Mach dir Umsatz auf! - Thorsten Jekel - E-Book

Mach dir Umsatz auf! E-Book

Thorsten Jekel

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Beschreibung

Weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit erlebte Coca-Cola Deutschland ab Januar 2003 die größte Herausforderung seiner Geschichte. Was war geschehen? Die Einführung des sogenannten Dosenpfands am 1. Januar 2003 ließ den Umsatz massiv einbrechen – und erwischte das erfolgsverwöhnte Unternehmen eiskalt. Das Dosenpfand betrifft Sie nicht? Mag sein. Aber erinnert es nicht an etwas, das jedes Unternehmen derzeit umtreibt und ein viel gravierenderes Umdenken erfordert? Richtig: die Digitalisierung. Jedes Unternehmen steht aktuell vor der Herausforderung, sich dem Wandel zu stellen, und doch machen viele einfach weiter wie bisher, in der Hoffnung, der Kelch möge an ihnen vorüberziehen. Warum auch nicht? Es läuft für viele ja immer noch prächtig! Coca-Cola Deutschland ging es 2003 auch prächtig. Die Herausforderung kam wie aus dem Nichts. Obwohl die Vorzeichen klar erkennbar gewesen waren. Für jede Branche, für jedes Unternehmen gibt es ein "Dosenpfand": einen Auslöser, der erst offenkundig macht, woran das Unternehmen eigentlich krankt: unflexible Organisationsstrukturen aus dem Industriezeitalter. Was das Topmanagement von Coca-Cola nach schmerzhaften Verlusten verstanden hat ist, dass nur ein radikaler Umbau aller Führungs-, Vertriebssteuerungs- und IT-Prozesse den Turnaround bringen konnte. Es folgten ein beispielloser Umbau der Strukturen und ein radikaler Wandel der Unternehmenskultur. Das Unternehmen ist heute ein Leuchtturm der Digitalisierung. Es ist agil aufgestellt, die Mitarbeiter ziehen an einem Strang und setzen neueste digitale und mobile Technologien effektiv ein. Der Vertrieb wurde um 20 Prozent produktiver. Thorsten Jekel und Hubertus Kuhnt haben den Turnaround bei Coca-Cola entscheidend mitgestaltet. In ihrem Buch zeichnen sie diese Geschichte aus der Insider-Perspektive mit spannenden Storytelling-Elementen nach und halten eine Fülle von Praxistipps für Führungskräfte jeder Branche bereit. Sie zeigen, wie Schnelligkeit und Agilität die Basis für den dauerhaften Erfolg werden können. Exzellenz im Management und in der Kommunikation, Exzellenz im Vertrieb sowie Exzellenz im Einsatz von digitalen Technologien – darum geht es im Buch. Und daran kommt heute niemand vorbei.

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Thorsten Jekel / Hubertus Kuhnt

Mach dir

Umsatz auf!

Digitalisierung, Führung, Umsetzung im Vertrieb

Wie Coca-Cola in Deutschland aus den Erfolgen von gestern die Erfolge von morgen geschaffen hat

Externe Links wurden bis zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches geprüft. Auf etwaige Änderungen zu einem späteren Zeitpunkt hat der Verlag keinen Einfluss. Eine Haftung des Verlages ist daher ausgeschlossen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-935-8

ISBN epub: 978-3-95623-922-9

Lektorat: Dr. Michael Madel, Ruppichteroth

Umschlaggestaltung: Martin Zech, Bremen | www.martinzech.de

Titelfoto: Picsfive / Shutterstock

Autorenfotos: Uwe Schwesig (Thorsten Jekel), Timo Bühring

Satz und Layout: Das Herstellungsbüro, Hamburg | www.buch-herstellungsbuero.de

Copyright © 2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2020 erschienenen Buchtitel »Mach dir Umsatz auf!

Digitalisierung, Führung, Umsetzung im Vertrieb« von Thorsten Jekel und Hubertus Kuhnt, ©2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

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Inhalt

Geleitwort

Vorwort

Kapitel 1

Life tastes good: Als die Welt noch in Ordnung war

Kapitel 2

Den Turnaround bewältigen

Kapitel 3

Make it real: Eine neue Struktur schaffen

Kapitel 4

You can’t beat the feeling: Eine neue Kultur schaffen

Kapitel 5

Coca-Cola is it: Agil und schnell werden

Kapitel 6

Open Happiness: Neue Möglichkeiten mit neuen Technologien

Kapitel 7

The Coke side of life: Auf zu neuen Abenteuern

Literaturverzeichnis

Die Autoren

Geleitwort

Wir leben in einer Welt, welche zunehmend schnelllebiger, komplexer und intransparenter wird. Dies ist keine neue Erkenntnis. Marktbedingungen und Konsumentenverhalten unterliegen einem permanenten Wandel, und Unternehmen müssen sich schneller als bisher darauf einstellen. Dabei ist »Wandel und Veränderung« kein Phänomen der Gegenwart. Es ist vielmehr ein Dauerzustand der letzten Jahrzehnte. Der Unterschied zur Vergangenheit ist jedoch die noch nie dagewesene Dynamik und deren Ausmaß.

Warum gelingt es nun einigen Unternehmen besser als anderen, sich verändernden Marktbedingungen immer wieder anzupassen, sich neu zu erfinden und sich über lange Zeit als Marktführer zu behaupten? Wie schaffen es einige Firmen, über Jahrhunderte erfolgreich zu sein, andere dahingegen überleben kein Jahrzehnt?

