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13 von chronischer Lyme Borreliose Betroffene berichten über ihre Erkrankung und wie sie dabei das Gesundheitssystem, Ärzte und Familie erlebt haben. Die Erkrankung ist bei jedem anders, trifft aber jeden bis in seine Existenz. Jeder hatte große Probleme nicht nur mit erheblichen Schmerzen, schweren körperlichen Beeinträchtigungen und großer Erschöpfung, sondern auch oft Akzeptanzprobleme in seiner Familie und bei seinem Arbeitgeber. Am schlimmsten war jedoch für alle, dass nur wenige Ärzte bereit und kompetent sind, diese Krankheit zu erkennen und angemessen zu behandeln. Alle Betroffenen sind wieder in einen gesundheitlichen Status gekommen, der ihnen ein relativ normales Leben erlaubt. Dies haben sie jedoch unter sehr großen persönlichen Opfern und nur mit dem unbedingten Willen erreicht, wieder gesund zu werden. Dabei haben ihnen Ärzte geholfen, die mit der Krankheit zum Teil aus eigenem Erleben vertraut waren und die Schwierigkeiten der Behandlung kannten. Leider ist dieses Wissen nicht überall verbreitet.
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Seitenzahl: 229
Veröffentlichungsjahr: 2025
Borreliose und FSME Bund Deutschland e.V.
Lyme Borreliose Gesundwerden ist möglich
Band 2
© 2022 Borreliose und FSME Bund Deutschland e.V. (Herausgeber) Co-Herausgeberin: Dr. Astrid Breinlinger Autoren: wie genannt Fotographien Pixabay lizensfrei
Übersetzung (Beitrag Hulscher) aus dem Niederländischen: Ute Fischer
Druck und Distribution im Auftrag des Herausgebers: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland
ISBN
Paperback
978-3-347-69963-2
e-Book
978-3-347-69964-9
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne die Zustimmung des Herausgebers unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen durch tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Inhaltsverzeichnis
Wege der Hoffnung trotz Borreliose
Alexandra Leutenstorfer
CHAIM BEDEUTET LEBEN
Alice Hulscher
ZURÜCK IN DEN SATTEL
wie die Borreliose meine Zukunft veränderte
Dr. med. univ. Elke Schäfer
MEINE ERFAHRUNGEN MIT DER CHRONISCHEN BORRELIOESE, INSBESONDERE BEIM EINSATZ VON HEILKRÄUTERN
Herbert Heller
MEINE KRANKHEITSGESCHICHTE
Lara Athanasopoulos
IMMER WEITER GEHEN!
Margit K.
EIN MENSCH GEHT FAST UNTER
Sabrina N.
IST DER HIMMEL SCHMERZFREI?
S.F.
DER FEIND IN MEINEM KÖRPER – DAS LEBEN MIT EINEM CHAMLÄLEON
Petra Speidel
DIE BORRELIOSE UND ICH
Volker Spreckels
MS oder Borreliose?
B.N.
WAS MACHT DER BORRELIOSE UND FSME BUND DEUTSCHLAND E.V.?
Vorwort
Nachdem vor drei Jahren das Büchlein „Lyme Borreliose – Gesundwerden ist möglich“ erschienen war, gab es zunächst nicht viel Reaktion. Das Buch verkaufte sich aber ganz gut und ich bekam immer wieder Bestätigung, doch mehr solcher Geschichten zu veröffentlichen – wenn vorhanden. Das war allerdings das große Problem: Es gibt nicht so viele Patienten, die nach einer disseminierten Borreliose, eventuell noch verbunden mit irgendwelchen Co-Infektionen, tatsächlich wieder gesund werden und dann noch in der Lage und Willens sind, ihre Geschichte aufzuschreiben. Aber es kam mir ein Zufall zu Hilfe und im Frühjahr 2022 begann die Produktion des Band 2. Dieses Buch haben Sie nun vor sich liegen.
Die Situation hat sich im Vergleich mit vor drei Jahren leider nicht wesentlich geändert. Wir haben immer noch zu viele Fälle, in denen die Infektion nur deswegen jahrelanges Elend verursachte, weil Ärzte, und zwar Allgemein- wie auch Fachärzte, Patienten nicht zuhören oder nicht glauben, was sie erzählen, und sie ernst nehmen. Weil sie testgläubig sind und die beschriebenen Beschwerden ihrer Patienten für sie eher zweitrangig sind. Weil sie oft zugegebenermaßen nicht über spezielle Kenntnisse verfügen, aber die Möglichkeit einer Borreliose erstmal einfach negieren. Weil sie an Budget-Schranken gebunden sind und in Sorge wegen möglicher Kassenrückforderungen wegen des Antibiotika-Gebrauchs sind. Weil sie Leitlinien nicht als Empfehlungen sehen, was sie nämlich sind, sondern als Beschränkungen ihrer ärztlichen Tätigkeit. Dabei kann auch ein Kassenarzt bei begründeten Fakten von Vorgaben einer Leitlinie abweichen. Dies nur für die hoffentlich vielen Ärzte, die hier auch lesen!
