Loverboys 164: Simons Erwachen - Fabian Kaden - E-Book

Loverboys 164: Simons Erwachen E-Book

Fabian Kaden

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Beschreibung

Simon ist ein frecher Gymnasiast in einem kleinen Gebirgsstädtchen. Er kriegt immer, was er will, und die Entdeckung der Sexualität nimmt er mit Volldampf in Angriff. Da lernt er Danny kennen, der die ganze Welt bereist und sich mit Sex und Drogen ausgetobt hat. Jetzt betreibt Danny ein Fitnessstudio, wo es ihm nicht an Verehrern mangelt. Auch Simon ist von Danny schwer beeindruckt und nimmt sich vor, diesen starken Kerl zu erobern.

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Seitenzahl: 190

Veröffentlichungsjahr: 2021

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SIMONSERWACHEN

FABIAN KADEN

Die in diesem Buch geschildertenHandlungen sind fiktiv.

Im verantwortungsbewusstensexuellen Umgang miteinander gelten nach wie vor die Safer-Sex-Regeln.

Loverboys 164

© 2021 Bruno Books

Salzgeber Buchverlage GmbH

Prinzessinnenstraße 29, 10969 Berlin

[email protected]

Umschlagabbildung: © cockyboys.com

CockyBoys (Model: Sean Ford)

Printed in Germany

ISBN 978-3-95985-405-4

Inhalt

Quälgeist

Felix

Jamal

Danny

Die große Reise

Sascha

Simon hält Hof

Quälgeist

Jeden Morgen das gleiche Trauerspiel. Aus den altehrwürdigen roten Ziegel-Mauern des Herder-Gymnasiums sickerte ein Jahrhundertschlaf, bereits beim Übertreten der Schwelle setzte unweigerlich die Wirkung ein. Simon schaffte es gerade noch bis auf seinen Platz, dann registrierte er, wie sein Gehirn in alle Richtungen davonzuschwimmen begann. Der Unterricht beanspruchte nur Bruchteile seiner Hirnkapazitäten, geschätzte viereinhalb Prozent. Simon Sommer, der Bücherwurm. Oder der Streber. Dabei strebte er gar nicht, der Stoff fiel ihm zu, was sollte er machen? Unsere Intelligenzbestie, nannte ihn süffisant Bio-Rühmann, die hässlichste Lehrkraft der gesamten Anstalt. Allerdings hatte er schöne schlanke Hände, seine gepflegten Finger wedelten in der Luft wie aufgescheuchte Vögel. Zwar gab es Gerüchte über seine Neigungen, bloß war der Mann dreifacher Vater, und als seine Frau ihn auf der letzten Klassenfahrt begleitete, sahen die beiden noch echt verliebt aus. Mirko Zimt schwor sogar, sie im Heizungskeller der Jugendherberge beim Vögeln beobachtet zu haben. Aber Mirko Zimt war nicht zu trauen. Er hatte eine lose Fantasie, von seinem Mundwerk ganz zu schweigen, und anscheinend glaubte er seine Hirngespinste manchmal schon selbst. Zum Beispiel diese ältere Hauptstadt-Cousine, mit der er es angeblich in den Sommerferien trieb, seit Jahren schon, der Spinner. Und wenn das mit dem Heizungskeller stimmte? Seither stellte sich Simon vor, wie Mirko beim Spannen seinen Schwanz auspackt, diesen fetten Aal, um den ihn beim Duschen alle beneiden. Bestimmt bildet er sich sonstwas ein auf das Ding, wenn er sich unterm Brausestrahl räkelt. Judith meinte, meterlange Pimmel werden niemals richtig hart, und dass sie doch eigentlich bemitleidenswert aussehen. So betrachtet war der Schwanz von Felix Anger um einiges appetitlicher. Er stand immer ein bisschen nach vorne ab, beschnitten, keck und fest, aus dem konnte noch was werden. Außerdem fügte er sich harmonisch in Felix’ sonstige Proportionen. Eigentlich war der ganze Felix Anger recht ansprechend, ausgenommen die peinlichen Wühltisch-Klamotten. Man witterte förmlich seine Asi-Sippe; deswegen war er wohl auch solch ein Einzelgänger.

