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Ist unsere liberale Demokratie noch zu retten? Markus Vahlefeld analysiert in seinem zweiten Buch mit verstörender Klarheit den Irrsinn, in den die deutsche Politik ihre Bürger treibt. Sachlich fundiert, scharfsinnig und doch immer auch humorvoll führt er unseren absurden Zeitgeist vor. Im Mittelpunkt der Betrachtung: Eine Kanzlerin zwischen Beliebigkeit und Machtbesessenheit, die sich berufen fühlt, nicht nur den Westen und Europa, sondern auch Deutschland zu zerreißen.
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Seitenzahl: 268
Veröffentlichungsjahr: 2018
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GRUSSWORT
von Henryk M. Broder
Wer die Ereignisse der letzten drei Jahre aktiv – im Beruf – oder auch nur passiv – im Fernsehen – verfolgt hat, der kann nur zu einem Schluss kommen: Die Bundesrepublik ist ein Irrenhaus.
Historiker kommender Generationen werden alle Hände voll zu tun haben, um herauszufinden, wie es so weit kommen konnte. Wie ein politisch zwar träges aber alles in allem doch gut funktionierendes föderales System dermaßen enteiert werden konnte, dass alle relevanten Entscheidungen nur noch an einem Ort – in Berlin, im Bundeskanzleramt, im sogenannten Koalitionsausschuss, einer Regierung in der Regierung – getroffen wurden, in endlosen Sitzungen, die bis zum Morgengrauen dauerten, als ob die Teilnehmer tagsüber nicht zum Regieren kämen, weil sie sich um Pflegefälle innerhalb ihrer Familien kümmern müssten.
Wie es dazu kommen konnte, dass zwei Tage vor dem großen Fest der nationalen Einheit 2018 ein „Umsturzversuch“ bekannt gegeben wurde, den acht rechtsradikale Irre geplant und schon mal in einem Chemnitzer Gartenlokal geübt hatten. Unter Umgehung aller Regeln zur Unschuldsvermutung, die selbst für jene gelten, die auf frischer Tat beim Abfackeln von parkenden Autos erwischt werden, wurde der Eindruck vermittelt, als wäre die Bundesrepublik in letzter Minute vor einem Staatsreich bewahrt worden.
Wie es dazu kommen konnte, dass die Dieselfrage zu einer Angelegenheit von Leben oder Tod hochgefahren wurde, während die „innere Sicherheit“ und die infolge einer hysterischen „Willkommenskultur“ entstandenen Probleme als „gefühlte Gefahren“ verharmlost wurden.
Jeder Tag, den der Herr uns schenkt, beweist aufs Neue die Richtigkeit einer Sottise von Oskar Panizza. „Der Wahnsinn, wenn er epidemisch wird, heißt Vernunft.“
Ich vermute, der Satz steht, in eine Tafel aus Marmor gemeißelt, auf dem Schreibtisch von Angela Merkel und auch auf den Karten, die sie bei ihren Reisen durch die Republik signiert. Ich bin mir nur nicht sicher, ob sie ihn richtig verstanden hat.
Es bleibt nur ein Trost: Nichts bleibt unbemerkt. Es wird alles protokolliert, von den Anmoderationen Claus Klebers im heute journal bis zu den Reden der Kanzlerin und ihrer Klone. Historiker kommender Generationen werden genug Material vorfinden, um sich ein Bild machen zu können, wie die drittgrößte Industrienation der Welt, der Weltmeister der Herzen, die Brutstätte des kategorischen Imperativs und des Ehegattensplittings sich so weit von der Wirklichkeit entfernen konnte, bis nur noch das Reinheitsgebot übrig blieb, wonach Bier aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser hergestellt werden darf.
Zu den Materialien, die den Historikern dabei helfen werden, gehört auch dieses Buch. Markus Vahlefeld hat es mit eiskalter Glut geschrieben. Mögen sich die Richtigen daran die Finger verbrennen.
Henryk M. Broder, Berlin im Oktober 2018
1
DEUTSCHLAND AUF DER COUCH
Zwischen Weltkrieg Zwei und Drei drängten sich die Deutschen an die Spitze der Humanität und Allgüte. Der Gebrauch des Wortes ›Humanitätsduselei‹ kostete achtundvierzig Stunden Arrest oder eine entsprechend hohe Geldsumme. Die meisten der Deutschen nahmen auch, was sie unter Humanität und Güte verstanden, äußerst ernst. Sie hatten doch seit Jahrhunderten danach gelechzt, beliebt zu sein. Humanität und Güte erschien ihnen jetzt der beste Weg zu diesem Ziel. Sie fanden ihn sogar weit bequemer als Heroismus und Rassenlehre.
Franz Werfel 1946 in: Stern der Ungeborenen
Die Grenzöffnung für alle vom Spätsommer 2015 markiert für Deutschland einen ähnlich epochalen Einschnitt wie der November 1989, als ebenfalls eine Grenze fiel. Wuchs damals zusammen, was zusammengehörte, so brach 2015 das Land erneut entzwei.
Die physischen Grenzen, die man 1989 noch jubelnd niedergerissen hatte, wurden 2015 mit atemberaubender Rigidität imaginär wieder hochgezogen. Dass der neue alte Grenzverlauf nun abermals den scheinbar progressiven Westen vom dunkel-reaktionären Osten trennte, diese Mär glaubten und glauben nur diejenigen, die am neudeutschen Narrativ des „braunen Sachsens“ und „Dunkeldeutschlands“ mitstrickten, um ihren ideologischen Unter- und Überbau zu tarnen. In Wahrheit verläuft der neue Gesinnungs-Grenzverlauf seit 2015 zwischen den Gläubigen einer post-nationalen „One-World“-Ideologie und den besorgten Vertretern einer nationalstaatlichen Identität. Wer auf letztere pochte und sie weiterhin zu bewahren trachtet, findet sich schnell in der Ecke der Ressentiment-geladenen sogenannten „Abgehängten“ wieder.
