Der verwilderte Friedhof

23Der Lindenauer Hafen

24Die Schleusenruine Wüsteneutzsch

25Die baufällige Maschinenfabrik

26Die alte Spinnerei

27Das (falsche) Kaufhaus Held

28Der ehemalige VEB Polygraph Reprotechnik

29Der Bahnhof Leutzsch

30Die Horn‘sche Fabrik

31Der Robert-Koch-Park

32Die Rote Diskothek

33Der leere Baumarkt

Der Flughafen Leipzig-Mockau war knapp 90 Jahre lang in Betrieb. Heute führt er ein abgeschiedenes Dasein (Kapitel 13).

LEIPZIGS SCHATTENSEITEN

In einer Welt, die auf Perfektion getrimmt ist, übt das Unperfekte oft eine besondere Anziehungskraft aus, steckt darin schließlich meist mehr Wahrheit als im scheinbar Makellosen. Vielleicht auch deshalb ist die Faszination für Lost & Dark Places ungebrochen. Der ästhetische Charme des Morbiden und der Reiz des Unvollkommenen machen sie zu einem Spiegel der Vergänglichkeit und ziehen all jene, die auf der Suche nach dem Verborgenen, Geheimnisvollen, Mysteriösen oder gar Grausamen sind, in ihren Bann. Für alle, die sich dieser Faszination nicht entziehen können, ist Leipzig wie eine große Schatzkiste voller verlassener und (fast) vergessener Orte. Sie sind die stummen Zeugen der Geschichte, die wie Kompassnadeln in eine andere Zeit deuten, wie Schaufenster Einblicke in die Vergangenheit gewähren und dabei in besonderer Weise von der bewegten Geschichte der sächsischen Handelsmetropole erzählen, die seit ihren frühen Tagen Knotenpunkt des europäischen Fernhandels gewesen ist. Denn genau hier kreuzten sich seit dem Mittelalter die Via Regia und die Via Imperii – die zwei bedeutendsten Fernhandelsstraßen des Kontinents. Diese Lage machte Leipzig zum Warenumschlagsplatz und viele Leipziger zu wohlhabenden Leuten. Hier hatte nicht der Adel wie in Dresden, sondern das Bürgertum die Fäden in der Hand. Die Kaufleute waren es, die die Geschicke der Stadt jahrhundertelang maßgeblich bestimmten, sie zur Messe- und Handels-, Musik- und Buch-, Universitäts- und Industriestadt machten. Bis heute sind die Leipzigerinnen und Leipziger stolz auf ihr »Klein Paris«, wie Goethe es nannte, und dabei doch ganz bescheiden geblieben. Aber wie jede Stadt, hat auch Leipzig nicht nur glorreiche Zeiten hinter sich – im Gegenteil. Wo Licht ist, gibt es bekanntermaßen auch Schatten. Als Stadt der Friedlichen Revolution ging Leipzig im Herbst 1989 in die Geschichte ein. Doch 40 Jahre DDR-Regime haben ihre Spuren hinterlassen, in den Seelen der Menschen wie auch am Stadtbild. Noch heute ist die systematische Vernachlässigung der Altbausubstanz über Jahrzehnte hinweg teilweise sichtbar und marode Wohnhäuser sind keine Seltenheit, auch wenn sie nach und nach verschwinden. Lässt man die Blicke links und rechts schweifen, entdeckt man noch immer zahlreiche heruntergekommene Gebäude. Hier