Mach doch, was ich will - Thorsten Havener - E-Book + Hörbuch

Mach doch, was ich will Hörbuch

Thorsten Havener

0,0

Beschreibung

Erkenne die verborgenen Strategien der Manipulation Täglich werden wir überall manipuliert: im Berufsalltag, unter Freunden, in der Beziehung und in der TV-Werbepause. Oft bemerken wir nicht einmal, dass wir zu Marionetten anderer werden, die ihre eigenen Interessen gnadenlos durchsetzen. Deutschlands bekanntester Mentalist Thorsten Havener enthüllt die Geheimnisse der Manipulation und beschreibt die psychologischen Strategien, mit denen Meinungen und Entscheidungen gesteuert und sabotiert werden können. Er erklärt, welche Schwachstellen unserer Wahrnehmung uns angreifbar machen und der unbewussten Einflussnahme anderer aussetzen. Vor allem aber verrät er, wie wir uns gegen diese mächtigen Kräfte wehren und die Selbstbestimmung zurückgewinnen können, indem wir die häufigsten und wirksamsten Manipulationsmethoden durchschauen und unsere Mitmenschen und ihre verborgenen Interessen lesen lernen.

Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS

Zeit:7 Std. 19 min

Sprecher:Thorsten Havener
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Thorsten Havener

Mach doch, was ich will

Thorsten Havener

Mach doch, was ich will

Die Kunst der Manipulation

Originalausgabe

2. Auflage 2024

© 2021 by Yes Publishing – Pascale Breitenstein & Oliver Kuhn GbR

Nymphenburger Straße 86, D-80636 München

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Redaktion: Dr. Sybille Beck

Umschlaggestaltung: Ivan Kurylenko (hortasar covers)

Umschlagabbildung: Bernt Haberland

Layout und Satz: Daniel Förster, Belgern

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-96905-074-3

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96905-076-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96905-075-0

Es ist leichter, einen Menschen zu täuschen, als ihm klarzumachen, dass er getäuscht worden ist.

Mark Twain

Inhalt

Die Gedanken sind frei! – Oder?

1 Sein und Schein: Die Welt als Täuschung

Methode und Effekt

Arten der Täuschung

2 Denken wie ein Zauberer: Manipulation wirkt wie Magie

Ab wann ist es Manipulation?

Was ist ein Gedanke?

Die neun Schritte der Täuschung und Manipulation

3 Unser Gehirn ist nicht immer rational: unsere Schwachpunkte

Priming

Der Halo-Effekt

Heuristiken

Wir sind schlechte Statistiker

4 Manipulation im Marketing: Warum wir kaufen, was wir nicht brauchen

5 Manipulation ist so alt wie die Menschheit: Aristoteles

Überzeugen durch Logik

Überzeugen durch Emotionen

Überzeugen durch Ihren Charakter (Ethos)

6 Kopf – ich gewinne. Zahl – du verlierst: Verbale Manipulation

Vorstellung sticht Willen – wie Suggestionen unsere Wirklichkeit formen

Wie Suggestionen ihre Kraft entfalten

7 Aufmerksamkeit bündeln wie einen Laser: Die manipulierende Kraft der Konzentration

8 Wir bekommen, was wir erwarten: Die Macht der Selbsterfüllenden Prophezeiung

9 Mehr bringt weniger: Der Verwässerungseffekt

10 Ein Tor zu unserem Unterbewusstsein: Worte, die wirken

Je schneller man spricht, desto schädlicher ist Koffein

Wie Sie die Magie der Worte für sich nutzen können

Wir haben was zu verlieren

11 Nichts im Leben ist umsonst: Gewinne, Gefallen, Angebote

Reziprozität

Doppelzüngige Wiederaufnahme

12 Im Herzen sind wir Lemminge: soziale Bewährtheit

13 Wir bleiben uns treu: Commitment und Konsistenz

14 Der muss es ja wissen: Experten und Autorität

15 Nur noch heute …: Knappheit und Verlustangst

FOMO

Geheimnisse

16 Du bist wie ich: Manipulation durch Sympathie

Befreien Sie Ihre Gedanken und werden Sie frei von Manipulation

Danke

Quellen

Die Gedanken sind frei! – Oder?

Kürzlich war ich mit meiner Familie im Schloss Neuschwanstein. Ein wirklich fantastisches Schloss. Auch wenn ich mir kaum vorstellen kann, dass es jemals etwas anderes war als ein Ausflugsort für Touristen und Familien. Tatsächlich wohnte König Ludwig II. nur wenige Monate dort. Ich liege mit meiner Einschätzung also gar nicht so weit daneben.

Das wahrlich Spannendste am Ausflug waren für mich aber nicht die Zimmer oder die Landschaft (wobei die wirklich bemerkenswert sind), sondern die Aufteilung des Souvenirshops. Nach dem Schlossbesuch wurden wir nämlich durch einen Bereich geführt, in dem man so wunderschöne Kleinigkeiten wie Bierkrüge mit dem bayerischen Wappen oder übergroße Bleistifte mit dem Bild des Königs drauf erwerben kann. Oder auch Kissen mit dem Kölner Dom oder dem Matterhorn – für den Fall, dass der vergessliche Tourist es bei deren Besuch versäumt hat, sich damit einzudecken. Nach Beendigung der Führung kommt man also automatisch in diesen Shop.

Nachdem man durch den Souvenirbereich geleitet wurde, kommt ein Déjà-vu – man gelangt über einen kurzen Gang nämlich unmittelbar in den nächsten Bereich, in dem es genauso aussieht und in dem es dieselben Artikel wieder zu kaufen gibt. Und als wir den hinter uns gelassen haben, sind wir durch einen weiteren Gang in einen dritten Souvenirbereich geschleust worden. In allen drei Boutiquen gab es exakt dasselbe Angebot.