In bewährter Manier ging Simon die restlichen 10 b- Schwänze durch, soweit er sie je zu Gesicht bekommen hatte. Im Zweifel ließen sich Mutmaßungen anstellen, etwa abgeleitet aus Nasen und Füßen, der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt. Doch es half alles nichts, die Langeweile trug den Sieg davon. Sie war der wahre Sinn des Universums, sie räkelte sich auf Simons Schädel wie ein notgeiler Monsterpudding, drückte ihm den Kopf in die Schultern, dass es knackte. Die Langeweile war allmächtig, sie hatte Gott abgelöst. Sie drang in Simons Ohren, ein Summen, das anschwoll. Sie kroch zwischen seine Beine, schnurrte in seinem Slip, immerhin ein Lösungsvorschlag. Simon meldete sich zur Toilette ab. Judith verdrehte die Augen, dachte sich wohl ihren Teil. Er verließ das Klassenzimmer, sein iPhone in der Hosentasche. Seine Rückzüge aufs Jungsklo hatten ihm schon manch tristen Vormittag verschönt. Film ab bis zur Pause, aber ohne Happyend, das blieb für zu Hause vor ’m Großbild. Wäre es bloß erst soweit! Schuhe aus, Langeweile für heute adieu, Häkchen! Wie viele Häkchen noch bis zum Abi? Horror! Durch die großen Fenster flutete das helle Vormittagslicht, krachte auf die Reihe der Türen, hinter denen Tag für Tag das Aussaugen der Hirnmasse vonstattenging. Tröstliches Gefühl, während des Unterrichts allein auf dem Flur, und draußen der Rest der Welt, nichts ahnend von Simons Gefangenschaft.

Seit er einmal auf den Fliesen zwischen zwei Pissbecken auf die frischen Spuren einer Ejakulation gestoßen war, öffnete Simon die Tür zur Toilette möglichst leise, die Brust erfüllt von dem pochenden Preisrätsel: Gibt es noch andere, die sich im Unterricht entschuldigen? Steht dort am hintersten Becken vielleicht dieser smarte Affe aus der 12 a, der im Audi S8 zur Schule kommt? Dreht er sich weg, versteckt sein dunkelrotes Ein und Alles vor unseren arglosen Augen? Oder ertappen wir zwei Achtklässler, die hastig voneinander ablassen? Natürlich entschuldigen wir uns und fragen die Kinder freundlich: Warum nehmt ihr denn keine Kabine, alle schon besetzt?

Unhörbar drückte Simon die Klinke runter und schob die Tür auf. Im Vorraum empfing ihn ein mückenfeiner Klang, den er sofort erkannte: ein Porno! Die rechte der beiden Kabinen war verriegelt. Da hockte also bereits jemand und befummelte sich. Sieh mal an. Soll vorkommen. Bloß was der Wichser da schaute! Simon war Experte. Seit seinem zehnten Weihnachten schwelgte er in einschlägigen Lustspielen, mittlerweile sämtlich hochaufgelöst, und ausgerechnet dieses brandneue Häppchen von acht Minuten kannte er auswendig, jeden Schnitt und sämtliche Geräusche. Gegen Ende, nach dem dritten Stellungswechsel, klagt der Kleine, der unten liegt: Oh my god, it is so big. Simon hielt den Atem an. Nein, Irrtum ausgeschlossen. Oh my god, jammerte es fast unhörbar hinter der Kabinentür. Die Stelle funktionierte sogar ohne Bild, freihändig und durch Holz; Simon Sommer erigierte. Drinnen herrschte plötzlich Stille. Der Klopapier- Halter klapperte. Geraschel von Kleidung. Mucksmäuschenstill wartete Simon auf das Spülen, um den Rückzug anzutreten. Aber warum eigentlich? Sollte er sich nicht freuen, ganz egal, wer jetzt gleich erscheinen würde? Und wenn es ein Lehrer war? Endlich rauschte das Wasser, und Simon schlüpfte zurück auf den Schulflur. Sein Herz schlug wild und laut, bestimmt hörten sie es bis in die Klassen. Rasch platzierte er sich ein paar Meter weiter, den Hintern auf einer Fensterbank.

