Mach's dir leicht, sonst macht's dir keiner - Heidi Wahl - E-Book

Mach's dir leicht, sonst macht's dir keiner E-Book

Heidi Wahl

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Beschreibung

Persönliche und private Krisen können das Leben auf den Kopf stellen. Nach Trennung, Jobverlust, Unfall und Krankheit ist nichts mehr so, wie es vorher war, Verlust von Leichtigkeit, Zuversicht, Mut und Optimismus eingeschlossen. Heidi Wahl stellt hier leicht zu erlernende und wirkungsvolle 'Rettungsanker' für belastende und schwierigen Zeiten, mit denen man sich aus den Tiefphasen selbst herausarbeiten kann. Die Zusammenhänge von Verhalten, Entwicklung, Motivation und Neurobiologie fließen in die einzelnen Kapitel dieses Buches ein. Wer dieses Buch liest, lernt die ausgeklügelten, flexiblen Überlebensstrategien der filigranen Schmetterlinge kennen - und diese auf sich selbst zu übertragen und im eigenen Leben anzuwenden. Das von Heidi Wahl ausgetüftelte MARIPOSA-Prinzip ist eine konkrete und innovative Methode des Selbstcoachings. Die verschiedenen Trainingstools sind leicht zu verstehen und sofortanwendbar. Die Werkzeuge und Techniken ermöglichen es dem Leser, sich entlang der von acht Bausteinen zu entfalten und zu entwickeln. Ziel ist ein selbstbestimmtes Leben mit weniger Stress, weniger Druck und schlechtem Gewissen, dafür mit mehr Freude und Leichtigkeit. Inspirierende Impulse kommen von Menschen, die sich getraut haben, auf Konventionen zu pfeifen, die ihr eigenes Ding machen und Krisen als Chance sehen. Mit vielen einfühlsam geführten Übungen und Aufgaben, angeleiteten Mini-Experimenten sowie wirksamen und alltagstauglichen Leitsätzen

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Die Autorin

HEIDI WAHL ist selbstständige Trainerin und Coach. Die Bergliebhaberin ist ausgebildete REVT-Beraterin, NLP-Master, Reiss Profile Master, Diplom-Sportpädagogin, Burnout-Beraterin, systemischer Coach sowie Redakteurin und Autorin von Büchern und Zeitschriftenartikeln. Seit Jahren beschäftigt sie sich intensiv mit Resilienz, Stressbewältigung und Burnout-Prophylaxe sowie mit Themen, die sich um Wörter, Sätze und Texte drehen – gedruckt oder gesprochen. In Seminaren und interaktiven Vorträgen macht sie Mut und motiviert Menschen, das zu tun, wofür ihr Herz schlägt. Gemäß ihrer Maxime: Denken und Handeln beflügeln! www.heidiwahl.de

Heidi Wahl

Mach’s dir leicht –sonst macht’s dir keiner

Resilienz tanken mit dem Mariposa-Prinzip

– EHP 2018 –

© 2018 EHP – Verlag Andreas Kohlhage, Gevelsberg

www.ehp-verlag.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Gedicht von Münir Sevim auf S. 5 hat der Autor selbst aus dem türkischen Original ins Deutsche übersetzt. Die Vertonung des Gedichts ist über die Internetseite des Autors zugänglich und wird 2018 als CD erscheinen. © Münir Sevim (www.munirsevim.com)

Dieses Buch ist auch als E-Book erhältlich

Umschlagentwurf: Uwe Giese

– unter Verwendung einer Zeichnung von Christian Klefke –

Abbildungen: Christian Klefke

Satz: MarktTransparenz Uwe Giese, Berlin

Gedruckt in der EU

Alle Rechte vorbehalten

All rights reserved. No part of this book may be reproduced or transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopying, recording or by any information storage and retrieval system, without permission in writing from the publisher.

print-ISBN 978-3-89797-105-9epub-ISBN 978-3-89797-622-1pdf-ISBN 978-3-89797-623-8

E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de

SCHMETTERLINGE

Im Traume standin seiden GewandWachen im FrühlingKündigen Zeit zur Liebe

Sie tanzen die wahren Künstesind stolz und verletzlichBunt, süß und seidigPrinz, Prinzessin der Fauna

Sie sind Schmetterlingeim Wirklichen sind Engelim Rausch voller Schwebenmit dem kürzesten Leben …

Münir Sevim

Inhalt

Prolog

1. Mariposa oder Faszination Schmetterling

Trecker fahren statt Party machen

Blöde Fragen gibt es nicht!

Sackgassen beschwingt verlassen

Acht Eigenschaften von Schmetterlingen

Mimese, die Kunst der Tarnung

Metamorphose, das ›fluginsektarische‹ Wunderwerk

Erst die Ruhe, dann das schillernde Leben

Kleiner Flügelschlag, großer Effekt

Sensibel, aber dennoch hart im Nehmen

[Übung: Anderer Blick, neue Erkenntnisse

Offen bleiben, Überleben sichern

Strategen mit ausgeklügelten Sinnen

Andere Länder, andere Sitten

2. Der Traum der Raupe

Clever: Raupen lassen sich von Ameisen massieren

Lust auf Neues und Abenteuer

Alles ist möglich: Profifußballer, Popstar oder Onlineshop-Besitzerin

Beispiel: Whoopie Goldberg steht auf Mayas Schals

Wissen sammeln bringt unser Gehirn auf Trab

Seminarbesuche: Strafe oder Belohnung?