Wir haben unter Betroffenen Äußerungen von Ärzten gegenüber ihren PatientInnen gesammelt, die manchmal spaßig klingen, es aber ganz sicher nicht sind. Jeder unserer AutorInnen hat mit solchen abwertenden, von Inkompetenz zeugenden Sprüchen ihre oder seine Erfahrungen. Wir haben einige davon zwischen den einzelnen Berichten abgedruckt.
Aber dieses Buch soll keine Suada gegen Ärzte sein. Es gibt Ärzte, die oft aus eigenem Erleben, wie die Autorin Dr. Schäfer aus Österreich, bereit sind zu helfen und dies öfter auch mit sorgfältig überwachten, weil nicht gerade Standard-Behandlungen. Dieses Buch soll jedoch, wie schon der erste Band, zuallererst Betroffenen Mut machen, ihre Gesundheit wiedererlangen zu wollen und dies auch strikt zu verfolgen. Und vielleicht findet das eine oder andere Buch den Weg in eine ärztliche Bibliothek und gibt dort den anderen Blickwinkel frei – nämlich den von Patienten, die mühsam, aber erfolgreich wieder (fast) gesund geworden sind.
Ich danke allen, die hier ihre Geschichte zur Verfügung gestellt haben. Ihre Anonymität wird gewahrt, sofern sie das gewünscht haben. Kontakte stellen wir mit Einverständnis der Autoren gerne her. Der Borreliose und FSME Bund Deutschland e.V. wird sich auch weiter mit aller Kraft für die Belange der Patienten einsetzen.
August 2022
Dr. Astrid Breinlinger
WEGE DER HOFFNUNG TROTZ BORRELIOSE
von Alexandra Leutenstorfer, Mundraching
Ich möchte die oft hoffnungslose, doch dann hoffnungsvolle Geschichte meiner Tochter erzählen.
Im Sommer 2008 kam Tamara mit einem Bremsenstich vom Schwimmbad nach Hause. Der ganze Vorderfuß war rot und dick angeschwollen. Er fühlte sich heiß an und schmerzte. Ich gab meiner Tochter Apis Globuli, wir kühlten den Fuß, und nach ein paar Tagen war er fast wieder okay. Was rein äußerlich am Fuß blieb, war ein Loch an der Einstichstelle, die leicht blau umrandet war, jedoch keine typische Wanderröte.
Das bis dahin immer gesunde Mädchen fing jetzt langsam an zu kränkeln. Tamara wuchs auf dem Land auf, liebte immer schon gesundes Essen, war sportlich sehr aktiv im Eiskunstlauf und im Ballett. Sie war nun ständig erkältet, müde, schlapp, hatte viele Kopfschmerzen und wandernde Gelenkschmerzen.
Wir suchten immer wieder den Hausarzt auf, der uns mehr oder weniger immer nur auslachte. Das kommt von der Pubertät – alles nicht so schlimm. Der Arzt meinte, sie soll sich nicht so anstellen. Sie sei wohl etwas empfindlich, kleiner Vitamin-D Mangel, halb so wild, wenn sie mehr an die frische Luft geht. Wohlgemerkt, Tamara war immer schon viel draußen, da wir auch einen Hund haben, mit dem sie gerne spazieren ging. Ich als Mutter hatte schon immer so ein seltsames Gefühl, aber damals wusste ich leider viel zu wenig über diese Krankheit.
2012, nach Abschluss der Schule erfüllte sich Tamara ihren Kindheitstraum und fing eine dreijährige Ausbildung an einer Musical-Akademie an. Singen, Tanzen, Schauspielen auf beruflicher Ebene, das ist ihre Welt. Das macht sie glücklich.
Diese Ausbildung grenzt an Hochleistungssport, was ihr Körper leider nicht aushielt. Schon ab Herbst 2013 schleppte sie sich mit ständigen Schmerzen in die Schule. Ihre Bänder waren oft überdehnt. Mit aller Kraft machte sie noch die Weihnachtsshow und danach… der große Zusammenbruch.
In der Nacht vom 24. auf 25. Dezember 2013 musste sie sich die ganze Nacht übergeben. Am 25. Dezember hatte sie 42 Grad Fieber und höllische Kopfschmerzen, sie war total apathisch, konnte nur mit fremder Hilfe etwas trinken. Wir holten den Notarzt. Der Arzt gab uns Paracetamol und meinte, die Grippe habe sie voll erwischt. Ich gab ihr etwas Homöopathisches dazu, somit konnte sie an ihrem 18. Geburtstag, dem 28.12.2013, wenigstens kurz mit am Tisch sitzen – an Feiern war gar nicht zu denken.