und da eine verfallene Fabrik, verwaiste Bahnanlagen, marode Gutshäuser, ein verlassenes Stadtbad aus dem Kaiserreich oder sogar einen stillgelegten Flughafen. Je weiter man sich vom Zentrum entfernt, desto häufiger trifft man sie noch an, die Ruinen und Lost Places der Stadt. Das Spannende an ihnen ist jedoch nicht nur der morbide Charme bröckelnder Fassaden und die Ästhetik des Vergänglichen, sondern die Geschichten, die sich hinter ihren porösen Mauern verbergen. Geschichten von früher und heute, von Blüte und Zerfall, von Industrialisierung, Krieg, deutscher Teilung und Wiedervereinigung mit all ihren gesellschaftlichen Nebenwirkungen. Denn bis 1989 war Leipzig knapp 100 Jahre lang einer der größten Industriestandorte Europas mit hunderten Fabriken und zig tausenden Angestellten. Vor allem in den Stadtteilen Plagwitz und Lindenau schlug das industrielle Herz der Stadt. Doch der neugewonnenen Freiheit der Bürger nach der politischen Wende stand ein beispielloser Strukturwandel gegenüber. Die auf Kapital ausgerichtete Marktwirtschaft der Bundesrepublik hatte keinen Platz für das ehemalige sogenannte Volkseigentum. Die 1990er-Jahre waren von einer flächendeckenden Deindustrialisierung geprägt, Abwanderung und Massenarbeitslosigkeit deren unmittelbare Folgen. Zurück blieb eine Stadt mit teils entvölkerten Straßenzügen, rußgeschwärzten Wohnhäusern und verlassenen Fabriken. Bis heute sind die Spuren dieser Entwicklungen zu erkennen, auch wenn mehr als 30 Jahre vergangen sind. Die noch immer recht zahlreichen Ruinen stehen bis heute symbolisch für eine Zeit, in der Millionen Menschen der ehemaligen DDR in eine ungewisse Zukunft blickten, um ihre Arbeit und damit auch um ihre Existenzen bangten und nicht wenige von ihnen mit dem Zerfall der DDR mindestens eine berufliche Zäsur erlebten. Ein Großteil der Lost Places, die in diesem Buch auftauchen, sind Zeugnisse dieser Jahre des Umbruchs und ihrer Folgen. Sie werden sehen, viele der Geschichten ähneln sich nur allzu häufig. Die jüngste Geschichte der Stadt ist eben vor allem von Wandel und Umbruch, Abwanderung und erneutem Aufschwung, Verfall, aber auch Restaurierung geprägt. Denn die grauen Jahre sind längst vorbei, und kaum eine andere deutsche Großstadt hat im vergangenen Jahrzehnt einen derartigen Aufbruch durchlebt wie Leipzig. Binnen zehn Jahren stieg die Bevölkerungszahl insgesamt um sage und schreibe 17 Prozent. Damit war Leipzig die am schnellsten wachsende Großstadt Deutschlands, was einen anhaltenden Bau- und Sanierungsboom mit sich brachte. Viele Ruinen sind deshalb gar nicht wirklich lost oder gar vergessen, sie schlummern vielmehr und warten darauf, dass ihnen neues Leben eingehaucht wird. Beeilen Sie sich also, wer weiß schon, wie lange es sie noch gibt.

