Lymphologie und Manuelle Lymphdrainage beim Pferd - Christina Fedele - E-Book

Lymphologie und Manuelle Lymphdrainage beim Pferd E-Book

Christina Fedele

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Beschreibung

Das fundierte Lehrbuch über die Anwendung der Manuellen Lymphdrainage beim Pferd in der zweiten, überarbeiteten Auflage. Das Buch gibt einen praktischen Überblick über Funktion und Bedeutung des Lymphsystems. Es stellt die Grundlagen und Anwendungsgebiete, Behandlungsstrategien und Indikationen der Manuellen Lymphdrainage beim Pferd umfassend, verständlich und reich illustriert dar. Die Kenntnis über das Lymphgefäßsystem und die beim Pferd hocheffektive Manuelle Lymphdrainage gehört zum Basiswissen für Tierärzte. Als ¿Kursbuch¿ der Manuellen Lymphdrainage wendet sich das Werk außerdem an die am Pferd ausgebildeten Physiotherapeuten der Humanmedizin sowie an fachlich interessierte Pferdebesitzer.

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Seitenzahl: 444

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Dirk Berens v. Rautenfeld (Hrsg.) | Christina Fedele

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Lymphologie und Manuelle Lymphdrainage beim Pferd

Mit einem Beitrag von Anna Rötting

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de/ abrufbar.

ISBN 978-3-89993-085-6 (Print)ISBN 978-3-8426-8335-8 (PDF)

© 2012, Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover

Alle Rechte vorbehalten.Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden.Eine Markenbezeichnung kann warenzeichenrechtlich geschützt sein, ohne dass diese gesondert gekennzeichnet wurde. Die beschriebenen Eigenschaften und Wirkungsweisen der genannten pharmakologischen Präparate basieren auf den Erfahrungen der Autoren, die größte Sorgfalt darauf verwendet haben, dass alle therapeutischen Angaben dem derzeitigen Wissensund Forschungsstand entsprechen. Darüber hinaus sind die den Produkten beigefügten Informationen in jedem Fall zu beachten.Der Verlag und die Autoren übernehmen keine Haftung für Produkteigenschaften, Lieferhindernisse, fehlerhafte Anwendung oder bei eventuell auftretenden Unfällen und Schadensfällen. Jeder Benutzer ist zur sorgfältigen Prüfung der durchzuführenden Medikation verpflichtet. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr.

Satz: Dörlemann Satz, LemfördeDruck und Bindung:

Inhaltsverzeichnis

Autoren

Vorwort der 2. Auflage

Geleitworte zur 1. Auflage

1Einführung in die Lymphologie und die Manuelle Lymphdrainage

1.1Lymphologie: eine »Blackbox« beim Pferd?

1.2Komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE)

1.3Ganzkörperbehandlung beim »dicken Bein«?

1.4Apparative intermittierende Kompressionstherapie (AIK)

2Allgemeine anatomische Grundlagen

2.1Funktionelle Vernetzung des Lymphgefäßsystems mit dem Blutkreislauf und der Haut

2.1.1Gliederung und Definition des Lymphgefäßsystems

2.1.2Initiale Lymphgefäße

2.1.3Lymphsammelgefäße oder Kollektoren

2.1.4Lymphknoten

2.1.5Lymphgefäßstämme (Trunci lymphatici)

2.2Spezielle Anatomie der Manuellen Lymphdrainage

2.2.1Initiale Lymphgefäße und Kollektoren der Haut

2.2.2Lymphgefäße der Dermis

2.2.3Hypodermale (oberflächlich verlaufende) Kollektoren der Haut

2.2.4Subfasziale (tief verlaufende) Kollektoren

2.2.5Territorien, Wasserscheiden und oberflächliche Lymphocentren des Pferdes

2.2.6Topografie, Afferenzen und Efferenzen der territorialen Lymphocentren des Pferdes

2.2.7Das Lymphgefäßsystem der Beckengliedmaße des Pferdes

2.2.8Das Lymphgefäßsystem der Schultergliedmaße des Pferdes

2.2.9Das Lymphsystem der Sehne

2.2.10Lymphvaskuläre Liquorabsorption und MLD

3Physiologie und Pathophysiologie des Lymphdrainagesystems

3.1Flüssigkeitsaustausch im Bereich der Blutkapillare

3.2Interstitium, Gewebedruck und lymphatische Lasten

3.3Gewebeflüssigkeit, Lymphe und Lymphbildung

3.4Lymphangione und physiologische Definitionen des Lymphtransports

3.5Lymphvaskuläre Antriebssysteme des Pferdefußes

3.6Suffizienz und Insuffizienz des Lymphdrainagesystems

4Lymphdrainagegriffe

4.1Grundlagen und Eigenschaften

4.1.1Druckstärke

4.1.2Geschwindigkeit

4.1.3Druckverlauf

4.1.4Druckrichtung

4.2Grundgriffe der MLD nach Vodder/Asdonk

4.2.1Stehender Kreis

4.2.2Schöpfgriff

4.2.3Drehgriff

4.2.4Vollhandödemverschiebegriff/Pumpgriff

4.3Spezialgriffe

4.3.1Quergriff

4.3.2Rundumödemverschiebegriff

4.4Besonderheiten der Griffe beim Pferd

4.5Wirkung der MLD-Griffe auf die Venenwand

5Aufbau der Behandlung und Griffe-Katalog

5.1Zentrale Vorbehandlung

5.1.1Anguläre Vorbehandlung

5.1.2Thorako-abdominale Vorbehandlung

5.1.3Trunkuläre Vorbehandlung

5.2Behandlungsstrategien

5.2.1Behandlungsstrategie Rumpf

5.2.2Behandlungsstrategie Hintergliedmaße

5.2.3Behandlungsstrategie Vordergliedmaße

5.2.4Behandlungsstrategie Kopf

6Kompression und Hautpflege

6.1Kompressionsverband

6.1.1Physikalische Grundlagen

6.1.2Wirkung der Kompression

6.1.3Verbandsmaterialien

6.1.4Anlegen des Verbandes

6.2Hautpflege

6.3Kompressionsstrümpfe

7Bewegungstherapie

8Umfangsmessung, Volumenbestimmung und Dokumentation

8.1Metrische Umfangsmessung (Extremitäten)

8.2Volumenbestimmung

8.3Ödemmessung mittels Ultraschall

8.4Perometermessung

9Krankheitslehre

9.1Indikationen

9.1.1Angelaufene Beine

9.1.2Chronische Phlegmone/Elephantiasis

9.1.3Bewegungsbedingte Myopathien

9.1.4Sehnenerkrankungen/Tendinitis

9.1.5Idiopathische Synovialitis und Tendovaginitis/Gallen

9.1.6Pododermatitis aseptica diffusa/Hufrehe

9.1.7Posttraumatische/postoperative Ödeme

9.1.8Venöses Stauungsödem

9.1.9Ödeme im Bereich der äußeren Geschlechtsorgane

9.1.10Petechialfieber (Morbus maculosus)

9.2Kontraindikationen

9.2.1Absolute Kontraindikationen

9.2.2Relative Kontraindikationen

9.3Weitere Krankheiten mit Beteiligung des Lymphgefäßsystems

9.3.1Akute Phlegmone/»Einschuss«

9.3.2Ulzeröse Lymphangitis

9.3.3Druse

9.3.4Mauke

9.3.5Equine Virusarteritis (EVA)

9.3.6Equine infektiöse Anämie (EIA)

9.3.7Dourine/»Beschälseuche«

9.3.8Rotz

9.3.9Ehrlichiose

9.3.10Nagana-Seuche

9.3.11Milzbrand

9.3.12Babesiose

9.3.13Sporotrichiose

9.3.14Histoplasmose

9.3.15Lymphosarkom

9.3.16Kongenitale Obstruktion der Lymphgefäße

9.4Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Lymphödemen der Extremitäten

9.5Besondere Krankheitsbilder – Fallbeispiele

9.5.1Akute Phlegmone und Abszedierung am Kopf

9.5.2Morbus maculosus

9.5.3Thorakales Lymphosarkom

9.5.4Lymphangiom

9.5.5Chronische Phlegmone und multiple Arthrosen

9.5.6Chyloabdomen und Lymphangiektasie

9.5.7Phlebödem

10Vergleich der Lymphödemformen bei Mensch, Pferd und Kleintier

10.1Nachweis von Lymphödemen der Extremitäten beim Pferd

10.2Equiner Lymphödemkomplex und seine Erkrankungen

10.2.1Angelaufene Beine und distale Beugesehnenscheidengallen

10.2.2Phlegmone oder akute Phlegmone

10.2.3Chronische Phlegmone

10.2.4Primäres idiopathisches und hereditäres Lymphödem beim Pferd

10.2.5Hereditäre Lymphödeme und Angiodysplasien bei Hund und Katze

10.2.6Stadieneinteilung des equinen Lymphödemkomplexes beim Pferd

11MLD: Ausbildung und Prüfung

11.1Ausbildung zum MLD-Therapeuten für den Menschen

11.2Ausbildung zum MLD-Therapeuten für das Pferd

11.3Fragenkatalog im Rahmen der MLD-Ausbildung am Pferd

12Was der Pferdebesitzer über Lymphgefäße und deren Erkrankungen wissen sollte

12.1Einführung der MLD in die Tiermedizin

12.2Funktionelle Anatomie des Lymphgefäßsystems

12.3MLD-Therapie bei Erkrankungen des Lymphgefäßsystems

12.3.1Die palliative MLD-Therapie

12.3.2Die kurative MLD-Therapie

12.4Wie finde ich einen Lymphtherapeuten?

12.5Wie erkenne ich einen versierten MLD-Therapeuten?

12.6Vorbeugung lymphologischer Erkrankungen (Prävention, Prophylaxe)

12.7Bewegung, Haltungsbedingungen und Hygiene

12.8Vorbeugender Kompressionsstrumpf

12.9Lymphflussverhältnisse unter reiterlichen Bandagen und Kompressionsstrümpfen

12.10Lymphdrainageputzen

12.10.1Wie verlaufen die Lymphsammelgefäße, wo liegen die Lymphknoten?