Die Weihnachtsferien gingen zu Ende. Das Mädchen schleppte sich wieder zur Ausbildung nach München. Nach 2 Wochen ging nichts mehr. Wieder Fieber, Erbrechen und höllische Schmerzen im Rücken und am Kopf. Es fehlte ihr die Kraft zum Gehen. Der Papa trug sie die Treppe hinauf. An manchen Tagen konnte sie kaum ein Glas heben und hatte zum Teil schwere Wortfindungsstörungen.
Wir wechselten den Hausarzt. Die neue Hausärztin untersuchte sie vermeintlich gründlich und fand schließlich den Eppstein-Barr-Virus. Endlich eine Diagnose, aber keine wirkliche Behandlung von Seiten der Ärztin. Ein paar Vitamine und Schmerzmittel…
Als sich auch nach Wochen keine Besserung einstellte, meinte die Ärztin zu meinem Mann, der Zustand seiner Tochter wäre sehr bedenklich und sie glaube, es wäre doch die Psyche, die dem Druck in dem Beruf des Musical-Darstellers nicht gewachsen wäre. Wenn sie einen leichteren Job im Büro hätte, wäre sie bestimmt gesund.
Durch meine Arbeit unter anderem als Bachblüten-Therapeutin habe ich vieles über die Psyche des Menschen gelernt. Ich dachte damals ernsthaft darüber nach, beobachtete meine Tochter und ging meinem Gefühl nach. „Die Psyche als Krankheit ist es sicher nicht, irgendetwas stimmt da mit dem Körper meines Kindes nicht.“
Wir suchten eine Heilpraktikerin auf. Diese schaffte es mit verschiedenen homöopathischen Mitteln, Massagen usw., den Körper von Tamara wieder ganz gut hinzubekommen. Diagnose hatte sie allerdings auch keine weitere. Mit leichten Übungen, viel Spazierengehen und Yoga baute Tamara ihren Körper zusätzlich wieder auf. Die Hausärztin war beleidigt.
Im September 2014 ging Tamara wieder in die Musical-Akademie, musste aber das zweite Jahr leider wiederholen. Schon im November ging es ihr wieder schlechter. Sie hatte sehr starke Kopfschmerzen, sie konnte sich kaum etwas merken, stolperte über ihre eigenen Füße und konnte die Töne der Musik nicht mehr richtig hören. Eine Katastrophe in diesem Beruf. Das arme Mädchen war total am Ende. Auch wir als Familie fühlten uns so machtlos. Was war das nur für eine komische Krankheit?
Mitte Dezember musste sie die Schule endgültig abbrechen. Aus der Traum.
Mein Kind war nur noch ein Häufchen Elend. Sie wurde immer mehr zum Pflegefall. Ihre Füße wollten sie nun kaum noch tragen. Ich arbeitete mittlerweile Gottseidank meistens von zu Hause aus und auch das wenig.
Wir wechselten wieder den Hausarzt. Tausend Untersuchungen ohne großes Ergebnis. Der Arzt überwies Tamara über Weihnachten in eine Klinik für Naturheilkunde. Sie sollte eine Hyperthermie-Behandlung machen. Eine große Herausforderung für Tamara und für uns als Familie. Weihnachten, 19. Geburtstag, Sylvester im Krankenhaus. Positiv denken war unsere Devise. Weihnachten der Familie wurde kurzerhand auf den 20. Dezember vorverlegt. Auf ging es am 21.12.2014 in die Münchner Klinik. Wir hatten alle die große Hoffnung, dass ihr jetzt geholfen wird. Doch leider Fehlanzeige.
Nach der ersten Hyperthermie-Anwendung ging es ihr schon sehr schlecht. Die zweite musste man wegen starker Herzprobleme abbrechen. Man forschte und untersuchte an dem Mädchen herum. Vielleicht Rheuma oder eine seltene Tropenkrankheit …. Sogar teure Gentests wurden gemacht. Nichts!
Eine Ärztin meinte dann, sie hätte eine angeborene Herzschwäche. Über kurz oder lang sollten wir mal über ein Spenderherz nachdenken. So gingen wir nach zwei Wochen ohne vernünftige Diagnose, total niedergeschlagen, ohne Hoffnung und tief verzweifelt wieder nach Hause.
Ein Bekannter sah einen Film über Borreliose im Fernsehen. Auch ich hatte schon einmal diesen Verdacht, der aber bei den verschiedenen Ärzten nicht ankam.