Wer würde gleich aus dem Jungs-Klo kommen?

Was folgte, war ein Schrecken besonderer Art: Durch die Tür trat Jamal, wie immer mit dem Sitz seiner Haare befasst. Jamal, das Stück Scheiße aus der Parallelklasse. Der Kotzbrocken, der Simon quälte ohne Grund. Maulheld, Schönling und Sportskanone. Und, am deprimierendsten: Judiths Lover.

Jamal stutzte, als er Simon am Fenster stehen sah. In seinem Blick war ein Zögern. Doch schon tönte er wie gewohnt: »Was ist? Noch nie ’n Mann gesehen?«

»Psst, hörst du?«

»Was?«

»Die Hühner, sie lachen!«

»Idiot!« Und weg war er, der Schwachkopf, verschwand in seiner Klasse.

Wissen ist Macht. Von wem stammte das? Simon konnte sich nicht erinnern. Zutiefst verwirrt kehrte er in den Unterricht zurück. Wenn Wissen also Macht ist, woran ja niemand zweifelte, lautete die Frage: Ließ sich das Wissen benutzen, um Jamal ein für alle Mal das Maul zu stopfen? Jamal stand also auch auf Jungs, konnte das als gesicherte Tatsache gelten? Verrannte sich Simon? Zurück auf seinem Platz beobachtete er verstohlen Judith. Hatte Jamal sie in einer schwachen Minute ins Vertrauen gezogen, womöglich in voller Absicht, ihre Unterstützung erbittend, sie möge ihm weiter als Tarnung dienen? Ausgeschlossen, sie wusste bestimmt nichts, sie hätte Simon eingeweiht. Er stellte sich vor, wie die beiden es trieben. Stocherte er bäuchlings in ihrer Möse, ganz vorschriftsmäßig? Stellte sich dabei einen knackigen Po vor, und wenn ja, wessen wohl? Schluchzte er auf, wenn es ihm endlich kam, und die arglose Judith ihm geschmeichelt und gerührt den Schweiß von der olivbraunen Schläfe strich?

Wie gewöhnlich hing Jamal in der Hofpause mit Judith und ein paar anderen bei den Tischtennis-Platten herum. Zündung der ersten Stufe des Tierversuchs. Simon ließ es sich nicht nehmen, cool an der Gruppe vorbeizuschlendern. Im Blitzdurchlauf entwarf er verschiedene Szenarien. Alle begannen sie mit einer der üblichen Pöbeleien Jamals, öde, öde. Doch dann kam der spannende Teil: Judith-Schatz, erzählt dir dein Liebster eigentlich, auf was er heimlich wichst? Jetzt war entscheidend, wie Jamal reagierte. Kam seine Antwort schnell genug? Auf das Video von deiner Hinrichtung, etwas in der Preisklasse? Dazu fehlte ihm das Format. Eher wurde er rot und ließ die Unterlippe hängen, der weitaus unterhaltsamere Anblick. Und dann die andern: Ja, los, Alter, erzähl mal! Oder rastete er auf Anhieb aus, weil vor ihm jäh ein Abgrund klaffte, der seine Männlichkeit verschlang? Womöglich bekäme Simon sogar aufs Maul?