12.10.2Grundsätzliche Striegel- und Bürstenführung

12.10.3Striegelputzen als Hauptanwendung des Lymphdrainageputzens

12.10.4Nach- oder Sauberputzen mit der Kardätsche

13Literatur

Abbildungsnachweis

Anhang

Behandlungsprotokoll

Autoren

Prof. Dr. med. vet. Dirk Berens v. RautenfeldMedizinische Hoschschule HannoverFunktionelle und Angewandte AnatomieHannover

Dr. med. vet. Christina FedelePraktizierende TierärztinHattingen

Dr. med. vet. Anna RöttingKlinik für PferdeStiftung Tierärztliche Hochschule HannoverHannover

Stefanie BrandenburgerPhysiotherapeutinWedemark

Ruth NegatschTierärztinSchönfließ

Mitarbeiter

Sarah AurenzTierärztinHannover

Dr. med. vet. Carola BallatBovenden

Dr. med. vet. Bianca Carstens (Brandhorst)Rotenburg

Monika FuggertPhysiotherapeutinGlashütten

Dr. med. vet. Natalie KlagesRodewald

Helmut KreczikGrafiker

Vorwort der 2. Auflage

Dem Leser der 1. Auflage unseres Buches wird auffallen, dass sich der Titel verändert hat, was durchaus ungewöhnlich sein mag. Die Integration der »Lymphologie« aus dem Unter- in den Haupttitel weist nun deutlich darauf hin, dass dieses Buch weit mehr Informationen als nur die Anleitung zur Manuellen Lymphdrainage (MLD) vermittelt.

Viele der von uns ausgebildeten tierärztlichen und physiotherapeutischen Lymphdrainagetherapeuten bedauern, dass sie häufig erst im fortgeschrittenen Stadium der chronischen Phlegmone mit schlechter Prognose in die Behandlung dieser Pferde integriert werden. Auch in der Humanmedizin hat es vergleichsweise lange gedauert bis die Phlegmone als Lymphödem bezeichnet wurde und die physiotherapeutische Anwendungen wie die MLD Akzeptanz fanden: Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägte R. Virchow als Erster den Begriff des »lymphatischen Ödems« für die Phlegmone des Menschen (vergleichbar mit der chronischen Phlegmone des Pferdes), die Lymphangitis und das Erysipel (vergleichbar mit der akuten Phlegmone des Pferdes), während andere Autoren noch bis nach dem 2. Weltkrieg bezweifelten, dass es sich mit Ausnahme der Lymphangitis um Lymphgefäßerkrankungen handelt. Ebenfalls in der Ära von Virchow beschrieb der Chirurg A. Winiwater eine »spezielle Massagebehandlung« zur Therapie der chronischen Phlegmone, welche über 100 Jahre in Vergessenheit geriet und erst in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts als »Manuelle Lymphdrainage« von den Krankenkassen als Methode der Wahl zur Behandlung der nunmehr als Lymphödem bezeichneten Erkrankung Akzeptanz fand. In der Veterinärmedizin besteht die Hoffnung, dass der historische Begriff der Phlegmone sehr viel schneller durch den des »equinen Lymphödemkomplexes (ELK)« ersetzt wird (siehe Kapitel 10.2).

Die überarbeitete, mit zahlreichen neuen Abbildungen versehene Auflage, berücksichtigt in erster Linie neue Behandlungsstrategien für die Arbeit der MLD-Therapeuten.

Prof. Dr. A. v. Winniwarter (1848–1927, obere Reihe, zweiter von rechts) war als Chirurg in Lüttich tätig. Er beschrieb im 19. Jahrhundert als erster eine »Massagemethode« zur Therapie der Elephantiasis.

Prof. Dr. phil., Dr. med. vet. h.c.,Dr. med. h.c. Hermann Baum (1864–1932).

Sowohl der Chirurgin Dr. Anna Rötting als auch Dr. Tanja Helling verdanken wir den Impuls zur palliativen MLD-Behandlung von Tendopathien, welche in der Zukunft der wichtigste Einsatzbereich der lymphologischen Behandlung werden könnte. Von Anna Rötting stammt das neue Unterkapitel »Besondere Krankheitsberichte« innerhalb der Krankheitslehre. Diese vortrefflich dokumentierten Fälle veranschaulichen, dass eine Zusammenarbeit zwischen Tierärzten und Physiotherapeuten am lymphologischen Patienten Pferd unbedingt erforderlich ist.

Neue Erfahrungen im Rahmen der Kompressionsbehandlung zeigen, dass zunehmend Kompressionsstrümpfe bei Pferden mit chronischer Phlegmone den lymphologischen Behandlungserfolg einschränken, besonders dann, wenn kombinativ keine MLD-Behandlung zur Anwendung kommt. Bisher ist bei der Behandlung von equinen Lymphödemen zu sehr auf die Reduzierung von Umfangsvermehrungen und zu wenig auf die Wiederherstellung der physiologischen Konsistenz des fibrosierten Ödemgewebes geachtet worden, welches nur durch MLD-Griffe in Kombination mit lymphologischen Verbänden erfolgreich behandelt werden kann.

In das Buch integriert sind die Ergebnisse einer reiterlichen Umfrageaktion zum Thema »Angelaufene Beine (AGB)«, welcher wir neue Erkenntnisse zum Verständnis der Genese des equinen Lymphödemkomplexes verdanken. Der Umfrage konnte u. a. entnommen werden, dass es sich bei mehr als 50% der Pferde mit angeblichen AGB bereits um chronische Phlegmonen handelt und die Neigung zu dieser Erkrankung bereits im Fohlenalter auftreten kann.

Neben der Berücksichtigung neuer Therapieansätze soll das Buch der Tierärzteschaft »lymphologisches Denken« auch bei Erkrankungen wie z. B. dem Fesselringbandsyndrom vermitteln, welche bisher im lymphologischen Therapiekonzept keine Berücksichtigung fanden.

Der Vergleich der Lymphödemformen bei Mensch und Pferd (Kapitel 10) musste völlig neu geschrieben werden, weil das »lymphvaskuläre Bäumchen« dank vieler Impulse unserer Lymphdrainagetherapeuten, besonders aber auch durch den Nachweis eines erblichen (hereditären) Lymphödems beim Pferd, in den Jahren nach Erscheinen der ersten Auflage, gewachsen ist. Der Namensgeber unserer Arbeitsgruppe, Prof. Dr. phil., Dr. med. vet. h.c., Dr. med. h.c. (1864–1932) Hermann Baum mag uns wegen der Verniedlichung seines Namens posthum verzeihen oder sogar stolz auf die klinische Bedeutung seiner Lymphgefäßanatomie beim Pferd sein.

Aufgrund der uns zugeführten großen Zahl besonders von tierärztlich austherapierten Pferden mit Umfangsvermehrungen aus dem In- und Ausland zeichnet sich eine Mitbeteiligung peripherer Venen beim Lymphödem ab. Deshalb war es erforderlich auch Phlebolymphödeme zu thematisieren, auf welche zukünftig besonders geachtet werden sollte.

Wir freuen uns, dass zwei veterinärlymphologische Publikationen unseres Autorenteams durch wissenschaftliche Preise geehrt wurden. Es handelt sich um Arbeiten von Dr. Christina Fedele und von Dr. Tanja Helling.

Der Tierärztin Sarah Aurenz sei für die unermüdliche redaktionelle Arbeit bei der Neugestaltung des Buches besonders auch deshalb gedankt, weil sich dadurch die Vollendung ihrer Doktorarbeit verzögert hat.

Es ist dem Herausgeber ein besonderes Anliegen, den im Verlauf der ersten Auflage verstorbenen Hochschullehrern, dem allseits geschätzten ehemaligen Leiter der Pferdeklinik der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. E. Deegen und dem Anatomen der Freien Universität Berlin Prof. Dr. F. Preuß die zweite Auflage des Buches zu widmen. Beide haben unsere veterinärlymphologische Arbeit maßgeblich gefördert.

Hannover, im Oktober 2011Dirk Berens von Rautenfeld

Geleitworte zur 1. Auflage

Der Herausgeber dieses Buches, Prof. Dr. D. Berens v. Rautenfeld, ist Tierarzt und Reiter. Beruflich hat ihn der Weg über die Veterinäranatomie und sein besonderes Interesse an der vergleichenden Lymphologie in die Humanmedizin geführt. Seine Begeisterung für das Lymphgefäßsystem blieb an der Medizinischen Hochschule Hannover ungebrochen. Vergessen schien sein equiner Bezug, da er Gründungsmitglied der deutschsprachigen Gesellschaft für Lymphologie (GDL) in Wien wurde. Nur wenige in der Humanmedizin wussten, dass sie einen Fachtierarzt für Geflügel und Veterinäranatomie zum Präsidenten der GDL gewählt haben.

»Back to the roots« legt er nun mit seinem Team von Autorinnen diese erste tiermedizinisch ausgerichtete Lymphologie vor. Das Wagnis einer vergleichenden Lymphologie im Zeitalter einer immer mehr molekular ausgerichteten Forschung ist notwendig, da die Humanmedizin immer auf der Suche nach einem klinischen »Lymphödemmodell« für den Menschen war. Die Ergebnisse seiner Arbeitsgruppe zeigen, dass die Ursachen für das Lymph ödem beim Menschen in der Vergangenheit andere waren und in der Dritten Welt, aber auch beim Pferd, noch andere sind.

Das Buch birgt auch für den Humanlymphologen eine Quelle von Informationen sowohl für den Arzt als auch für den Physiotherapeuten. Es enthält zahlreiche eigene Forschungsergebnisse beim Pferd, welche schon jetzt vom Pferd auf den Menschen übertragbar sind (z. B. die Existenz dermaler Kollektoren) oder unbedingt beim Menschen zu überprüfen sind (z. B. die Funktion der Myofibroblasten und der enorm hohe Anteil elastischer Fasern in der Wand der Kollektoren beim Pferd). Auch deshalb sollte das Werk nicht nur von Tierärzten und Physiotherapeuten mit Interesse am Pferd, sondern von möglichst vielen Humanlymphologen und am Menschen tätigen MLD-Therapeuten gelesen werden.

Der wissenschaftlichen Kreativität der Autoren verdanken aber auch die »Pferdepatienten« und ihre Besitzer, dass bereits am Anfang der Entwicklung einer Veterinärlymphologie an Prävention bzw. Prophylaxe von Lymphgefäßerkrankungen gedacht wird. Es scheint so, dass das Verhalten der Lymphgefäße eine Art »Bioindikator « für die besonderen zivilisatorischen Umweltbedingungen des Pferdes darstellt. Dass uns der Herausgeber auch weiterhin in der Humanlymphologie erhalten bleibt, zeigen seine Projekte und die seiner Mitarbeiter zur molekular orientierten Charakterisierung von Lymphgefäßen, aber auch seine Bemühungen um die Ausbildung von MLD-Therapeuten am Menschen. Ich empfehle das Lesen dieses Buches auch allen in der Humanmedizin tätigen Lymphologen.

Hinterzarten, im Frühjahr 2005          Prof. Prof. h.c. Dr. med. Michael Földi

_________________________

Pferde mit Erkrankungen des Lymphsystems spielen in der tierärztlichen Praxis immer wieder eine bedeutende Rolle und gehören zu den schwer therapierbaren Fällen. Obwohl schon BAUM (1864–1932) die Grundlagen der Topographie der Lymphknoten und der makroskopisch darstellbaren Lymphgefäße beim Pferd erforscht hat, fehlten bis jetzt Befunde zum Feinbau und zur funktionellen Anatomie der Lymphgefäße. Die Forschungsgruppe Hermann- Baum-Seminar (HBS) der Medizinischen Hochschule Hannover, unter der Leitung des Tierarztes Prof. Dr. Dirk Berens von Rautenfeld, hat sich diesem Thema erfolgreich gewidmet.