Verblichener Glanz: die Frauenschwimmhalle des alten Stadtbads (Kapitel 2)

Dieses Buch soll Ihnen dabei helfen, die verlassenen, aber auch die düsteren Orte der Stadt ausfindig zu macht, die Geschichten dahinter lebendig zu halten und Zusammenhänge aufzuzeigen, um ihnen auch mit dem nötigen Respekt zu begegnen. Klar ist dabei, dass das kennzeichnende Merkmal eines Lost oder Dark Places ist, dass ihm (fast) immer ein dunkles Kapitel zugrundeliegt. Das Negative ist diesen Orten quasi inhärent, denn sonst wären sie weder lost noch dark. Über sie zu schreiben, bedeutet von daher immer auch, die Menschen mitzubedenken, deren Schicksal und oftmals auch Leid mit diesen Orten eng verknüpft ist.

Zwischen Lindenthal und Breitenfeld steht eine verlassene Villa mit Geisterhaus-Charme (Kapitel 11).

VERHALTENSREGELN FÜR LOST PLACES

1. Behandeln Sie die Orte mit Respekt

Jedes Bauwerk und jedes Gebäude erzählen eine Geschichte aus vergangenen Tagen. Dies gilt es zu schützen. Und auch wenn es teilweise nicht so aussieht, aber jeder dieser Lost Places hat einen Eigentümer. Das sollte respektiert werden. Das beinhaltet vor allen Dingen, dass nichts zerstört oder gewaltsam geöffnet wird. Sind Fenster oder Türen verschlossen, sollte das auch so bleiben. Gehen Sie respektvoll mit dem Ort um.

2. Nehmen Sie nichts mit, lassen Sie nichts da

Wenn Sie etwas von einem Lost Place mitnehmen, und sei es noch so klein, ist es Diebstahl. Wie bereits in Punkt 1 gesagt, alle diese Orte haben einen Eigentümer. Daher gilt die Regel: Alles bleibt, wie es ist. Belassen Sie es bei den schönen Einblicken und Fotos, die Sie an dem Ort machen. Gleiches gilt auch umgekehrt: Lassen Sie nichts liegen. Keine Essensreste, keine Kaugummis, keine Kippenstummel.

Ein Speicherhaus am Lindenauer Hafen (Kapitel 23)

3. Rauchen verboten

Das bringt uns zum nächsten Punkt: Rauchen verboten. Zollen Sie dem ehrwürdigen Ort Respekt und verzichten Sie für die Zeit, die Sie da sind, auf Rauchen. Kippenstummel brauchen nicht nur 15 Jahre zum Verrotten, sondern können schnell ein Feuer verursachen.

4. Keine Graffiti

Dass Sie nichts hinterlassen sollen, gilt auch für Kunstwerke an den Wänden. Man sprüht einfach nicht auf fremdes Eigentum, sei es noch so schön. Lassen Sie die Wände, wie sie sind, sodass auch noch Menschen nach Ihnen den Ort so erleben können, wie er früher einmal war.

5. Seien Sie vorsichtig

Vorsicht ist besser als Nachsicht. Das gilt vor allem bei Lost Places. Marodes Holz, verrostete Geländer, einsturzgefährdete Decken, lockere Böden (teilweise befinden sich noch Kellergeschosse darunter), eingeschlagene Fenster – die Liste der Gefahren solcher Orte ist lang. Seien Sie daher immer wachsam. Begeben Sie sich niemals in Gefahr für das eine Foto. Das ist es nicht wert. Treppen und obere Etagen sind eine gängige Gefahrenquelle. Schauen Sie sich den Zustand der Treppe und der Decke genau an. Nehmen Sie auch eine Taschenlampe für dunkle Räume und Keller mit.

6. Gehen Sie nicht allein

Es ist ratsam, immer mindestens zu zweit, besser noch zu dritt, einen Lost Place zu besuchen. Da gilt die alte Regel: Ist eine Person verletzt, bleibt die zweite vor Ort und die dritte holt Hilfe. Zudem weiß man nie, wen man vor Ort trifft. Da ist es beruhigender, nicht allein unterwegs zu sein.

7. Erregen Sie kein Aufsehen

Da viele Lost Places in Privatbesitz sind, gilt hier »Betreten verboten«. Auch wenn das Tor angelweit aufsteht oder ein riesiges Loch im Zaun ist. An Orten, an denen das Zugangsrecht nicht ganz klar ist, ist es ratsam, sein Auto nicht direkt vor dem Gelände zu parken. Schauen Sie beim Betreten des Geländes auch immer, dass Sie niemand sieht. So vermeiden Sie unerwünschte Begegnungen und mögliche Konfrontationen mit der Polizei.