Wieder gingen wir zum Hausarzt und erzählten ihm von dem Bericht im Fernsehen. Der Arzt meinte, dass es Borreliose bei uns nicht gibt. Das einzig Gute an diesem Arzttermin war die Überweisung zum Radiologen. Tamara hatte mittlerweile so starke Kopf- und Rückenschmerzen, dass kein Schmerzmittel mehr half. Der Radiologe erklärte uns, dass in Tamaras Kopf fünf kleine Schlaganfälle zu sehen seien. Er nahm sich wirklich viel Zeit für uns und erklärte, dass er auch ohne Test schwöre, dass Tamara bestimmt Borreliose habe. Borrelien überwinden die Blut-Hirn-Schranke und lösen im Kopf oft kleine Schlaganfälle aus.
Er schickte uns in die BCA-Klinik nach Augsburg und siehe da, tatsächlich Borreliose. Im April 2015 begannen wir die umfassende Therapie in der BCA-Klinik. Nach 7 Jahren Ärztepfusch endlich einer, der uns wirklich weiterhalf und was von seinem Fach verstand. Die Antibiotika-Therapie über 3 Monate schwächte den Körper von Tamara noch zusätzlich, aber danach ging es kontinuierlich bergauf. Wir kauften einen Zapper und ein Magnetfeldgerät für zuhause. Tamara stellte ihre Ernährung um und nahm konsequent ihre vielen Nahrungsergänzungsmittel, die wir von der BCA-Klinik empfohlen bekamen. Nach und nach wurden alle Symptome besser.
Erst 2016 konnte Tamara erneut in den Beruf starten. Sie stieg beruflich um, da sie leider durch die Borreliose nicht mehr so gut tanzen und Klavier spielen konnte. Im September 2016 fing sie in einer Münchner Filmschauspielschule eine neue Ausbildung an.
Jetzt denken Sie sicher – schön, das junge Mädchen hat es geschafft. Leider nein, weil bei aller Fachkompetenz letztendlich keiner so genau weiß, wie man die Borrelien in Schach hält.
Im Herbst 2017 war meine Tochter wieder sehr abgeschlagen, immer wieder erkältet und sie konnte sich vieles nicht merken. Der sonst so positive und fröhliche junge Mensch war plötzlich oft sehr schlecht gelaunt und wirkte immer total gestresst. Ich ahnte es schon, aber Tamara wollte nichts hören von Borreliose. Sie sagte, sie sei gesund und gut. Erkältet sei jeder mal. Immer öfter knickte ihr Bein weg und die Gelenke schmerzten, aber sie wollte es nicht wahrhaben.
Am 13.03.2018 brach sie auf der Straße zusammen und übergab sich. Sie war in München bei ihrem Freund. Er rief mich an und erzählte, sie habe sehr hohes Fieber und könne sich gar nicht mehr auf den Füßen halten. Sie sei so schwach, dass sie nur noch flüstere.
In dieser Zeit trieb in München die Grippe „Influenza“ ihr Unwesen und die Krankenhäuser waren voll. Tamaras Freund schaffte sie ins Krankenhaus. Er wollte mir gar nicht glauben, dass dieser schlechte Zustand ein Borreliose-Schub ist. Er dachte, dass sie die Grippe hat.
Mein Mann und ich fuhren sofort in die Klinik. Der InfluenzaTest war negativ. Ich erzählte den Ärzten von der Borreliose, aber keine Reaktion. Meine Tochter blieb über Nacht in einer Abstellkammer liegen, keiner kümmerte sich mehr um sie. Sie bekam nicht einmal Abendessen oder etwas zu trinken. Wenigstens bekam sie eine Infusion. Als sie nachts auf die Toilette musste, ließ man sie mit hohem Fieber einfach alleine dorthin gehen. Sie tastete sich an der Wand entlang zur Toilette und brauchte fast eine Stunde hin und zurück. Interessierte aber keinen. Man ließ das arme Kind mit seinen Ängsten und Schmerzen einfach liegen. Als ich am nächsten Morgen ins Krankenhaus kam, weinte sie nur noch und sagte: “Die haben mich hier vergessen.“ Ich war fassungslos, fuhr sie mit dem Rollstuhl zum Auto, an Laufen war gar nicht zu denken.
Zuhause rief ich erst mal in der BCA-Klinik in Augsburg an. Schon am nächsten Tag konnten wir kommen. Und nun fingen wir wieder von vorne an. Der Arzt war sehr bemüht. Man sah in der Dunkelfeldmikroskopie im Blut aktive Borrelien. Die Leukozyten stark im Minusbereich, das Immunsystem gleich Null. Wir fingen wieder mit der Antibiotika-Therapie an. Wir bestellten wieder alle Nahrungsergänzungsmittel. Zapper und Magnetfeldgerät hatten wir ja nochazuhause.