Auf eine nationalstaatliche Identität zu bestehen, mutet vielen Deutschen in der Tat wie aus der Zeit gefallen an. Die intellektuellen Eliten Westdeutschlands hatten sich schon in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts von dem Konzept eines Nationalstaats verabschiedet, standen doch bereits damals Begrifflichkeiten wie Volk oder Nation unter dem Verdacht einer faschistoiden Weltanschauung. Der westdeutsche Zeitgeist, der sich im Härtebad aus 1968er-Mythos, Studentenunruhen, Straßenschlachten, RAF, maoistischen, stalinistischen und anderen die individuelle Freiheit abschaffen wollenden Splittergruppen herausgebildet hatte, galt fürderhin als einzig zukunftsfähig. Progressiv und weltoffen war nunmehr, anstatt von einem Volk oder einer Volksgemeinschaft vom ver-gleichsweise unverdächtig anmutenden Terminus technicus der „Gesellschaft“ zu sprechen.
Eine Gesellschaft definiert sich aus Funktionsweisen, demgegenüber gründet und eint eine Gemeinschaft deren Homogenität. Diese Homogenität galt jedoch den Westdeutschen, zu deren zwingendem Selbstverständnis es gehört, aus der Geschichte gelernt zu haben, durch den Nationalsozialismus als nachhaltig kontaminiert. Um künftig also niemals wieder einer faschistischen Weltanschauung anheimfallen zu können, hatte sich das deutsche Volk zu einer eigenschaftslos funktionierenden Gesellschaft zu läutern.
Zeitgleich hatte man östlich des antifaschistischen Schutzwalls den von Honecker & Co zwangsbetreuten Traum einer sozialistischen Internationale zu träumen, welcher, das war das erklärte Plansoll, bald schon die ganze Weltgemeinschaft umfassen sollte. Dass die Menschen östlich der Elbe diese Zwangsbeglückung irgendwann satt hatten und die herrschende Klasse zum Teufel jagten, dürfte für einen nicht unbeträchtlichen Teil der westdeutschen Eliten die größte Schmach gewesen sein, hatte sich doch nach dem erfolg-reichen Marsch durch die Institutionen eine neue Klassenelite in Westdeutschland etabliert, die aus ihren Sympathien für die große sozialistische Internationale keinen Hehl mehr machen musste.
Wirft man einen Blick auf das Kabinett I (1998-2002) und das Kabinett II (2002-2005) von Gerhard Schröder, so trifft man viele bekannte Gesichter aus sozialistischen, maoistischen oder stalinistischen Gruppen wieder. Der gewalttätige RAF-Sympathisant und spätere grüne Außenminister Joschka Fischer dürfte der Prominenteste sein. Aber auch seine Parteikollegen Jürgen Trittin (Kommunistischer Bund, später Umweltminister), Renate Künast (vom Verfassungsschutz beobachtet, später Landwirtschaftsministerin) oder Andrea Fischer (Gruppe Internationaler Marxisten, später Gesundheitsministerin) reihen sich in die Phalanx der grünen Sozialisten nahtlos ein.
Dass der Traum vom Sozialismus jedoch nicht nur ein grüner ist, machen auch viele SPD-Kabinettsmitglieder unter Schröder deutlich: Ulla Schmidt (Kommunistischer Bund Westdeutschlands, später Gesundheitsministerin), Brigitte Zypries (gemeinsam mit dem amtierenden Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier in der Redaktion des DKP-nahen Pahl-Rugenstein Verlags, später Justizministerin) oder Renate Schmidt, die eine Ortsgruppe der Sozialistischen Jugend Deutschlands gründete und später Familienministerin wurde. Alle diese Namen betreffen ausschließlich die erste Reihe an Ministern. Was auf den unteren Ebenen an Staatssekretären, Ministerialdirektoren, -räten und -dirigenten und schließlich in Bundesämtern und Universitäten durch das Fegefeuer des sozialistischen Traums ging, füllt ganze Bibliotheken.
Vor allem: der doch auffällige Überhang an Begeisterung für Maoismus, Stalinismus, Marxismus und Kommunismus in den rot-grünen Kabinetten Schröder holte und holt in Deutschland keinen Hund mehr hinterm Ofen der Mitte hervor. Das ist normal. Das sind Jugendsünden. Davon merkt man ja nichts, wenn erstmal Ministerwürden winken. Das nennt sich liberale Demokratie. Ideologische Tabus gibt es nicht. Zumindest fast. Denn mit gleicher Nonchalance darf man nicht rechnen, wenn in einer der kommenden Regierungen Ministerämter an ehemalige Mitglieder von Wehrsportgruppen, an Sympathisanten von Nazi-Aufmärschen und an Mitarbeiter rechtsradikaler Verlage vergeben würden. Das wäre im besten Deutschland aller Zeiten nicht nur ein veritabler Skandal, das wäre das Ende der Demokratie, das Ende des Rechtsstaats und das Ende überhaupt der Welt, wie wir sie kennen.
Noch immer genießt der internationale Sozialismus – ganz im Gegensatz zum nationalen Sozialismus – einen hervorragenden Leumund und gilt als so etwas wie ein Durchlauferhitzer für die idealistische Jugend, um schließlich nach Abschmelzen des revolutionären Fettes verantwortungsvolle Aufgaben im Land übernehmen zu können. Das ist merkwürdig, denn nach 83 weltweit gescheiterten Versuchen, den Sozialismus/Kommunismus als Staatsform zu etablieren, schickt sich das ehemals reiche Venezuela momentan an, zur Nummer 84 zu mutieren mit allen bereits bekannten Folgen: Mangelwirtschaft, Armut, Unruhen, Abwanderung. Und trotzdem scheint die „idealistische Jugend“ nicht aus der Geschichte lernen zu wollen. In einem Land, wo „aus der Geschichte gelernt zu haben“ zur neuen Staatsräson wurde, ist das umso merkwürdiger.