Jetzt könnte man ja denken, dass die Touristen spätestens beim dritten Shop langsam sauer werden. Das stimmt aber nicht – ganz im Gegenteil. Tatsächlich hat der dritte Shop am meisten verkauft.

Solche Dinge faszinieren mich. Eine stumpfe Wiederholung und nicht endende Aneinanderreihung geschmackloser Kissen und Bierkrüge haben dafür gesorgt, dass die Besucher gekauft haben. Aber erst beim dritten Mal.

Wie ich Ihnen in diesem Buch noch ausführlich erläutern werde, ist das Prinzip der Wiederholung ein Grundpfeiler der Einflussnahme, und hier war der praktische Beweis. Genauso faszinierend: Die Kunden waren glücklich über ihre Einkäufe. Sie fühlten sich überhaupt nicht manipuliert.

Als ich als 13-Jähriger begonnen habe, die Zauberkunst intensiv zu studieren, habe ich meine Liebe zu Sinnes-, Wahrnehmungs- und Denktäuschungen entdeckt. Sie ist bis heute ungebrochen. Dieses Studium hat mir erhebliche Einblicke in unser Denken geschenkt. Aus diesem Grund ziehen mich Situationen wie im Souvenirshop in Neuschwanstein auch immer noch in ihren Bann.

Wo werden wir überall manipuliert?

Was kann mit Manipulation alles bewirkt werden?

Welche Rolle spielt die Sprache dabei?

Diese Fragen bewegen mich noch heute.

Ich denke, meine Faszination entspringt der Tatsache, dass sich die Manipulation – genau wie die Täuschung – im Verborgenen abspielt.

Vielleicht habe ich deshalb nach dem Abitur Angewandte Sprachwissenschaft sowie Übersetzen und Dolmetschen an der Universität des Saarlandes und in Monterey, Kalifornien studiert. (Und auch erfolgreich abgeschlossen, das muss man inzwischen ja schon dazusagen.) Denn die Sprache ist eines der wesentlichen Werkzeuge der Beeinflussung. Oder, wie es die amerikanische Schriftstellerin Rita Mae Brown ausdrückte: »Sprache übt Macht im Verborgenen aus, so wie der Mond die Gezeiten beeinflusst.«

Übt Macht im Verborgenen aus … Harter Stoff.

Heute, viele Jahre später, nutze ich in meinen Vorträgen und Workshops und auch in meinen Shows als Gedankenleser zahlreiche Methoden, die ich damals während meiner Studien gelernt habe, jedoch meist in einem anderen Rahmen.

Unsere Gedanken, unsere Sprache und Illusionen sind mein Metier. Diese Geheimnisse des menschlichen Geistes spielen nicht nur in meinem Beruf eine große Rolle, sondern im Leben von uns allen.

Sie haben Macht.

Ich schreibe dieses Buch also aus der Sicht eines »Gedankenlesers«. In dieser Eigenschaft durchleuchte ich den Charakter meiner Mitmenschen und erforsche Methoden zum Steuern unserer Gedanken und unseres Verhaltens. Das ist meine Perspektive.

Was ich Ihnen hier beschreibe, habe ich nicht nur aus Büchern gelernt, sondern in über 30 Jahren Erfahrung vor Publikum getestet. Ich habe es von echten Meistern der Illusion und der Beeinflussung gelernt. Von Hypnotiseuren, Zauberern und Mentalisten. Wenn diese Menschen ihr Publikum nicht sofort überzeugen, können sie keinen Erfolg haben. Sie nutzen Täuschung und Illusion – man könnte das auch als Manipulation bezeichnen –, um Menschen zu unterhalten. Und um sie zu inspirieren. Das Wissen in diesem Buch kommt also nicht nur aus Studien und Experimenten (wobei ich viele Studien und Experimente zitiere), sondern auch aus der verborgenen Welt der Magie.

Ich nenne das die »Havener-Methode«. Die können Sie auch in Ihrem Leben anwenden. Sie müssen sich nur trauen.

Das, lieber Leser, liebe Leserin, waren schon die ersten beiden Manipulationen in diesem Buch. Es gibt nämlich keine »Havener-Methode«. Den Begriff habe ich mir beim Schreiben dieser Zeilen ausgedacht. Sobald eine Sache einen Namen hat, erscheint sie uns greifbarer, realer, anwendbarer. Die zweite Manipulation bestand darin, Ihnen durch die Formulierung »Sie müssen sich nur trauen« ein wenig Furcht einzuflößen. Denn Furcht schafft Interesse.

Die Sätze haben ihr Ziel erreicht, wenn Sie den Einfluss nicht bemerkt und mit Neugier weitergelesen haben. Ich habe vor, dieses Interesse auf jeder Seite wachzuhalten.

Ich hoffe, dass dieses Buch und das Thema Sie so faszinieren wie mich, seit ich mit 13 Jahren meinen ersten Zaubertrick vorgeführt habe.

Betreten Sie mit mir auf den folgenden Seiten meine Welt.

Eine Welt der Illusion, Beeinflussung und Manipulation.

Und eine Welt, in der die eigenen Gedanken frei sind.

1 Sein und Schein: die Welt als Täuschung

Jeder große Zaubertrick besteht aus drei Akten. Der erste Akt ist »die Ankündigung« – der Magier zeigt etwas Gewöhnliches, aber natürlich ist es das gar nicht.

Der zweite Akt ist »die Wendung« – der Magier bringt das Gewöhnliche dazu, etwas Ungewöhnliches zu tun. Nun sucht man das Geheimnis. Aber man findet es nicht.