Dem Herausgeber und seinen Mitarbeitern ist es gelungen, basierend auf den Untersuchungen in der Humanmedizin, die Grundlagen der funktionellen Anatomie des Lymphsystems des Pferdes für die Anwendung in der Praxis zu erarbeiten und dabei gleichzeitig die Unterschiede zum Lymphsystem und zum Lymphödem des Menschen zu erforschen.

Dargestellte Lymphdrainagegriffe, die auf den Grundgriffen in der Humanmedizin basieren, bewirken eine Steigerung der Kontraktion der Kollektoren und der Lymphgefäßstämme und führen zum Lymphabfluss. Damit wird für die praktizierenden Tierärzte eine neue Therapieform bei Lymphstau des Pferdes dargestellt. Zum Erlernen dieser Technik werden Kurse in Manueller Lymphdrainage (MLD) angeboten, deren Inhalte hier vorgestellt werden und die auch für Humanphysiotherapeuten zugängig sind. Außerdem werden hier erstmals Kompressionsstrümpfe für Pferde in ihrer Anwendung dargestellt.

Sehr wertvoll sind die Angaben über Lymphgefäße für Pferdebesitzer, helfen sie doch z. B. das Putzen gezielter als bisher im Sinne einer Förderung des Lymphflusses durchzuführen. Sowohl für Humanlymphologen und Physiotherapeuten als auch für Veterinärmediziner stellt dieses Buch eine sprudelnde Informationsquelle dar, aus der alle an der Thematik interessierten Studenten, Praktiker und Wissenschaftler schöpfen können.

Burgdorf, Juli 2005               Prof. a.D. Prof. extraord.      

1 | Einführung in die Lymphologie und die Manuelle LymphdrainageD. Berens v. Rautenfeld

In der Humanmedizin wird die Lymphologie von verschiedenen Gebietsärzten (Fach- bzw. Gebietsärzten), z. B. Anatomen, Physiologen, Dermatologen, Radiologen, Gynäkologen, vertreten. Sowohl in der Human- als auch der Veterinärmedizin existiert kein anerkannter Weiterbildungsgang und somit auch kein Facharzt bzw. Fachtierarzt für Lymphologie.

Die Manuelle Lymphdrainage (MLD) ist ein in der Humanmedizin anerkannter physiotherapeutischer Weiterbildungsgang von vier Wochen. Die MLD-Anwendungen sind wissenschaftlich und seit 1973 durch die Krankenkassen anerkannt. In der Veterinärmedizin ist die Ausbildung in Manueller Lymphdrainage von Tierärzten, Masseuren oder Physiotherapeuten bzw. Krankengymnasten gesetzlich weder geregelt noch geschützt. Das trifft auch für alle in Deutschland angebotenen physiotherapeutischen Fortbildungsgänge am Pferd zu. Allerdings besitzen einige dieser Kursanbieter eine Anerkennung durch die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) zur Qualitätssicherung im Hinblick auf die Anzahl von Ausbildungsstunden und einer Abschlussprüfung, zu welcher nur Physiotherapeuten und Tierärzte zugelassen sind. In Deutschland können Tierärzte die Zusatzbezeichnung »Physiotherapie« durch Prüfung der Tierärztekammer erlangen.

In der Schweiz bietet Frau Brigitte Stebler einen entsprechenden deutschsprachigen Physiotherapiekurs mit staatlicher Anerkennung an, den auch Physiotherapeuten und Tierärzte aus Deutschland belegen können. Die Absolventen dieses Kurses erhalten ein eidgenössisches Diplom zur Führung der Berufsbezeichnung »Physiotherapeut für Pferde, Hunde und Katzen«. Nur innerhalb dieses Kurses und in einem weiteren durch die FN und den Zentralverband der Physiotherapeuten/Krankengymnasten (ZVK) anerkannten Ausbildungsgang zum Pferdephysiotherapeuten von Frau Christel Auer ist eine reguläre Ausbildung in Manueller Lymphdrainage integriert, welche von den Autoren dieses Buches ausgerichtet wird.

1.1Lymphologie: eine »Blackbox«beim Pferd?

Über die Beteiligung des Lymphgefäßsystems an equinen (equus, lat.: das Pferd) Erkrankungen ist im Vergleich zum Menschen wenig bekannt. Dies betrifft in erster Linie die Lymphgefäße und nicht die Lymphknoten, welche eine wichtige Rolle in der Veterinärpathologie und der Fleischuntersuchung spielen. Das Wissen um Lymphgefäßerkrankungen ist seit Ende des Zweiten Weltkrieges in der Tiermedizin in Vergessenheit geraten, weil durch den Einsatz hochwirksamer Medikamente (wie z. B. Antibiotika) bakterielle Wundinfektionen i. d. R. vom Tierarzt beherrscht werden. Die Folge nicht medikamentös behandelter Wundinfektionen war u. a. ein Übergreifen von Bakterien auf die außerordentlich empfindliche Muskelwandpumpe peripherer Lymphgefäße mit anschließender Lymphgefäßentzündung (Lymphangitis), wodurch die weitgestellten (dilatierten), hautnahen größeren Lymphgefäße deutlich in Erscheinung traten. Besonders während und nach dem Ersten Weltkrieg bot sich der Tierärzteschaft bei vielen Pferden das Bild dieser teilweise enorm entzündlich dilatierten Lymphgefäße (Abb. 1.1). Dies hatte seine Ursache darin, dass die Kavalleriepferde unter anderem mit dem bakteriellen Erreger der Lymphangitis ulcerosa, mit Nocardiose und Rotzerkrankungen in Süd- und Osteuropa in Kontakt gerieten, ohne dass eine Antibiotikatherapie zur Verfügung stand. Aber auch die bakteriell bedingte Elephantiasis war bis Ende des Zweiten Weltkrieges mit entsprechenden lymphvaskulären Veränderungen aufgrund der nicht vorhandenen Antibiotikatherapie weitverbreitet.

Kurz angedeutet in Bezug auf den Ersten Weltkrieg sei noch, dass Pferde, welche innerhalb der Giftgasangriffe mit Senfgas (»Gelbkreuz«) in Kontakt gerieten, besonders ausgeprägte Lymphödeme im Bereich des Rumpfes entwickelten (Richters, 1939).

Im Vergleich zu anderen Haussäugetieren ist die Neigung des Pferdes zu Umfangsvermehrungen im Bereich der Extremitäten auch ohne Beteiligung einer bakteriellen Wundinfektion, z. B. in Form von »angelaufenen Beinen«, schon lange bekannt. Dass einige Pferde eine besondere funktionelle Schwäche der Lymphgefäße im Bereich des Fußes zeigen, hat Meyer (1988) durch Einsatz der indirekten Lymphangiographie an sedierten ödemfreien Pferden im Stadium 0 des »equinen Lymphödemkomplexes« (ELK; siehe Kapitel 10.2) nachweisen können. Die mit Röntgenkontrastmittel gefüllten Lymphgefäße zeigten einen auffallend geschlängelten und somit gestauten Verlauf (Abb. 1.2). Aufgrund dieser Untersuchungen wurde ein Konzept der Manuellen Lymphdrainage beim Pferd durch Berens v. Rautenfeld entwickelt, das Rötting 1999 in ihrer Dissertation (FU Berlin) bei der chronischen Phlegmone (Elephantiasis) mit Erfolg erprobte. Ein Jahr später wurde die Manuelle Lymphdrainage der Tierärzteschaft in der Pferdeheilkunde vorgestellt (Berens v. Rautenfeld et al., 2000; Rötting et al., 2000). In der Folge wurden weitere Artikel zum Thema Manuelle Lymphdrainage veröffentlicht (Fedele und Berens v. Rautenfeld, 2005; 2007; Fedele et al., 2006; 2009; Berens v. Rautenfeld et al., 2010).

Abb. 1.1:Spritzenabszess mit Darstellung eines afferenten Kollektors zu den Buglymphknoten (aus Marek und Mósey, 1960).

Abb. 1.2:Indirekte Lymphangiographie am Fuß der Beckengliedmaße bei einem Pferd ohne Umfangsvermehrung (siehe Weichteilschatten) bzw. Neigung zu »angelaufenen Beinen«. Die mit einem Röntgenkontrastmittel gefüllten Kollektoren zeigen beim stehenden Pferd einen gestauten, mäanderförmigen Verlauf vom Hufsaum ausgehend in die Fesselbeuge. Beachte, dass rechts neben dem tiefen Kollektor kurze oberflächliche Kollektoren aus der Haut kontrastiert sind.

Tabelle 1.1: Tierärztliche Dissertationen zum Thema Lymphologie, welche seit Erscheinen der letzten Auflage (2005) von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover verabschiedet wurden

Kurzbeschreibung der Dissertation

Autor(in) und Erscheinungsjahr

Grundsätzliche Untersuchungen am Pferdebein zur Messgenauigkeit des opto-elektronischen Perometers im Vergleich zur Wasserverdrängung, Bandmaßmessung und des 3-D-Perometers

Frauke Haase (2006)

Perometrische Messungen von Volumenschwankungen der Extremitäten vor und nach der Bewegung von Pferden mit und ohne Reitergewicht

Ariane Böttcher (2006)

Erprobung des Perometers zur Umfangsbemessung der Wirkung von Bandagen auf Volumenschwankungen am Vorder- und Hinterbein des Pferdes

Nicole Korella (2007)

Erste quantitative lymphszintigraphische Studie mit zahlreichen Hinweisen auf die Existenz des »equinen Lymphödemkomplexes«

Christine Gaedke (2007)

Morphologische Darstellung der lymphvaskulären Architektur equiner Beugesehnen mit erstem Nachweis der Manuellen Lymphdrainage, Wirkung mit der neuen indirekten Depot-Sehnen- Lymphangiographie

Tanja Helling (2008)

Seit 1999 werden regelmäßig Fortbildungskurse in Manueller Lymphdrainage am Pferd durch das »Europäische Seminar für Equine Lymphdrainage« (E.S.E.L.) für Tierärzte und Physiotherapeuten angeboten. Seitdem bearbeitet das Hermann-Baum-Seminar an der Medizinischen Hochschule Hannover auch wissenschaftliche lymphologische Themen beim Pferd. In der Vorauflage wurden folgende Dissertationen des Hermann-Baum-Seminars besonders vorgestellt: Harland (2003), Brandhorst (2004), Braun (2004), Risse (2004), Rothe (2004). In der vorliegenden aktualisierten Tabelle 1.1 sind die fünf Dissertationen aufgeführt, welche seit 2006 erschienen sind.