Verhalten ändern? Dann heißt es durchhalten!

Aufgepasst: Normen, Regeln und Fettnäpfchen

Bonuszahlungen verflüchtigen sich schnell

Selbstbild: Statisch oder immer in Bewegung?

Pippi Langstrumpf sieht nur halbvolle Gläser

[Übung Auf die Stärken konzentrieren

3. Mein Kokon, mein Biotop

Optimales Klima im Kokon

Irgendwann kommt er: Der Auszug aus dem Kinderzimmer

Einst überlebenswichtige Einschätzung: Freund oder Feind?

Forscherbrille aufsetzen und in fremde Kokons kriechen

Maestro-Typ: Der flexible und neugierige Macher

Kolori-Typ: Hauptsache bunt und ungewöhnlich

Lomodo-Typ: Wir machen es wie immer!

Corazon-Typ: Großes Herz mit Harmoniezentrum

[Übung Inne halten: Wie ticken Sie?

Willkommen im Club der Kokonisten

[Übung: Für Einsteiger: Beobachten und Anschauen

[Übung für Fortgeschrittene: Beobachten und beschreiben

[Übung: Die Lupentechnik: Einfach und immer anzuwenden

4. Raus aus dem Kokon, rein ins Abenteuer Leben

Nach Ruhephase beginnt Umbau zum Falter

Schubser von außen: Entscheidungsbeschleuniger

Arsch-Engel öffnen die Augen

Leben mit dem Nötigsten

Kündigung machte den Weg frei

Beispiel: Vom Formel-1-Rennwagen in den Rollstuhl

Beispiel: Wachstumsschmerz oder die Kunst des Überlebens

Ihr Lebens-EKG

[Übung: Wie sieht Ihr Lebens-EKG aus?

Freiwillig und gezielt Veränderungen anstoßen

Veränderung folgt einer typischen Kurve

Beispiel: Cynthias Angst vor dem Zahnarzt

Individuell: Tiefe und Dauer des Prozesses

Unsere inneren Antreiber geben Energie

Kleinigkeiten bringen Perfektionisten gehörig durcheinander

[Übung: Antreiber-Test

Scheitern ist menschlich

Kopf oder Zahl – Münzen helfen beim Entscheiden

Warum wir an Bewährtem festhalten

Nein, die Anderen denken nicht wie Sie!

Sprichwörter treffen den Nagel auf den Kopf

Klarheit und rosige Aussichten statt Extraschleifen

[Übung: Fünf Säulen der Identität

Das Ende der Welt oder der Anfang des Schmetterlings

5. Der Flug des Schmetterlings

Schimmernder Schmetterlingsstaub

Gehandicapt durch Sturz, aber überlebt!

Das Leben ist endlich

[Übung: Mut trainiert die Flügel

Tun Sie nur noch, was zu Ihnen passt

Beispiel: Alles ist anders!

Macken als Special Effects einsetzen

Fehlender Lebenssinn macht mürrisch und unzufrieden

[Übung: Fünf Dinge, die heute gut liefen

Lebenszufriedenheit folgt einer U-Kurve

Gutes Gefühl: Tun Sie doch, was Sie wollen!

In der Ruhe liegt die Kraft: Auszeiten für die Muße

[Übung: Selbstgemacht: Eine »Ressourcen-Dusche« für mich

Beispiel: Lomodo-Strategien: Kleine Lügen und Kontern

Menschen können sich schlechter konzentrieren als Goldfische

[Übung: »Ich mache« macht vieles leichter

Lust auf Neues und Experimente

Das hilft sicher: Mutig vorwärts gehen

Werte bringen Herzen zum Klingen

Beispiel: Steiler Aufstieg, tiefer Fall

[Übung: Was ist Ihnen wirklich wichtig?

6. Das Mariposa-Prinzip

Heute aus dem Gestern für morgen lernen

Das Mariposa-Prinzip: Eins, zwei, drei – mach dich frei!

Mut: Trauen Sie sich!

Halten Sie Ihre »Fressfeinde« auf Abstand!

Ausdauer: Dranbleiben lohnt sich!

[Übung: Durchhalten mit der fünf-Finger-Technik

Ruhe: Runterkommen und auftanken

Kraftvoll abheben

Initiative: Mehr Dopamin, mehr Glück

Perspektive: Mariposition oder Neutraler (Ein-) Blick

Hilfreich: Stellen Sie sich neben sich!

Offenheit: Bloß keine Dino-Allüren!

Sinn: Synapsenparty im Alltag

Anfangen: Es lohnt sich!