Richtige Innovationen aus Kundensicht, passendes Marketing, eine schlanke Produktion oder Dienstleistungen entlang des Produktlebenszyklus sind bekannte Erfolgsfaktoren und stellen das Handwerkszeug eines jeden erfolgreichen Unternehmens dar. Doch diese Erfolgsfaktoren sind erst dann nachhaltig wirksam, wenn sie auf dem richtigen Fundament bauen, auf der richtigen Grundhaltung. Mit solch einer besonderen Grundhaltung bin ich schon früh in Berührung gekommen:

Mein Großvater, Karl Winterhalter, besaß ein Haus am See, in dem ich als kleiner Junge viele Wochenenden verbracht habe. Zu dieser Zeit war es das Größte für mich, zusammen mit meinem Großvater am Seeufer ein Lagerfeuer zu machen. Mit Schubkarre und Mistgabel sind wir an den Strand gegangen und haben Treibholz gesammelt. Dieses haben wir zu einem Turm aufgeschichtet, und ich durfte es mit einer alten Zeitung anzünden. Auf alten Baumstämmen sitzend, haben wir dann in das Feuer geschaut. Während die Wellen an den Strand schlugen und das Feuer knisternd abbrannte, erzählte er mir Geschichten aus seinem Leben. Er berichtete mir von seiner Ausbildung zum Uhrmacher in Furtwangen, von seinem Studium zum Elektroingenieur und seiner späteren Arbeit.

Durch den Kontakt eines Studienkollegen verschlug es meinen Großvater zu Dornier Flugzeugbau an den Bodensee, wo er schon bald die gesamte Elektroabteilung leitete. Er fühlte sich dort sehr wohl und meldete sogar den Vorläufer des heutigen Kabelbinders im Namen von Dornier zum Patent an. Hierdurch konnte die Montagezeit drastisch reduziert werden.

Durch das Bombardement der Briten 1944 auf die Stadt Friedrichshafen änderte sich alles schlagartig. Sein Arbeitgeber und die gesamte Stadt Friedrichshafen wurden in Schutt und Asche gelegt. Eine Bombe verfehlte das Wohnhaus seiner Familie nur knapp. Für den erfolgreichen Elektroingenieur ging es über Nacht um das wirtschaftliche Überleben. Aus purer Not heraus gründete er ein Unternehmen, um seine vierköpfige Familie zu ernähren. Dieses Unternehmen hat sich seitdem permanent weiterentwickelt und sich immer wieder infrage gestellt. Daraus ist die Winterhalter Gastronom GmbH entstanden. Diese ist seit Jahrzehnten Marktführer in ihrer Nische und gehört laut Prof. Hermann Simon zu den »Hidden Champions«.

Ich werde nie vergessen, wie ich ihn mit sechs oder sieben Jahren auf dem Baumstamm sitzend gefragt habe: »Sag mal, wie hast du das gemacht: Aus dem Nichts ein Unternehmen zu gründen und so lange erfolgreich zu sein?« Ich fand es faszinierend. Meine Großeltern mussten sich in den ersten Jahren entscheiden zwischen einem vernünftigen Sonntagsbraten und dem Kauf von Material, um die Produktion weiter aufrechtzuerhalten.

Mit funkelnden Augen erwiderte er: »Es ist ganz einfach. Mit allem, was man tut, ist es so wie mit dem Feuer heute Abend: Man muss am Anfang viel Energie aufwenden, Holz sammeln, die Holzstücke richtig aufeinanderstapeln. Dann braucht es Energie, um das Feuer zu entfachen, und wenn es brennt, darf man sich kurz freuen. Man muss allerdings gleich überlegen, was zu tun ist, damit es in einer Stunde auch noch brennt. Man muss also rechtzeitig das richtige Holz zum richtigen Zeitpunkt nachlegen, um das Feuer am Brennen zu halten.

In einer Firma ist es genauso. Wenn du heute Erfolg hast, hast du in der Vergangenheit die richtigen Entscheidungen getroffen. Aber du musst heute schon die nächsten Schritte und Entscheidungen überlegen, um auch morgen Erfolg zu haben. Mit anderen Worten: Der Erfolg von heute ist das Ergebnis der richtigen Entscheidungen von gestern. Die entscheidende Frage ist: Welche Entscheidung muss ich heute treffen, um in der Zukunft erfolgreich zu sein?«

Dies war für mich absolut logisch, obwohl ich die Analogie erst viele Jahre später richtig verstanden habe. Diese hat sich so in mein Gehirn eingebrannt, dass sie mich jeden Tag begleitet.

Nun ist dieses Beispiel so einleuchtend wie trivial und sollte fest in jeder Unternehmens-DNA verankert sein.

In der Praxis ist dies jedoch oftmals nicht der Fall. Anders ist es nicht zu erklären, dass langanhaltender Erfolg diesen Grundsatz immer in den Hintergrund zu rücken scheint, vor allem dann, wenn technische oder gesellschaftliche Veränderungen Einzug halten.

Nehmen wir das Beispiel des Stangeneis. In den 1930er-Jahren hat mein Großvater geholfen, für eine Brauerei in Endingen am Kaiserstuhl Stangeneis an die umliegende Gastronomie zu liefern. Die Stangeneisproduktion lief industriell ab, war effizient und das Logistikkonzept dahinter war ausgeklügelt. Es war ein erfolgreiches Geschäftsmodell, mit dem man sehr gutes Geld verdiente – bis zu dem Zeitpunkt, als der Kühlschrank massentauglich und das Stangeneis obsolet wurde.

Doch welcher Stangeneishersteller ist zum Kühlschrankproduzenten geworden?

Welcher Kerzenhersteller ist Glühbirnenproduzent geworden?

In beiden Beispielen hat man es aus einer Position der Stärke nicht geschafft, sich zu transformieren und auf die Veränderungen im Markt- und Kundenverhalten im richtigen Maße zu reagieren. Erfolg macht satt und müde. Man befindet sich in der Erfolgsfalle.