Doch erstens kommt es anders, und zweitens, als man denkt, wie Chemie-Wenzel zu sagen pflegte. Und genauso kam es. Kaum hatte Simon die Runde erreicht, fragte Jamal: »Na, Mäuschen, heute schon gekniet?«

Simon zögerte. Ein historischer Moment, der ihn sein Leben lang begleiten sollte. Er kostete ihn aus. Ein Fest! Die Vernichtung des Feindes stand unmittelbar bevor! Doch bevor er seine schreckliche Waffe abfeuern konnte, war Judith schon in Rage. »Mann, kannst du darauf einfach mal verzichten?« Sie gab Jamal einen derben Klaps auf die Stirn. »Was ist denn bloß los da drin?«

»Nicht viel«, sagte Simon. »Sieht man doch.« Die andern lachten. Er schlenderte weiter, zum Eingang rüber. Hinter ihm erklang noch ein ganzes Stück weit Judiths zornig erhobene Stimme. Jamal hatte keine Chance.

Endlich Unterrichtsschluss. Ohne auf irgendwen zu warten, schwang sich Simon aufs Rad und sauste heimwärts, als gelte es, ein Versagen abzuschütteln. Bis halb acht hatte er die Wohnung für sich. Arme Schweine, deren Eltern Tag und Nacht zu Hause rumhängen. Simon liebte die ungestörten Stunden nach der Schule, das zelebrierte Nacktsein, wenn die Nachmittagssonne aufs Bett schien. Du kannst dich ausbreiten, sogar deine Tür offen lassen, brauchst keine Kopfhörer, die Filmjungs dürfen stöhnen wie in echt – und du selber ebenfalls. Er kam in sein Zimmer und warf die Umhängetasche ab. Hunger hatte er keinen, nur Druck. Der große Schrankspiegel durfte zuschauen, wie er sich auszog. Er ließ sich Zeit dabei, denn hinter dem Glas lauerten hundert hungrige Augen auf jede weitere Handbreit entblößter Haut. Augenpaare, ja, und Münder und Hände. Doch er würde ihnen keine Berührung gestatten, jetzt noch nicht. Der Spiegel liebte die Beule in Simons nachtblauen Unterhosen. Den Moment, wenn der Stoff endlich den Blick freigab. Seinen erregten Schwanz, wie er weiter anschwoll, wobei die Vorhaut ganz von selbst über die Eichel nach hinten glitt, bevor er sich schließlich langsam zu voller Größe erhob. Irgendwo hatte Simon gelesen, durch häufige Inanspruchnahme empfinge der menschliche Phallus Wachstumsimpulse, und so befragte er alle paar Wochen sein Lineal. Unverändert siebzehn Zentimeter, an Spitzentagen siebzehn Komma fünf, vorläufiges Ende der Fahnenstange. Immerhin vorderer Europa-Durchschnitt, und Durchschnitt ist besser als gar keine Heimat.

Er fuhr den Rechner hoch und setzte sich aufs Bett, auch dort seinen Zuschauern hinterm Spiegel preisgegeben. Inzwischen erwarteten sie von ihm, dass er sich anfasste, zumindest wie selbstvergessen seinen Ständer streichelte. Simon tat ihnen den Gefallen. Nebenbei checkte er seine Porno-Seiten. Was gab es Neues seit gestern, taugte es für jetzt gleich? Eine Cumshot-Compilation, wo Amateur-Sahne gegen Spiegel klatschte? Die putzige Doggystyle-Inszenierung? Er konnte sich nicht entschließen. Seine Gedanken schweiften immer wieder ab, zurück auf den Schulhof. Er hatte seine Waffe nicht eingesetzt, nein, er hatte gezögert. Doch es war kein lustvolles Auskosten gewesen, im Gegenteil, da log er sich in die Tasche. Etwas völlig Unbrauchbares sickerte seit dem Vormittag in Simon ein wie lähmendes Gift: eine ungewollte Rührung. Sollte nun Jamal, dieser Gockel und Trottel, in Wahrheit auf Jungs stehen, war er dann nicht in einer echt unglücklichen Lage? Nie sah man seine Mutter ohne Kopftuch, genau wie die beiden Schwestern, und wie sein Vater tickte, der am Bahnhof einen Imbiss betrieb, konnte man sich ja denken. Deswegen hatte er doch überhaupt die große Klappe, der Herr Kronprinz! Darüber hätte man nun Freudentränen vergießen können, denn der Drecksack sollte gefälligst leiden! Doch Simon bedrückte eine andere Frage: Wurde Jamal, trotz allem, in seiner Not nicht irgendwie zu einer Art Schicksalsgefährte?