[Übung: Aller Anfang gelingt leicht mit der A-Z-Liste

7. SchlussgeDanken

8. Literatur

9. Register

Prolog

Haben Sie manchmal das Gefühl, einen Klotz am Bein zu haben? So dicke Eisenkugeln, die schon morgens das Aufstehen erschweren und einem den ganzen Tag vermiesen? Oder vielleicht fühlen Sie sich manchmal gefangen im Hamsterrad und wissen nicht, wie Sie da jemals herauskommen sollen? Zu schnell, keine Bremse, keinen Notausstieg? Dann heiße ich Sie willkommen im Club. Im Club derer, die künftig entspannter, gelassener und leichter durchs Leben kommen wollen.

Sie fragen sich jetzt bestimmt: Wie soll denn das gehen? Ich habe doch schon so viele Dinge ausprobiert, bin in Kurse gegangen, habe den Job gewechselt und mich mit Freundinnen und Partner ausgetauscht und nichts hat etwas geholfen. Immer wieder gibt es Tiefpunkte und Stolpersteine, die einem die gute Laune verhageln. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Bleiben Sie dran, lassen Sie sich nicht entmutigen von Ihrem Vorhaben, mehr Leichtigkeit zu haben, mehr Genuss oder vielleicht mehr Zeit für sich, Ihre Lieben und Ihre Hobbies. Freuen Sie sich auf die Hochzeiten, die da noch kommen.

Klar, manchmal gibt es einfach Phasen im Leben, in denen wir unsere Entwicklung nicht pushen können, durch keine Droge dieser Welt – auch wenn wir es gerne täten. Da ist es nötig, dass wir uns, unseren Kokon, unsere Komfortzone genauer unter die Lupe nehmen und schauen, was eigentlich los ist. Praktisch eine Reise in unser Inneres starten. Und dabei prüfen, ob wir im Leben da angekommen sind und dort stehen, wo wir hinwollen. Im Laufe der Jahre gibt es immer wieder Momente des gefühlten Stillstands: keine Reaktion auf das Dutzend Bewerbungen, die man akribisch ausgearbeitet und abgeschickt hat. In der Hoffnung, den begehrten Job an Land zu ziehen. Oder der Umzug in das neue Büro verzögert sich wegen eines Wasserschadens um Monate. Man sitzt auf gepackten Kartons, null Bock, die Ordner wieder auszupacken und es sich wieder im alten Stil gemütlich zu machen. Doch dann, endlich, kommt der ersehnte Anruf! Von einem Moment auf den anderen fühlen Sie sich voller Energie, Sie machen Freudensprünge und umarmen den nächstbesten, der Ihnen über den Weg läuft. Bedienung, Kollege, Paketdienst, egal. Es geht wieder aufwärts. Ach, wie ist das Leben schön! Ganz besonders toll und fluffig ist das Leben für frisch Verliebte. Wenn Schmetterlinge im Bauch herumtollen und die Herzen höherschlagen lassen.

Schmetterlinge fand ich schon als Kind spannend. Also, ich meine richtige Schmetterlinge, Tiere eben. Und manchmal, aber wirklich ganz selten, ließ sich einer auf meinem Arm nieder. Im Garten meiner Eltern oder auf den Streuobstwiesen meiner Großeltern. Kurze Momente seltenen Glücks. Dabei hatte ich immer die Ermahnung meiner Oma im Ohr: »Keinen Schmetterling anfassen. Sonst kann er nicht mehr fliegen!« Besonders faszinierend ist es, die unterschiedlichen und wirklich eindrucksvollen Entwicklungsschritte bei Schmetterlingen zu beobachten: Erst ist da ein kleines Ei, aus dem eine Raupe wird, die sich schließlich verpuppt und in einem Kokon regungslos verharrt, ehe ein bunter Schmetterling schlüpft und von Blüte zu Blüte gleitet. Lautlos, leicht.

Stimmt das denn? Können Schmetterlinge tatsächlich nicht mehr fliegen, wenn man ihre Flügel betatscht? Ich habe das überprüft und Experten befragt: Nein, Schmetterlinge können dann immer noch fliegen, aber es ist viel mühsamer für die kleinen Insekten. Denn durch die Berührung verlieren sie Flügelschuppen, was sich beim Fliegen ungünstig auf die Strömungsverhältnisse auswirkt. Sie haben dann praktisch kleine Eisenkügelchen an ihren Beinen. Je mehr ich mich mit den Eigenschaften und Fähigkeiten von Schmetterlingen beschäftigte und je tiefer ich in die Lepidoptera-Materie einstieg, umso mehr beeindruckten sie mich und ich dachte: Wow, von denen kann man ja noch einiges lernen! Sie sind beispielsweise äußerst kreativ und offen für neue Lösungen, wenn sich die Umgebungsbedingungen ändern. Fällt kein Regen und sind alle Pfützen vertrocknet, dann löschen einige Spezialisten ihren Durst eben mit Tränenflüssigkeit anderer Tiere. Auch in Sachen Tarnung, Täuschung und Abwehr sind Schmetterlinge Ausnahmekönner. Alles nur um zu überleben.