Der internationale Sozialismus unterscheidet sich vom nationalen Sozialismus darin, dass eben die ganze Menschheit auserwählt ist, den sozialistischen Traum zu leben, während der nationale Sozialismus die eigene Nation oder das eigene Volk als höherwertig und auserwählt ansieht. Nach 1945 kam der nationale Ansatz des Sozialismus verständlicherweise aus der Mode, der Traum vom Sozialismus jedoch blieb lebendig.
Der nationale Sozialist stellt sich und die Eigenheiten seiner Nation über die der anderen Nationen, während der internationale Sozialist vorgeben kann, sich aus Liebe zur ganzen Menschheit zu deren Werkzeug zu machen. Wer sich fragen sollte, warum der internationale Sozialismus trotz vergleichbarer historischer Schrecken heute noch so viel mehr Sex-Appeal besitzt, wird hier die Antwort finden: Der internationale Sozialist kann sich im Glauben wähnen, die ganze Menschheit zu lieben, was in Zeiten der Globalisierung allemal sinnvoller erscheint, als nur sich selbst zu lieben und den Rest der Menschheit als minderwertig abzulehnen.
Dem nationalen Sozialismus liegt in letzter Konsequenz das kriegerische Element gegen andere Länder und Völker inhärent inne. Der nationale Sozialist ist Bellizist, während der internationale Sozialist sich selbst als Pazifist begreift, ganz ohne Aggression aber auch nicht meint auskommen zu können und stattdessen den Bürgerkrieg liebt. Der Hass aufs Eigene wird elegant sublimiert durch die vermeintliche Liebe zu allen anderen.
So trafen 1989/90 zwei Deutschlands aufeinander, von denen das eine Deutschland sich mit Freuden aller Zwangsbeglückungen der großen sozialistischen Internationale entledigte, wohingegen das andere Deutschland in der Wiedervereinigung einen historischen Rückschritt zur alten Volksgemeinschaft erlebte. Diese Erniedrigung hat die westdeutsche Intelligenzija den ehemaligen DDR-Bürgern niemals wirklich verziehen, und die Begeisterung, mit der spätestens seit 2015 das Projekt der post-nationalen Gesellschaft vorangetrieben wird, speist sich unter vielem anderen auch aus der verspäteten Rache für diese nie verwundene Schmach.
So war die Wiedervereinigung Deutschlands 1990 eine letzte politische Großtat, die einzig auf der tragenden Säule einer volkhaften Identitätsstiftung ruhte. Die Bewegung der westdeutschen Eliten hin zu einem vereinten Nationalstaat war daher auch mehr als widerwillig, und 30 Jahre später wiederholt sich nun drüben wie weiland hüben ein komplementärer Widerwille auf Seiten der Ostdeutschen, wenn ihnen leidlich Altbekanntes erneut als Segnungen einer großen Internationale verkauft werden soll. Diese beiden deutschen Grundbefindlichkeiten sollte man sich stets vor Augen halten, wenn man die seit 2015 so massiv eingetretene Spaltung des Landes ermessen will.
Für viele – und selbstverständlich nicht nur für ehemalige DDR-Bürger – war der Umgang mit der Eurokrise seit 2010 ein Augenöffner, wie schnell nationale Souveränitätsrechte, parlamentarische Haushaltsrechte und europäische Währungsgesetze zugunsten dessen, was man das „europäische Friedensprojekt“ zu nennen sich verpflichtet fühlt, ausgehebelt werden können und müssen. So musste das Bundesverfassungsgericht einschreiten, um den vom deutschen Volk gewählten Bundestag aus seiner Rolle als lächerlicher Abnickverein für die Politik Merkels und Schäubles zu befreien und die parlamentarischen Rechte wieder zu stärken. Und mit der Offenhaltung der Grenzen im Spätsommer 2015 ohne jeden demokratischen Parlamentsbeschluss wurde am deutschen Firmament ein Phänomen sichtbar, das in Demokratien nur ganz, ganz selten zu beobachten ist: die regierungstreue Opposition. Die sich, das sei nur am Rande bemerkt, auch nach der Bundestagswahl 2017 fortsetzt und regelmäßig Untersuchungsausschüsse wie dem zum BAMF-Skandal und Verfassungsklagen wie der zur Aussetzung des Dublin-Verfahrens verhindert.
Die Begeisterung, mit der parlamentarische Regeln und staatliche Kontrollwerkzeuge 2015 über Bord geworfen wurden, war zutiefst verstörend. Die einen erklärten das Aufgehen Deutschlands als identitätsloser Besiedlungsraum innerhalb der EU zur antifaschistischen Herzensangelegenheit und begrüßten die große Internationale der Flüchtlinge mit eben jener Begeisterung, die sich aus dem post-nationalen – und das heißt immer auch: antifaschistischen – Projekt speist. Die anderen dagegen beschlich das höchst ungute Gefühl, die nationalstaatliche Identität solle ein für allemal aufgelöst und alle Souveräntitätsrechte an höchst dubiose Institutionen abgetreten werden, die, zwar von Berlin mitgestaltet, sich doch in Straßburg oder Brüssel der demokratischen Kontrolle entziehen. Hier sei an die Worte des ehemaligen Präsidenten des EU-Parlaments Martin Schulz (SPD) erinnert: „Wäre die EU ein Staat, der die Aufnahme in die EU beantragen würde, müsste der Antrag zurückgewiesen werden – aus Mangel an demokratischer Substanz.“ Martin Schulz muss es ja wissen.