Schwanz an Simon: Öde, öde, öde! Simon an Gehirn: Schnauze, Hirn, Schwanz nörgelt schon! Gehirn an Simon: Aber wer, wenn nicht Jamal, der arme Hund, bräuchte folglich nötig dein brüderliches Mitgefühl? Schwanz an Simon: Ich bin dann mal weg. Simon an Gehirn & Schwanz: Spinnt ihr jetzt beide? Gehirn, gähnend: Entspannt euch, Leute, morgen ist auch noch ein Tag.

Der nächste Tag war ein Freitag Ende Mai. Seit den frühen Morgenstunden regnete es in Strömen, Sturzbäche bei tropischen Temperaturen, die Welt rauschte und troff. Der unerwartete und bejubelte Ausfall einer Doppelstunde Deutsch spülte die 10 b bereits um elf hinaus in die ersehnte Freizeit. Der Lehranstalt schräg gegenüber stand ein Wartehäuschen, letztes Zeugnis einer bereits vor Jahren stillgelegten Buslinie. Als Simon auf sein Mountainbike stieg, sah er dort drüben mutterseelenallein Felix Anger sitzen, die Schultasche zwischen den bloßen Knien.

Simon bremste ab. »Du weißt aber, dass hier nichts mehr fährt?«

»Ha, ha«, machte Felix.

»Nicht nach Hause?«, fragte Simon.

»Hab keine Eile«, sagte Felix. »Und bin gerne mal für mich.« Die Angers wohnten im Plattenbau, drei Zimmer zu sechst, das wussten alle.

»Na, dann«, sagte Simon.

»Nein, Mann, dich meine ich nicht. Es ist bloß, bei mir sind heute alle da.« Er verzog das Gesicht. »Insofern kommt mir sogar die Schule gelegen. Geht mir keiner auf ’n Sack.«

»Originelle Ansicht. Dann hast du keinen Bock, nach Hause zu gehn, oder wie?«

»Jetzt noch nicht. Aber um fünf müssen meine Schwestern zum Chor.«

Sie schauten sich an, beide etwas ratlos. Felix Anger, behände und zäh, außer im Sport nur Mittelmaß, und Simon Sommer, der Überflieger mit eigenem sechsundzwanzig Quadratmeter-Zimmer und freiem Austritt zum Garten. »Komm doch mit zu mir«, hörte er sich sagen. »Ich hab bis abends sturmfrei.«

»Bin aber zu Fuß.«

»Dann bin ich eben auch zu Fuß«, erwiderte Simon und stieg vom Rad.

»Fahr du schon!« Felix trat unter der Überdachung hervor. »Ich weiß ja, wo du wohnst.«

»Ach, komm! Ist ja nicht weit.«

So zuckelten sie los. Es hatte keinen Sinn, den Wassermassen entkommen zu wollen; sie lachten mit nassen Gesichtern zum Himmel hoch. Auch Felix hatte noch keinen Bartwuchs, nur einen weichen Flaum an Kinn und Oberlippe, der jetzt vom Regen dunkler aussah. Zehn Minuten später kamen sie im Kastanienweg Nummer 15 an, ein stattliches Dreifamilienhaus; das geräumige Parterre bewohnten die Sommers.