Nach ein paar Wochen brach Tamara in der BCA-Klinik zusammen. Ihr Herz spielte total verrückt. Der ganze Körper krampfte und schüttelte sich. Meiner Tochter, sonst so tapfer und positiv, liefen still die Tränen herunter. Sie flüsterte mir zu: „Mama, ich glaube, ich sterbe gleich.“ Der Arzt der BCA-Klinik war sehr besorgt.
Der Krankenwagen kam. Ich fuhr hinterher. Jetzt machte sich in mir auch langsam Panik breit. Im Krankenhaus angekommen, ließ man mich zuerst nicht zu ihr. Als ich reinkam, fragte mich eine sehr junge Ärztin, was denn eigentlich los sei. Tamara hatte keine Kraft zum Sprechen. Man hatte ihr inzwischen ein krampflösendes Mittel gespritzt. Ich erzählte die Krankheitsgeschichte. Ein zweiter Arzt kam hinzu und belächelte uns nur. Die von der BCA-Klinik angeordnete Herzuntersuchung wurde verweigert. Stattdessen versuchten sie, die BCA-Klinik in ein sehr schlechtes Licht zu rücken, anstatt das Mädchen zu untersuchen. Das krampflösende Mittel wirkte inzwischen und Tamara ging es wieder ein bisschen besser. Danach meinte der unverschämte Arzt doch glatt, wir sollten zum Hausarzt gehen und hier nicht wegen nichts und wieder nichts die Notaufnahme blockieren. Man schickte mich wieder raus. Die Ärzte rieten meiner Tochter, nicht auf mich zu hören, denn ich hätte das Münchhausen-Proxy-Syndrom und würde nur wollen, dass meine Tochter krank ist und ich sie umsorgen könnte. Wir sollten doch zusammen zum Psychiater gehen. Es wäre körperlich alles okay mit ihr. Alle Symptome wären nur eingebildet oder uns von der BCA-Klinik eingeredet. Ich war so schockiert, dass ich gar nicht reagieren konnte. Nichts wie weg hier!
Auf der Heimfahrt sagt Tamara zu mir: „Meinst du auch, ich spinne?“ Mein Mutterherz zerriß es fast. Ich tröstete sie. Jetzt nur nicht losheulen. Immer nur schön stark bleiben. Aber langsam kam ich auch an meine Grenzen.
Mittlerweile hatten wir eine sehr nette Hausärztin gefunden. Sie las damals den Bericht von Augsburg und war fassungslos. Das EKG wies kleine Herzrhythmusstörungen auf. Die Sauerstoffsättigung war sehr niedrig. Das alles bei gutem Allgemeinzustand, schrieb doch glatt der Arzt von Augsburg. Klarer Fall für die Psychiatrie. Was für eine Frechheit, meinte auch unsere Hausärztin. Sie schickte uns zu einem Kardiologen und siehe da. Dieser Arzt war richtig gut. Er hat Tamara wieder aufgebaut. Er wusste ganz genau, dass diese Probleme von der Borreliose kamen und die vielen Antibiotika das Herz noch zusätzlich schwächten. Wir machten weiter mit einer zweiten Runde Antibiotika. Man muss zum Verständnis hinzufügen, dass die BCA-Klinik nur eine Tagesklinik ist. Damit wir nicht täglich 100 km fahren mußten, übernahm unsere Hausärztin die Infusionen in Zusammenarbeit mit der BCA-Klinik. Das lange Autofahren unter so starken Schmerzen war für Tamara fast unerträglich. Unsere Hausärztin war nur zehn Kilometer von uns entfernt. Die Sprechstundengehilfin nahm Tamara jeden Tag um 8 Uhr mit in die Praxis und ich holte sie Mittags dort wieder ab. Welch ein Glück, so ein Engel in so einer schweren Zeit.
Ich wiederum nutzte diese Zeit und las unzählige Fachbücher. Ich wollte mir von diesen dummen Ärzten nicht mehr länger auf der Nase herumtanzen lassen. Aber leider kam es noch schlimmer. Tamaras Allgemeinzustand verschlimmerte sich zusehends. Mittlerweile war sie eigentlich wie ein Pflegefall, konnte gar nicht mehr laufen, das Sprechen fiel ihr schwer, Schlafstörungen und unendliche Schmerzen. Sie sagte, es fehlte ihr sogar die Kraft zum Atmen. Sogar vom verschriebenen Dronabinol (verschreibungspflichtige Cannabistropfen) brauchte sie immer mehr, weil die Schmerzen unerträglich waren. Sogar der Stoff auf der Haut schmerzte sie. Man durfte sie gar nicht mehr anfassen.