Der Einsatz des Perometers zur Umfangsbemessung von Extremitäten kann zukünftig im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen genutzt werden.

Ebenfalls für wissenschaftliche Untersuchungen könnte die Funktionslymphszintigraphie in der Zukunft als bildgebende Methode der Wahl zum Einsatz kommen. Das hier vertretene Konzept des equinen Lymphödemkomplexes (ELK) wird durch einige Befunde der ersten Funktionslymphszintigraphiestudie gestützt.

Der wissenschaftliche Nachweis der Wirkung der Manuellen Lymphdrainage durch die Depot-Sehnen-Lymphangiographie dürfte für die Überzeugungsarbeit unseres lymphologischen Therapiekonzeptes in der Tierärzteschaft von eminent wichtiger Bedeutung sein. Darüber hinaus veranschaulicht der enorme Lymphgefäßbesatz der Sehne (siehe Kapitel 2.2.9.2) deren Bedeutung für die Behandlung von Tendopathien, für welche es bereits zahlreiche Behandlungserfolge unserer Lymphdrainagetherapeuten gibt.

1.2Komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE)

Für den lymphologischen Laien oder den Reiter sollten »dicke Pferdebeine« (Abb. 1.3) mit Manueller Lymphdrainage (MLD) behandelt werden, obwohl zur Behandlung fast aller Lymphödematisierungen nicht nur die MLD, sondern drei weitere Therapiemaßnahmen zur Anwendung kommen müssen, um einen maximalen Therapieerfolg zu erzielen. Diese Vierstufentherapie wird nach Földi und Földi (2002a) als »komplexe physikalische Entstauungstherapie«, kurz KPE, bezeichnet.

Abb. 1.3:Chronische Form der Elephantiasis an der linken Hintergliedmaße einer Friesenstute. Das letzte Fohlen dieser Stute entwickelte nach einer Phlegmone ebenfalls eine Elephantiasis.

Die vier Therapiesäulen der KPE sind:

1. Bewegung und Bewegungstherapie

2. Manuelle Lymphdrainage

3. Kompressionsverband oder Kompressionsstrumpf

4. Haut- und Hufpflege

Der Therapieerfolg sollte nach jeder KPE-Behandlung durch Umfangsmessungen in verschiedenen Höhen der ödematösen, aber auch der kontralateralen gesunden Extremität verifiziert werden.

Nicht nur Lymphtherapeuten (Tierärzte, Masseure oder Physiotherapeuten mit MLD-Ausbildung), sondern auch Reiter sollten wissen, dass es aus therapeutischer Sicht i. d. R. unzureichend ist, wenn der Lymphtherapeut eine Lymphödematisierung lediglich mit MLD behandelt. Nur in Ausnahmefällen ist die Anwendung einer oder mehrerer, also nicht aller Therapiemaßnahmen vertretbar.

Abb. 1.4:Umfangsmessung der rechten Beckengliedmaße mit einem »Rahmenperometer«. Da die Pferde in das geschlossene Perometer mit der Extremität eintreten müssen, wird derzeit die Messgenauigkeit einer U-förmigen Messeinheit getestet.

Die Bewegung des beingesunden Pferdes repräsentiert die traditionell billigste Vorbeugung (Prävention) von Umfangsvermehrungen der Extremitäten – sowohl aus Sicht des Reiters durch Einsparung von Tierarztkosten, aber auch für das Pferd, dessen Lymphfluss maßgeblich ohne Energieaufwand mittels elastischer Kräfte (siehe Kapitel 2.1.3.2) vergleichbar mit dem Pendel einer Uhr angetrieben wird. Selbst bei Pferden mit Neigung zu »angelaufenen Beinen« (AGB) glaubt der Reiter, dieses Problem durch Bewegung seines Pferdes »in den Griff« zu bekommen. Der Reiter bemerkt aber auch, dass die Umfangsvermehrung des betroffenen Beines nach Ruheperioden im Laufe des Lebens zunimmt.

Darüber hinaus zeigt eine groß angelegte reiterliche Umfrageaktion zum Thema »Umfangsvermehrungen der Extremitäten«, dass Pferde mit AGB besonders durch Einschüsse (Phlegmone, akute Phlegmone) gefährdet sind.

Die ersten quantitativen lymphszintigraphischen Untersuchungen (Gaedke, 2007) beweisen, dass es sich beim Phänomen der AGB tatsächlich um ein Lymphgefäßproblem handelt. Damit wird die Arbeit von Lymphtherapeuten bestätigt, denen es gelingt, den Zustand AGB durch mehrwöchigen Einsatz der KPE nachhaltig zu therapieren.

Angelaufene Beine sollten nicht als »Schönheitsfehler« angesehen werden, da es sich um das subakute Stadium des equinen Lymphödems handelt, welches die erhöhte Gefahr von Einschüssen birgt.

Die Bewegungstherapie beim Lymphödem der Extremitäten (AGB, chronische Phlegmone) ist mit lymphologischen Extremitätenverbänden am effektivsten (siehe unten). Perometrische Untersuchungen (Böttcher, 2006) und praktische Erfahrungen der Lymphdrainagetherapeuten zeigen, dass lymphödematöse Umfangsvermehrungen der Extremitäten deutlicher unter dem Reitergewicht und weniger deutlich durch Longenarbeit reduziert werden (Abb. 1.4).

Eine Überanstrengung des Pferdes durch Bewegungstherapie kann den Entstauungseffekt negativ beeinflussen (siehe dazu Kapitel 2.1.3.3).

Längere vom Tierarzt verordnete Stehzeiten (z. B. bei Fesselbeinfrakturen) führen häufiger zu hohen Ödematisierungen der Extremitäten, mitunter bis in den Skrotal- bzw. Milchdrüsenbereich, seltener auch in den Beckenraum.

Die Manuelle Lymphdrainage fördert am Anfang des Lymphdrainagesystems den Einstrom von Gewebsflüssigkeit in den Bereich initialer Lymphgefäße und steigert den Lymphfluss durch Anregung glatter Muskelzellen in der Wand größerer Lymphgefäße (Kollektoren) zur Kontraktion. Der Effekt auf die Lymphbildung und den Lymphtransport hält auch noch Stunden nach der MLD-Behandlung an (siehe Kapitel 2.2.9.4). Der MLD-Behandlungserfolg variiert von Therapeut zu Therapeut enorm, in Abhängigkeit von seiner Grifftechnik und Berufserfahrung.

Während die Anregung der Lymphangiomotorik sowohl durch Einsatz der MLD als auch durch Bewegungstherapie erzielt wird, vermag beim Lymphödem allein die Hand des Lymphdrainagetherapeuten die aus dem Blutsystem in den Bindegewebsraum transsudierten Plasmaproteine in das Lymphsystem zu verlagern.

Der lymphologische Kompressionsverband unterstützt den Antifibroseeffekt der MLD, nicht jedoch Kompressionsstrümpfe (siehe unten).

Beachte, dass die Manuelle Lymphdrainage ohne den Einsatz der Bewegungs- und Kompressionstherapie eine vergleichsweise geringe Volumenabnahme im Bereich lymphödematöser Extremitäten bewirkt. Dennoch ist ihr Einsatz zur Bewältigung der Plasmaproteine beim chronischen Lymphödem unbedingt erforderlich.

Abb. 1.5:Säulenförmige lymphologische Kompressionsverbände (unter Verwendung von fünf Rollen Watte und Kurzzugbinden pro Bein) zur Beurteilung innerhalb einer MLD-Prüfung an der Pferdeklinik der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover.

Für die Kompressionstherapie sind reiterliche Bandagen und tierärztliche Verbände ohne Verwendung von Kurzzugbandagen und ausreichende Wattepolsterung ungeeignet. Der lymphologische Kompressions(säulen)verband gewährleistet einen optimalen Therapieeffekt. Auch wenn er teuer und aufwendig in der Handhabung ist, sollte er stets und mindestens in den ersten beiden Wochen der MLD-Therapie zur Anwendung kommen (Abb. 1.5).

Kompressionsstrümpfe führen zwar auch zu Ödemabnahmen, verstärken jedoch die Ausbildung eiweißbedingter Gewebeverhärtungen. Einen ähnlichen Effekt erzielen Diuretika, welche leider nicht selten bei Lymphödemen in der Tiermedizin zum Einsatz kommen.

Kompressionsstrümpfe können präventiv und bei Pferden mit Neigung zu AGB zum Einsatz kommen. Bei Pferden mit chronischer Phlegmone ist der Einsatz von lymphologischen Verbänden erforderlich. Nur der lymphologisch versierte Tierarzt oder equine Lymphdrainagetherapeut sollte entscheiden, ob es sich bei der Umfangsvermehrung der Extremität um AGB oder bereits um das Frühstadium einer chronischen Phlegmone handelt.

Die Haut- und Hufpflege ist aufgrund der entzündlichen Genese beim equinen Lymphödem unbedingt erforderlich. Dazu gehört in erster Linie der tägliche Wechsel der Einstreu, um die Gefahr von Einschüssen (Phlegmonen) zu minimieren. Das trifft auch für die Pflege des Hufsaums zum Schutz des Hornbildungsmechanismus zu, da es beim chronischen Lymphödem zu ausgeprägten Veränderungen des Hufschuhs kommen kann.

1.3Ganzkörperbehandlung beim »dicken Bein«?

Bei einer lymphödematösen Erkrankung einer der beiden Beckengliedmaßen leitet der Lymphdrainagetherapeut die MLD-Behandlung stets an der linken Halsseite vor der Schulter und am Rumpf des Pferdes ein. Erst nach dieser »zentralen Vorbehandlung« darf mit der »peripheren Behandlung« (siehe dazu Kapitel 5) im Bereich der erkrankten Extremität begonnen werden. Ist der Rumpf ödematös betroffen, dann repräsentiert die (anguläre) Halsbehandlung die »zentrale Vorbehandlung« und die Rumpfbehandlung die »periphere Behandlung«.

Es ist ein therapeutischer Kunstfehler, wenn der Lymphtherapeut die MLD-Behandlung im Bereich der Umfangsvermehrung, also z. B. am betroffenen Hinterbein, beginnt, ohne zuvor an Hals und Rumpf eine zentrale Vorbehandlung durchzuführen. Die Begründung dafür ist stets dem Patientenbesitzer zu erläutern: Innerhalb der Lymphödematisierung sind die erkrankten größeren Lymphsammelgefäße überfüllt, die Muskelwandpumpe und die Klappen sind erkrankt (insuffizient). Dadurch können die insuffizienten und deshalb stark gedehnten glatten Muskelzellen mittels der MLD-Griffe nicht oder nur unzureichend zur Kontraktion angeregt werden.