Hinter der Euphorie der offenen Grenzen und der Mobilmachung der richtigen post-nationalen Einstellung schien eine deutsche Sehnsucht auf, die sich aus vielem speiste, aber ganz sicher nicht aus politischem Sachverstand. Die Weigerung, über eine Obergrenze für die Aufnahme von sogenannten Flüchtlingen auch nur zu debattieren, bedeutete einen Paradigmenwechsel, wie er seit 1945 nicht mehr stattgefunden hatte: Es war der erneute Einbruch des Absoluten und Unbedingten in die deutsche Politik.
Selbstverständlich hat jedes Land und jede Nation eine Obergrenze bezüglich der Aufnahmekapazität Fremder, so wie ein Land eine Obergrenze an Arbeitslosigkeit oder Auswanderung hat, bevor es bricht. Ob sie bei einer Million, zwei Millionen oder drei Millionen Menschen pro Jahr liegt, diese Erwägung muss zuvörderst das Ergebnis einer politischen Debatte sein.
Der Verzicht auf ebendiese Debatte bei gleichzeitiger Kollektiv-Einstimmung in eine massenmediale und massen-psychotische Hurra-Mentalität – flankiert von rigoroser Abstrafung aller Kritiker und Zweifler – ist als Versuchung den Deutschen ins schicksalhafte Volksbuch geschrieben. Doch galt unter den demokratischen Eliten der Mitte seit 1945 der Konsens, auf jedwede Mobilmachungen des Absoluten und Politreligiösen zu verzichten. Diesen für Demokratien im Allgemeinen und für die Deutschen im Besonderen eminent wichtigen Konsens gebrochen zu haben, darf man, neben allen ihren sachpolitischen Fehlleistungen, der Kanzlerin am nachhaltigsten vorwerfen. Wenn maßvolle Politik durch Gesinnung und Entgrenzung ersetzt wird, ist die fundamentale Spaltung des Landes nicht schwer vorhersagbar. Jede Religion schafft immer erst ihre Häretiker.
Der absoluten Grenzenlosigkeit der Aufnahmekapazität entsprach die Grenzenlosigkeit des staatlichen Territoriums wie auch die zur Schau getragene grenzenlose Güte der politischen Moral. Ob die weitreichenden Unterlassungen des Spätsommers 2015 wirklich in deutschem Interesse, wichtiger aber: ob es die politisch klügsten Entscheidungen gewesen waren, diese nicht unwesentliche Frage überließ man der außerparlamentarischen Opposition in Gestalt der AfD, mit der überhaupt nur in Kontakt zu treten jedoch inbrünstig verboten wurde.
Es existieren einige Ängste in den Deutschen, die man leicht und kollektiv aktivieren kann, um sie politisch zu instrumentalisieren. Die größten Ängste der “moralisch Hochbegabten” lauten: Umwelt (Atom, Klima), Amerika (Israel, Krieg) und Rechts (Nazi, Auschwitz), während sich die größten Ängste der “Abgehängten” um sozialen Abstieg (Armut, Hartz-IV), Überfremdung (Rassismus, Ausländerhass) und Islam (Terror, Geburten-Dschihad) drehen. Das simple Spiel ist, dass die einen behaupten, man habe gar keine Ängste, sondern es seien echte Gefahren, während die Ängste der anderen für eingebildet und nichtig erklärt werden. Bisher war es immer Aufgabe der gesellschaftlichen Mitte gewesen, so zu tun, als seien alle Ängste begründet und Teil des politischen Diskurses, ohne dass dabei der Sachverstand und der Pragmatismus aus den Augen verloren wurde. Durch das Eingebettetsein Deutschlands in einen internationalen Kontext waren die Handlungsspielräume, die alle diese deutschen Ängste mit Wucht auszufüllen begehren, begrenzt.
Der größte Teil der Unwucht, die Deutschland inzwischen ereilt hat und die nicht wenige als einen Linksruck der gesellschaftlichen Mitte bezeichnen, liegt in der Tatsache begründet, dass die einen Ängste – Abstieg, Überfremdung, Islam – als schlecht und „nicht hilfreich“ ausgegrenzt werden, während die anderen Ängste – Umwelt, Krieg, Rechts – zum Maßstab der Regierungspolitik erhoben wurden. Und das im Alleingang ohne Rücksicht auf internationale Kontexte.
Die Politik der Regierung Merkel gegenüber den USA, also der größten westlichen Schutzmacht gegenüber, ist desaströs. Die durch Frank-Walter Steinmeier in den Rang des Offiziellen erhobene Beleidigung des US-Präsidenten Donald Trump als Hassprediger überschritt jede diplomatische rote Linie, die deutsche Regierungspolitiker bei so lupenreinen Despoten wie Putin oder Erdogan noch einhalten.
Der Ausstieg aus der Kernenergie und der Klimarettungsfetisch, der mit Dieselverboten und Selbstanklageritualen einher geht, mögen die naturromantischen Grünen und die ihnen eigenen Untergangsängste besänftigen und die Energiepreise in ungeahnte Höhen katapultieren, gesellschaftlich dürften sie erheblich mehr Schaden anrichten, als sie national von Nutzen sind. Andere Länder, die dieser deutschen Angst ebenfalls so gewissenhaft frönen, sind auf weiter Flur nicht auszumachen.
Die wirkmächtigste und die gesellschaftliche Mitte am schnellsten und gründlichsten in Beben versetzende Angst jedoch ist die Angst vor Rechts. Diese Angst umschließt inzwischen alles, was Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Islamfeindschaft, EU-Skepsis und Merkelkritik beinhaltet, und diese Angst wird mit berechenbarer Zuverlässigkeit jedes Mal aktiviert, wenn die unsägliche Regierungspolitik des maximalen Nichtstuns ihre zwangsläufigen Opfer fordert.