»Heiliger Strohsack«, sagte Felix beim Anblick von Simons Bücherwand, die bis unter die Decke reichte. »Du liest viel, was?«

»Liegt in der Familie.«

»Ich weiß. Deine Mutter hat den Buchladen am Markt. Und dein Vater?«

»Brauchen wir nicht. Meine Mutter, musst du wissen, ist ein auffallend modernes Weib.«

»Das heißt?«

»Männchen spielt nach der Zeugung keine Rolle mehr«, antwortete Simon. »Kann froh sein, dass es nicht gefressen wird! Los, raus aus den nassen Klamotten!« Zu seiner Überraschung zierte sich Felix überhaupt nicht. Er hatte kurzes Sportzeug drunter, das behielt er an. Seine Socken legte er akkurat über die Schuhe. Hübsche, kleine Füße, runde Zehen, Nägel kurz und sauber. Simon schlüpfte in trockene Shorts und taxierte verstohlen den Gast. Er war einen halben Kopf kleiner und schlank an der Grenze zur Magerkeit, dabei sehr muskulös. Gerade, kräftige Beine, schmale Hüften. Plötzlich fragte Felix: »Wollen wir was rauchen?«

»Gras? Hast du?«

»Klar.«

»Heute nicht«, sagte Simon. Er hatte noch niemals Gras geraucht, doch was ging das Felix an? »Ich brauch mal ’ne Pause.«

»Kein Problem.«

»Wo kaufst du?«

»Bei ’nem Typen aus der 10 a. Jamal.«

»In der Schule?«, fragte Simon erstaunt.

»Nein, auf ’m Parkplatz neben der Muckibude. Dreimal die Woche trainiert er da, dann gibt es was.«

Gerade hatte Simon eine Viertelstunde nicht an ihn gedacht, und da war er schon wieder, platzte einfach so herein, nahm ungebeten Platz, mit offener Hose auf sein Display starrend, Jamal, das Macker-Klischee aus dem Bahnhofsviertel.

Sie sahen beide stumm zum Fenster hin. Ohne Unterlass rauschte der Regen, eine graue Wand, undurchdringlich. »Und wenn es irgendwann nicht mehr aufhört?«, murmelte Felix. »Eine Woche Regen, das kennen wir grade noch. Aber dann einen ganzen Monat, und alles ist schon abgesoffen. Und dann noch einen Monat, ein ganzes Jahr …«

»Dann holt uns Noah auf seine Arche«, sagte Simon und schüttelte sich. Felix merkte, dass er nicht gerade Partylaune verbreitete, und wies auf Simons Super-Bildschirm. »Da laufen deine Pornos?«

»Klar, auch. Magst du was schauen?«

Felix zuckte mit den Achseln.

»Blond? Brünett? Rasiert, gepierct?«

»Mach einfach, wo du selber drauf stehst«, antwortete Felix und streckte die Beine aus. »Ich bin da nicht so festgelegt.«

Sie saßen am Kopfende, gegen die Wand gelehnt. Felix schien in pornografischer Hinsicht noch ein eher unbeschriebenes Blatt zu sein. Beim Start des ersten Ausschnitts knabberte er nervös an seinem Daumen. Zwei Luder in Reizwäsche, lasziv posierend auf einem XXL-Bett. Vor ihnen steht ein Pennäler mit Prüfungsangst, die Augen rund vor Entsetzen. Mit Hexenfingern locken ihn die Luder, ziehen Hänsel in ihre Mitte. Jüngling wird begraben unter Haaren und Händen, Hautfalten und Brustmassen, sein einfältiges Gesicht verschwindet für den Rest der Performance, seine Gurke übernimmt die männliche Hauptrolle.

Nee, das funkte noch nicht. »Ich wechsle mal«, sagte Simon.

Kein Widerspruch von Felix. War vielleicht auch für seinen Geschmack zu wenig von dem Burschen zu sehen gewesen? Tiefer Griff in die Gangbang-Kiste. Fünf handfeste brasilianische Kids besorgen es einer blonden Braut in sämtlichen Körperöffnungen, bevorzugt gleichzeitig und auf allen Vieren.

»Besser?« fragte Simon?