Einen annähernd analogen Vergleich dieser pathophysiologischen Verhältnisse liefert die »Auflösung eines Autobahnstaus«. Ein Autobahnstau löst sich nicht auf, indem immer mehr Fahrzeuge auf das Stauende auffahren, vielmehr muss die Stauursache am Stauanfang gelöst werden. In Bezug auf die MLD-Behandlung eines »dicken Beines« bedeutet dies, dass die Behandlung nicht peripher, sondern zentral eingeleitet werden muss.

Die zentrale Vorbehandlung erzeugt einen Sog auf die gestauten Lymphgefäße der erkrankten Beckengliedmaße, wodurch diese mehr oder weniger entstaut werden, damit die periphere MLD-Behandlung am Bein eingeleitet werden kann.

Ein korrekt arbeitender Lymphtherapeut kann unter anderem dadurch erkannt werden, dass er die MLD-Behandlung nicht im Bereich der erkrankten Extremität, sondern zunächst an Hals und Rumpf einleitet.

Abb. 1.6:AIK-Gerät der Fa. Villa-Sana im Testeinsatz an der Tierärztlichen Hochschule Hannover an einem Pferd ohne Umfangsvermehrung an der Beckengliedmaße. Mittels eines Infusors (unten rechts) und Verlängerungskathetern (Lectro-cath®) wird ein Röntgenkontrastmittel über kurze, feine Kanülen im Bereich des Hufsaumes der linken Beckengliedmaße appliziert (siehe Abb. 1.7).

1.4Apparative intermittierende Kompressionstherapie (AIK)

Bei der apparativen intermittierenden Kompressionstherapie (AIK; auch intermittierende apparative Kompressionstherapie, IAK, genannt) handelt es sich um eine maschinelle Methode der Lymphdrainage mittels gekammerter Manschetten, welche sowohl für den Menschen als auch für das Pferd zur Verfügung stehen. Da beim Menschen der Einsatz der AIK zurzeit kontrovers diskutiert wird, erscheint es erforderlich, dem Leser diese Methode vorzustellen, welche ein alternatives Behandlungskonzept zur MLD darstellt. Beim Pferd ist gegenwärtig eine AIK-Manschette der Firma Villa Sana (Abb. 1.6) erhältlich, welche mittels Klettverschlüssen an die ganze Schulter- und Beckengliedmaße angelegt werden kann. Zu einem vom Markt genommenen AIK-Gerät der Firma Bösel liegen zwei Untersuchungen von Onderka et al. (1991; 1992) vor. Vergleicht man die Ödemabnahme bei Einsatz dieses Gerätes mit der durch MLD (Rötting, 1999), scheint der Entstauungseffekt für die MLD zu sprechen. Allerdings sind beide Methoden bisher nicht direkt gegeneinander evaluiert worden. Grundsätzlich bietet der Einsatz der AIK beim Pferd den Vorteil, dass die Behandlung lymphödematisierter Patienten auch dort möglich ist, wo ausgebildete Lymphtherapeuten nicht zur Verfügung stehen.

Abb. 1.7:Lymphangiographie des Pferdes aus Abb. 1.6.

Gegen den Einsatz der AIK sprechen besonders zwei Gründe:

1. Bei ausschließlichem Einsatz der AIK an einer lymphödematös erkrankten Extremität wird versucht, ohne zentrale Vorbehandlung (siehe Kapitel 1.3) insuffiziente Lymphgefäße zur Kontraktion anzuregen, was der MLD-Behandlungsstrategie widerspricht. Beim Menschen kann es dadurch zu einer Ödemverlagerung z. B. in den Hodensack oder in die Schamlippen kommen. Da in Deutschland beim Pferd AIK-Geräte nur selten zur Anwendung kommen, gibt es keine entsprechenden Erfahrungsberichte.

2. Am Pferdebein ist die Anpassung einer Schlauchmanschette äußerst schwierig, da ausgeprägte »Erhebungen« im Bereich der Gelenke und »Einziehungen« zwischen den Gelenken vorkommen. Dies ist unvorteilhaft, da in allen Bereichen der Extremität annähernd identische Druckbedingungen zu fordern sind.

Geht man davon aus, dass die AIK beim Pferd kombinativ mit einer MLD-Vorbehandlung und einer passgenauen Manschette zur Anwendung kommt, bleibt die Frage, ob die Lymphgefäße des Pferdefußes durch den intermittierenden Kompressionsimpuls zur Kontraktion angeregt oder abgedrückt werden. In diesem beim Pferd äußerst empfindlichen Bereich (besonders am Fesselkopf) liegen die tiefen und oberflächlichen Lymphgefäße ohne ein fettzellreiches subkutanes Polster und Skelettmuskelpolster den Gleichbeinen direkt auf.

Innerhalb des Hermann-Baum-Seminars wurden Lymphangiographien (radiologische Darstellungen der Lymphgefäße mit einem Röntgenkontrastmittel) am Fuß eines Pferdes mit einer AIK-Manschette (Fa. Villa Sana) durchgeführt. Diese Orientierungsuntersuchungen zeigten, dass bei hohem und mittlerem Manschettendruck die Lymphgefäße am Pferdefuß total komprimiert werden, während bei niedrigem Manschettendruck die Durchgängigkeit der Lymphgefäße zumindest teilweise gewährleistet war (Abb. 1.7). Zurzeit ist eine abschließende Bewertung der AIK sowohl beim Pferd, als auch beim Menschen nicht möglich, da eine statistisch abgesicherte, wissenschaftliche Studie fehlt und eine bessere Untersuchungsmethode als die Lymphangiographie, z. B. die Lymphszintigraphie, für diese Fragestellung noch nicht zur Anwendung kam.

2 | Allgemeine anatomische GrundlagenD. Berens v. Rautenfeld

Abb. 2.1:Blutgefäßsystem mit Lungenkreislauf (oben) und großem Körperkreislauf (unten). Das Lymphgefäßsystem (grün) ist dem Venensystem links im Bild parallel geschaltet.Beachte, dass die Lymphgefäße blind im Bereich des Netzes der terminalen Blutgefäße im Interstitium beginnen. Die Lymphknoten sind als spindelförmige Verdickungen innerhalb des Lymphdrainageweges dargestellt. Die jeweils von den Lymphknoten zum Venensystem zeigenden Pfeile sollen verdeutlichen, dass eigentlich innerhalb des Lymphknotens ein Flüssigkeitstransfer aus dem Lymphdrainagesystem ins Venensystem erfolgt, sodass nur ein geringer Teil der Lymphe am Ende des Lymphgefäßsystems in das präkardiale Venensystem abfließt. Ein Austritt von Lymphwasser aus dem Lymphdrainagesystem erfolgt auch durch die Lymphgefäßwand (siehe unterster Pfeil in der Abbildung) in das perivaskuläre Bindegewebe (siehe systemeigene Überlaufventilfunktion).

Die für das Verständnis der Manuellen Lymphdrainage (MLD) erforderlichen Grundlagen beschränken sich keineswegs nur auf die Angioarchitektur der Kollektoren, deren glattmuskuläre Wandpumpe durch MLD-Griffe zur Kontraktion angeregt wird. Von besonderem lymphologischem Interesse sind die funktionellen und pathophysiologischen Vernetzungen des Lymphgefäßsystems mit dem Venensystem (Abb. 2.1) und der Haut (siehe Kapitel 2.1), die anatomischen Grundlagen der Lymphbildung, Besonderheiten des Lymphgefäßsystems gegenüber dem Blutgefäßsystem sowie die spezifischen lymphvaskulären Drainageverhältnisse der Lymphknoten.

2.1Funktionelle Vernetzung des Lymphgefäßsystems mit dem Blutkreislauf und der Haut

Der arterielle Schenkel des großen Blutkreislaufs repräsentiert ein Hochdrucksystem, der venöse Schenkel des großen Blutkreislaufs und der Lungenkreislauf ein Niederdrucksystem. Das ebenfalls als Niederdrucksystem arbeitende Lymphgefäßsystem ist dem Venensystem parallel geschaltet. Während die Anfänge des Lymphgefäßsystems nicht an den Blutkreislauf angeschlossen sind, münden die Endabschnitte des Lymphdrainageapparates in die herznahen Venen ein. Das venöse und das lymphvaskuläre Niederdrucksystem bilden eine funktionelle Symbiose gegenüber dem leistungsstärkeren Arteriensystem. Dabei kann das Venensystem als »Hauptventil« und das Lymphgefäßsystem als »Reserveventil« für die Rückführung des Flüssigkeitsstromes zum Herzen aufgefasst werden (Abb. 2.2). Földi bezeichnet die Reserveventilfunktion des Lymphgefäßsystems als »Sicherheitsventilfunktion« (siehe Kapitel 3.4), denn das Lymphgefäßsystem kann sein Lymphzeitvolumen vielfach erhöhen, um das Venensystem funktionell und pathophysiologisch zu entlasten.

Bei Erkrankungen des Venensystems oder des Lymphsystems kann daher das jeweils andere Flüssigkeitssystem mitbetroffen sein.

In den Extremitäten sind nicht nur die oberflächlich gelegenen Lymphgefäße und Venen, sondern auch die Haut funktionell miteinander verknüpft. Im Gegensatz zum Menschen mit seiner außerordentlich weichen (kollagenarmen) Haut (Meyer, 2010) erfüllt die vergleichsweise harte (kollagenreiche) Haut des Pferdes die Aufgabe eines wirksamen natürlichen (körpereigenen) Kompressionsstrumpfes.

Földi (persönliche Mitteilung) postuliert, dass in den Extremitäten des Menschen die Schwäche des oberflächlichen Venensystems (die sog. ambulatorische venöse Hypertension) durch ein vergleichsweise leistungsstarkes Lymphgefäßsystem kompensiert werden muss, um die Rückführung der Lymphe und des venösen Blutes zum Herzen zu gewährleisten. Leider wissen wir im Vergleich zum Menschen über die venöse und lymphvaskuläre Dynamik des Pferdes wenig. Dennoch scheint das Pferd ebenfalls ein schwaches peripheres Venensystem zu besitzen, da sowohl der Mensch als auch das Pferd artspezifisch an Varikosen erkranken können. Im Vergleich zum Menschen besitzt das Pferd eine schwache Lymphgefäßwandpumpe im Hinblick auf eine geringe Anzahl glatter Muskelzellen, sodass es naheliegt, dass der beim Pferd vorhandene dermale Kompressionsstrumpf besonders auch für die Rückführung der interstitiellen Flüssigkeit durch Lymphgefäße als auch Venen aus den Extremitäten verantwortlich ist.