Das Muster ist leicht durchschaubar, seine Wirkmächtigkeit nimmt rapide ab, aber es wird dennoch weiter angewandt: Überrollt ein islamistischer Attentäter 12 Menschen auf dem Berliner Breitscheidplatz, versammelt sich die politische Klasse Deutschlands mit einem fundamentalistischen Imam, um ein Zeichen gegen Islamophobie zu setzen. Wird eine Fünfzehnjährige in Kandel von einem Afghanen, gegen den bereits eine „Gefährderansprache“ durch die Polizei erfolgt war, vom Leben zum Tod befördert, ist der am lautesten geäußerte Vorwurf im Blätterwald, dass die Rechten das Verbrechen zu instrumentalisieren versuchen. Ein Spieler der deutschen Fußballnationalmannschaft lässt sich fröhlich mit dem türkischen Despoten Erdogan ablichten, und Deutschland diskutiert über den eigenen Rassismus. Ein mutmaßlicher Leibwächter Osama bin Ladens und islamistischer Gefährder wird in sein Herkunftsland Tunesien, in das jährlich tausende von Deutschen zum Urlauben reisen, abgeschoben, und Deutschland diskutiert über das Ende des Rechtsstaats, weil die Abschiebung unter Umständen nicht rechtens war. Und werden in Chemnitz drei junge Männer auf einem Straßenfest von mehreren Asylbewerbern gemessert und einer von ihnen stirbt, stellt sich die Kanzlerin am übernächsten Tag vor die Mikrofone und bescheinigt, dass es Hetzjagden gegen Ausländer gegeben habe, und das könne man nicht zulassen. Dass sich ihr Wissen ausschließlich auf eine mehr als nur dubiose Quelle mit Namen „Antifa Zeckenbiss“ bezieht, ficht weder die Kanzlerin noch ihren Regierungssprecher an. Wichtiger ist, die Reihen geschlossen zu halten, indem die Angst vor Rechts am Köcheln gehalten wird.
Die Toten, die Morde, die Untätigkeiten der Behörden, der ganze Schlammassel, den eine planlose aber gesinnungsgeschwängerte Politik zu verantworten hat, tritt bei der “Angst vor Rechts” regelmäßig in den Hintergrund. Und der Reflex, sich bei Schuldanklage sofort mit sich selbst zu beschäftigen, gehört als politischer Kollateralnutzen zum Narrativ der Deutschen, die eben aus der Geschichte gelernt haben wollen.
So schaffte es die politische Klasse in Deutschland im Verbund mit den Kirchen, Gewerkschaften und NGOs, die demokratische und politische Debatte über eine im wahrsten Sinne des Wortes tödliche Politik regelmäßig zu verhindern, parlamentarische Abstimmungen zu umgehen und alle, die eine Abkehr vom humanitätstrunkenen Sonderweg der Deutschen forderten, in die Nähe von Demokratiefeinden zu rücken. Die AfD avancierte zum größten Glücksbringer der politischen Eliten, denn ohne AfD hätten politische Argumente ins Feld geführt werden müssen. Doch die blieben aus. Bis heute. Stattdessen zog man mit der AfD als Monstranz durch die Straßen und rief zum „Aufstand der Anständigen“ auf.
Wenn alle gutmeinenden demokratischen Kräfte in Deutschland zum aktiven Widerstand aufrufen, weil eine zugelassene Partei ihrer nach Parteigesetz auferlegten Pflicht zu einem Bundesparteitag nachkommt; Politiker dieser Partei dann von ihren Gegenern mit Dachlatten durch die Stadt Köln getrieben werden und nur die Polizei mit erheblichem Aufwand für halbwegs Ruhe sorgen kann; dann mögen sich die Gutmeinenden richtig gut fühlen, der Demokratie und dem Rechtsstaat ist jedoch mehr geschadet, als sie in ihren Sonntagsreden je wieder gutmachen können. Und wenn protestierende Bürger in Hamburg, Berlin und vielen anderen Städten von der gewaltbereiten Antifa durch die Straßen gehetzt werden und die politische Klasse das einfach kommentarlos lächelnd wegschulterzuckt, während ein 18-Sekunden-Video aus Chemnitz zu einem kollektiven Angstaufschrei vor den Nazis führt, dann sind die Verhältnismäßigkeiten einer funktionierenden Demokratie schlicht nicht mehr gewahrt.
Bereits die etwas intelligenteren Diskussionen um den Unterschied zwischen einem Messermord auf einem Straßenfest und einer daraufhin erfolgten Hetzjagd von gewalt-bereiten Demonstranten gegen Ausländer offenbaren eines der Standardnarrative, wie es sich in allen akademischen und linksliberalen Kreisen durchgesetzt hat. Ob das Narrativ tragfähig ist, darf bezweifelt werden, aber der Vollständigkeit halber sei es kurz erwähnt: Ein Messermord ist kein politischer Fall, während eine öffentliche Hetzjagd von Deutschen gegen Ausländer jedoch eminent politisch ist und deswegen die Politik auch einzuschreiten habe.
Das Problem daran ist, dass nach drei Jahren offener Grenzen und einem bis in alle Bereiche vorgedrungenen Behördenversagen im Umgang mit den Eingewanderten leider jeder Mord, jeder Totschlag und jede Vergewaltigung durch Eingewanderte eben doch eine politische Dimension besitzt. Vor allem, wenn man bedenkt, dass der überwiegende Teil der ausländischen Tatverdächtigen bereits, wie es so schön heißt: „polizeibekannt“ ist. Und ebenfalls offenbaren sich bei der überwiegenden Zahl der Tatverdächtigen Abgründe an Behördenuntätigkeit, wenn man die Fälle näher untersucht. Polizeibekannt, Asylantrag abgelehnt, ausreisepflichtig, vorbestraft, Mehrfachidentitäten, Altersangabe falsch, Herkunftsland unbekannt – das Potpourri des Irrsinns kennt viele mögliche Kombinationen, und jede wird ausgereizt.