Deshalb gibt es noch einen dritten Akt: »die perfekte Illusion«. Der Teil, in dem sich alles dreht und wendet. Man sieht etwas, das man zuvor noch nie gesehen hat.

(Aus dem Film The Prestige. Die Meister der Magie von Christopher Nolan)

 

Ich weiß noch, wie ich als junger Bub die damalige Bibel der Zauberei studiert habe, das Handbuch der Magie von Jochen Zmeck. Ein Standardwerk, das es über die damalige DDR hinaus auch im Westen geschafft hat, zu einem der Grundlagenwerke der Zauberkunst zu werden. Es ist praktisch der Rotkäppchensekt und das Ampelmännchen der Zauberbücher. Vor mir liegt die Ausgabe aus dem Jahr 1984, auf Zeitungspapier gedruckt, zerlesen und mit unzähligen Anmerkungen in Jugendschrift versehen. Damals musste ich zur Aufnahmeprüfung in den Magischen Zirkel die drei Haupttäuschungsbereiche lernen. Ich hätte damals nicht gedacht, dass es mit zu dem Nützlichsten zählen wird, was ich je gelernt habe.

Der Kern der Zauberkunst ist die Täuschung, die bewusste Irreführung der Zuschauer mit dem Ziel, sie dadurch zu unterhalten.

So steht es bei Zmeck. Leicht paraphrasiert lässt sich diese Definition auch auf die Manipulation übertragen:

Der Kern der Manipulation ist die Täuschung, die bewusste Irreführung der Mitmenschen mit dem Ziel, sie zu einer gewünschten Handlung zu bewegen.

Hier erkennen wir bei allen Gemeinsamkeiten schon einen wesentlichen Unterschied zwischen Manipulation und der Kunst der Illusion. Die Kunst der Illusion hat das Ziel zu unterhalten. Die Manipulation hat zum Ziel, Menschen zu überzeugen und zu einer gewünschten Handlung zu bewegen. So viel vorweg, mit der genauen Definition befassen wir uns noch im nächsten Kapitel.

Dabei ist jede Form der Zauberkunst eine Form der Manipulation – aber es handelt sich bei Weitem nicht bei jeder Form der Manipulation um Zauberei. Aber beides hat immer mit Täuschung zu tun.

Da die Zauberkunst die Täuschung zum Kern hat, lohnt es sich, von ihr über die Täuschung zu lernen.

Ich tue jetzt etwas, was ich noch nie getan habe: Ich lüfte ein Geheimnis und verrate Ihnen einen Zaubertrick. Betrachten Sie es als seltenes Geschenk. (Diese drei Sätze sind übrigens sehr suggestiv und haben das Ziel, Sie zum Weiterlesen zu animieren. Die Methode dahinter wird in der Beschreibung des Tricks und in den folgenden Kapiteln enthüllt und vertieft.)

Um sich und andere zu verblüffen, brauchen Sie eine Münze. Also, schnappen Sie sich vorzugsweise ein 2-Euro-Stück und legen es vor sich auf den Tisch. Am besten ca. 15 Zentimeter von der Tischkante entfernt. Jetzt greifen Sie es mit der rechten Hand, um es aufzunehmen. Dabei hilft es ungemein, wenn Sie das Geldstück nicht direkt von der Position am Tisch aufnehmen, an der es liegt, sondern die Münze von oben mit den Fingern bedecken und in einer geraden Linie zuerst zu sich hin an die Tischkante ziehen. Dann greifen Sie die überstehende Kante der Münze mit dem Daumen von unten, sobald die Münze die Tischkante erreicht. Sobald Sie die Münze zwischen den Fingern und dem Daumen halten, heben Sie die Hand an und drehen sie aus dem Handgelenk mit dem Handrücken nach vorne. Heben Sie jetzt den Arm leicht an und halten die Münze vor Ihrem Oberkörper. Als Linkshänder machen Sie diese Bewegung mit der linken Hand.

Machen Sie das ein paarmal und prägen Sie sich genau ein, wie Sie das machen. Beobachten Sie den natürlichen Ablauf und Rhythmus der Bewegungen Ihres Arms und Ihrer Hand.

Als Nächstes ändern Sie ein wichtiges Detail: Beim nächsten Greifen der Münze tun Sie nur so, als würden Sie sie von der Tischkante aufnehmen. Anstatt sie jedoch zwischen Daumen und Fingerspitzen zu greifen, lassen Sie die 2 Euro auf Ihren Schoß fallen. Sie geben also nur vor, das Geldstück vom Tisch zu heben. Die Bewegungen müssen genauso aussehen wie bei der echten Tätigkeit – der einzige Unterschied besteht darin, dass Sie die Münze auf Ihren Schoß fallen lassen. Der Daumen berührt die Münze nicht und die Finger schieben das Geldstück über die Tischkante. Von dort fällt es in Ihren Schoß. Die Hand bewegt sich dabei ganz normal wie zuvor. Auch bei dieser Bewegung schließen sich die Finger leicht um die (nicht vorhandene) Münze, die Hand dreht sich leicht im rechten Handgelenk, der Arm hebt sich und Sie halten die Hand mit den Fingern nach vorne vor Ihrem Oberkörper.

Schauen Sie kurz auf Ihre Hand, reiben den Daumen an den Fingerspitzen und öffnen dann die Hand, um die Handfläche zu zeigen: Die Münze ist verschwunden. Damit die Täuschung funktioniert, muss Ihr Zuschauer Ihnen gegenübersitzen. Wenn Sie die Bewegung richtig ausführen, ist die Illusion sehr überzeugend und täuschend. Die Wirklichkeit Ihres Zuschauers ist nicht dieselbe wie Ihre Wirklichkeit. Damit das wirklich echt aussieht und auch verblüffend ist, sollten Sie den Ablauf so lange wiederholen, bis er auch bei der Trickhandlung natürlich aussieht und das echte Aufnehmen der Münze sich in den Bewegungen nicht vom falschen Aufnehmen unterscheidet. Beide Abläufe müssen exakt gleich aussehen. Am besten, Sie üben das Ganze vor einem Spiegel und schauen dabei genau auf Ihre Hände.