Ausrüstung

Wir empfehlen Folgendes:

• Festes Schuhwerk, hohe Socken (Schutz vor Zecken)

• Reißfeste Kleidung, ggf. leichte Regenjacke

• Kamera inkl. Zusatzakku, Speicherkarten, Stativ

• Proviant und Getränke (nehmen Sie aber alles wieder mit)

• Kopf- oder Stirnlampe für freie Hände

• Taschenlampe mit weitem Winkel für Keller und dunkle Räume

• Taschenmesser

• Aufgeladenes Handy (ggf. Powerbank)

• Notizblock und Stift

• Pflaster und Taschentücher für Verletzungen

• Mücken- und Zeckenspray

Der Altar in der romantischen Kirchenruine in Wachau (Kapitel 20)

Am Ufer des Karl-Heine-Kanals schlummert die Ruine einer früheren Spinnerei vor sich hin (Kapitel 26).

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KONSERVIERTES RELIKT

Die Stasi-Zentrale

Als Zentrale der Macht und Zentrum der Überwachung hat dieser Ort eine wenig rühmliche Vergangenheit. Dabei hat die Stadt Leipzig genau hier ihren Ursprung.

Zentrum Ort Dittrichring 24, 04109 Leipzig GPS 51.34194, 12.37072 Anfahrt Vom Hauptbahnhof aus können Sie die ehemalige Stasi-Zentrale in 10 Minuten bequem zu Fuß erreichen. Sie können aber auch mit der Tram (Linien 1, 3, 4, 7, 9, 12, 14, 15) zur Haltestelle Goerdelerring fahren, von dort sind es 5 Minuten zu Fuß. Die Linie 9 fährt außerdem weiter bis zur Thomaskirche, von hier ist es noch einmal ein Stück kürzer.

Hochburg der Überwachung: die ehemalige Bezirksleitung der Staatssicherheit

Das ganze Areal umfasst insgesamt 20 000 Quadratmeter.

Betreten des Hofes ausdrücklich erlaubt! Die Eisentore sind nur noch Kulisse.

UNTERDRÜCKUNG UND ÜBERWACHUNG Willkür und Macht, Banalität und Berechnung – die Stasi war die Versinnbildlichung des politischen Herrschaftssystems der DDR und Ausdruck einer Diktatur, die ihre Bevölkerung zu gläsernen Überwachungsobjekten degradierte. Die Methoden waren skrupellos, der Machtanspruch absolut. Erst der Zusammenbruch der DDR offenbarte das Ausmaß der Bespitzelung, die qua Selbstdefinition der Stasi die Sicherheit des Staates garantieren sollte – innenpolitisch vor allem durch die uneingeschränkte Kontrolle derer, die zu Staatsfeinden erklärt wurden. Kein Telefonat war davor gefeit, abgehört zu werden, kein Brief davor sicher, gelesen zu werden, kein Grundrecht fest genug verankert, um nicht doch entkräftet zu werden. Ein kolossales Relikt dieses institutionalisierten Überwachungsapparats befindet sich bis heute, quasi im Originalzustand, am Rand der Leipziger Innenstadt. Die Rede ist von der einstigen Bezirksverwaltung der Staatssicherheit. Von hier aus schaltete und waltete die Stasi vierzig Jahre lang über die Schicksale unzähliger Menschen.

STASI UND VOLKSPOLIZEI Das 20 000 Quadratmeter große Areal der ehemaligen Stasi-Zentrale ist nicht nur aufgrund seiner Rolle, die es zu DDR-Zeiten spielte, ein historischer Ort. Denn genau hier liegt der Ursprung Leipzigs und von hier stammt die erste urkundliche Erwähnung der Stadt aus dem Jahr 1015. Slawische Siedler legten an dieser Stelle mit einer mittelalterlichen Burg, der urbs libzi, den Grundstein der heutigen Stadt. Später dann befand sich hier die Matthäikirche mit dem Matthäikirchhof, der 1943 durch Bomben nahezu vollständig zerstört wurde. Einzig die benachbarte und 1913 erbaute »Runde Ecke« hatte den Krieg unbeschadet überstanden. Ansonsten blieb vom Kirchhof und seinem kleinen Viertel nur eine Brache. Die Runde Ecke wurde schließlich ab 1951 durch die Stasi genutzt und in den Folgejahren um den Saalbau erweitert, benannt nach dem darin befindlichen Fest- und Kinosaal, der hauptsächlich für propagandistische Schulungszwecke genutzt wurde. Seine heutige Gestalt bekam der gesamte Komplex schließlich in den 1980er-Jahren. Zwei Neubauten machten die Zentrale nun zu einer baulich geschlossenen Festung der Überwachung. Mit der Fertigstellung hatte die Staatssicherheit sich ein architektonisches Denkmal gesetzt. Ein einschüchternder Bau der Machtdemonstration, der bis heute seine durchaus abschreckende Wirkung nicht verfehlt. Architektonisch zwar ein Ensemble bildend, waren die beiden Neubauten institutionell allerdings voneinander getrennt. Ein Gebäude erweiterte die Stasi-Zentrale, der andere Teil wurde zur Zentrale der Bezirksleitung der Volkspolizei. Man setzte auf kurze Dienstwege.