Menschen, die gerne mal »Ja« sagen, aber »Nein« denken, ärgern sich hinterher oft grün und blau. Wenn sie es mal wieder nicht geschafft haben, die zuvor akribisch ausformulierten und zurechtgelegten Sätze wie »Nein, ich kann dieses Mal keinen Kuchen backen« oder »Heute kann ich die Präsentation nicht mehr ändern, ich muss meinen Sohn zum Fußballtraining fahren« über die Lippen zu bringen. Und dann ganz bedröppelt dastehen, mit hängenden Schultern, niedergeschlagen und sich fest vornehmen: »Beim nächsten Mal mache ich das anders! Ganz sicher!«

In den folgenden Kapiteln beantworte ich Fragen, die Sie wahrscheinlich auch brennend interessieren: Was machen Menschen, die ihr Ding machen und daher mit Leichtigkeit durchs Leben schweben, eigentlich anders? Wie kommt es, dass einige meiner Freunde gerne zur Arbeit gehen, während andere die Tage bis zur Rente zählen? Oder eine Abteilungsleiterin mir auf dem Weg zur Kantine erklärt: »Ich warte eigentlich nur darauf, dass ich Oma werde.« Es ist ihr zu anstrengend, einen anderen Job zu suchen. »In meinem Alter finde ich ja sowie nichts mehr.« Stattdessen verlässt sich Gisela darauf, dass das ersehnte Enkelkind künftig ihrem Leben wieder einen Sinn gibt und sie als Oma beim Kinderwagen-Schieben aufblüht. Diese Haltung konnte ich nicht nachvollziehen. Ich fragte Gisela irritiert: »Und was machen Sie, bis Sie Oma werden? Das kann ja noch dauern, Ihre Tochter ist doch gerade erst 22 geworden.« »Nichts. Ich mache so weiter wie jetzt.«

Dieses kurze Gespräch beschäftigte mich so sehr, dass ich mich auf die Suche machte. Nach Mechanismen und Mustern, die solche Denkweisen fördern. Aber auch nach Voraussetzungen und Faktoren, die Leichtigkeit, Spaß und Freude ins Leben bringen. Theoretisch und praktisch. Als Trainerin und Coach habe ich dazu jede Menge Gelegenheiten. Auch in meinem Leben gab es Situationen (Trennung, Jobverlust, Krankheit, Unfall), die mich ganz schön gebeutelt haben. In der akuten Phase zählt nur das Durchkommen, das Überstehen der aussichtslosen Lage. Wenn sich das Chaos etwas gelichtet hat, geht es um die Frage: Wie gewinne ich wieder die Leichtigkeit, mit der ich vorher durchs Leben gegangen bin? Und wie gestalte ich meinen weiteren Lebensweg, so dass ich jeden Tag zufrieden bin und mich abends im Bett an die kleinen angenehmen Momente erinnern kann?

In diesem Buch will ich Ihnen Zusammenhänge aufzeigen, die Sie so vielleicht noch nicht gesehen haben: Die Entwicklung der Leichtigkeit ähnelt der Metamorphose bei Schmetterlingen. Das hat die Natur ganz schön raffiniert eingefädelt, Respekt! Bei meinen Erkundigungen habe ich zudem erstaunt festgestellt, welche entscheidende Rolle unser Gehirn und die darin ablaufenden neurobiologischen Vorgänge spielen. Sie werden sich wundern, was unsere grauen Zellen so treiben, wenn wir ihnen freien Lauf lassen: Was sie einmal gelernt haben, wollen sie auf Teufel-komm-raus beibehalten. Ganz schön fiese Nummer. Die gute Nachricht: Mit Beharrlichkeit und einigen Tricks lässt sich selbst das eingefahrenste Hirn umprogrammieren. Sofern der Besitzer sich dazu entscheidet und sich nicht durch Versprechungen wie »auf dem Sofa ist es viel schöner als im Fitnessstudio« beeinflussen lässt. Das kommt Ihnen bekannt vor? Prima, dann freuen Sie sich auf die Episoden von Bekannten, Seminarteilnehmern oder Coaching-Klienten (alle Namen geändert). Wahrscheinlich stellen Sie fest: Oh, so was Ähnliches habe ich auch schon mal gedacht oder erlebt. Und vielleicht entdecken Sie wertvolle Hinweise oder Tipps für Ihre eigene Weiter-Entwicklung.

Ich gebe Ihnen mit dem MARIPOSA-Prinzip acht Schlüssel an die Hand, mit denen Sie an den verschiedenen Rädchen drehen können und mit denen Sie geschmeidiger durch Hochs und Tiefs gleiten. Einfache Methoden und alltagstaugliche Techniken helfen Ihnen, Ihre Wahrnehmung zu trainieren, damit Sie eingerostete Bremsklötze und Schrauben rasch erkennen und lösen können. Denn Sie wollen doch Ihre Energie und Ihr Know-how zielgerichtet in den Bereichen einsetzen, die Sie für sinnvoll halten, oder? Und sich öfter trauen, das zu sagen und das zu tun, was Sie für sich als richtig ansehen. Also Ihre PS auf die Straße bekommen, selbst wenn der Partner oder die Freundin eingefleischte Fahrradfahrer sind. Und aktiv Situationen angehen, vor denen Sie sich bislang gedrückt haben. Ja, genau, ich meine das zerrüttete Verhältnis mit XY, das Ihnen schon seit Wochen den Schlaf raubt und Ihnen schwer im Magen liegt. Ich kann das Gespräch nicht für Sie führen, doch ich zeige Ihnen, wie Sie sich darauf mental vorbereiten können und dann selbstbewusst zum Telefonhörer greifen und die Angelegenheit elegant aus der Welt schaffen.