Diesen Kunstgriff lernte ich früh in meiner Jugend. Da die Münze in den Schoß des Vorführenden fällt, heißt die Technik in Fachkreisen auch »Lapping«. Vom englischen lap, auf Deutsch »Schoß«. Der deutsche Begriff »Schoßeln« ist absoluten Experten zwar bekannt – er hat sich jedoch nie wirklich durchgesetzt.

Die Methode ist klasse und sie ist auch noch immer Teil der Ausbildung an der Zauberakademie Deutschland, an der ich als Student unterrichtet habe. Dort ist sie sogar Teil der Abschlussprüfung. Hier ziehen die Prüflinge Karten mit Aufgaben, die sie dann vor einer Jury ausführen müssen. Zum Beispiel: »Zeigen Sie ein Kartenkunststück.« Oder eben: »Demonstrieren Sie das ›Lapping‹«. In der Jury saßen früher meine Frau, der Direktor der Akademie, Klaus Thaller, ein Vertreter des Magischen Zirkels von Deutschland, und ich. Klaus und ich haben uns immer einen Heidenspaß daraus gemacht, selbst eine Münze unter dem Tisch zu halten und unsere Münze genau in dem Moment auf den Boden fallen zu lassen, wenn die Münze des Studenten auf seinem Schoß gelandet ist. Der Blick der Studenten war Gold wert. (Fairerweise haben wir das in den Abschlussprüfungen nie gemacht – in den Zwischenprüfungen war das jedoch einer unserer Lieblings-Jokes.)

Der Kunstgriff ist grundlegend. Aber so direkt ausgeführt hat er noch nicht viel mit Zauberei zu tun. Er ist nur eine Technik, noch keine gute Täuschung oder Illusion. Wir werden ihn noch ausbauen und viel täuschender machen. Dabei werden wir lernen, wie eine Täuschung zu einer schönen Illusion wird und wie wir es schaffen, durch viele wertvolle Details das Denken anderer Menschen auf eine völlig falsche Fährte zu lenken und so dafür zu sorgen, dass deren Denken in eine Sackgasse läuft und sie keine Ahnung haben, was wirklich passiert ist. Damit sind wir dann schon ganz nah am Thema dieses Buchs: der Manipulation des Denkens und damit auch der Handlungen unserer Mitmenschen. Beschäftigen wir uns also nun mit den wichtigen Einzelheiten. Werden wir überzeugender.

Als Erstes: Warum legen wir zuerst eine Münze auf den Tisch, nur um sie direkt danach wieder von dort wegzunehmen? Das ist ja völliger Unsinn. Es überzeugt nicht – außer wir handeln andauernd nur unsinnig. Aber in dem Fall sollten Sie sowieso vielleicht besser zuerst ein anderes Buch lesen. Unsere Mitmenschen sind in der Regel kluge Leute. Wenn ich eine Münze auf den Tisch lege, nur um sie von dort dann wieder aufzuheben, und dann ist sie verschwunden – dann ist die Aktion des Hinlegens und Aufnehmens unnötig und unnatürlich. Diese Unnatürlichkeit muss etwas mit dem Verschwinden zu tun haben. Der Zuschauer spürt, dass das Aufnehmen der Moment gewesen sein muss, in dem irgendetwas nicht so richtig gestimmt hat. Von dort ist es nicht mehr weit zur richtigen Lösung. Ganz anders wäre die Situation, wenn die Münze schon die ganze Zeit auf dem Tisch gelegen hätte. Dann wäre das vorherige Hinlegen hinfällig und die Greifbewegung isoliert. Viel natürlicher. Also ist es eine gute Idee, zum Beispiel die Münze mit anderem Kleingeld und anderen Gegenständen auf den Tisch zu legen, wenn sie Ihre Taschen leeren, um, sagen wir mal, Ihr Handy oder einen Stift rauszuholen. Das machen Sie natürlich, einige Minuten bevor Sie die Münze dann verschwinden lassen. Dann beachten Sie die Sachen auf dem Tisch nicht weiter und lassen sie einfach liegen. Natürlich in der richtigen Position für den Trick. Jetzt können Sie sie später aufnehmen, um den Trick zu zeigen. Das ist aber nur die erste Schicht der Täuschung. Wirklich überzeugende Täuschungen haben am besten möglichst viele Schichten und Methoden. Also stoppen wir hier noch lange nicht.