Im Hof der Stasi-Zentrale ist nahezu alles noch im Originalzustand.

Ausgestelltes Arbeitszimmer im Museum in der Runden Ecke mit Porträt von Erich Honecker

KONTROLLE UND WAHN Etwa 750 Personen arbeiteten zuletzt in der stets von Wachmännern gesicherten Zentrale. In der Leipziger Bevölkerung vermied man es, hier vorbeizugehen, und wenn man es doch musste, dann wechselte man zumindest die Straßenseite. Es war ein Ort, den man aus guten Gründen mied. Und doch war wohl nur den wenigsten bewusst, mit welch hohem Grad an Professionalisierung hier die Durchsetzung einer Ideologie verfolgt wurde, die keine anderen Anschauungen duldete. Wo die Prioritäten der Stasi lagen, zeigte sich vor allem anhand der technischen Ausstattung der einzelnen Abteilungen. So konnten aus der Zentrale heraus 600 Telefonate innerhalb Leipzigs gleichzeitig abgehört werden. Eine immense Menge, die einer Vollabdeckung gleichkam, wenn man bedenkt, dass nur die wenigsten überhaupt ein Telefon besaßen. In der Abteilung Postkontrolle waren 200 Mitarbeiter damit beschäftigt, täglich bis zu 1200 Briefe vorsichtig mit Wasserdampf zu öffnen, auf feindlichen Inhalt zu prüfen, gegebenenfalls Kopien anzufertigen und anschließend fein säuberlich zu verschließen und zu plätten, damit niemand ahnte, dass mitgelesen wurde. Grotesk daran war, dass auch in der DDR ein Briefgeheimnis rechtlich verankert war. Die Stasi agierte hier, wie in vielen anderen Fällen, in einem rechtsfreien Raum, abgesegnet durch die Führung der SED. Allein in Leipzig lagerten 100 000 Schriftproben, zusammengetragen aus der privaten Post unzähliger Personen, um Bürgerinnen und Bürger, wenn nötig, anhand der Handschrift, überführen zu können. Neben Büros und Arbeitsplätzen verfügte der Komplex aber auch über Annehmlichkeiten wie einen Einkaufsladen und eine eigene Poliklinik für die Angestellten, und sogar eine Sauna sowie eine Kegelbahn waren vorhanden. Bei der Stasi zu arbeiten, war eben größtenteils ein Bürojob, Saunieren und Kegeln physiotherapeutische Angebote für die vom Sitzen geplagten Spitzel.