Der natürliche Kompressionsstrumpf der Haut des Pferdes ist besonders an den Extremitäten sowohl für den oberflächlichen venösen als auch lymphvaskulären Flüssigkeitstransport zum Herzen von Bedeutung. Bei großflächigen Erkrankungen der Haut mit fibrotischen und elastolytischen Veränderungen muss mit einer Beeinträchtigung der Lymphflussverhältnisse gerechnet werden.

In der Regel handelt es sich bei den equinen Umfangsvermehrungen der Extremitäten um Lymphödeme: Bei Erkrankungen des rechten Herzens treten Ödeme in der Regel nur am Rumpf und nur selten auch an den Extremitäten auf. Daneben kommen beim Pferd Phlebolymphödeme vor, deren venöse Beteiligung nur klinisch nachzuweisen ist. Das trifft auch für Thrombosen peripherer Venen (z. B. der Beckenvenen) mit Umfangsvermehrungen der Extremitäten zu (siehe dazu Kapitel 10.2.2). Da die Sicherheitsventilfunktion (siehe oben) des Lymphsystems nur kurzfristig die Funktionsschwäche des Venensystems kompensieren kann, erkranken auch sie, sodass sich aus der zunächst rein venösen Umfangsvermehrung ein Phlebolymphödem entwickelt.

Umfangsvermehrungen der Extremitäten, welche auch durch Angiodysplasien (Tumoren des Gefäßendothels) verursacht sein können, kommen bei Pferd und Hund sehr selten vor. Bei diesen angeborenen Missbildungen der Blut- und Lymphgefäße wird eine gutartige (Hämangiome, Lymphangiome) und eine bösartige Verlaufsform (Hämangiosarkome, Lymphangiosarkome) unterschieden (Gehlen und Wohlsein, 2000; Ijzer und van den Ingh, 2000; Wiegand et al., 2008). Typisch für diese zystösen Gefäßveränderungen ist ihr fluktuierender Palpationsbefund, vergleichbar mit Flüssigkeitszubildungen in den Körper- und Gelenkhöhlen. Zur Abklärung von Angioplasien ist ein pathologischer Befund erforderlich.

Abb. 2.2:Funktionelle Symbiose von Venen- und Lymphsystem.

Angiodysplasien sprechen i.d.R. nicht auf eine KPE-Behandlung an.

2.1.1Gliederung und Definition des Lymphgefäßsystems

Das lymphatische System lässt sich in das Abwehrsystem (z. B. Milz, Lymphknoten, Thymus, Tonsillen, Peyersche Platten) und das Lymph(drainage)system unterteilen (Vollmerhaus und Roos, 1996; Budras und Röck, 2009). Die Lymphknoten werden sowohl den Abwehrorganen als auch dem Lymphgefäßsystem zugeordnet. Auch die anderen lymphatischen Einrichtungen sind an das Lymphgefäßsystem angeschlossen, wobei sie jedoch i. d. R. keine afferenten Lymphgefäße besitzen.

Folgende Gefäßabschnitte werden in Lymphflussrichtung unterschieden:

Initiale Lymphgefäße (Vasa lymphatica [ll.] initialia). Als Anfangsabschnitte des Lymphsystems können sie auch als Organlymphgefäße oder Lymphbildungsgefäße bezeichnet werden.

Kollektoren (Vasa ll. collectoria). Die Lymphsammelgefäße drainieren (»sammeln«) die Lymphe der initialen Lymphgefäße.

Lymphknoten (Lymphonodi, Nodi lymphatici, Nodi lymphoidei). Die innerhalb der Lymphknoten gelegenen Lymphgefäße werden als Lymphsinus bezeichnet.

Lymphgefäßstämme (Trunci lymphatici). Die Lymphgefäßstämme bilden die zentralen Abflusswege für die Lymphe in den Körperhöhlen und am Hals. Zum Verständnis der Manuellen Lymphdrainage sind folgende Lymphgefäßstämme von besonderer Bedeutung: Ductus thoracicus (Milchbrustgang), Truncus lymphaticus dexter, Trunci jugulares und Trunci lumbales

Daneben kommen folgende anatomische Definitionen in der Lymphologie zur Anwendung:

Cisterna chyli (Lendenzisterne). Es soll sich um ein in der Bauchhöhle, nahe den Nieren gelegenes, zisternenartig erweitertes Lymphgefäßsegment handeln. Eine Cisterna chyli kann als Gefäßerweiterung nur etwa bei jedem dritten Menschen nachgewiesen werden und müsste hier eigentlich als »Brustzisterne« bezeichnet werden, da sie i. d. R. in Höhe des letzten Brustwirbels aufzufinden ist (Berens v. Rautenfeld und Aurenz, pers. Mitt.). Die Cisterna chyli bildet den Anfangsabschnitt des Ductus thoracicus (Milchbrustgang) und stellt die Sammelstelle der Trunci lumbales (sammeln die afferente Lymphe der Beine und Bauchhöhle) sowie der Trunci coeliacus und intestinalis (sammeln die afferente Lymphe von Leber, Magen, Milz und Darm) dar.

Venenwinkel oder Terminus. Der Begriff »Terminus« ist in der Anatomie nicht bekannt. Er wird ausschließlich in den Kursen der Manuellen Lymphdrainage bei Mensch und Pferd gelehrt. Die Endabschnitte des Lymphsystems (»Terminus«) münden in die vor dem Herzen (präkardial) gelegenen Venen ein (z. B. beim Pferd im Allgemeinen in die Vena jugularis externa). Zu beachten ist, dass die Einmündungsstelle der Lymphgefäßstämme in das Venensystem bei jeder Spezies aber auch individuell variieren kann, weshalb der übergeordnete Begriff (oder Terminus) »Venenwinkel« gerechtfertigt erscheint. Allerdings wird im »Prometheus« (Schünke et al., 2009) postuliert, dass grundsätzlich Winkelbildungen zweier Venen von nahezu 90 ° als »Venenwinkel« zu bezeichnen sind.

Lymphovenöse Anastomosen (LVA). Die in den rechten und linken Venenwinkel einmündenden Lymphgefäßstämme repräsentieren lymphovenöse Anastomosen. Daneben sollen physiologische LVA in anderen Bereichen des Körpers existieren, welche jedoch nicht konstant vorkommen. Unter pathophysiologischen Bedingungen konnten auch periphere LVA mit bildgebenden Verfahren nachgewiesen werden. In der Embryonalentwicklung sollen LVA regelmäßig im Lendenbereich in Höhe der Nieren angelegt sein. Aus therapeutischen Gründen werden LVA chirurgisch beim Menschen angelegt, wobei auch Lymphknotenanschnitte in nahe gelegene Venen vernäht werden.

Abb. 2.3:Rasterelektronenmikroskopischer Gießharzausguss einer blind beginnenden maximal gefüllten Lymphkapillare (rot). Die Lymphkapillare misst im Querschnitt ca. 50 μm. Beachte die terminalen Blutgefäße (gelb) mit geringerem Gefäßkaliber im Vergleich zur Lymphkapillare. Die Blutkapillaren (kleinste Blutgefäße im Bild) messen im Querschnitt maximal 10 μm.

2.1.2Initiale Lymphgefäße

Innerhalb der Ausbildung der Lymphdrainagetherapeuten wird den initialen Lymphgefäßen mitunter zu wenig Beachtung geschenkt, obwohl das intensive Studium dieser Gefäße für die Beantwortung von mindestens zwei Fragen wichtig ist:

1. Warum existiert das Lymphsystem neben dem Blutsystem?

2. Was sind die spezifischen Aufgaben initialer Lymphgefäße im Vergleich zu den terminalen Blutgefäßen?

Daneben sollten sowohl Tierärzte als auch am Tier arbeitende Physiotherapeuten für die Gefahren der offenen Verbindung zwischen dem Bindegewebsraum und den Anfängen des Lymphsystems sensibilisiert werden.

Die initialen Lymphgefäße lassen sich in zwei Abschnitte untergliedern:

1.Lymphkapillaren (Vasa lymphocapillaria)

2.Präkollektoren (Vasa lymphatica precollectoria)

Der Präkollektor ist dem System der Kollektoren vorgeschaltet, wodurch seine Benennung erklärt ist. Fälschlich wird häufig der Begriff des initialen Lymphgefäßes mit dem der Lymphkapillare gleichgesetzt.

Abb. 2.4:Halbschematische Ansicht der luminalen Endotheloberfläche einer Lymphkapillare. Die Endothelzellen besitzen die Form eines Eichenblatts und zeigen zentral gelegene ovale Kerne. Die Öffnungen als Einflussventile zwischen den Endothelzellen überlappen sich.

2.1.2.1Anatomie

Angioarchitektur

Initiale Lymphgefäße bilden unterschiedlich dichte Gefäßnetze in den Organen. Dadurch variiert ihre Lymphbildungsrate stark. Weitgestellte, maximal gefüllte Lymphkapillaren (Abb. 2.3) besitzen Durchmesser von 30–50 μm (Vergleich: Kaliber der Blutkapillaren bis zu 10 μm), während der Querdurchmesser der Präkollektoren etwa 100 μm beträgt. Im Inneren der Beugesehnen des Pferdes hat Helling (2008) offenbar aufgrund der Druckbedingungen mitunter nur lymphkapilläre Kalibergrößen von 10 μm gemessen.

Initiale Lymphgefäße besitzen keine glatten Muskelzellen und einen nur wenig effektiv funktionierenden Klappenbesatz.

Abb. 2.5:Schematische Darstellung einer Lymphkapillare als Rohr im Ohr. Dem Endothelrohr aufliegend sind Basal- und Ankerfilamente in rautenförmiger Anordnung zu erkennen, welche mit einem System von kollagenen Fasern sowohl mit der Epidermis (oben) als auch mit dem elastischen Knorpel des Ohres (unten) in Verbindung stehen.

Öffnungsapparat

Zum Öffnungsapparat zählen spezifische Strukturen der initialen Lymphgefäßwand, welche die Lymphbildung ermöglichen:

interendotheliale Öffnungen (Accessus interendotheliales); gleichbedeutend: klappenförmige endotheliale Überlappungen, Einflussventile, open junctions(Abb. 2.4)

Anker- und Basalfilamente (Fibrae fixationes et basales); gleichbedeutend: subendotheliale Filamente, Aufhängeapparat der initialen Lymphgefäße (Abb. 2.5)

Die interendothelialen Öffnungen gewährleisten den weitgehend unfiltrierten Einstrom von Gewebsflüssigkeit in das initiale Lymphgefäßlumen, da den initialen Lymphgefäßen auch ein mit dem Blutgefäßsystem vergleichbarer Basalmembranfilter fehlt. Die Anker- und Basalfilamente fixieren die initiale Lymphgefäßwand im umliegenden Bindegewebsfasergerüst (Abb. 2.5). Mit steigendem Gewebedruck werden dadurch die initialen Lymphgefäße und die interendothelialen Öffnungen zunehmend weitgestellt, wodurch Gewebsflüssigkeit in das Lymphgefäßlumen eintritt. Die subendothelialen Filamente sind nach Gerli et al. (1990) elastisch organisiert (Abb. 2.6). Somit verfügen die initialen Lymphgefäße über einen elastischen Retraktionsapparat für die Entleerung des initialen Flüssigkeitsvolumens in Richtung der nachgeschalteten Kollektoren.