Wenn Sie die Münze mit der rechten Hand vom Tisch aufnehmen und dann die rechte Hand öffnen, um sie verschwinden zu lassen, dann ist das eine einzige Bewegung. Sie ist leicht zurückzuverfolgen und es ist leicht, sie gedanklich zu rekonstruieren. Auch hier: Unsere Mitmenschen sind in den seltensten Fällen so einfach gestrickt, wie wir es in solchen Fällen gerne hätten. Sie denken: Wenn die Münze mit der rechten Hand gegriffen wurde und dann plötzlich nicht mehr in der rechten Hand ist – vielleicht war sie dann ja nie in der rechten Hand … Bingo. Wie können wir solche Gedanken verhindern? Ganz einfach: indem wir eine sehr natürliche weitere Bewegung einführen, die nur zum Ziel hat, den Zuschauer auf eine falsche Fährte zu locken. Wir zünden eine Nebelkerze, indem wir die Münze scheinbar von der rechten in die linke Hand legen. In Wirklichkeit ist ja gar keine Münze in der rechten Hand – die zusätzliche Übergabe in die linke Hand ist die weitere Ablenkung. Sobald also die rechte Hand, die scheinbar eine Münze in der Hand hält, mit den Fingern nach vorne und nach oben bewegt wird, legt sie die Münze scheinbar in die linke Hand. Die Linke schließt sich dann locker. Auch diese Bewegung sollten Sie vorab mit Münze so lange wiederholen, bis der natürliche Ablauf gespeichert ist. Diese wunderbare Ablenkung hat mir der Großmeister der Zauberkunst Alexander DeCova vor Jahrzehnten gezeigt. Ich kenne niemanden, der so etwas besser kann als er. In dem Moment, in dem Sie die Münze jetzt scheinbar in die linke Hand gelegt haben, die Sie dann zu einer lockeren Faust geschlossen haben, fällt es dem Betrachter viel schwerer, das Geschehene rückwärts zu erzählen und richtig zu rekonstruieren. Außerdem: Warum sollte ein Mensch eine nicht vorhandene Münze in eine Hand legen, um sie dort verschwinden zu lassen? So denkt kein normaler Mensch. Reiben Sie nach der Scheinübergabe die Finger der linken Faust aneinander (das sieht so ähnlich aus, als würden Sie einen Keks in der linken Hand zerdrücken und zerkrümeln), öffnen Sie die Faust und die Münze ist verschwunden. Gedanklich geht der Betrachter jetzt zum letzten Punkt, an dem er die Münze vermutet. Das ist durch das zusätzliche Element der Übergabe die rechte Hand. Die ist aber auch leer. Bis zur falschen Aufnahme der Münze ist es ein viel weiterer gedanklicher Weg, den der Betrachter nicht ohne Weiteres geht.

Das geht allerdings noch viel besser.

Legen wir eine weitere Schicht der Täuschung über den Vorgang: Wir bringen den Betrachter dazu, zu denken, er hätte die Münze vor der Übergabe in unserer rechten Hand gesehen. Das machen wir, indem wir eine der grundlegendsten Techniken der Manipulation anwenden. Wir stellen eine Behauptung auf, indem wir vorgeben, eine Tatsache wäre so, wie wir es für unser Ziel brauchen. In diesem Fall zeigen wir einfach unsere geschlossenen Fingerspitzen kurz dem Betrachter und legen dann die nicht vorhandene Münze in die Linke, die sich sofort locker zu einer Faust schließt. Wir halten also vor der »Übergabe« Daumen und Finger nach oben und betonen die Hand ganz kurz. Die Geste ist schnell und flüssig, aber keinesfalls hastig. Richtig ausgeführt wird der Betrachter keine Sekunde zweifeln, dass Sie eine Münze in der Hand hielten, die Sie in die andere Hand gelegt haben. Für mich sind das die schönsten Momente einer Vorführung. Viele wichtige Details sorgen für eine Illusion.

Wenn Sie die Münze jetzt scheinbar von der rechten in die linke Hand gelegt haben, ist es sehr wichtig, dass die rechte Hand sich ganz normal bewegt. Genau hier machen viele Anfänger – und auch leider noch einige Fortgeschrittene – den Kardinalfehler und gestikulieren wild mit der rechten Hand, um scheinbar subtil zu suggerieren: geht alles gaaanz mit rechten Dingen zu. Einige zeigen nach der Übergabe sogar mit dem rechten Zeigefinger auf die linke Hand. Oder sie schnipsen mit den rechten Fingern als sogenannte »effektauslösende Geste«. Bitte machen Sie das nicht. Mit dem Finger zeigen ist unhöflich und das Fingerschnipsen ist ein seltsamer Spleen vieler Zauberer. Kein normaler Mensch macht das. (Ich gebe zu, dass auch kein normaler Mensch eine leere Hand betont, als sei eine Münze drin, nur um die nicht vorhandene Münze dann in eine andere Hand zu geben, um sie dort dann als verschwunden vorzuzeigen – aber das ist der Unterschied zwischen sichtbarem Unsinn und unsichtbaren Geheimnissen und Manipulation …)

Zurück zu unserem letzten schönen Detail: Nachdem Sie also die Münze scheinbar in die linke Hand gegeben haben, bewegen Sie Ihre rechte Hand ganz natürlich und normal und zeigen sie dabei noch nicht als leer vor. Halten Sie sie locker mit dem Handrücken nach oben. So spielen Sie mit Ihrem Gegenüber. Sie lassen ihm die Möglichkeit einer falschen Lösung. Nämlich, dass die Münze noch in der rechten Hand sein könnte. Merken Sie, was hier passiert: Sie bieten ganz subtil zwei Lösungen, von denen keine stimmt. Sehr manipulativ. Reiben Sie die Finger der linken Hand und zeigen die Hand leer vor. Erst nach einem Augenblick, wenn Ihr Betrachter den Effekt wahrgenommen hat, drehen Sie zeitversetzt auch Ihre rechte Hand mit der Handfläche nach oben und sagen so ohne Worte: »Auch hier ist sie nicht.« Sie haben ganz subtil eine falsche Fährte ausgelegt, eine einfache Lösung, wo die Münze wohl sein könnte, um dann diese Lösung genauso feinsinnig zu vereiteln.