Unsere Ärztin zog die Notbremse. Sie sagte, wir müssten das Antibiotikum abbrechen. Es ging Tamara so unendlich schlecht, dass unsere Ärztin Angst hatte, dass sie stirbt.
Tamara kam in eine große Klinik am westlichen Stadtrand von München. Jetzt fing der Ärztealbtraum erst richtig an. Der Stationsarzt der Neurologie machte die erste Anamnese. Ca. 15 Minuten nahm er sich Zeit. Dann kam eine Professorin. Meine Tochter saß auf dem Bett und hielt ihr Nachthemd von der Wirbelsäule weg, da der Stoff auf der Haut so schmerzte.
Sage und schreibe vielleicht 10 Minuten ist die Ärztin im Zimmer meiner Tochter. Sie wirkte genervt und arrogant und hörte gar nicht richtig zu. Sie meinte, Borreliose könne man nur im Liquor feststellen. Blutwerte sagten gar nichts aus. Die Ärztin richtete ihr Augenmerk nur auf die Kopfschmerzen. Sie meinte, irgendein Ereignis habe das typische „Spannungskopfweh“ ausgelöst. Im Gang vor der Tür wartete der Freund von Tamara und wurde Zeuge des niederschmetternden Urteils dieser inkompetenten und bösartigen Professorin.
Sie sagte wortwörtlich zu ihren Kollegen: „Die junge Frau will Schauspielerin werden, die macht uns hier allen nur was vor. Außerdem ist sie viel zu nett, um wirklich so krank zu sein. Der Psychiater soll sie anschauen.“ Ärztearroganz hat wirklich keine Grenzen. Das zieht einem den Boden unter den Füßen weg.
Eine Woche lang wurden trotzdem viele Tests gemacht, das Krankenhaus will ja schließlich auch Geld verdienen. Unter anderem eine Ganganalyse. Tamara versuchte, wenigstens einen Schritt ohne Festhalten zu laufen. Sie schaffte mit Rudern der Arme sogar zwei Schritte. Ein böser Fehler, dass sie sich bemühte. Rudern mit den Armen ist eine schwere psychische Störung. Langsam wurde ich echt sauer. Welch ein Quatsch, dann müsste ja jeder Eiskunstläufer eine psychische Störung haben.
Bei der Liquor-Untersuchung, zu der man Tamara gezwungen hatte, fand man nach 16 Wochen Antibiotikum natürlich keine aktiven Borrelien mehr, aber eine hohe Anzahl an Killerzellen. Das interessierte hier aber niemanden. Es wurde uns gesagt, dass Tamara sich alles nur einbilde. Sie hatten ihr schon ein Bett in der Psychiatrie reserviert.
Beim Abschlussgespräch war die Professorin mit ihrem Gefolge und ein paar Studenten anwesend. Sie verstrickte sich ständig in Widersprüche, hatte keinen blassen Schimmer von Borreliose. Sie verhielt sich sehr unprofessionell. Jetzt reichte es uns. Wir gingen nach Hause. Das einzig Gute war, dass wir jetzt ganz sicher wissen, dass Tamara keine MS (Multiple Sklerose) oder ähnliches hat, sondern tatsächlich eine schwere chronische Borreliose.
Jetzt war das arme Mädchen aber auch noch schwer traumatisiert. Sie hatte immer wieder Albträume und Angst, in der Psychiatrie zu landen. Mein Kind war nur noch ein Häufchen Elend. Von diesem schrecklichen Krankenhausaufenthalt mussten wir uns alle erst einmal erholen. Dass der Arzt, der eigentlich helfen soll, dich bewusst fertig macht, war nicht so leicht zu verkraften. Dank meiner Bachblüten konnten wir uns aber alle wieder stärken und erholen.
Der Psychiater der Klinik schrieb nach seiner kurzen Untersuchung einen unverschämten Abschluss-Bericht. Jetzt reichte es mir und mir platzte der Kragen. Diese Uni-Klinik war nichts anderes als eine Zuchtstätte für dumme Ärzte mit einem Wissensstand von vor 50 Jahren, was die Borreliose betrifft. Ich hielt dem Psychiater einen Vortrag über Borreliose. All mein über die Jahre angeeignetes Wissen musste er sich anhören. Und siehe da, er hörte wirklich zu. Er entschuldigte sich am Ende des Gespräches sogar bei mir. Wenigstens eine kleine Genugtuung.
Anfang 2019 wurden wir über ein Buch von Wolf-Dieter Storl auf die Kardenwurzeltinktur aufmerksam, die große Erfolge bei Borreliose bewirken soll. Eine Bekannte brachte uns von der Heilpraktikermesse eine Kardenwurzeltinktur von einer österreichischen Firma mit. Wir probierten es aus. Hochdosiert nahmTamara die Kardenwurzeltinktur und Arnikatinktur von dieser Firma ein. Zusätzlich begleiteten wir alles mit den passenden Bachblüten. Und siehe da. Schon nach sechs Wochen konnte mein geliebtes Kind wieder laufen. Nach acht Wochen gaben wir den Rollstuhl zurück. Was für ein Erfolg.