Nach der Übung »Lebens-EKG« werden Sie mit anderen Augen auf die einschneidenden Erlebnisse in den vergangenen Jahren schauen und staunen, wie gut Sie vieles gemeistert haben und weiterhin meistern werden. Sie erkennen, welche Kompetenzen und Stärken in Ihnen schlummern, die manchmal, ruckzuck, von Verhaltensmustern und Denkweisen aus der Kindheit in die hinterste Ecke gedrängt werden. Sie bekommen aber auch Ideen und Vorschläge, wie Sie sich aus dieser ungünstigen Position befreien können. Ganz besonders viel Spaß beim Lesen werden Sie auf den Seiten haben, wo wir gemeinsam pädagogische Leitsprüche wie »Das macht man nicht!« oder »Nur die Harten kommen in den Garten« auseinanderpflücken. Dieses Wissen wird Ihnen helfen, souveräner und gelassener auf die Kapriolen des Lebens zu reagieren.

Vielleicht sind Sie nach der Lektüre des Buches so motiviert, dass Sie sich mutig auf die Suche nach einem passenderen Job oder nach einem befriedigenden Hobby machen. Vielleicht buchen Sie wild entschlossen die lang ersehnte Reise nach Bali? Es kann auch sein, dass Sie ganz kleine Schritte gehen und damit starten, Ihr Augenmerk auf die positiven Dinge zu lenken, auf das, was Ihnen täglich gelingt. Abends, im Bett. Ziel ist, das Denkorgan aus seiner Wohlfühlzone zu bugsieren. Ihre eigene Situation etwas besser zu verstehen und Ihnen einen Ansporn zu geben, sich von Altlasten zu befreien und Ihr Leben dadurch wieder leichter werden zu lassen. Mit Hilfe der acht Gebote des MARIPOSA-Prinzips schaffen Sie das! Das Gute daran: Sie müssen nicht bei M, beim ersten Punkt beginnen. Sie können auch beim S starten. Hauptsache, Sie fangen an!

1. Mariposa oder Faszination Schmetterling

Wer Schmetterlinge lachen hört, der weiß, wie Wolken schmecken …

(Carlo Karges)

Blut rühren war mein erster Ferienjob. Eine verantwortungsvolle Aufgabe für eine Siebenjährige. Das rotbraune Schweineblut mit beiger Schaumkrone im weißen Plastikeimer musste immer in Bewegung bleiben, damit es nicht gerann. Also rührte ich immerzu. Einmal linksherum, einmal rechtsherum. Immer abwechselnd. Meine Mutter fand das alles sehr eklig. Das Blut, der Geruch, die Borsten, die vollen Schweinedärme. Für mich war es einfach nur aufregend, ein Highlight in den Herbstferien, auf das ich mich schon wochenlang vorher gefreut habe. Mich faszinierte der ganze Ablauf der Schlachtung, die einzelnen Schritte, die fette Speckschicht unter der Haut und besonders das Innenleben der Schweine. Ich bekam große Augen beim Anblick von Herz, Hirn, Nieren, Darmschlingen und Leber. Wie unterschiedlich doch die einzelnen Organe waren! Hinsichtlich Form, Farbe, Aufbau und Struktur. Und natürlich durfte ich die Innereien auch anfassen. Natürlich erst nachdem ich Stein und Bein geschworen hatte, meine Hände vorher gründlich gewaschen zu haben. Während sich die Leber eher labberig anfühlte, war das Herz kompakt, der Darm glitschig und zart zugleich. Und niemand hat es gestört, dass ich ’zig Fragen stellte und alles genau wissen wollte. Hauptsache, ich stand nicht im Weg herum und behinderte die Erwachsenen.

Wir haben früher zuhause auf der Schwäbischen Alb bei uns im Haus, besser gesagt, in der Garage geschlachtet. Die Schweine züchteten meine Großeltern, Metzgermeister Gerhard tötete, zerlegte und verarbeitete die Tiere und danach hatten wir in der Gefriertruhe Unmengen Schnitzel, Braten und Rouladen. Leber- und Blutwürste wurden in Därme oder Dosen gefüllt. Klassische Selbstversorgung, alles biodynamisch und wahnsinnig lecker.

Als Kind war ich nicht nur beim Schlachten dabei, sondern ständig im Stall von Oma und Opa. Ich fütterte Schweine und Hühner, streichelte Katzen, Kälber und Kühe. Sie kennen das Gefühl einer rauen Kuhzunge auf der Hand? Herrlich. Wahnsinnig traurig war ich jedoch, als ich eines Morgens das sehnsüchtig erwartete, in der Nacht zuvor geborene Kalb sehen wollte: es war tot. Der Kadaver lag zugedeckt unter einer Decke in der Scheune, auf dem kalten Steinboden. Abholbereit für den Tierverwertungs-Laster. »Warum musste das Kälbchen sterben?«, fragte ich meine Oma. »Es war einfach zu schwach. Das passiert halt manchmal. Das gehört dazu zum Leben.« Ich fand das nicht gut, nahm das aber kommentarlos hin. Denn wenn das die Oma sagt, dann ist das so. Meine Oma – ich nannte sie auf gut schwäbisch »Ahna« – kannte alle Facetten von Freud und Leid im Stall.