Und selbst jetzt machen wir noch weiter, um die Illusion zu verstärken. Die wahre Täuschung entsteht nämlich oft erst dann, wenn die Trickhandlung schon lange vorbei ist. Der amerikanische Close-up-Zauberer Eugene Burger, eine Legende unter Zauberern, kreierte hierzu den Begriff »Experience of Magic«, also die Erfahrung, etwas Magisches erlebt zu haben. Diese Erfahrung wird oft dadurch geschaffen, dass der Betrachter falsch rekonstruiert, was passiert ist. Durch die scheinbare Übergabe der Münze in die linke Hand haben wir es ihm ja schon ein wenig schwerer gemacht. Aber wir können das noch weitertreiben und falsche Erinnerungen säen. Der große Mentalist Derren Brown schlägt hier eine schöne List vor: Legen Sie zwei Münzen vor sich auf den Tisch. Sagen wir mal, ein 2-Euro-Stück und eine 1-Euro-Münze. Den Euro legen Sie näher zur Tischmitte und das 2-Euro-Stück, das Sie dann verschwinden lassen werden, legen Sie in die richtige Position zum »Schoßeln«. Später schauen Sie sich dann beide Münzen an und überlegen scheinbar, welche Sie gleich aufnehmen. Wenn Sie auf den Tisch schauen, wird auch Ihr Gegenüber auf den Tisch schauen und dort zwei Münzen sehen. Damit schaffen Sie die Erinnerung an zwei Münzen auf dem Tisch. Nehmen Sie dann das 1-Euro-Stück vom Tisch. Dabei greifen Sie es direkt vom Tisch und ziehen es zur Aufnahme nicht zurück zur Tischkante! Jetzt ist der Fokus auf Ihnen und der Münze. Legen Sie die Münze in die linke Hand und schließen die linke Hand um die Münze. Kneten Sie die Finger der linken Hand um die Münze und öffnen Sie die Hand. Die Münze ist noch da. Schließen Sie die Hand wieder. Ihr Gegenüber weiß ja noch nicht, was Sie vorhaben – aber egal, was es ist, es klappt wohl nicht so, wie Sie sich das vorstellen. Nachdem Sie die Hand wieder geöffnet haben und sich die Münze immer noch in der linken Hand befindet, geben Sie auf und legen die Münze wieder zurück auf den Tisch. Legen Sie die Münze nicht direkt neben das 2-Euro-Stück. Atmen Sie einmal ein und wieder aus und entspannen Sie Ihren Körper. »Das war nix …« In der Entspannung ziehen sie jetzt das 2-Euro-Stück zu sich und machen die Trickhandlung! Der Moment ist sehr gut dafür: Der Betrachter passt nicht wirklich auf, was geschieht. Er schaut auf eine Wiederholung einer Handlung in einem Moment der Entspannung. Sobald Sie die Münze (scheinbar) in die linke Hand gegeben haben, spannen sie sich jetzt wieder ein wenig an und konzentrieren sich auf Ihre linke Hand. So ist der Trick noch überzeugender. Durch die Fehlversuche mit der 1-Euro-Münze haben Sie dem Zuschauer ein Bild geliefert, an das er sich erinnern wird. Diese Erinnerung macht es ihm schwieriger, die korrekten Abläufe zu rekonstruieren, wenn die andere Münze verschwunden ist. Sie haben deutlich eine Münze vom Tisch aufgehoben und in Ihre linke Hand gelegt. Es ist leicht, dieses Bild mit der zweiten Aufnahme, die in einem Moment der Unachtsamkeit und Entspannung des Betrachters stattgefunden hat, zu verwechseln. Viele meiner Zuschauer haben in solchen Fällen später falsch weitererzählt, was passiert ist. In unserem Fall: Er hat die Münze direkt vom Tisch genommen und plötzlich war sie weg. Unsere Erinnerung ist kein echtes Abbild dessen, was wirklich geschehen ist. Ganz im Gegenteil: Fragen Sie doch mal drei Leute nach einer gemeinsamen Erinnerung. Die Erzählungen decken sich nur in den seltensten Fällen.

Und wir können noch mehr machen, um eine weitere Hülle über die Illusion zu legen. Das tun wir, indem wir den Moment des Verschwindens magisch aufladen. Eine Münze in die Hand zu nehmen und dann die Hand zu öffnen, ist ein wenig flach. Es hat keine Magie, es fehlt die Poesie. Es ist vielleicht ein nettes Rätsel, aber es ist noch lange keine gute Zauberkunst.

Die Magie entsteht nicht durch das, was Sie tun, sondern durch das, was der Zuschauer denkt.

Dass die Münze verschwindet, ist ein Rätsel. Wie sie verschwindet, ist Magie. Wenn die Münze also scheinbar in der linken Hand ist, dann ist es noch viel überzeugender, wenn Sie sich auch so verhalten, als sei die Münze wirklich in Ihrer linken Hand. Hier habe ich einen Tipp eines weiteren Meisters der Zauberkunst, David Williamson. Er vergleicht die Bewegung, die wir machen würden, wenn wir wirklich eine Münze in der Hand halten würden, mit der Bewegung, die wir machen, wenn wir ein paar Erdnüsse in der Hand halten, um sie dann in den Mund zu stecken. Die Hand bewegt sich leicht und spielt mit der Münze. Kein normaler Mensch würde so etwas tun, wenn er nicht wirklich eine Münze in seiner Hand halten würde. Tun Sie einfach so, als müsste die Münze erst kurz gaaanz leicht und sanft in der Hand geschüttelt werden, bevor sie verschwinden kann. Bitte nutzen Sie hier nur Ihre Körpersprache und kommentieren Sie nicht, was sowieso schon jeder sehen kann. Es gibt nichts Langweiligeres als Leute, die erzählen, was wir sowieso schon sehen. (»Ich nehme die Münze vom Tisch, gebe sie in meine linke Hand – dann schüttele ich so und dann ist sie weg.« – Unerträglich!) Dann fokussieren Sie Ihren Blick auf die linke Hand, warten kurz und öffnen die Hand: Die Münze ist verschwunden.