Im Februar fing ich eine Ausbildung als Heilpflanzenberaterin und konnte so meine Tochter mit vielen weiteren naturheilkundlichen Mitteln unterstützen. Unter anderem fanden wir eine Heilpraktikerin, die selbst schwer an Borreliose erkrankt war. Sie half uns noch zusätzlich auch, das Ärztetrauma nach mittlerweile 11 Jahren Krankheit zu besiegen.
Am 8. Mai 2019 steht Tamara für einen Film vor der Kamera und kann tatsächlich barfuß durch den Wald rennen und bis morgens früh um 3 Uhr drehen. Mit guter Ernährung, Entgiftung und einer positiven Lebenseinstellung geht es nun stetig bergauf, aber man muss immer dranbleiben.
Es war ein langer steiniger Weg, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
„Ihre Befunde interessieren uns nicht. WIR entscheiden hier, welche Krankheit Sie haben, nicht Sie!“
(Infektiologe einer Uniklinik)
„Chronische Borreliose!? Das ist doch nur Sektierertum.“
CHAIM BEDEUTET LEBEN
Von Alice Hulscher
Der Himmel ist grau, als mein Mann und ich am Prager Flughafen landen. Ich freue mich darauf, Chaim in meine Arme zu schließen. Ende August machte er sich auf den Weg zu einem neuen Lebensabschnitt.
Am Flughafen steigen wir in ein Taxi und fahren zu seinem Studentenhaus auf dem linken Ufer der Moldau. Nach einer halben Stunde hält das Taxi vor einem imposanten und wunderschön renovierten Gebäude. Die majestätische Haustür schwingt auf. Das vertraute und neckende "Oldies" lässt auch uns seinen Spitznamen aus dem Mund klingen. Er sieht gut aus. Er schlägt seine Arme um uns, als hätten wir uns erst gestern gesehen. Er hebt den Koffer seines Vaters die Treppe zum Fahrstuhl hinauf. In der Wohnung ist es gemütlich und warm. Er stellt die Espressokanne auf den Herd und bald sitzen wir mit einer Tasse duftendem Kaffee am Küchentisch.
Chaim teilt sich die Wohnung mit drei anderen ausländischen Studenten. Jeder hat sein eigenes Zimmer, die Wohnküche benützen sie gemeinsam. Sie kochen und essen zusammen, sie lachen und feiern das Leben. Er hat eine großartige Zeit, und man sieht es ihm an.
2019 vor Weihnachten eröffnete er uns, dass er sich für ein Erasmus-Stipendium anmelden möchte. Seine Wahl fiel schließlich auf Prag und er bekam den einzigen verfügbaren Studienplatz, nachdem er ein umfangreiches und persönliches Motivationsschreiben verfasst hatte. Er erhielt diesen einen Platz in der Tschechischen Republik, dem Land, in dem seine Urgroßeltern und ein weiterer Teil der Familie geboren wurden.
Chaim geht tagsüber aufs College. Jeden Abend holt er uns im Hotel ab zum gemeinsamen Abendessen. Heute Abend kommt David mit, einer seiner Mitbewohner. Wir lachen über die verrückten Erlebnisse mit anderen Studenten, wir erzählen uns Ereignisse aus unserem Leben und haben einen sehr gemütlichen Abend. Ich schaue unserem Sohn an, beobachte ihn zärtlich und Dankbarkeit durchströmt mich. Ich fühle mich zutiefst glücklich und zufrieden, ihn so zu sehen. Wie anders sah unser Leben vor zwölf Jahren aus.
2007
Während eines Urlaubs auf der griechischen Insel Kos wird Chaim von einer Zecke gestochen. Es entwickelt sich ein Erythema migrans und er wird schwerkrank: grippeähnliche Symptome, schwere Kopf- und Gesichtsschmerzen, steifer Nacken, sehr schlechtes Sehen kommen zusammen mit Parkinson-ähnlichem Zittern, Gelenk- und Muskelschmerzen und gelähmten Beinen. Niederländische Ärzte nehmen ihn nicht ernst. Sie untersuchen nachlässig und stellen die Diagnose einer psychischen Erkrankung, ohne ihn psychisch untersucht zu haben. Wir Eltern werden wegen Kindesmisshandlung angezeigt, weil wir Chaim gründlich auf Borreliose untersucht haben wollen. Wir erlaubten uns, die ärztlichen Diagnosen in Frage zu stellen.