Ein Staat, der so fahrlässig die Sicherheit seiner Bürger aufs Spiel setzt, hat mehr als nur ein ernsthaftes Legitimationsproblem. Und nach jeder Vergewaltigung, nach jedem Mord, nach jedem Totschlag werden haufenweise Artikel verfasst und Kommentare in die Mikrofone gesprochen, die mit Sätzen beginnen wie „Es kann nicht sein“, „Jetzt muss der Staat“, „Hier ist Aufklärung nötig“ – und es passiert genau: gar nichts. Denn noch immer sind die Aufrufe zur Besonnenheit und zum Kampf gegen Rechts die Sicherheitsseile, mit deren Hilfe die politische Klasse einfach weiterwurschteln kann wie bisher.
Es wird schon nichts passieren.
2
KEINE MITTE NIRGENDWO
Für die Bundesregierung kann ich sagen, dass wir Recht und Gesetz einhalten wollen und werden, und dass wir das, wo immer das notwendig ist, auch tun.
Angela Merkel, Bundespressekonferenz vom 20.07.2018
Wieviele Menschen seit 2015 nach Deutschland geflüchtet/gekommen/eingewandert sind – niemand kann es genau sagen. Legt man die Zahl der Asylanträge zugrunde, so wurden bis August 2018 ca. 1,6 Millionen Asylanträge gestellt. Rechnet man die ca. 350.000 Menschen hinzu, die im Zuge der Familienzusammenführung, die ja für anerkannte Flüchtlinge nie ausgesetzt war, nach Deutschland nachgeholt werden durften, so kommt man auf eine Zahl von ca. 2 Millionen Menschen. Das dürfte pi mal Daumen eine realistische Zahl sein, auch wenn diejenigen „neu Hinzugekommenen“, die keinen Asylantrag gestellt haben und sich „illegal“ im Land befinden, durchs Raster fallen. Die Anführungszeichen bei „illegal“ sollen hier andeuten, dass es im Deutschland seit 2015 gar nicht mehr um legal oder illegal geht, sondern nur noch um bekannt, gemeldet und abgespeichert.
Von den ca. 1,6 Millionen Asylanträgen sind rund die Hälfte abschlägig beschieden worden, wobei die ca. 50% positiver Bescheide nicht den Rechtsstatus als Asylant zur Folge hatten (nur ca. 0,5%), sondern größtenteils den Flüchtlingsstatus (ca. 34%) und den Rechtstitel als subsidär Schutzbedürftiger (ca. 16%). Und trotzdem verbleibt auch der Großteil der abgelehnten Asylantragsteller in Deutschland – entweder weil der Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen oder weil gegen den Asylbescheid geklagt wird. Die häufigsten Gründe, der Ausreiseverpflichtung nicht nachzukommen, sind: kein Pass; Identität ungeklärt; Heimatland (oder sicherer Drittstaat) verweigert Rücknahme; Strafverfahren läuft. So absurd es klingt, aber wer eine Straftat in Deutschland begeht, wird, solange das Verfahren anhängig ist, nicht ausgewiesen. Wer sich länger als 18 Monate im Land befindet, erhält eine Duldung. Meist ist die Duldungserlangung der Grund für die Klage gegen einen negativen Asylbescheid. All diese Kosten trägt der Sozialstaat, denn ob abgelehnt oder nicht, geduldet oder ausreisepflichtig: der Anspruch auf Grundversorgung bleibt bestehen.
Um es kurz zu machen: Wer es nach Deutschland geschafft hat, der hat es geschafft, jedenfalls mit gut 90-prozentiger Sicherheit. Fast alle können bleiben, wenn sie es halbwegs klug anstellen, die Anerkannten wie die Abgelehnten. Unser Asylsystem in einem Satz zusammengefasst: Wer drin ist, ist drin. In der Geschichte funktionierender Nationalstaaten dürfte dies ein einmaliger Vorgang sein: die Grenze ins Land für jeden zu öffnen, und die Grenze aus dem Land heraus faktisch zu schließen. Oder mit der Bundeskanzlerin zu sprechen: Nun sind sie halt da!
Das BAMF, das Asylgesetz, Grenzkontrollen, Klagewege – man könnte alles abschaffen und es würde sich nichts ändern. Das einzige, was sich ändern würde, wären die Datensätze in den Erfassungsprogrammen und die Entlastung der Gerichte. Der Grund, den Behördenweg dennoch nicht abzuschaffen, ist allein dem Umstand geschuldet, dass ein derartiges Signal eine Außenwirkung hätte, die jedes Land zusammenbrechen lassen würde: „Germany legalizes everybody“ (vergl. hierzu den ausgezeichneten Artikel von Robert von Loewenstern vom 05.06.2018 auf achgut.com).
Die Absurditäten der deutschen Asylpraxis fielen bis 2015 nur den wenigsten auf, weil das Dublin-Verfahren angewendet wurde, dadurch Deutschland Asylbegehrer, die schon in einem anderen EU-Land Asyl beantragt hatten – und anders als über ein anderes EU-Land kam man nicht nach Deutschland –, abweisen und sich im Großen und Ganzen trotz schildbürgerstreichartiger Asylpraxis schadlos halten konnte. Mit der Aussetzung der Dublin-Verfahren seit August 2015 tritt die ganze groteske Pracht von Schilda erst in ihre Erscheinung.