Blickt man in die Gegenwart, so ist diese Fähigkeit, sich immer wieder neu anzupassen, wichtiger denn je. Viele Unternehmen sind nach zehn Jahren Hochkonjunktur verwöhnt vom laufenden Erfolg. Sie sind genauso satt und müde geworden wie die Stangeneis- und Kerzenhersteller. Dazu kommt noch, dass sie die Folgen der Digitalisierung nur unzureichend verstehen. Durch neue Technologien, Geschäftsmodelle und Plattform-Ökonomie werden traditionelle Industrien in einem noch nie gekannten Ausmaß verändert. So besitzt Airbnb mehr Bettenkapazität als die größte Hotelkette der Welt – ohne eine einzige Immobilie zu besitzen. Uber ist das größte Taxiunternehmen geworden, ohne ein einziges Fahrzeug zu besitzen. Eine Entwicklung, die vor zehn Jahren nie jemand vorausgeahnt hätte.

Noch nie war es wichtiger, sich an verändernde Umweltbedingungen schnellstens anzupassen und nicht in die Erfolgsfalle zu tappen oder dort zu verharren.

Auch Coca-Cola schwamm auf einer sehr langen Erfolgswelle. Dies änderte sich im Jahr 2003 radikal. Es folgte ein beispielloser Turnaround des gesamten Unternehmens und der Unternehmenskultur. Ein wahrer Kraftakt, der Coca-Cola aus einer existenzbedrohenden Schieflage zu einem leuchtenden Beispiel der Digitalisierung in der Branche geführt hat.

Die Autoren Thorsten Jekel und Hubertus Kuhnt haben beide zum Erfolg dieser Transformation beigetragen und schildern dies in anschaulicher Art und Weise. Dabei bleibt es nicht bei theoretischen Analysen. Sie erläutern Konzepte und Werkzeuge, welche praxiserprobt sind und somit einen echten Mehrwert für jeden Unternehmer und für jede Führungskraft bieten. Die aufgeführten Konzepte kann jeder für sich im betrieblichen Alltag sofort nutzen und umsetzen. Ein Buch aus der Praxis für die Praxis.

Lassen Sie sich von diesem Buch inspirieren, damit auch Sie zur rechten Zeit Holz nachlegen können, um Ihr Feuer langfristig am Brennen zu halten.

Herzlichst

Ihr Ralph Winterhalter

Vorwort

Weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit erlebte Coca-Cola Deutschland ab Januar 2003 die größte Herausforderung seiner Geschichte – und münzte sie bis 2015 in einen geradezu sensationellen Erfolg um: Das Unternehmen wandelte sich von Grund auf und ist heute ein Leuchtturm der Digitalisierung. Es ist agil aufgestellt, die Mitarbeiter ziehen an einem Strang und setzen neueste digitale und mobile Technologien effektiv ein. Der Vertrieb wurde um 20 Prozent produktiver.

Was war geschehen? Die Einführung des Einwegpfands Anfang 2003 in Deutschland ließ den Umsatz massiv einbrechen – und erwischte das erfolgsverwöhnte Unternehmen kalt. Zunächst wurde versucht, die Verluste mit herkömmlichen Mitteln zu kompensieren. Doch nach einigen Jahren merkte das Topmanagement, dass nur ein radikaler Umbau aller Führungs-, Vertriebssteuerungs- und IT-Prozesse den Turnaround bringen könnte.

Es folgten ein beispielloser Umbau der Strukturen und ein radikaler Wandel der Unternehmenskultur. Diesen Turnaround haben wir in unterschiedlichen Rollen mitgestaltet. In diesem Buch erzählen wir Ihnen die Geschichten hinter dem Veränderungsprozess und geben Ihnen eine Fülle von Praxistipps. Sie richten sich an Führungskräfte jeder Branche – denn Schnelligkeit und Agilität sind die Basis für den dauerhaften Erfolg in jedem Unternehmen. Es geht um Exzellenz im Management und in der Kommunikation, um Exzellenz im Vertrieb sowie um Exzellenz im Einsatz von digitalen Technologien.

Aus Gründen der Lesbarkeit haben wir uns entschieden, die genauen Unternehmensbezeichnungen der unterschiedlichen Coca-Cola-Organisationen vereinfacht darzustellen. Wann immer wir von »Coca-Cola« oder »den deutschen Coca-Cola-Unternehmen« schreiben, verbergen sich dahinter eine oder mehrere der folgenden Gesellschaften:

• The Coca-Cola Company (TCCC): Markeninhaber, Rechteinhaber, Franchisegeber

• Coca-Cola GmbH (CC GmbH): 100-prozentige Tochter der TCCC, für Marken, Rechte und Franchise in Deutschland verantwortlich

• Coca-Cola Deutschland Verkauf (CCDV): Key-Account-Organisation zu Zeiten des Konzessionärswesens mit dem Auftrag, nationale Kunden zu betreuen

• CCEAG: Coca-Cola Erfrischungsgetränke Aktiengesellschaft (Konzessionär mit dem Recht, Marken der CC GmbH in Deutschland zu produzieren und zu vertreiben)

• CCEP: Coca-Cola European Partners Deutschland GmbH (Konzessionär in Deutschland ab 2016, Nachfolger der CCEAG und Teil der Coca-Cola European Partners, London)

Übrigens: In unserem Buch werden wir die Geschehnisse immer wieder aus der Sicht von Coca-Cola erzählen, auch weil wir daran beteiligt waren. Andererseits verbirgt sich hinter dem Pronomen »wir« hin und wieder das Autoren-Duo Jekel / Kuhnt. Wir sind sicher, Sie werden die richtige Zuordnung vornehmen! Und ganz am Schluss wartet diesbezüglich auch noch eine Überraschung auf Sie.

Wir wünschen Ihnen viel Freude und wertvolle Erkenntnisse bei der Lektüre!