ENTMACHTUNG UND VERTUSCHUNG Im Herbst 1989 waren die Tage der Stasi gezählt. 70 000 Demonstrierende zogen im Zuge der Montagsdemonstrationen am 9. Oktober über den Leipziger Innenstadtring, vorbei an der Runden Ecke. Die Stimmung war angespannt, die Sorge eines bewaffneten Niederschlags wie beim Volksaufstand 1953 groß. Doch die Proteste blieben friedlich und die Demonstrationszüge rissen auch in den kommenden Wochen nicht ab. Am 4. Dezember war es dann so weit, das Machtzentrum der Staatssicherheit in Leipzig wurde von Bürgerrechtlern besetzt. Zwar bewaffnet, aber dennoch hatten die Stasi-Offiziere keine andere Wahl, als dabei zuzusehen. Sie waren vollends entmachtet. Was die Menschen im Gebäudekomplex fanden, waren unbegreifliche Mengen an Akten und Zeugnissen der jahrzehntelangen Überwachung. Bis zuletzt hatten die Mitarbeiter der Stasi versucht, sensible Akten und Beweismittel zu vernichten oder in den Bunkerbereich im Keller zu verlagern, der im Ernstfall etwa 700 Stasi-Mitarbeitern Schutz vor feindlichen Angriffen bieten sollte. Doch es gelang ihnen nicht, die unzähligen Dokumente aus über 40 Jahren Überwachungsregime verschwinden zu lassen. Bürgerrechtler begannen nach der Besetzung damit, die Akten zu systematisieren, zu sichten, Zerstörtes wieder zusammenzusetzen – eine Arbeit, die deutschlandweit bis heute nicht abgeschlossen ist.

Originalgetreue Nachbildung einer Zelle der Untersuchungshaftanstalt der Stasi. Zu sehen im Museum in der Runden Ecke.

KONSERVIERUNG UND AUTHENTIZITÄT Drei Jahrzehnte sind seitdem vergangen, und doch wird die einschüchternde Architektur der Intention ihrer Erbauer noch immer gerecht, strahlt sie bis heute Macht und Unbehagen aus. Es ist, als würde der Geist der Vergangenheit noch immer über den Dächern des Komplexes schweben, als verharre er in den Gemäuern. Der Innenhof macht noch immer den Anschein, als sei das Betreten verboten, dabei ist er ein öffentlicher Durchgang für Passanten. Scheuen Sie also nicht davor zurück, ihn zu betreten und auf sich wirken zu lassen. Tore und Zäune entfalten zwar noch immer die Wirkung des Verbotenen, doch sind sie heute nur noch authentische Kulisse. Es ist ein bemerkenswerter Ort, dieser aus vier Gebäuden bestehende Komplex in bester Innenstadtlage, der zu einem großen Teil leer steht und in dessen Innerem ein Stück düsterer Zeitgeschichte konserviert wurde. Vieles befindet sich noch immer im Originalzustand, restauriert wurde nichts, es ist, als wäre die Zeit stehen geblieben. Braune Wände und Linoleumböden haben noch die gleiche triste Optik, authentischer Stasi-Muff hängt in der Luft. Aktenschränke der Abteilung Postkontrolle stehen im verbunkerten Keller und selbst die originalen Überwachungskameras hängen noch vor dem Haupteingang. Zwar unterhält die Stadt Leipzig einige Büros im Neubau der Stasi, doch der der Volkspolizei ist völlig verwaist.

Überwachung erforderte Organisation: die Aktenschränke der Abteilung Postkontrolle

Die Luftschutztüren im Bunker sollten die Mitarbeiter vor Angriffen schützen.

Für den Ernstfall: die Luftfilteranlage im Bunkerkeller der Stasi-Zentrale

Das besondere Erlebnis

Der Altbau beherbergt heute die Gedenkstätte Museum in der Runden Ecke mit der zeitgeschichtlichen Ausstellung »Stasi – Macht und Banalität«. Hier können Sie sich in den authentisch erhaltenen Räumlichkeiten über Funktion, Arbeitsweisen und Geschichte des Ministeriums für Staatssicherheit informieren. Sehr zu empfehlen ist auch die vom Museum geführte Tour »Stasi intern«. Hier bekommen Sie Einblicke in Räumlichkeiten, die sonst der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, darunter zum Beispiel das Wartezimmer der Poliklinik oder der Bunker im Keller.

Gewehre in der Dauerausstellung »Macht und Banalität« in der Runden Ecke

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MARODE PRACHT

Das alte Stadtbad