Tun Sie sich den Gefallen und verraten Sie nicht, wie die Münze verschwindet. Etwas verschwinden zu lassen ist sehr stark – eine Münze in den Schoß fallen zu lassen ist es nicht.

Merken Sie, wie komplex allein diese eine Nummer ist?

Es ist das optimale Zusammenspiel von Timing, Körpersprache, Motivation und vielen anderen Faktoren. Eine gute Illusion ist eben kein billiger Trick, sondern eine gelungene Kombination aus all den oben beschriebenen Faktoren.

Sie haben die Strippen der Wahrnehmung und des Denkens von Anfang an in der Hand gehalten und gezogen. Sie haben die Wahrnehmung und das Denken Ihres Gegenübers zu jedem Zeitpunkt kontrolliert und gesteuert: Sie haben manipuliert.

Das ist schon einer der grundlegenden Punkte dieses Buchs:

Wichtig ist nicht, was passiert, sondern was Ihr Gegenüber denkt, was passiert.

Methode und Effekt

Hier lernen wir eine der wichtigsten Grundlagen unserer Wahrnehmung kennen. Und damit lernen wir auch, sie zu steuern und zu täuschen. Wir lernen die Manipulation.

Ich entlehne die folgenden Grundlagen der Kunst der Illusion und übertrage sie auf unseren Alltag.

Fangen wir an. Jeder Trick und jede Illusion bestehen aus zwei Ebenen:

Effekt und Methode.

Der Effekt ist das, was im Kopf des Zuschauers passiert: »Die Münze verschwindet.« Der Effekt ist die subjektiv Ebene des Betrachters.

Die Methode ist die Technik, das, was unbeachtet und unbemerkt passiert.

Der Effekt ist das Wunder, die Methode der verborgene Mechanismus dahinter.

Diese Regel aus der Kunst der Illusion lässt sich ganz präzise auf jede Form der Manipulation übertragen. Der Effekt ist das Handeln, zu dem der Manipulierte gebracht wird – die Methode ist der verborgene Mechanismus, den der Manipulierte entweder gar nicht oder zu spät bemerkt, den der Manipulator aber ganz bewusst benutzt.

Wenn Sie das Verschwinden der Münze überzeugend präsentieren, dann zeigen Sie Ihrem Zuschauer einen Effekt, während Sie gleichzeitig die Methode im Verborgenen nutzen. Das ist Manipulation, Irreführung. Bei jeder gut ausgeführten Irreführung bleibt der Effekt, die Methode jedoch geht unter.

In unserem Beispiel ist der Effekt in den Köpfen der Betrachter, dass eine Münze plötzlich nicht mehr existiert. Die Methode ist, dass die Münze durch Lapping im Schoß des Vorführenden landet und nicht in seiner linken Hand. Gut ausgeführt erinnert sich der Betrachter nicht mehr an den genauen Handlungsablauf, obwohl der ganz natürlich und alltäglich aussah.

Bei dieser Form der Irreführung handelt es sich um eine Manipulation der visuellen Wahrnehmung. In der Zauberkunst nennen wir diese Form der Täuschung »Wahrnehmungstäuschung«.

Es gibt noch weitere Formen der Täuschung. Schauen wir uns die doch mal ein wenig genauer an.

Arten der Täuschung

Wir werden auf drei Ebenen getäuscht:

1. Sinnestäuschungen

Wie sagt der herausragende Zauberkünstler Pit Hartling hierzu so treffend: »Sinn es Täuschungen – oder sinn es keine …«

Unsere menschliche Wahrnehmung der Welt ist alles andere als vollkommen. Der herausragende Psychologe und Konstruktivist Paul Watzlawick sagte sinngemäß, dass es an ein Wunder grenzt, dass wir Menschen uns trotz unserer unvollkommenen Wahrnehmung und trotz der für Fehler so anfälligen menschlichen Kommunikation überhaupt auf eine gemeinsame Wirklichkeit einigen können. Einer seiner Buchtitel lautet dementsprechend Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Ich kann es wärmstens empfehlen. Wie alle Bücher von Watzlawick.

Zurück zur Zauberkunst: Es gibt drei Möglichkeiten, unsere Sinne zu täuschen.

Einmal durch fehlende Reize. Das passiert zum Beispiel, wenn ein schwarzer Gegenstand vor einem schwarzen Hintergrund steht und dadurch unsichtbar wird.

Dann können wir noch durch flüchtige Reize getäuscht werden. Zum Beispiel, wenn etwas sich so schnell bewegt, dass wir es mit dem bloßen Auge nicht erkennen können. Jeder Kinofilm erzeugt die Illusion bewegter Bilder, indem er unsere Wahrnehmung durch flüchtige Reize täuscht.

Und dann gibt es noch die falschen Reize. Die haben wir bei unserer falschen Übergabe der Münze gleich zweimal genutzt. Einmal bei der falschen Aufnahme vom Tisch und einmal bei der falschen Übergabe von der rechten in die linke Hand. Die Hände haben ganz realistische Bewegungen gemacht – die Münze war aber nie da, wo der Betrachter sie vermutet hat.

2. Wahrnehmungstäuschungen

Unsere Kapazität, Informationen bewusst zu verarbeiten, ist extrem eingeschränkt. Ganz abgesehen davon, dass wir eine große Vielzahl an Informationen überhaupt nicht bewusst wahrnehmen, bei den wahrgenommenen Informationen täuschen wir uns auch noch zusätzlich. Beim Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen können wir nicht alle uns umgebenden Reize bewusst wahrnehmen. Beim Sehen müssen wir eine dreidimensionale Welt auf unserer Netzhaut abbilden. Die ist aber nur zweidimensional. Allein dabei gehen zwangsläufig viele Informationen verloren. Nur durch das Sehen nehmen wir pro Sekunde ein Gigabyte an Informationen auf.