Nun geriert sich Deutschland als ein so weltoffenes und gutmütiges Land, dass die Absurditäten des Asylrechts, die immensen Kosten, die Überforderung der Verwaltungsgerichte, die grassierende Wohnungsnot und alles andere, was mit dem Zuzug von Millionen staatlich alimentierten Neubürgern zusammenhängt, scheinbar verkraften und wegstecken würde, wenn da nicht ein Umstand wäre, den man die Verwolfung des öffentlichen Raums sowohl real wie auch im übertragenen Sinne nennen könnte.
Es ist einer merkwürdig widersprüchlichen und gänzlich naturromantischen grünen Weltsicht geschuldet, dass in einem fast restlos durchkultivierten Land wie Deutschland der Wolf wieder angesiedelt werden soll. Hunderte von gerissenen Schafen und der immer öfter stattfindende Kontakt zu menschlichen Ansiedlungen lassen die Grünen gänzlich unbeeindruckt in ihrem Plan, so viele Wölfe wie möglich nach Deutschland zu holen. So recht passen mag es nicht zu ihren vermeintlichen Idealen von Veganismus und Tierschutz, könnte sich aber in nuce als ein passendes Bild für den Umgang der grünen Eliten mit ihrem Volk erweisen: Erst werden die Menschen im Trommelfeuer der grünen Ideale zu einer vollständig durchkultivierten Schafherde geformt, bevor dann die Wölfe ins Land gelassen werden. Welch ein Spektakel! Was für eine Erniedrigung! Zugeben würden das die Grünen selbstredend niemals. Ver... was? – Verwolfung? Ach, i wo!
Nun ist die Statistik der größte Feind der Ideologen. Unter den 1,6 Millionen neu Hinzugekommen, für die belastbares statistisches Material vorliegt, machen Männer im Alter zwischen 14 und 39 Jahren einen Anteil von ca. 50% aus. Und da es immer heißt, dass Männer in dem genannten Älter überrepräsentativ aggressiv seien und straffällig würden, zucken jene, die 2015 noch von Goldstücken und Menschengeschenken sprachen, heute nur müde mit den Schultern und verweisen darauf, dass eben der Umstand, dass die Kriminalität zugenommen habe, mit dem Geschlecht und der Altersgruppe der Neubürger zusammenhänge. Alles also ganz normal.
Dennoch: die Zahlen des Bundeskriminalamtes für das kürzlich ausgewertete Jahr 2017 sprechen eine Sprache, die auch die notorischen Schulterzucker aufhorchen lassen sollte: Dreizehn ermordeten oder getöteten Deutschen durch Menschen, die im Zuge der offenen Grenzen nach Deutschland kamen, stehen Null durch Deutsche ermordete oder getötete Migranten im Jahr 2017 gegenüber. Hier darf jedoch der Hinweis nicht fehlen, dass die Toten des Berliner Breitscheidplatz-Terrors in dieser Zahl noch gar nicht enthalten sind, weil die Ermittlungen zum Zeitpunkt der statistischen Erfassung nicht abgeschlossen waren.
Für die Verbrechenskategorie „Vollendete und versuchte Straftaten gegen das Leben“ – also Mord, Totschlag und fahrlässige Tötung – bietet die polizeiliche Kriminalstatistik 2017 des Bundeskriminalamtes exakte Zahlen, was einen Vergleich von Deutschen und über das Asylsystem Zugewanderten in der Kategorie „männlich, Alter 14-39“ zulässt. Aus der Gruppe von 10,5 Millionen deutschen Männern im Alter zwischen 14 und 39 Jahren wurden 966 Straftaten gegen das Leben begangen. Aus der Gruppe der 811.000 über das Asylsystem zugewanderten Männer dieser Altersstufe wurden 443 Straftaten gegen das Leben begangen. Das bedeutet, wenn man es hochrechnet: Aus der Gruppe der 811.000 zugewanderten Männer im Alter zwischen 14 und 39 Jahren wurden im Jahr 2017 so viele Straftaten gegen das Leben begangen wie aus einer Gruppe von 4,8 Millionen Deutschen gleichen Geschlechts und Alters.
Im Klartext: selbst wenn man nur die Hochrisikogruppe der jungen Männer – also die „Wölfe“ – miteinander vergleicht, werden über das Asylsystem Zugewanderte sechsmal so oft straffällig wie Deutsche. Man kann das als erschütternd ansehen, dass Menschen, die in einem Land Schutz suchen, dermaßen überproportional straffällig werden, oder man kann das für logisch halten, da Menschen aus zerfallenden Staatsgebilden anders mit Konflikten umzugehen gelernt haben als Deutsche. Nur gilt auch hier wieder: God is in the details. Denn es sind vor allem die aus dem Bürgerkriegsgebiet geflohenen Syrer, die auffallend weniger straffällig werden als beispielsweise die Zugewanderten aus den Maghreb-Staaten, also aus Algerien, Tunesien und Marokko, was interessanterweise Länder sind, in die sehr viele Deutsche gerne reisen, um ihren Urlaub zu verbringen. Daher lautet die so simple wie naheliegende Frage: Warum wurden diese Menschen überhaupt erst ins Land gelassen? Und warum werden sie nicht, nachdem sie einmal polizeibekannt wurden, umgehend abgeschoben? Ein Staat, der seine entwaffneten Bürger den Wölfen zum Frass vorwirft, hat ein erhebliches Legitimationsproblem.