Chaim wird kränker und kränker. Unvollständige, schlechte oder gar keine Untersuchungen führen zu einer stetigen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes. Immer wieder steht ausschließlich eine psychische Störung im Raum. Über die Zecke redet niemand. Chaim leidet und ist gefangen in einer Abwärtsspirale, die den Körper immer mehr schwächt. Schuld daran sind fehlende Sachkenntnisse der Ärzte über Lyme-Borreliose, der Mangel an Untersuchungsmethoden und an adäquaten Untersuchungen. Dieses wird verstärkt durch falsche Anschuldigungen von Kindesmisshandlung. Chaim wird unter die Aufsicht der Jugendfürsorge gestellt und man verbietet uns, unseren Sohn im Ausland eine angemessene medizinische Behandlung angedeihen zu lassen. Die im Ausland auf Borreliose spezialisierten Ärzte werden abgewertet und als „Alternativ-Mediziner“ in Misskredit gebracht.
Es war unverantwortlich und beklagenswert, dass die Ärzte keine adäquate Untersuchung durchführten und wissenschaftliche Erkenntnisse über Neuroborreliose und Liquor-Diagnostik einfach ignorierten. Es war unverantwortlich, dass ein Arzt auf seiner Meinung beharrte, auf Borreliose spezialisierte Ärzte verunglimpfte und ihre Empfehlungen nicht wahrnahm, nur weil sie im Ausland tätig waren. Es war unverantwortlich, dass die Befunde nicht ernst genommen wurden, nur weil sie nicht aus dem eigenen Labor stammten und die eigene Meinung widerlegten.
Es war verwerflich, dass zum Beispiel negative Krankheitsbefunde erst der Jugendfürsorge und danach erst uns Eltern vorgelegt wurden. Damit wurde Druck auf uns ausgeübt. Wir wussten, welche Maßnahmen drohten, wenn wir anderer Meinung waren. Damit drückte man uns mit dem Rücken an die Wand. So bauten sich Mauern auf, die wir nicht einreißen konnten. Geschah dies nach dem Eid des Hippokrates, Herr Doktor? Welche Wahl lässt man den Eltern? Können Sie sich vorstellen, wie sich das anfühlte, wenn unser Kind durch Nichts eine Querschnittlähmung erlitt, wenn es keine Zehe mehr bewegen konnte als Folge einer Myelitis (Rückenmarkentzündung) und eine chronische Enzephalitis (Gehirnentzündung) entwickelte?
2009
Chaim kommt jetzt in einem Rollstuhl in die Sprechstunde, ein zwölfjähriges Kind, das dramatisch in allen Facetten seines jungen Lebens eingeschränkt ist. Die ersten zwei Wochen im Krankenhaus werden wir mit ihm rund um die Uhr mit einer Kamera überwacht. Wir bemerken erst später die Absicht. Man will beweisen, dass wir vom MBP–Syndrom (Münchhausen-By-Proxy) erfasst sind. MBP ist eine extreme Form der Kindesmisshandlung, meistens von Müttern begangen. Sie halten ihre Kinder künstlich krank. Einen Beweis für die Schuldhaftigkeit von uns Eltern erbringt diese Filmerei nicht. Also dichtet man unserem Kind eine psychiatrische Störung an. Doch der Klinik-Psychiater findet in einem zweitstündigen Gespräch mit Chaim keinen einzigen Anhalt für eine psychische Störung.
Egal, als Eltern will man nur, dass es seinem Kind besser geht. Was nun? Nun quälen die Ärzte ihn mit Rehabilitationsmaßnahmen. Er muss ins Schwimmbad, obwohl seine Beine gelähmt sind. Unter unmenschlichen Schmerzen und Kraftaufwand schafft er es, sich mit den Armen über Wasser zu halten. Dann zwingt ihn der Physiotherapeut auch noch zu Ballspielen. Auch dies schafft er, weil wir Zwei lange geübt hatten, als sein Sehvermögen immer mehr schwand, bevor das rechte Auge nur noch fünf Prozent Sehkraft hatte und das andere schon blind war. Geübt und geübt haben wir, damit er nicht gegen den nächsten Baum, Laternenpfahl oder Türrahmen knallt. Nachdem er über furchtbare Kopfschmerzen nach den vielen Übungen klagt, fragt ihn der Physiotherapeut, warum er sich denn einbilde, an Borreliose zu leiden? Chaim antwortet, dass dies eine Blutuntersuchung in Deutschland festgestellt habe. Es wird ihm eiskalt gesagt, dass man in den Niederlanden aber nichts davon gefunden habe, Und es wird ihm unverfroren erklärt, dass er wunderbar sehen könne und mit seinen Augen überhaupt nichts los sei.