Ihr Thorsten Jekel und Ihr Hubertus Kuhnt

PS: Aktualisierungen und Bonusmaterial zum Buch finden Sie auf https://www.fuer-die-umsetzung.de.

Sie erhalten dort auch den Zugriff auf weitere Videos zum Buch.

Kapitel 1

Life tastes good: Als die Welt noch in Ordnung war

Die gute alte Zeit. Für Tom, Verkaufsfahrer für Getränke bei der Fichthoff & Co. KG im münsterländischen Greventrop, sah sie so aus: Unter der Woche stand er morgens um sechs Uhr auf. Nach dem Rasieren rauchte er eine erste Zigarette auf dem Balkon, verließ dann das Haus und schwang sich in seinen roten Golf I GTI – das war der mit dem Golfball als Schaltknauf –, um über schnurgerade Landstraßen zur Arbeit zu fahren. Dort kam er meist gegen sieben Uhr an und parkte sein Auto auf dem Mitarbeiterparkplatz vor dem roten Backsteinbau mit weißen Fenstern.

Fichthoff war ein Familienunternehmen. Schon seit mehreren Generationen gehörte es einer alteingesessenen westfälischen Familie. Jede Generation hatte mindestens einen neuen Geschäftszweig hinzugefügt, und so bestand die Firma mittlerweile aus den unterschiedlichsten Handels- und Handwerksbetrieben. Auch ein Getränkevertrieb gehörte dazu: Die Familie Fichthoff war stolzer Coca-Cola-Konzessionär. Für diesen Getränkevertrieb arbeitete Tom. Wenn er morgens auf den Hof gefahren kam, standen in der Regel schon zehn bis 15 Lkw bereit. Es waren 20 Jahre alte MAN-Tieflader, deren Motorsound in Richtung Schiffsdiesel ging. Die Lastwagen hatten bereits Dutzende Paletten voller Coca-Cola, Fanta, Sprite und anderer Getränke an Bord. Die Verkaufsfahrer kannten sich alle untereinander gut und standen immer noch zehn Minuten zusammen und unterhielten sich, bevor sie mit ihren Lkw vom Hof rollten.

Sobald Tom auf seinem Fahrersitz Platz genommen hatte, fühlte er sich zu Hause. Als Erstes schaute er immer auf die Liste, die Sylvie – Mitarbeiterin aus dem Verkaufsbüro – für ihn in seinen Lkw gelegt hatte. Darauf standen die Kunden, die er am jeweiligen Tag anfahren sollte. Dann wusste er genau: »Ah, heute ist der ›Goldene Ochse‹ in Steinfurt dran – da habe ich die Kellerschlüssel, damit ich die Kisten direkt runterbringen kann. Und anschließend warten im ›Grünen Baum‹ in Horstmar wie immer belegte Brötchen und Kaffee auf mich – denn der Wirt dort freut sich, dass er mit mir einen kleinen Schwatz halten kann, sobald ich die bestellten Getränke abgeladen habe.« Zu Toms Arbeitsausstattung gehörte ein Schlüsselbund mit ungefähr 40 Schlüsseln. So kam er jederzeit in die Keller und Lagerräume seiner Kunden, auch wenn diese einmal nicht da sein sollten.

Zehn bis 15 Kunden besuchte Tom so jeden Tag. Alle kannte er persönlich. Mit jedem einzelnen Gaststättenbetreiber plauderte er, fragte, wie es ging, erfuhr, wie die Geschäfte so liefen und wo der Schuh drückte. Er liebte seine Arbeit. Es war das Jahr 1991. Lkw mit Servolenkung waren noch Luxus. Tom musste sich also beim Lenken richtig ins Zeug legen. Klimaanlage? Die Laster hatten Seitenfenster mit serienmäßiger Kurbel zum Herunterdrehen. Der guten Laune tat das keinen Abbruch. Im Autoradio liefen »It must have been love« von Roxette und »Wind of Change« von den Scorpions. Tom konnte fast alle Songs mitsingen, die von früh bis spät auf WDR 2 liefen.

Wenn Tom nachmittags mit seinem leeren Lkw wieder auf den Hof in Greventrop fuhr und ein Kunde anrief, dass er dringend noch zwei Paletten Coca-Cola bräuchte, dann kletterte er noch mal auf den Fahrersitz und lieferte die beiden Paletten aus. Für seine Kunden tat Tom alles. Und für seine Kollegen auch.

Die Verkaufsfahrer waren ein eingeschworener Haufen, die sich zu Beginn und am Ende ihrer Touren austauschten. Jeden Freitag nach Feierabend, als Auftakt zum Wochenende, setzten sie sich noch im Fahrerraum zusammen und ließen die Woche Revue passieren. Dass die Cola, die sie dann tranken, den einen oder anderen Schuss Hochprozentiges enthielt, gehörte einfach dazu. Die Stimmung war immer gut – aber nicht nur wegen des Alkohols. Die Männer arbeiteten zum Teil schon sehr lange für die Firma Fichthoff, kannten ihre Stärken und kleinen Schwächen, wussten, wer am Wochenende Schalke die Daumen drückte und wer Gladbach oder den Bayern. Manchmal unternahmen sie auch privat Dinge gemeinsam.

Tom fühlte sich wohl in dieser Runde – obwohl er erst seit einem knappen Jahr dabei war. Die anderen hatten ihn sofort kollegial, ja geradezu freundschaftlich aufgenommen und ihm erzählt, wie die Kundschaft so tickte. Er verdiente zwar nicht die Welt, aber das war ihm egal. Er wurde nach gelieferten Einheiten und zurückgebrachtem Leergut bezahlt. Das hieß: Wenn er richtig ranklotzte und sich beeilte, kam mehr rüber. Wenn er sich dagegen mit einem Kunden intensiver unterhielt, brauchte er vielleicht etwas länger, um auf seine Kohle zu kommen – aber der gute Draht zu seinen Kunden war ihm wichtig. Denn er fand, dass dies dem Unternehmen viel mehr nützte, als immer so genau auf die Zeit zu achten.