Trecker fahren statt Party machen

Tiere und Technik. Das waren damals meine Favoriten. Neben Skifahren, Handball und Lesen. Unseren hellblauen Traktor konnte ich schon als Grundschülerin auf dem Acker durch die Heuballen steuern – ohne mit den Füßen aufs Gaspedal zu reichen. Das war kein Problem, denn Opa (»Ene«) legte den ersten Gang für mich ein und ich grinste breit hinterm Lenkrad. Als Teenie lernte ich unter Ahnas Aufsicht mit der Hand melken und an meinem Geburtstag im September war immer Kartoffeln auflesen angesagt statt Party. Das hat mich damals natürlich unendlich genervt. In der Landwirtschaft mithelfen war ziemlich uncool, denn meine Freunde spielten stattdessen Fußball oder schauten fern.

Urlaub auf dem Bauernhof ist heutzutage für Kinder der Renner. Ich hatte das damals ständig, ungewollt und unfreiwillig. Doch zugegebenermaßen gab es auch viele schöne Momente, etwa wenn das Heu kurz vor dem Gewitterschauer trocken in der Scheuer war oder die Vesperpausen auf dem Feld, im Schatten von Bäumen. Mit selbstgebackenem Brot, Hausmacher-Leberwurst, Most und Dutzenden von Schmetterlingen. Sie beim Essen zu beobachten, war einfach toll. Und manchmal ließ sich sogar einer auf meinen Füßen nieder. Das waren dann ganz besondere Momente. In denen ich absolut ruhig sitzen konnte. Meine Oma erklärte mir die einzelnen Schmetterlinge. »Das da ist ein Kohlweißling und der da drüben heißt Pfauenauge.« Ich war fasziniert. Wie unterschiedlich die Schmetterlinge doch waren. Und wie fragil, verletzlich. Im Gegensatz zu den robusten Kühen, Schweinen und Hühnern im Stall.

Auch wenn ich damals gelegentlich genervt war von der Landwirtschaft: Im Nachhinein profitiere ich von dem, was ich en passant in Stall, auf Acker und Wiesen über Tiere, Pflanzen und Jahreszeiten gelernt habe. Zwar kann ich in unserer Münchner Stadtwohnung weder Hühner noch Schweine halten, aber Gärtnern ist inzwischen meine große Leidenschaft. Sie erdet mich, macht Kopf und Gedanken frei. Nach den »Eisheiligen« im Mai lege ich los im Schrebergarten um die Ecke, säe Radieschen und Blumen, pflanze Salat, Kohlrabi, Fenchel, Gurken und Rucola. Und freue mich über jedes neue Blatt und jede neue Blüte. Beim Gärtner meines Vertrauens kaufe ich stets eine italienische Zucchinipflanze, die ich täglich besuche und ungeduldig auf die erste Frucht warte! Den grünen Daumen habe ich von Oma und Mama geerbt. Und auch mein Interesse für Tiere und Pflanzen, deren Entwicklung und Gedeihen übers Jahr hinweg, wurde in meiner Kindheit geweckt. Schon in der Grundschule habe ich Heimat- und Sachkunde geliebt und nach dem Abitur wollte ich Biologie studieren. Letztlich entschied ich mich aber für ein Germanistik- und Sportstudium an der Uni Tübingen zum Start meiner beruflichen Laufbahn – mit dem Ziel Gymnasial-Lehrerin zu werden.

Blöde Fragen gibt es nicht!

Anfangs war ich mit diesem Berufsziel und der Fächer-Kombi ganz happy, doch nach einigen Semestern wurden die Germanistik-Seminare zur Qual. Die anfängliche Begeisterung, Leichtigkeit und Motivation waren verflogen. Gelegentlich bereute Frau Wahl ihre Wahl. Was tun: Weitermachen? Aufhören? Fach wechseln? Alle möglichen und unmöglichen Alternativen und Argumente wälzte ich durch meine Gehirnwindungen. Ich kam nicht weiter. Coaches oder Mentoren gab es damals noch nicht. Im Nachhinein betrachtet wäre solch eine Unterstützung in dieser Phase für mich genau das Richtige gewesen. Also verharrte ich damals in meinem Kokon und zog das Studium durch – denn ausdauernd und diszipliniert war ich schon immer. Außerdem hatte ich trotz allem ein gutes Bauchgefühl und mein Motto, der antreibende Gedanke im Kopf, hieß damals und heißt auch heute noch: »Es wird schon für etwas gut sein und seinen Sinn haben, auch wenn ich momentan noch nicht weiß, für was.«

Genau so war es. Parallel zum Studium begann ich in der Sportredaktion eines Regionalradios zu arbeiten. Texte schreiben, Anmoderationen auf den Punkt bringen, Nachrichten knapp und präzise formulieren – das alles fiel mir relativ leicht, obwohl ich journalistische Anfängerin war. Die Arbeit als rasende Reporterin machte mir vor allem großen Spaß und ich bekam prima Feedback von Kollegen und Hörern. Mein ursprüngliches Berufsziel (ver-) wandelte sich von Lehrerin zu Journalistin! Plötzlich profitierte ich von der ungeliebten Germanistik, den scheinbar nutzlosen Linguistik-Vorlesungen. Ich konnte das mühsam Gelernte und Studierte erst beim Radio, dann bei der Tageszeitung »Schwäbisches Tagblatt« praktisch anwenden. Der endgültige Abschied vom Lehrerinnendasein und der Beginn meiner Ausbildung zur Redakteurin ließ nicht lange auf sich warten.