Das Legitimationsproblem wird ja noch dadurch befeuert, dass wenige Tage, bevor die Polizeiliche Kriminalstatistik vorgestellt wurde, die verantwortlichen Stellen im Bundesinnenministerium nicht müde wurden zu betonen, dass die kommende Statistik einen großartigen Rückgang der Kriminalitätszahlen beweisen würde. Und natürlich stimmten die wohlmeinenden Medien in diesen Chor mit ein. Die Erleichterung war förmlich mit Händen zu greifen. Nur: die Zahlen geben zu Entwarnung alles anderes als Anlass – und so ähnelt auch dies mediale Hurra eher einer kollektiven Verschaukelung.
Was stimmt: die Gesamtzahlen für 2017 sind rückläufig. Was jedoch auch stimmt: das geht fast ausschließlich auf die zurückgehende Zahl von Wohnungseinbrüchen zurück. Hier zahlten sich die steuerbefreienden Maßnahmen der Bundesregierung zur Wohnungssicherheit und intensivierte polizeiliche Ermittlungsarbeit aus. Man kann also sagen, dass im Raum des Privaten in der Tat die Kriminalitätszahlen rückläufig sind. Nur ist eben auch festzuhalten, dass die Gewalt im öffentlichen Raum weiter zugenommen hat.
Abgesagte Straßenfeste, die berühmt-berüchtigten Merkelpoller auf Weihnachtsmärkten, die Rückkehr des Messers in den öffentlichen Raum, Tätlichkeiten gegen Mitarbeiter in Job-Centern, Angriffe auf Krankenwagen, Sanitäter, Ärzte, Krankenhauspersonal, schließlich die Verwilderung der Hauptbahnhöfe – bei all den zurückgegangenen Kriminalitätszahlen ist das größte Rätsel für Politik und Medien: das gesunkene Sicherheitsempfinden der Bürger. Oder um einen Satz von Joseph Beuys zu variieren: Die Mysterien scheinen auf den Hauptbahnhöfen stattzufinden. Und auf den Straßenfesten und Weihnachtsmärkten. Und in den Parks und Grünanlagen.
Die berühmte Armlänge Abstand, die die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker nach den Silvesterunruhen 2015/16 empfahl, oder Hinweise der Polizei an Joggerinnen, bestimmte Parks zu bestimmten Uhrzeiten zu meiden und am besten nicht alleine zu laufen, führen bei den Medien regelmäßig dazu, die Sorgen und Ängste der Bürger ins Lächerliche zu ziehen. Wie von der Regierung in Auftrag gegebene Untersuchungen diverser Stiftungen jederzeit beweisen könnten, entspricht nämlich das rapide gesunkene Sicherheitsempfinden der Bürger ganz und gar nicht den Tatsachen. Von der Leiter zu fallen oder bei einem Autounfall zu sterben, sei wahrscheinlicher.
Rolf Peter Sieferle analysierte diesen Zustand bereits in seinem postum erschienen kleinen Bändchen „Das
Migrationsproblem“: „Die letzten Menschen werden erstaunt sein, wie viele Alltagskonflikte plötzlich mit ungewohnter Gewalt ausgetragen werden (...) Eine Welle unfassbarer blutiger Gewalt überspült die letzten Menschen, die von einer Vertreibung aus ihrem Rentnerparadies bedroht sind. Sie werden die Verunsicherung in innere Konfliktlinien transformieren, sie werden in den eigenen Reihen Feinde identifizieren, die leicht zu bekämpfen sind, da sie aus dem gleichen Holz geschnitzt sind wie sie selbst.“
Genau dieses Muster der Transformation der Verunsicherung in innere Konfliktlinien lag dem Umgang mit dem August-
Toten im Chemnitz des Jahres 2018 zugrunde. Da wird ein Familienvater auf einem Straßenfest mutmaßlich von einem wegen Gewaltdelikten polizeibekannten Migranten real totgestochen, und Kanzlerin und Kanzlerinnensprecher ereifern sich über vermeintliche Hetzjagden gegen Ausländer. Und als der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz darauf hinweist, dass hier als regierungsoffizieller Beweis ein Sekunden-Mitschnitt der für ihre Seriosität nicht gerade bekannten „Antifa-Zeckenbiss“ gedient habe, muss er sein Amt aufgeben, ganz so, als wären hohe Beamte nicht mehr auf die Verfassung sondern auf die Führerin höchstselbst vereidigt. Währenddessen der furchtlose Bundespräsident Steinmeier den Untertanen ein Gratiskonzert „gegen Rechts“ in Chemnitz empfiehlt, auf dem Bands auftreten, die „Gewalt gegen Bullen“ besingen und „Deutschland ist scheiße, Deutschland ist Dreck“ brüllen.
Selbstverständlich wusste die Politik bereits 2015, was sie anrichten würde, und es gibt verlässliche Hinweise darauf, dass in der Bundesregierung die offenen Grenzen genauso kontrovers diskutiert wurden wie in der deutschen Bevölkerung. Immerhin schien die Schließung der deutschen Außengrenzen nur einen Wimpernschlag entfernt gewesen zu sein. Hätte Deutschland statt eines aus dem 19. Jahrhundert gefallenen preußischen Untertans als Innenminister einen beherzten und mutigen Querkopf gehabt, der sich gegen die Fahrlässigkeit seiner Kanzlerin gestellt hätte, viele Verwerfungen wären diesem Land erspart geblieben. So hoch man Thomas de Maizière für seine besonnene und loyale Art auch wertschätzen kann, rückblickend stellt er die größte denkbare Fehlbesetzung eines Innenministers dar, als im September 2015 die Entscheidung innerhalb der Bundesregierung, die Grenzen nach zweiwöchiger Offenheitsparty zu schließen, bereits gefallen war. Er mag mit seinen „rechtlichen Bedenken“ (vergl. Robin Alexander: Die Getriebenen), die dazu führten, die Grenzen dann doch offen zu lassen, die Kanzlerschaft Angela Merkels gerettet haben, seinem Land hat er damit einen Bärendienst erwiesen.