Außerdem ging es der Firma doch gut! Das merkten sie an allen Ecken und Enden. Fichthoff war in vielerlei Hinsicht großzügig: Keiner schaute auf die Uhr oder drängelte, wenn die Fahrer morgens mal länger als zehn Minuten zusammenstanden. In allen Lkw gab es eine Kühlbox mit Getränken für die Fahrer. Und bei den Weihnachtsfeiern ließen sie es so richtig krachen. Das hatte auch mit dem Mauerfall und mit der Aufbruchsstimmung zu tun, die seither herrschte. Aufbruchsstimmung? Im tiefen Westen? Okay, vielleicht ist »Goldgräberstimmung« der noch passendere Begriff. Jedenfalls waren die Umsätze mit Coca-Cola-Produkten in die Höhe geschnellt, als es auf einen Schlag 16 Millionen neue Konsumenten gab. Dieser Boost war auch noch im äußersten Westen zu spüren.

Tom konnte sich noch genau an die Bilder im Fernsehen erinnern: erst anstehen für das Begrüßungsgeld, dann ran an den Speck: Westprodukte satt! Toms Kollegen, die live dabei gewesen waren, erzählten bei ihren Freitagszusammenkünften immer noch mit leuchtenden Augen davon, wie der Verkaufsleiter Berlin am 9. November 1989 alle seine Verkäufer versammelt hatte und sie einen Tray Coca-Cola nach dem anderen über die Mauer geworfen hatten. 60 000 Trays an einem Tag! Und in einem Tray waren 24 Dosen! Die Nachfrage nach Coca-Cola war immens. Die rote Cola-Dose war einmal mehr zu einem Symbol der Freiheit und des westlichen Lebensstils geworden.

Als die Wiedervereinigung dann am 3. Oktober 1990 da war, hatten die Coca-Cola-Manager am deutschen Hauptsitz in Essen längst beschlossen, in den neuen Bundesländern große Produktionsbetriebe zu errichten. Das Management wollte Coca-Cola in ganz neuen Verkaufseinheiten unter die Menschen dort bringen: in 1,5-Liter-Mehrwegflaschen. Es wurde ein Riesenerfolg. Der sich nicht nur in Zahlen niederschlug, sondern auch in der Stimmung im Unternehmen. So fühlten sie sich selbst in ihrem kleinen Betrieb in Greventrop als ein Teil einer großen und unverschämt erfolgreichen Familie. Sie waren eine kleine Zelle, die zusammen mit vielen anderen kleinen Zellen ein großes, glückliches Ganzes bildete.

Was machte es da schon, dass vieles von dem, was sie taten, weder effizient noch effektiv war? Klar, die Gespräche mit den Kunden kosteten viel Zeit! Dass sie jede Bestellung dreimal anfassen mussten, allerdings auch – wenn die Verkäufer die Bestellung beim Kunden aufnahmen, wenn sie sie in ihre Papierlisten übertrugen, wenn das Verkaufsbüro sie abwickelte. Aber sie waren für ihre Kunden da, und sie waren füreinander da. Und Coca-Cola war ein Unternehmen, das ihnen und sich selbst Zeit ließ. Zeit auch, um Produkte reifen zu lassen. So war knapp zehn Jahre zuvor beispielsweise die Coke light mit Süßstoff auf den Markt gekommen. 1982 war das gewesen. Coca-Cola hatte damit auf den Trend der Achtzigerjahre zu kalorienreduzierten Light-Produkten reagiert. Im Werbefernsehen hüpften damals gertenschlanke junge Frauen durchs Bild und trällerten: »Ich will so bleiben, wie ich bin.« Da schien es auch Zeit für eine Coke in einer annähernd kalorienfreien Variante.

Am Anfang hatten sie Coke light lediglich flaschenweise verkauft. Jedes andere Unternehmen hätte wohl nach einem oder zwei Jahren aufgegeben. Das Coca-Cola-Management war jedoch davon überzeugt gewesen, dass die Coke light ein wegweisendes und erfolgreiches Produkt sein würde, und hatte deshalb nicht lockergelassen. Und jetzt, knapp zehn Jahre später, zeichnete es sich endlich ab, dass die Manager mit dieser Einschätzung richtig gelegen hatten. Mittlerweile bestellte sogar der Wirt vom »Grünen Baum« in Horstmar regelmäßig drei Kisten Coke light. Coca-Cola zeigte so allen, worauf es wirklich ankam: Durchhaltevermögen und einen langen Atem. Auch finanziell. Tom war rundum zufrieden mit seinem Arbeitsplatz und hoffte, dass er noch viele Jahre bei der Firma Fichthoff arbeiten konnte. Niemals wäre er auf die Idee gekommen, sich bei einem anderen Unternehmen zu bewerben, nur weil er dort vielleicht ein bisschen mehr Geld verdient hätte.

Die Erfindung von Coca-Cola

Plauderzeit mit Kunden und Kollegen, Prozesse mit der Effizienz einer löchrigen Gießkanne, Arbeitsabläufe wie in Beton gegossen – wie kam es eigentlich, dass ein amerikanischer Großkonzern eine derartige Gemütlichkeit bei seinen deutschen Konzessionären zuließ? Die Antwort auf diese Frage findet sich nach einem tiefen Blick in die Geschichte von Coca-Cola.