Abb. 2.6:Die Elastizität der Basalfilamente initialer Lymphgefäße wird nach experimenteller Injektion von Elastase in die Dermis deutlich. Das Enzym hat den Verbund der elastischen Mikrofibrillen vom Endothelüberzug eines initialen Lymphgefäßes gelöst. Der feine Filz (hellgrau) der elastischen Basalfilamente begrenzt den weitgestellten Hohlraum des Gefäßes (Pfeilspitzen) und der davon gelöste Endothelüberzug bildet eine Schleife (Pfeile) im Bild unten.

Interendotheliale Öffnungen sowie Anker- und Basalfilamente bilden die Schlüssellöcher zum Verständnis des Lymphbildungsmechanismus.

2.1.2.2Funktion

Lymphpflichtige Lasten (nach Földi)

Lymphpflichtige Lasten sind Inhaltsstoffe der Lymphbildung, welche vom Lymphgefäßsystem aus dem Bindegewebsraum bewältigt werden (siehe Kapitel 3.2) oder innerhalb der Lymphknoten aus den Blutgefäßen in die Lymphsinus gelangen. Da der Endothelüberzug initialer Lymphgefäße bei starker Vergrößerung bildlich gesehen mit den Öffnungen einer »Gießkannentülle« vergleichbar ist, handelt es sich im Gegensatz zu den kontinuierlichen Wandverhältnissen der Blutkapillare um ein offenes Verbindungssystem zwischen dem Bindegewebsraum und dem initialen Lymphgefäßlumen. Dadurch können kurzfristig größere Mengen von Gewebswasser, jedoch auch größere Molekülverbände und mobile Zellen (Lymphozyten, Langerhans-Zellen, Monozyten, Makrophagen, aber z. B. auch Erythrozyten nach einer Gewebsblutung) die bis zu 5 μm weiten interendothelialen Öffnungen passieren (Abb. 2.7, Abb. 2.8).

Abb. 2.7:Schematische Darstellung der Invasion von Lymphozyten und Makrophagen in ein initiales Lymphgefäß. Die Passage physiologischer Zellen erfolgt durch den Filz der subendothelialen Basalfilamente und über interendotheliale Öffnungen in das initiale Lymphgefäßlumen, während Melanomzellen (Tumorzellen) beim Menschen in der Regel transendothelial in das Lymphgefäßlumen eindringen (hier nicht dargestellt).

Zu den wichtigsten und spezifischen Lasten des Lymphdrainagesystems gehören Plasmaproteine, Hyaluronsäure und Fette (Abb. 2.9).

Die Proteinlast (z. B. Albumine) ist im Rahmen des chronischen Lymphödems sowohl beim Menschen als auch beim Pferd von besonderer Bedeutung, da im Bindegewebe verbleibende Plasmaproteine Fibrosierungen induzieren. Ihre lymphvaskuläre Bewältigung macht neben der Drainage des Gewebswassers eine spezifische Wirkung der Manuellen Lymphdrainage aus. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass physiologisch die Hälfte aller Plasmaproteine aus dem Blutgefäßsystem über den Bindegewebsraum und das Lymphgefäßsystem wieder in das Blutgefäßsystem rezirkuliert.

Ebenso wichtig erscheint der lymphvaskuläre Abtransport von Hyaluronsäure, welche z. B. von Fibroblasten und Myofibroblasten gebildet, im Lymphknoten gebunden und in der Leber abgebaut wird. Etwa ein Drittel der im Gewebe gebildeten Hyaluronsäure wird täglich lymphvaskulär abtransportiert. Hyaluronsäure ist stark wasserbindend (hydrophil), reguliert jedoch auch die Bindung (Adhäsion) und Bewegung (Migration) mobiler Zellen.

Abb. 2.8:Die rasterelektronenmikroskopische Aufnahme zeigt die Passage von mobilen Zellen durch den Filz von Basalfilamenten, wobei der Endothelüberzug des initialen Lymphgefäßes im Vordergrund des Bildes präparatorisch entfernt wurde.

Bisher wenig berücksichtigt ist die Hormonlast des Lymphsystems. So ist z. B. über den lymphvaskulären Abtransport von männlichen Geschlechtshormonen aus dem Hoden wenig bekannt.

Letztlich lassen sich im Lymphplasma wesentliche Inhaltsstoffe des Blutplasmas nachweisen, z. B. Koagulationsfaktoren, wobei beachtenswert erscheint, dass Lymphe im Vergleich zum Blutplasma verzögert koaguliert. In Bezug auf die Abwehrfunktion des Lymphgefäßsystems ist von Bedeutung, dass Zytokine (Interferon, Interleukin) und Immunglobuline auch im Lymphplasma nachweisbar sind. Daneben gelangen über das Lymphgefäßsystem Pathogene (Antigene) und Langerhans-Zellen aus der Haut in die Lymphknoten. Außerdem werden innerhalb der Lymphknoten nahezu 10 % aller zirkulierenden Lymphozyten aus dem Blutsystem in die Lymphsinus verlagert. Bei Anwendung der MLD ist zwar die Anzahl der Lymphozyten in den efferenten Kollektoren der Lymphknoten erhöht, doch bedeutet dies nicht unbedingt, dass die MLD einen positiven Einfluss auf die Immunantwort im Sinne einer Erhöhung der Abwehrkräfte hat (siehe dazu Kapitel 10.2.2).

Abb. 2.9:Intraoperative Darstellung eines Dünndarmabschnittes mit Kollektoren, welche weiße Fettlymphe (Chylus) enthalten und nahe an blutgefüllten Venen am Darm und im Gekröse verlaufen.

2.1.2.3Pathophysiologische Bedeutung des Öffnungsapparates

Unter pathologischen Bedingungen funktionieren die interendothelialen Öffnungen nicht nur als Einflussöffnung in das initiale Lymphgefäßlumen, sondern auch als Ausflussöffnung in Richtung auf das Interstitium (Abb. 2.10). Ursache dafür ist die Transformation der physiologisch klappenförmigen Einflussöffnungen zu porenförmigen Öffnungen. Dadurch werden die Einflussöffnungen zu Ausflussöffnungen für den Übertritt von Lymphe in den Bindegewebsraum. Diese »Ausflussventilfunktion« initialer Lymphgefäße wird von Berens v. Rautenfeld als »systemeigene Überlaufventilfunktion« (SUV) bezeichnet. Die SUV ist nicht nur im Bereich initialer Lymphgefäße, sondern auch in den Kollektoren und Lymphknoten gegeben (siehe Kapitel 3). Sowohl in Kollektoren als auch in Lymphknoten kommt es zu einer ausgeprägten Diffusion von Lymphwasser aus dem Lymphdrainageweg, allerdings nicht über interendotheliale Öffnungen, sondern transendothelial. Das Phänomen der SUV ist bildgebend z. B. durch lymphangiographische und lymphszintigraphische Befunde nachgewiesen worden.

Der Effekt der systemeigenen Überlaufventilfunktion als ödemprotektiver Mechanismus ist eine Antwort des Lymphdrainageweges auf seine zunehmende Überfüllung.

Abb. 2.10:Lymphkapillare in luminaler Ansicht mit einer »Endothelbrücke«, welche links im Bild von einer interendothelialen Überlappung und rechts im Bild von einer »porenförmigen Öffnung« flankiert wird. Beachte, dass die porenförmige Öffnung sowohl als »Einflussöffnung« in das Lymphkapillarlumen als auch als »Ausflussöffnung« aus dem Lymphkapillarlumen funktionieren kann. Die Bildsituation verdeutlicht, dass beide Transformationsformen von Öffnungen nebeneinander in einem Gefäßabschnitt auftreten können.

Porenförmige Öffnungen können neben physiologischen interendothelialen Einflussklappen auch in mäßig weitgestellten initialen Lymphgefäßen, also unter physiologischen Bedingungen, nachgewiesen werden. Die Vorstellung einer sich schließenden Einflussklappe in der Füllungsphase kann daher nicht generell gegeben sein, da sich offenbar einige interendotheliale Öffnungen auch unter normalen interstitiellen Druckbedingungen zu porenförmigen Öffnungen transformieren können (siehe Abb. 2.10).

Über die interendothelialen Öffnungen gelangen u. a. exogene Pigmente (z. B. bei Tätowierungen) und Erythrozyten (bei Blutungen) aus dem Interstitium in das initiale Lymphgefäßlumen (Abb. 2.11, Abb. 2.12). Die Passage von 7 μm großen roten Blutzellen durch den Filz subendothelialer Filamente verdeutlicht, dass die initialen Lymphgefäße keinen eigentlichen Basalmembranfilter besitzen.

Ein regulärer Basalmembranfilter ist im Bereich initialer Lymphgefäße nicht vorhanden, weil z. B. Plasmaproteine aus dem Bindegewebsraum nur über das Lymphsystem in den venösen Schenkel des Blutsystems rezirkulieren können.

Abb. 2.11:Blutbeimengung in Lymphtropfen, welche im Rahmen einer Sektion aus einem Kollektor der Beckengliedmaße ausgetreten sind.

2.1.2.4Manuelle Lymphdrainage (MLD) und Lymphbildung

Die MLD steigert nicht nur die Lymphangiomotorik der Kollektoren und Lymphgefäßstämme, sondern sie forciert auch die Lymphbildung im Bereich der initialen Lymphgefäße der Haut. Allen Varianten der Lymphdrainagegriffe ist eine manuelle Druckphase mit anschließender Entlastungsphase gemein (siehe Kapitel 4).

In der manuellen Druckphase(Tab. 2.1) auf das Gewebe wird das initiale Lymphgefäß komprimiert, die elastischen subendothelialen Filamente (Anker- und Basalfilamente) sind entspannt und die Einflussventile (interendotheliale Öffnungen) verschlossen. Dadurch fließt die Lymphe aus den initialen Lymphgefäßen in Richtung der Kollektoren (Entleerungsphase der initialen Lymphgefäße).

In der anschließenden manuellen Entlastungsphase(Tab. 2.1) dehnt sich das Gewebe aus und die subendothelialen Filamente spannen sich, wodurch sowohl die initialen Lymphgefäße als auch die interendothelialen Öffnungen weitgestellt werden. Dadurch fließt Gewebsflüssigkeit vermehrt in das initiale Lymphgefäßlumen ein (Füllungsphase der initialen Lymphgefäße).

Abb. 2.12:Periphere Lymphe im Messtrichter. Beachte die physiologische Farbe der Lymphe.