»Ach, ich weiß nicht.« Felix’ Turnhose gab noch keinen Hinweis. »Ich bin da wohl irgendwie altmodisch. Mir reicht es, wenn einfach zwei zusammenliegen.« Er räusperte sich. »Und Gesichter. Ist das abartig? Wenn die Leute Gesichter haben, da steh ich drauf.«

Das kleine Geplauder entspannte die Stimmung. Simon lächelte Felix zu und begab sich auf die Suche durch die unendlichen Weiten. Wo funkelte der eine, besondere Stern? Zu zweit kam schon noch vor. Aber im Liegen war aus der Mode, der Trend ging zur anspruchsvolleren Turnerei. Schließlich fand er wenigstens ein hellgraues Designer-Sofa, freistehend im Raum, Piercings bei ihr, Tattoos auf der Haut ihres schlanken, beinahe noch jugendlichen Besuchers. Langsame Erkundung, Zärtlichkeit. Er drapiert sie über der Lehne, lässt seine Zunge vom Zaum. Ihr Quieken klingt glaubhaft. In dem hell fließenden Tageslicht wirken die beiden beinahe verletzlich. Ein tiefer Atemzug von Felix. Er zog die Knie an die Brust. Mehr als jeder Film war es diese verschämte Bewegung, die Simon erregte. »Ich krieg ’n Steifen«, sagte er.

»Kommt vor«, murmelte Felix, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden.

»In den besten Familien«, ergänzte Simon. Auch er folgte nun scheinbar gebannt der Handlung, die sich inzwischen auf die Sitzfläche des Sofas verlagert hatte. In manierlicher Körperhaltung, den Po auf der Kante und mit züchtig geschlossenen Knien, lutschte die junge Frau dem vor ihr stehenden Gast seinen Schwanz. Er guckte lieb und hielt dabei ihr langes schwarzes Haar nach hinten.

»Felix? Stört es dich, wenn ich mir einen runterhole?«

»Schon okay. Fühl dich wie zu Hause.«

»Du auch, ja?« Simon knöpfte die Shorts auf. »Ich meine, wie zu Hause fühlen.«

»Besser nicht.« Felix’ Rechte rutschte ihm zwischen die Beine. »Bei dir find ich’s nämlich gerade echt besser.«

»Ja, sorry, blöd. Bloß so ein Spruch.«

»Ich krieg auch ’n Steifen. Guter Film.« Wieder streckte er die Beine auf dem Bett aus, und jetzt war die Wölbung seiner Turnhose deutlich zu erkennen. Es schien ihn nicht mehr zu stören, dass Simon hinsah, länger als eine halbe Sekunde, es musste einfach sein. Wie hübsch Felix war! Das wusste Simon ja eigentlich schon länger, aber jetzt, wo er hier unverhofft zum Greifen nah neben ihm saß, war Felix Anger ungefähr das reizvollste Geschöpf am ganzen Herder-Gymnasium!

»Schon scharf, die Kleine«, sagte Felix plötzlich. »So gelenkig!«

Auf der Sitzfläche des hellgrauen Designer-Sofas vollführte das Fräulein gerade einen waschechten Spagat. Ihre vollkommen haarlose Möse, vom Lecken erblüht und vor Freude glänzend, erwartete den Besucher.

»Gleich«, sagte Felix heiser. »Pass auf!« Der Spagat wurde tapfer beibehalten. Der Besucher näherte sich. Seine große, geschwollene Eichel stupste an das funkelnde Piercing. »Achtung, jetzt!« Felix zog sich die Turnhose runter, nur so weit, dass sein Schwanz befreit hochschnellte. »Worauf wartet er denn?« Seine Eier klemmten noch unterm Gummibund. »Ja, Mann, tu ihn endlich rein!«

Wie beim Fußball, dachte Simon frustriert und strampelte sich aus seinen Shorts. Doch was er zu sehen bekam, besänftigte ihn. Felix’ Wangen glühten im Eifer. Seine Lippen stülpten sich zu einer genießerischen Schnute vor. Seine entblößte Schulter, der nackte Arm mit der sachten Spannung im Bizeps. Seine Bauchmuskeln unter dem hochgerutschten Turnhemd. Die fast unmerkliche Linkskrümmung verschwand, als er seinen aufgerichteten Schwanz in die Hand nahm und verhalten stöhnte.