Der Erfindung des Produkts geht eine skurrile Geschichte voraus, die auch tragische Züge trägt. Protagonist dieser Geschichte: der amerikanische Apotheker John Stith Pemberton aus Knoxville in Georgia. Schon kurz nach seiner Ausbildung begann er damit, gezielt Markenprodukte zu entwickeln. Er erfand Erzeugnisse mit Namen wie Eureka Oil, Dr. Stanford’s Great Invigorator oder Southern Cordial. Dann nahm er als Oberstleutnant am Amerikanischen Bürgerkrieg teil und kam schwerverletzt zurück. Später zog er mit seiner Frau und seinem Sohn nach Atlanta. Aufgrund der Schmerzen durch seine Verletzungen wurde er morphiumsüchtig und begann, sich mit der Wirkung der Coca-Pflanze zu beschäftigen – denn er war davon überzeugt, dass das Kokain ihm helfen würde, seine Morphiumsucht zu überwinden. Kokain galt damals nicht als gefährliche Droge.

Pemberton experimentierte lange an seiner Coca-Cola-Formel, bis er im Mai 1886 zu einem zufriedenstellenden Ergebnis kam. Anfangs bewarb er Coca-Cola als Medizin. Als Sirup eingenommen, sollte es Müdigkeit, Kopfschmerzen, Depressionen und sogar Impotenz kurieren. Dass es das Potenzial zu einem erfrischenden Modegetränk hatte – indem der Sirup mit Sodawasser gemixt wurde –, zeigte sich in den vielen Soda-Bars, die es damals gab. Dort trafen sich gut situierte Menschen, um ihre Freizeit zu verbringen. Und in diesen Soda-Bars begann der Aufstieg von Coca-Cola zu einer weltweit beliebten Getränkemarke.

Am 6. Juni 1887 ließ sich Pemberton das Getränk patentieren – damit ist er der Erfinder von Coca-Cola. Nur zwei Tage später verkaufte er zwei Drittel der Rechte an den Apothekengroßhändler Asa Griggs Candler – für 2300 Dollar. Pemberton brauchte das Geld für seine Sucht. Ein Drittel der Rechte behielt er, um seinem Sohn ein Erbe zu hinterlassen, denn er wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Ein gutes Jahr später starb John Stith Pemberton an Magenkrebs. Sein Sohn Charley verkaufte dann das letzte Drittel der Rechte ebenfalls an Asa Criggs Candler – und starb sechs Jahre nach seinem Vater an einer Überdosis Roh-Opium.

Asa Criggs Candler gründete 1892 The Coca-Cola Company, ließ Coca-Cola als Marke schützen und startete mit der Vermarktung in den USA. Wenn die Soda-Bars den Beginn der Vermarktung markiert hatten, so wurde das Getränk erst dann richtig erfolgreich, als The Coca-Cola Company damit begann, die Brause in Flaschen für den Hausgebrauch abzufüllen und ab 1896 auch im benachbarten Ausland zu vermarkten. Der Hauptsitz des Unternehmens blieb in Atlanta. Zusätzlich entstanden Zweigstellen in Los Angeles, Chicago, Philadelphia, New York und Dallas. Firmenchef Candler setzte sich früh ein Denkmal, indem er 1904 das Candler Building als Firmensitz errichten ließ – ein 17-stöckiges Hochhaus, das damals alle Gebäude der Stadt Atlanta überragte. 1917 ließ sich Candler zum Bürgermeister von Atlanta wählen und gab die Geschäftsführung von Coca-Cola an seinen Sohn Howard ab. Außerdem vermachte er unterschiedlichen Familienmitgliedern 90 Prozent der stimmberechtigten Aktien. Bereits zwei Jahre später verkaufte Howard Candler die The Coca-Cola Company für 25 Millionen Dollar an ein Konsortium um Ernest Woodruff und Eugene Stetson – ohne das Wissen seines Vaters.

At arm’s length

Schon damals war die Organisation so aufgebaut, dass die The Coca-Cola Company ihr Geschäft lediglich mit dem Verkauf des Sirups machte. Sie vergab Konzessionen an die Stammabfüller, in deren Produktionsbetrieben der Sirup mit Soda auf- und dann in Flaschen abgefüllt wurde. Die neuen Eigentümer der The Coca-Cola Company wollten die Verträge mit den Stammabfüllern zunächst kündigen, da diese dazu übergegangen waren, das Abfüllen der Brause an die »Abfüller der ersten Stufe« zu delegieren und damit Geld zu verdienen. Das war der Geschäftsführung ein Dorn im Auge. Vor Gericht erging jedoch das Urteil, dass die Verträge mit den Stammabfüllern rechtsgültig und außerdem unbefristet seien. Die The Coca-Cola Company ging daraufhin einen anderen Weg: Ab den 1930er-Jahren begann sie, die Anlagen der Stammabfüller nach und nach aufzukaufen. Ziel war es, eine unübersichtliche und komplexe Struktur aus Sub-Sub-Subunternehmen zu verhindern.

Das generelle Vorgehen jedoch – Konzessionen für die Abfüllung von Coca-Cola zu vergeben – sollte zu einem festen Prinzip des Unternehmens werden, das viele Jahrzehnte auch in Deutschland galt und in den USA noch bis heute gilt. Das Konzessionärssystem diente damals wie heute einem großen Ziel: Coca-Cola weltweit zu einer führenden Getränkemarke zu machen, und Coca-Cola damit zu einem Lifestyle-Produkt, das nie weiter als eine Armeslänge von den Menschen entfernt sein würde. »Coca-Cola soll für jedermann auf der ganzen Welt und zu jeder Zeit einheitlich in Qualität, Geschmack und Verpackung auf Armeslänge verfügbar sein« – so fasste Robert W. Woodruff es in Worte. Er war der Sohn von Ernest Woodruff und seit 1923 neuer Präsident der The Coca-Cola Company. 1926 gründete er das Foreign Sales Department, das später The Coca-Cola Export Corporation hieß.