2.1.2.5Indirekte (interstitielle) Applikationsmethode

Da die initiale Lymphstrombahn als partiell offenes System angelegt ist, können in den perilymphvaskulären Bindegewebsraum injizierte wasserlösliche Farbstofflösungen (wie Berliner Blau, Patentblau, Tusche; Abb. 2.13) oder wasserlösliche Röntgenkontrastmittel (wie bei der indirekten Lymphangiographie oder Lymphographie) und Radionuklide (wie bei der Isotopenlymphographie) selektiv in das Lymphgefäßsystem gelangen. Auf diesem indirekten Passageweg ließen sich aber auch Medikamente in das Lymphgefäßsystem einbringen (Abb. 2.14).

Die indirekte Applikation in Bindegewebsräume mit dichtem Besatz initialer Lymphgefäße (Dermis, Sehnen, Gelenkkapseln u. a.) wird bisher nicht zur medikamentösen Therapie entzündlicher Lymphgefäßerkrankungen genutzt.

Tabelle 2.1: MLD und Lymphbildung

Lymphdrainagegriff

Initiales Lymphgefäß

Druckphase

Entleerung

Entlastungsphase

Füllung

Abb. 2.13:Bei der indirekten Lymphographie können wasserlösliche Röntgenkontrastmittel (z. B. Iotasul®) in das Interstitium der Haut (unten), aber auch in innere Organe (wie hier am Magen) zur radiologischen Darstellung des Lymphgefäßsystems appliziert werden. Das Röntgenkontrastmittel gelangt aus dem Bindegewebsraum über interendotheliale Öffnungen des Endothelüberzugs in das Lymphkapillarlumen (in Anlehnung an eine Abbildung von Frau Dr. Wenzel-Hora †, Schering AG, Berlin).

Abb. 2.14:Die Abbildung zeigt die indirekte (interstitielle) Füllung einer in der Dermis gelegenen Lymphkapillare über eine Kanüle (Epidermis oben, rot). Die Injektionsflüssigkeit (weiß) gelangt aus dem Interstitium über porenförmige Öffnungen im Endothelüberzug in das Lymphkapillarlumen. Die Kanüle ist im Vergleich zur weitgestellten Lymphkapillare verkleinert dargestellt. Die Kanülenspitze liegt intradermal und nicht subkutan, da die Füllung von initialen Lymphgefäßen im Fettgewebe nicht gelingt.

Bei Anwendung der indirekten Lymphangiographie (siehe dazu Wenzel-Hora et al., 1982, 1985; Gerriets et al., 1992) im Bereich der Extremitäten können bei größeren Spezies (Mensch, Pferd) lediglich die zuführenden Kollektoren der ersten Lymphknotenstationen dargestellt werden, da wasserlösliche Injektionslösungen die Neigung besitzen, aus dem Lymphdrainageweg zu diffundieren. Beim Pferd ist die radiologische Darstellung der tief gelegenen Kollektoren mit Röntgenkontrastmitteln nur bis in Höhe des Knie- bzw. Ellbogengelenkes möglich, während Radionuklide vom Hufsaum der Beckengliedmaße bis zu den iliakalen Lymphknoten verfolgt werden können (siehe unten). Bei kleineren Spezies (Hund, Katze) gelingt die radiologische Kontrastierung des Lymphsystems der Beckengliedmaße dagegen bis zum Venenwinkel (Abb. 2.15).

Beim Pferd sollte man den Begriff »Lymphangiographie« statt »Lymphographie« nutzen, da nur periphere Kollektoren im Bereich der Extremitäten radiologisch kontrastiert werden können.

Die Lymphszintigraphie wurde erstmals von De Cock et al. (2006a) qualitativ und von Gaedke (2007) quantitativ beim Pferd vorgestellt. Mit der qualitativen Methode konnte lediglich die nach proximal in den Kollektoren aufsteigende Aktivitätsspur nachgewiesen werden, während es Gaedke erstmals gelang, den Anteil der interstitiell und subkutan applizierten Radiopharmaka (Radionuklide) in den Lymphknoten mit einer Gammakamera zu quantifizieren. Nur diese Lymphknoten-Uptake-Werte der sogenannten Funktionslymphszintigraphie (FLS) sind für das Verständnis sowohl der Physiologie als auch der Pathophysiologie des Lymphgefäßsystems von Bedeutung.

Abb. 2.15:Lymphangiographie beim juvenilen Foxhound ohne Erkrankung des Lymphgefäßsystems.Beachte die Kniekehllymphknoten, die iliakalen Lymphknoten und die zentralen Lymphgefäßstämme (Trunci lumbales und Ductus thoracicus) in der Becken- und Bauchhöhle.

Deshalb wird ein wenig ausführlicher auf die FLS eingegangen. Einzelbefunde finden sich auch im Text (siehe Stichwortverzeichnis). Methodische Einzelheiten sind in der Dissertation von Gaedke (2007) nachzulesen.

Die FLS ist zeitlich und methodisch aufwendig und relativ teuer, wodurch die Möglichkeit für systematische wissenschaftliche Untersuchungen außerordentlich eingeschränkt ist. Ein weiteres Hindernis für die Durchführung lymphologischer Untersuchungen dürfte das primäre Interesse der Pferdemedizin an Knochenszintigraphien sein, sodass es wohl noch einige Jahre dauern wird, bis die Lymphszintigraphie sowohl klinisch als auch wissenschaftlich systematisch genutzt werden kann.

Die ersten Befunde der FLS beim Pferd sind noch nicht statistisch abgesichert, da Gaedke (2007) zunächst das aufwendige Methodendesign entwickeln musste. Dennoch gibt es einige für die Durchführung der MLD wichtige lymphvaskuläre Hinweise, welche auch die Lymphdrainagetherapeuten wissen sollten:

Beim Pferd wird mit der FLS im Gegensatz zum Menschen nicht das oberflächliche, sondern das tiefe Kollektorensystem der Beckengliedmaße dargestellt.

Nur nach Bewegung können Lymphknoten-Uptake-Werte erfasst werden.

Beim Pferd ergeben sich deutlich höhere Lymphknoten-Uptake-Werte als beim Menschen. Allerdings sind beim Menschen die oberflächlichen und beim Pferd die tiefen Kollektoren bemessen worden und es kamen beim Pferd höhere radioaktive Aktivitäten zum Einsatz.

Die Lymphknoten-Uptake-Werte scheinen von Pferd zu Pferd enorm zu streuen.

Junge Pferde (Altersgruppe 1.–5. Lebensjahr) zeigen einen Trend zu höheren Uptake-Werten und eine bessere Darstellungsqualität von Kollektoren als ältere Pferde.

Hengste, Wallache und Stuten zeigen keine signifikanten geschlechtsspezifischen Lymphknoten-Uptake-Werte.

Die Lymphknoten-Uptake-Werte lymphödematisierter Extremitäten sind deutlich geringer im Vergleich zu gesunden Beinen.

Vergleicht man die diagnostische Bedeutung der radiologischen indirekten Lymphangiographie und der FLS, dann ermöglicht die kostengünstigere radiologische indirekte Lymphangiographie die qualitative Beurteilung peripherer Lymphgefäße z. B. ihr Füllungsverhalten im Bereich des Pferdefußes, während mittels der FLS die Transportkapazität der Lymphgefäße einer Extremität quantifiziert werden kann, um z. B. nachzuweisen, ob ein Bein zu wenige Lymphgefäße (Hypoplasie) im Vergleich zu einer statistisch abgesicherten Mindestanzahl von Lymphgefäßen eines lymphvaskulär unauffälligen Beines aufweist.

Sollte es gelingen, die Funktionslymphszintigraphie (FLS) beim Pferd zu einer praxisreifen Methode weiterzuentwickeln, wäre sie ein besonders wichtiger Schlüssel zum Verständnis der Beteiligung von Lymphgefäßen nicht nur beim Lymphödem, sondern auch bei anderen Erkrankungen des Pferdes (z. B. der Rehe und dem Morbus maculosus; siehe Kapitel 9).

2.1.3Lymphsammelgefäße oder Kollektoren

Der Begriff »Kollektor« fehlt bisher in der veterinär- und humananatomischen Nomenklatur noch kommt er in der klinischen Veterinärmedizin zur Anwendung (Berens v. Rautenfeld et al., 1996; Berens v. Rautenfeld und Schacht, 2002).

2.1.3.1Definition

Kollektoren (Vasa lymphatica collectoria) sind Lymphsammelgefäße, weil sie die Lymphe aus den Lymphbildungsgefäßen (initialen Lymphgefäßen) »sammeln«, aber auch aktiv weiterleiten (Baum, 1920, 1928). Spezifische Strukturmerkmale des Kollektors sind seine Größe von mindestens 150–600 μm und das Vorhandensein glatter Muskelzellen in der Gefäßwand. Grundsätzlich besitzen das Pferd und andere Haussäugetiere (Baum, 1918) zwar größere, dafür jedoch weniger Kollektoren als der Mensch. Man unterscheidet mit Bezug auf die oberflächliche Faszie:

Oberflächlich gelegene oder epifasziale Kollektoren (Vasa collectoria superficialia)

Tief gelegene oder subfasziale Kollektoren (Vasa collectoria profunda)

Innerhalb der Extremität bilden beim Pferd die subfaszialen (tiefen), beim Menschen dagegen die epifaszialen (oberflächlichen) Kollektoren den Hauptdrainageweg.

Auch Gaedke (2007) konnte lymphszintigraphisch die Bedeutung der subfaszialen Kollektoren als Hauptdrainagesystem nachweisen.

Darüber hinaus existieren ebenso innerhalb der Körperhöhlen Kollektoren, welche die Lymphe aus den Organen in die Lymphgefäßstämme drainieren. Diese Kollektoren besitzen i. d. R. keine Eigennamen (Fachtermini). Auch diese Kollektoren (z. B. im Gekröse des Dünndarms) können beim Fohlen erkranken (siehe Kapitel 9.5.6).

2.1.3.2Anatomie

Angioarchitektur

Kollektoren können gestreckt bzw. strangförmig, aber auch netzartig angeordnet sein. Ihre Gefäßkaliber variieren von Pferd zu Pferd.

Das Pferd und auch andere Haussäugetiere besitzen im Allgemeinen wenige und dafür großkalibrige Kollektoren, während beim Menschen zahlreiche, aber kleinkalibrige Kollektoren ausgebildet sind.

Abb. 2.16:Das Lymphgefäßsystem des Menschen. Der rechte vergrößerte Bildausschnitt zeigt das ventromediale Kollektorenbündel um die Vena saphena magna als gefäßreichen Typ (Bein links im Bild) und als gefäßarmen Typ (Bein rechts im Bild). Nach Originalzeichnungen von makroskopischen Präparaten aus der Dissertation von Schacht (2000).