Das sind ungefähr 500 000 Buchseiten. Um da das Richtige und Wesentliche rauszufiltern, müssen wir selektieren. Ich habe diese Prozesse bereits in Ich weiß, was du denkst eingehend beschrieben und möchte das daher an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber kurz erwähnen. Dem geneigten Leser lege ich zur Vertiefung das Buch Ich weiß, was du denkst ans Herz. Ich empfehle es mit bestem Gewissen, der Autor liegt mir sehr am Herzen.

Zurück zu unseren Wahrnehmungstäuschungen. Von allem, was wir tun, gelangt nur ein kleiner Teil ins Bewusstsein unserer Mitmenschen. Unendlich viele sehr bedeutende Kleinigkeiten werden nicht wahrgenommen.

Unsere Mitmenschen nehmen nur wahr, worauf wir ihre Aufmerksamkeit lenken.

Ein Zauberkünstler wird zum Beispiel nicht vorher sagen, was er als Nächstes zeigt. Denn dann würden die Zuschauer ja ihre Aufmerksamkeit auf die angekündigte Täuschung richten, was die Ausführung stark erschweren würde. Und falls ein Illusionist doch einmal vorher verrät, was als Nächstes passieren wird, macht er das nicht ohne Grund. In dem Fall will er, dass die Aufmerksamkeit sich genau auf diesen Punkt konzentriert.

Gute Manipulatoren nutzen das ganz bewusst durch den gezielten Einsatz von Gesten und Worten und lenken so die Aufmerksamkeit ihrer Mitmenschen extrem zielgerichtet.

Ein erwähnenswerter Bereich der Wahrnehmungstäuschung ist die Pareidolie. Hierbei handelt es sich um die Tendenz, in chaotischen oder auch diffusen Reizen Muster zu finden. Das ist in einigen Situationen sehr nützlich, in anderen führt es zu falschen Schlussfolgerungen. Wenn Sie in die Wolken schauen und dort Gesichter oder auch Tiere sehen, ist das ein Fall von Pareidolie. Wir vervollständigen die Muster in unserem Kopf und schaffen Verbindungen, wo keine sind. Die Neurowissenschaft hat gezeigt, dass es ein spezielles Areal in unserem Gehirn für die Entdeckung von Gesichtern gibt. Klar, das Erkennen und Lesen von Gesichtern ist sehr wichtig für unser Leben – aber wenn wir auf einem Toast das Bild von Jesus entdecken oder das Gesicht eines geliebten Verstorbenen in einer Spiegelreflexion oder einem dunklen Fleck in einem Foto, dann werden wir schnell emotional und damit anfällig für Manipulation. Mit beiden hier genannten Beispielen wurde und wird Geld verdient. So können Sie zum Beispiel auf eBay alte »heilige« Toastbrotscheiben mit den eingeschimmelten Gesichtern von Michael Jackson oder der Jungfrau Maria kaufen. Das Ganze ging vor Jahren los, als eine Hausfrau in Florida das Bild der Jungfrau auf einem zehn Jahre alten Käsebelag auf einem Brot gesehen hat. Sie wurde darauf für kurze Zeit zum Medienstar. Der Wunsch, Kontakt mit Verstorbenen herzustellen, ist ein verborgener, aber sehr lukrativer Wirtschaftszweig.

3. Denktäuschungen

Das sind meine Lieblingstäuschungen. Für mich sind sie an Eleganz und Raffinesse kaum zu übertreffen. Es sind Täuschungen, die – so Zmeck – »durch Unkenntnis der angewendeten Gesetze« zustande kommen. Der Manipulator der Gedanken lenkt das Denken seiner Mitmenschen in völlig falsche Richtungen. Als ich noch als Close-up-Zauberkünstler mein Publikum in kleinstem Kreis unterhalten habe (daher der Name, »Close-up« bedeutet »ganz nah dran«. Close eben.), habe ich es geliebt, meine Fingerfertigkeit zu verstecken, indem ich zum Beispiel beim Mischen von Spielkarten ein paar Karten habe fallen lassen. Und auch bei unserer verschwindenden Münze lenken wir die Gedanken unserer Mitspieler in die falsche Richtung, indem wir die rechte Hand nach der scheinbaren Übergabe nicht direkt leer zeigen, sondern erst, kurz nachdem die Münze aus der linken Hand verschwunden ist. Die meisten Menschen neigen dazu, das, was sie sehen, theoretisch zu ergänzen. Diese gedanklichen Sackgassen sorgen in vielen Fällen für falsche Erinnerungen. Der Zuschauer ergänzt in Gedanken Details, die so gar nicht stattgefunden haben. So ist es für ihn unmöglich, das Geschehen richtig zu rekonstruieren. Auch dieses Prinzip wird in der Manipulation häufig genutzt. Zum Beispiel, wenn bei einer Zeugenbefragung suggestiv gefragt wird: »Wie schnell war das Auto, als es an dem Schuppen vorbeigefahren ist?« oder »Wie schnell war der weiße Sportwagen, als er in den Bus gerast ist?«. In Wirklichkeit stand da aber gar kein Schuppen und der Wagen war weder ein Sportwagen, noch war er weiß. Diese bewusst suggestiv gestellten Fragen sorgen für Bilder, die mit dem echten Erlebnis nichts mehr zu tun haben. Das knallharte Behaupten und Schaffen falscher Tatsachen ist eine der heftigsten Formen der Manipulation.