Im Zuge der darauf einsetzenden Expansion kam Coca-Cola auch nach Deutschland – und zwar 1929 nach Essen. Dort wurde die Brause in der »Essener Vertriebsgesellschaft für Naturgetränke« abgefüllt – dieses Unternehmen war der erste Konzessionär auf deutschem Boden. Mit einer halbautomatischen Füllmaschine konnten damals 35 Kisten Coca-Cola pro Stunde abgefüllt werden. (Heute sind es übrigens 3000 Kisten pro Stunde, die von den modernen Abfüllanlagen gestemmt werden können.) 5840 Kisten Coca-Cola wurden im ersten Jahr verkauft – kein berauschendes Ergebnis. Die Deutschen waren skeptisch gegenüber dem amerikanischen Getränk – dabei waren es zu diesem Zeitpunkt schon 43 Millionen Menschen weltweit, die begeistert Coca-Cola tranken. Doch das Unternehmen schaffte es, schon im Herbst 1929 Verträge mit weiteren Konzessionären abzuschließen. Es waren überwiegend Getränkegroßhändler aus Essen, die Coca-Cola in ihre Produktpalette aufnahmen. Sie setzten alles daran, Coca-Cola auch in Deutschland erfolgreich zu machen. 1930 wurde die neu gegründete Coca-Cola GmbH die Nachfolgerin der Essener Vertriebsgesellschaft für Naturgetränke.

1933 gab es einen wichtigen Meilenstein in der deutschen Geschichte des Unternehmens: Max Keith kam als neuer Mitarbeiter zur Coca-Cola GmbH und stieg bald zum Chef auf. Er prägte mehr als drei Jahrzehnte der Unternehmensgeschichte. Schon zehn Jahre nach der ersten Abfüllung von Coca-Cola in Deutschland gab es bereits 50 Konzessionäre, die jährlich 4,5 Millionen Kisten Coca-Cola produzierten. Ausgeliefert wurden die Kisten jetzt nicht mehr mit Handkarren oder Fahrrädern, sondern mit Lieferwagen. Diese waren zwar noch nicht rot lackiert und durch und durch »gebrandet«, doch immerhin trugen sie große Schilder mit dem Logo von Coca-Cola und dem damaligen Werbespruch: »Köstlich. Erfrischend.«

Dann kam der Krieg – und mit ihm ein Produktionsstopp in Deutschland. Mitarbeiter wurden eingezogen, Firmenanlagen bei Bombenangriffen zerstört. Die Rohstoffe, die für die Produktion benötigt wurden, waren nicht mehr verfügbar. Zudem wurde die Einfuhr des Coca-Cola-Sirups verboten – Hitlerdeutschland und Mussolinis Italien hatten den USA am 11. Dezember 1941 den Krieg erklärt. Max Keith musste etwas tun, wenn die Coca-Cola-Organisation in Deutschland nicht untergehen sollte. Er sprach mit seinem Chef-Chemiker Dr. Schetelig und beauftragte ihn, ein neues Erfrischungsgetränk zu entwickeln, das aus verfügbaren Zutaten hergestellt werden konnte. Und Dr. Schetelig gelang es tatsächlich, eine neue Limonade zu schaffen. Sie bestand aus Molke und Apfelfruchtfleisch – Fanta war geboren und sicherte das Überleben der Coca-Cola-Organisation in der Kriegs- wie auch in der Nachkriegszeit.

Nach dem Krieg dauerte es noch vier Jahre, bis die ersten Coca-Cola-Lieferwagen wieder vom Essener Fabrikgelände rollen – dafür gab es dann aber auch im Oktober 1949 extra Plakate: »Coca-Cola ist wieder da!« verkündeten sie. Max Keith sorgte mit dem ihm eigenen Elan und seiner Überzeugungskraft dafür, dass es bald mehr Abfüllfabriken und Konzessionäre gab als zuvor. 1954 hatte er es geschafft: Die Produktion in Deutschland brummte wieder wie vor dem Krieg.

Ein Symbol für die Freiheit

Zu den Konzessionären zählten viele kleine Familienunternehmen. In Spitzenzeiten trafen sich zur jährlichen Konferenz in Essen Vertreter von 126 verschiedenen Gesellschaften aus ganz Deutschland. Zu diesen Gesellschaftern gehörte beispielsweise auch Max Schmeling. Er wurde 1957 Konzessionär, als er nach seinem Karriereende als Boxer eine Abfüllungsfirma in Hamburg übernommen hatte. Unsere fiktive Fichthoff & Co. KG in Greventrop ist ein zwar konstruiertes, aber typisches Beispiel für das international gültige Konzessionärssystem von The Coca-Cola Company. Diese Kleinteiligkeit war so gewollt. Schließlich sollte Coca-Cola nie mehr als eine Armeslänge von den Konsumenten entfernt sein. Und dank der vielen Konzessionäre gab es in Deutschland quasi flächendeckend Betriebe, die Coca-Cola herstellten und es in die Läden und Gastwirtschaften brachten.

Die Fünfzigerjahre – es war die Zeit des Wirtschaftswunders. Nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs und dem Elend der Nachkriegszeit entwickelte sich ein Wirtschaftsboom und daraus resultierend ein neues Selbstbewusstsein in der Bevölkerung – gepaart mit neu entdeckter Lebenslust und Konsumfreude. Bis 1960 stiegen die Investitionen in der Bundesrepublik um 120 Prozent, das Bruttosozialprodukt um 80 Prozent. Deutschland fand den Weg zurück in die Völkergemeinschaft. Der Wiederaufbau ging in einem atemberaubenden Tempo vor sich und übertraf selbst die Erwartungen von Experten – die damit gerechnet hatten, dass der Aufbau der zerstörten Städte 40 bis 50 Jahre dauern würde. Schon 1954 war der Wohnungsbestand in der Bundesrepublik wieder genauso hoch wie vor Kriegsausbruch. Am 5. August lief der millionste VW Käfer vom Band. Vielleicht geriet kein anderes Produkt zu einem so starken Symbol für das Wirtschaftswunder wie dieses kleine Auto. Für wie viele Menschen war er das erste eigene Auto, mit dem sie in den Fünfzigerjahren das erste Mal über die Alpen in ihr Sehnsuchtsland Italien fuhren!