Schamlos wechselte Simons Aufmerksamkeit jetzt zwischen Bildschirm und Felix, der sich nicht anmerken ließ, dass er die Beobachtung überhaupt bemerkte, und unbeirrt nach vorne starrte, wo der Filmschwanz endlich seinen Weg gefunden hatte, tief hinein in die rasierte Gymnastik-Möse. Er war ungefähr so groß wie Felix’ Ständer, unmöglich exakt zu bestimmen, aber im Vergleich belegte Simon wohl nur den dritten Platz. Er spuckte sich in die Hand. Ihm fiel auf, dass er seinen Schwanz weiter hinten umfasste und rieb, während Felix die Eichel mit einbezog. Sie hielt offenbar einiges aus und hätte jeden Design-Preis gewonnen. Felix schnaufte leise und wurde schneller. Auch Simon legte an Tempo zu. Den Film beachtete er nicht mehr. Auf keinen Fall wollte er Felix’ Orgasmus verpassen.

Dann war es soweit. Felix unterbrach seine schnellen Bewegungen. Sein Gesicht verzerrte sich. Er schloss die Augen. Sein Schwanz zuckte in seiner Hand, dann schoss es heraus wie lange angestaut, ein langer, sahniger Schwall, ein zweiter, dritter, und spritzte hoch auf seine Brust, das Turnhemd, den angespannten Hals. Beim Anblick dieser Entladung kam es auch Simon. Doch es geriet weitaus bescheidener, das letzte Mal lag gerade erst ein paar Stunden zurück, in der Frühe, kurz vorm Weckerklingeln. Einen erschöpften Moment lang saßen sie nur so da. Ihr Atem kam zur Ruhe. Der Filmschwanz ackerte unverdrossen weiter. Simon drückte den Ton weg und gab eine Runde Tempos aus. Felix schien es plötzlich eilig zu haben. Er stopfte seinen nur halb abgeschlafften Schwanz in die Turnhose zurück und schwang sich vom Bett. Beim Anziehen schwieg er, und sein Blick wich Simon aus. Ob er sich auf einmal schämte?

»Alles gut?«, fragte Simon sanft. »Ich meine, war das jetzt okay für dich?«

»Kein Ding«, rief Felix. »Mit meinem Bruder wichse ich manchmal auch.« Und schon war er an der Tür. »Man sieht sich. Bis dann!«

Felix

Der Juni kam, strahlende Frühsommertage von sonderbarer Leichtigkeit. Obwohl es lästig war, dachte Simon noch immerzu an seinen Quäler, Jamal. Der hielt sich neuerdings auffällig zurück. Judith dürfte ihm heftig zugesetzt haben, schlussfolgerte Simon. Steckten sie in einer Krise? Jedenfalls wirkte Judith nicht glücklich. »Was hast du mit ihm angestellt?«, fragte er.

»Er wird es auch noch begreifen«, antwortete sie.

»Thema wechseln, ja?«

Und dann war da noch Felix Anger. An den dachte Simon jetzt manchmal auch, zumal sie sich ständig im Unterricht sahen. Doch Felix benahm sich ausweichend, sogar abweisend, nickte höchstens zurück oder schaute immer gerade woanders hin, wenn Simon seinen Blick suchte. Wie lange ging das jetzt schon so? Irgendwann fasste sich Simon ein Herz. Letzte Stunde, Klingelzeichen, adieu, die Herrschaften, und zum nächsten Mal gefälligst eure Vorschläge für unser Aufsatzthema! Die Klasse strömte nach draußen. Nur Felix trödelte beim Einpacken, als hätte er wieder Zeit totzuschlagen. Wahrscheinlich hoffte er, dass Simon mit den andern verschwände. Doch den Gefallen tat ihm Simon nicht. Als sie allein waren, sprach er Felix an: »Sag mal, täusche ich mich, oder gehst du mir aus dem Weg?«

»Warum sollte ich?«

»Genau. Das frage ich mich nämlich auch.«