Als Journalistin konnte ich einige meiner Leidenschaften und Charakterzüge voll ausleben: mit interessanten Menschen reden, neue Leute kennenlernen, neugierig sein, Augen und Ohren aufsperren. Auf dem Fußballplatz, im Gemeinderat oder bei den Kleintierzüchtern. Das Schöne am journalistischen Arbeiten bringen acht Worte auf den Punkt: Es gibt keine blöden Fragen, nur blöde Antworten. So bin ich doch noch Forscherin geworden, wenn auch nicht in der Biologie, sondern in den Medien. Lange Jahre war das für mich der optimale Job – als freie Journalistin oder festangestellt in Redaktionen, beim Radio, bei Tageszeitungen, Agenturen und Magazinen. Doch das Unterrichten fehlte mir, die Lehrerin in mir kam mit den Jahren nicht mehr auf ihre Kosten. Also berufliche (Ver-)Wandlung, die Zweite. Selbstständige Trainerin, Autorin und Coach bin ich nun und mit diesem Trio voll in meinem Element. Und noch immer profitiere ich von meinem Germanistikstudium, wenn ich Schreibwerkstätten für Kunden abhalte und Öffentlichkeitsarbeit unterrichte.

Bis ich jedoch so weit war, hatte ich einige schlaflose Nächte, öfters Minus auf dem Konto, schlechte Laune und die immer wiederkehrende Frage im Kopf: Wo und wann kommt endlich der nächste Auftrag? Von Leichtigkeit weit und breit nichts zu sehen. Weder bei mir noch bei vielen Freunden, Kunden und Seminarteilnehmern.

Sackgassen beschwingt verlassen

Das kann doch nicht sein, dachte ich mir. Was sind die Ursachen für diese Unzufriedenheit und Verbissenheit? Muss das sein, kann es nicht mal nur flutschen im Leben? Immer dieses ständige Auf und Ab, drei Schritte vorwärts, zwei zurück. Manche Menschen stehen sich gar selbst im Weg und machen sich das Leben schwer, bauen sich ihre eigenen Einbahnstraßen und Sackgassen. Von persönlicher Weiterentwicklung ist wenig zu sehen, immer derselbe Trott und dieselben Geschichten. Andere hingegen schaffen es trotz Liebeskummer, Kündigung oder Krankheiten, beschwingt nach vorne zu schauen. Was macht den Unterschied und wie sehen die Erfolgsrezepte aus?

Ich fing an zu suchen. Im Internet, in Büchern, in Fortbildungen, in Gesprächen mit Experten und Freunden, in Workshops und Seminaren. Im Münchner Tierpark Hellabrunn – für den Zoo habe ich schon eine gefühlte Ewigkeit eine Jahreskarte –, in den Bergen, an meinem Lieblingssee und im Botanischen Garten München-Nymphenburg. Während der Wintermonate kann man dort in einem umgebauten Gewächshaus tropische Schmetterlinge aus direkter Nähe beobachten. Waren Sie vielleicht schon mal mit Ihren Kindern in einer Schmetterlingsfarm oder Ausstellung? Ich bin praktisch eine Wiederholungstäterin und bei jedem Besuch immer wieder fasziniert von der wundersamen Metamorphose: Erst liegt da ein winziges Ei, aus dem eine gefräßige Raupe wird und schließlich – nach einer Ruhe- und Entwicklungsphase im Kokon – verwandelt sich die Puppe in einen (farbenfrohen) Schmetterling. Ein Wunderwerk der Natur mit faszinierenden Eigenschaften. Finden Sie nicht auch?

Falls Sie schon immer mal mehr über Schmetterlinge erfahren wollten, doch weder Zeit noch Muße hatten und sowieso überhaupt keine Lust auf dicke Wälzer, kein Problem. Die Recherche in Schmetterlingsausstellungen und in der (Online-)Literatur habe ich übernommen und die wichtigsten Punkte, Eigenschaften und Besonderheiten der farbenprächtigen und filigranen Insekten zusammengefasst. Biologen können jetzt schon mal die Nase rümpfen und sich über fehlende Fachbegriffe sowie mangelnde wissenschaftliche Details mokieren. Für die anderen Leser und Leserinnen gilt: Tauchen Sie mit mir in die Geheimnisse von Metamorphose, Mimese und Mimikry ein. Lassen Sie sich überraschen und staunen Sie!