»Mach mal Pause – trink Coca-Cola« – mit diesem Slogan traf Coca-Cola damals sicherlich mitten ins Herz der deutschen Arbeitsgesellschaft. Auch das Erfrischungsgetränk mauserte sich zu einem wichtigen Symbol für das Wirtschaftswunder, überhaupt für einen westlichen Lebensstil. Sichtbare Zeichen dieses Aufstiegs: Neuentwicklungen wie Kühlautomaten für die Cola-Flaschen, Thekenzapfgeräte, neue Flaschengrößen – und die Dose. Dieser Aufstieg ist sicherlich auch ein Verdienst des starken Marketings von Coca-Cola. Schon Asa Criggs Candler hatte erkannt, welche wichtige Rolle die Vermarktung für den Erfolg eines Produkts spielt, und investierte bereits 1912 eine Million US-Dollar ins Marketing. Ob in Fernseh- oder Kinospots, mit seinen Weihnachtstrucks oder durch die unzähligen Streuartikel – Coca-Cola betreibt schon seit Jahrzehnten ein außergewöhnliches Marketing, über das es seine Kunden und Fans auf unterschiedlichen Ebenen erreicht.

Dieses Marketing transportiert die Vision von Coca-Cola: die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Es ging dem Unternehmen immer um deutlich mehr, als die Konsumenten nur zu erfrischen: Es will die Menschen inspirieren und bleibende Werte schaffen. Das gelang Coca-Cola auch – nur die Menschen hinter dem Eisernen Vorhang mussten ein bisschen länger warten, bis sie ebenfalls in den Genuss des Lifestyle-Getränks kamen.

Der Aufstieg von Coca-Cola in Deutschland schritt auch in den Sechzigerjahren unaufhaltsam voran: 1967 verkaufte das Unternehmen in einem Jahr mehr als 100 Millionen Kisten. In den Siebzigerjahren fand in Deutschland eine Umorientierung statt: Das Wirtschaftswunder war definitiv vorbei, die junge Generation setzte sich ganz neu und sehr kritisch mit den Folgen des Zweiten Weltkriegs und mit Deutschlands Rolle darin auseinander – und auch mit der Haltung der eigenen Eltern und Großeltern in der NS- und Kriegszeit. Sie wandte sich vom ungebremsten Konsumismus ab. Coca-Cola reagierte darauf 1976 mit seinem Slogan »Coke macht mehr draus« und gestaltete Werbung und Markenauftritt zeitgemäß.

Die Achtzigerjahre brachten die Fitness-Welle – The Coca-Cola Company schuf mit der Coca-Cola light eine kalorienreduzierte Variante ihres Produkts, die dazu passte. 1989 erreichten die deutschen Coca-Cola-Unternehmen einen weiteren wichtigen Meilenstein: Am 9. November fiel die Mauer – und direkt am selben Abend nutzten die Vertriebsmitarbeiter vor Ort die Gelegenheit, um kostenlos die Coca-Cola-Produkte zu verteilen. Coca-Cola inszenierte sich ein weiteres Mal als Symbol für Freiheit, Demokratie und einen westlichen Lebensstil. Der 9. November 1989 bildete gleichzeitig den Auftakt für die Erschließung des ostdeutschen Marktes.

Geschäftsführer der Coca-Cola GmbH war damals Heinz Wiezorek. Der Diplomkaufmann war 1966 als Trainee ins Unternehmen gekommen und hatte schnell Karriere gemacht. 1982 war er Geschäftsführer geworden, 1989 dann President of the German Division und Senior Vice President of Coca-Cola International. Der Weitsicht des altehrwürdigen Kaufmanns und der Respektsperson Heinz Wiezorek – dem es keiner der Mitarbeiter neidete, dass er morgens immer in seinem roten Ferrari in die Firma kam – verdankt das Unternehmen den schnellen Aufbau der Produktionsanlagen und des Vertriebsnetzes in den neuen Bundesländern. Heinz Wiezorek war es auch, der entschied, eigens für die neuen Produktionsanlagen eine weitere Verpackungseinheit zu schaffen: die 1,5-Liter-PET-Mehrwegflasche, leicht und vollständig recycelbar. Diese Flasche setzte Maßstäbe in Deutschland und wurde sogar zur Standardverpackung für alkoholfreie Getränke. 2003 verlegte Coca-Cola Deutschland GmbH dann seinen Hauptsitz von Essen nach Berlin – das in den Jahren nach dem Mauerfall zum Zentrum der Aktivitäten in den neuen Bundesländern geworden war.

Wenn Erfolg selbstverständlich wird

Dieser Blick in die Geschichte bis zum Jahr 2003 zeigt: Das Unternehmen Coca-Cola Deutschland GmbH war lange erfolgsverwöhnt. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg, und erst recht danach, zeigte die Umsatzkurve immer nur in eine Richtung: steil nach oben. Besonders nach der deutschen Wiedervereinigung gab es einen deutlichen Umsatzaufschwung. »Ich kenne es nicht, dass wir nicht zweistellig wachsen«, sagte einer der deutschen Verkaufsleiter einmal. Das war im Jahr 2000. Alle im Unternehmen hatten sich daran gewöhnt, nichts Außergewöhnliches tun zu müssen, um weiter zu wachsen. Der Erfolg kam quasi von allein. Das führte vor allem zu einem: Stillstand. Innerbetriebliche Veränderungen