Acht Eigenschaften von Schmetterlingen

Je länger ich mich mit Schmetterlingen beschäftigt habe, umso größer wurde nicht nur mein Wissen, sondern auch mein Respekt vor diesen Wesen. Wirken sie auf den ersten Blick unscheinbar und zerbrechlich, haben sie es bei genauerer Betrachtung faustdick hinter den Ohren – Näheres wird bei »Strategen mit ausgeklügelten Sinnen« beschreiben – und sind ganz schön ausgebufft. In vielen verschiedenen Bereichen. Mit allerlei Tricks halten angehende und erwachsene Schmetterlinge beispielsweise ihre Feinde auf Abstand und schaffen es so, munter und unbehelligt von einer Blüte zur anderen zu kommen. Weitere Besonderheiten und Fähigkeiten, die ich bei meinen praktischen und theoretischen Exkursionen im Schmetterlingsreich entdeckt habe, stelle ich Ihnen auf den nächsten Seiten vor. Sie sind die Basis für das von mir entwickelte MARIPOSA-Prinzip, in dem ich sozusagen das kleine Einmaleins der Schmetterlingskompetenzen und Fähigkeiten zusammengefasst, »übersetzt« und menschentauglich gemacht habe. Doch dazu später.

Bei meinen Besuchen bei den Nymphenburger Schmetterlingen und meinen Forschungen ist mir aufgefallen, dass die Metamorphose die Zeit braucht, die sie eben braucht. Keine Phase kann übersprun gen werden, jede ist nötig, damit sich aus dem Ei irgendwann ein Schmetterling entwickelt. Das hat die Natur so festgelegt. Eine Phase folgt auf die andere. Punkt. Da ist nichts zu machen, man kann nur zuschauen, abwarten, genießen und staunen. Ein Blick auf die Uhr ist zwecklos: Der Schmetterling schlüpft trotzdem nicht schneller aus dem Kokon. Wie schön wäre es, wenn wir unsere eigene Entwicklung und die dafür benötigte Zeitspanne auch so gelassen hinnehmen könnten! Und was wäre, wenn das meine Coaching-Klienten so sehen würden? Etwa Harry Groß, der immer völlig gehetzt zu unseren Terminen erscheint und dem alles nicht schnell genug geht? Der Teamleiter eines Automobilzulieferers würde am liebsten seinen Mitarbeitern von heute auf morgen neue Arbeitsabläufe diktieren, die sie sofort umsetzen sollen. Harry Groß würde wahrscheinlich einen mittelschweren cholerischen Anfall bekommen, wenn er Schmetterlinge beim Schlüpfen beobachten sollte. Denn Geduld, stillsitzen, beobachten, sich auf wechselnde äußere Umstände einstellen – diese Dinge gehören definitiv nicht zu seinem Repertoire. Da könnte er sich von den geflügelten Insekten einiges abschauen, dachte ich im gut geheizten Gewächshaus. Die erste Idee für dieses Buch flatterte durch mein Hirn … Bis es den richtigen Aufbau hatte, geschrieben, überarbeitet und gedruckt war, durchlief es auch verschiedene Stadien, genau wie ich selbst. Und benötigte seine Zeit.

Lassen Sie uns mit den kleinen, feinen Charakterzügen von Schmetterlingen beginnen. Auch wenn manche Leser bereits an dieser Stelle gerne erfahren würden, was sie von Schmetterlingen lernen können. Doch auch hier gilt: Eins nach dem anderen.

Mimese, die Kunst der Tarnung

Dass am Ende der Entwicklungskette, also der von Experten so genannten Metamorphose, tatsächlich ein Schmetterling aus dem Kokon schlüpft, klappt nur im günstigsten Fall. Im Botanischen Garten stehen die Chancen gut – bei optimalen Temperaturen und ohne hungrige Fressfeinde. In freier Wildbahn sind Schmetterlinge hingegen für Vögel, Fledermäuse, Wespen und Fliegen ein Leckerbissen. Um nicht gefressen zu werden, haben sich Schmetterlingsraupen verschiedene Abwehrmechanismen angeeignet: Sie imitieren giftige und gefährliche Tiere, Mimikry (Warntracht) ist dazu der Fachbegriff. Tagpfauenauge und Nachtpfauenauge etwa haben Augenflecke auf ihren Flügeln. Die angedeuteten Tieraugen verwirren Räuber dermaßen, dass sie an der falschen Stelle zubeißen. Schwalbenschwänze sind noch raffinierter: mit ihren zwei Augenflecken plus entsprechender Körperhaltung führen sie ihre Fressfeinde erfolgreich in die Irre.

Wiederum andere Schmetterlinge imitieren Blätter, Zweige, welkes Laub oder gar Vogelkot (Mimese). Einige Arten wehren sich mit Dornen, die bei Berührung Gift abgeben, oder mit starker Behaarung. Beispielsweise haben die Raupen des Eichen-Prozessionsspinners über 600.000 giftige Härchen, die bei Menschen Allergien auslösen können. Dazu ist nicht einmal direkter Hautkontakt nötig. Es reicht, wenn man unter befallenen Bäumen die Picknickdecke ausbreitet. Das könnte des Rätsels Lösung sein, falls Sie sich schon mal gefragt haben, warum Ihre Unterarme nach einer Brotzeit im Grünen so jucken.