Mallorquinische Leiche zum Frühstück - Susan Carner - E-Book

Mallorquinische Leiche zum Frühstück E-Book

Susan Carner

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Beschreibung

Lassen Sie sich entführen in das zauberhafte Mallorca und lösen Sie mit der deutsch-spanischen Kommissarin Mercédès Mayerhuber den Mord an der Erotikschriftstellerin Sabrina Schneider, die mit dem Gesicht nach unten im Pool einer eleganten Ferienanlage in Paguera treibt. Wer hatte ein Motiv, die erfolgreiche Autorin zu töten? Dabei wollte sie nur in Ruhe ihr neues Buch fertigstellen und lebte sehr zurückgezogen. Trotzdem war seit ein paar Tagen ihr junger Lover aus Berlin anwesend. Oder wer sonst ist der junge Mann, der Apartment 115 bewohnt? Auch der Resortleiter soll nicht uninteressiert an der attraktiven Frau gewesen sein. Die Gerüchteküche brodelt, angestachelt von der älteren Dame, welche die Tote gefunden hat. Lange tappt Kommissarin Mercédès Mayerhuber durch Gerüchte, Eifersüchteleien und Neid. Bis sie auf eine interessante Spur aus der Vergangenheit der Autorin stößt. Liegt hier das Motiv? Liebe, Hass und Eifersucht – eingebettet in das herbstliche Mallorca. Krimiherz, was willst du mehr?

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Seitenzahl: 403

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Susan Carner

Mallorquinische Leiche zum Frühstück

Mallorca-Krimi

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Sonntag, 6. November

Montag, 7. November

Dienstag, 8. November

Mittwoch, 9. November

Donnerstag, 10. November

Freitag, 11. November

Samstag, 12. November

Dankeschön

Quellen

Impressum neobooks

Prolog

Susan Carner

Mallorquinische Leichezum Frühstück

Mallorca-Krimi

Diese Geschichte ist rein fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen, Orten und Ereignissen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt, auch wenn die Orte real sind. Alle Personen sind Schöpfungen der Autorin und keine der geschilderten Begebenheiten entspricht den Tatsachen.

2. überarbeitete Auflage 2019

Deutsche Erstausgabe 2017

© Copyright 2017 by Susan Carner

Susan Carnerc/oAutorenservice Gorischek

Am Rinnergrund 14/5

8101 Gratkorn

Austria

Covergestaltung © by Catrin Sommerwww.rausch-gold.com

Bildnachweise:Kaffeetasse: shutterstock_530721334 Landschaftsbilder: © by Susan Carner

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Ausführliche Informationen finden Sie auf

www.susancarner.com

Für meine Eltern

Liebe ist die einzige Sklaverei, die als Vergnügen empfunden wird.

George Bernard Shaw

»Vaaatiii«, durchbrach eine schrille Stimme die morgendliche Stille des idyllisch gelegenen Urlaubsresorts. »Wo bleibst´n?«

»I kimm jo scho«, antwortete geduldig ein älterer Mann, der seiner Frau die flachen Steinstufen humpelnd folgte, die unter Palmen von ihrem Apartment im Haus 8 hinunter zum Hallenbad führten. »I kon nimma so schnei.«

»Geh, tua weida. I wui heid no schwimma«, lamentierte sie.

»Dann geh hoid voraus. Mia seng uns beim Beckn.« Gut, dass seine Frau nicht seinen ärgerlichen Gesichtsausdruck sehen konnte, das hätte nur wieder zu Zank geführt.

»Wenn´st moanst. Aba kimm glei, du woasst, i hob Ongst alloa am Pool«, grandelte die Ehefrau.

»Jo jo, i kimm eh glei«, brummte ein braver Ehemann hinter seiner Frau her.

Schimpfend über die Langsamkeit ihres Ehegatten schritt die betagte Dame in ihrem weißen Bademantel gehüllt flott Richtung Schwimmhalle und war bald darin verschwunden. Ihr Mann folgte ihr eilig.

»Vaaatiii«, hallte es diesmal durch das Hallenbad. Seit ihre Kinder auf der Welt waren, riefen sie sich ›Mutti‹ und ›Vati‹ und hatten diesen Brauch beibehalten, nachdem die Kinder aus dem Haus waren. »Do schwimmt scho oane. Wos musst du oiwei so dredeln«, kam es anklagend von der Ehefrau, die mit Badeanzug und Badekappe bereitstand, in den Pool zu steigen.

Eiligen Schrittes nahte ihr Ehemann, blickte auf die Frau, die mit dem Gesicht nach unten im Wasser trieb. »De schwimmt ned«, meinte er bedächtig. »De is tot.«

Neugierig trat seine Frau näher. »Is des ned de ausgschamte Person von 920, hinta der olle Mannsbuida her san?«, fragte sie bissig. »G´schieht ihr recht!«

Missbilligend schüttelte ihr Mann den Kopf. »I geh a Hilf holn«, und marschierte mit offenem Bademantel in den kühlen Morgen, um an der Rezeption Unterstützung anzufordern.

Sonntag, 6. November

Ihr erster Tag auf Mallorca. Und schon eine Leiche. Verschlafen quälte sich Mercédès Mayerhuber durch den Verkehr von Palma de Mallorca nach Paguera. Wie hatte ihr neuer Kollege Miquel den Weg beschrieben, der sie mit seinem Telefonanruf aus dem Schlaf gerissen hatte? Auf der Ma-1 immer Richtung Andratx fahren und bei Paguera die Ausfahrt ›La Romana‹ nehmen. Es könne nichts schiefgehen, hatte er gelacht. Und wahrlich, gegen den Verkehr in Madrid war Autofahren hier das reinste Kinderspiel.

Trotzdem, so hatte sie sich ihren ersten Tag nicht vorgestellt. Sie wollte endlich einmal ausschlafen, schließlich war Sonntag. Ohne irgendeine Verpflichtung. In Madrid hatte sie immer ein schlechtes Gewissen, wenn sie einen Tag nur für sich beanspruchte. Ihrer kranken Mutter gegenüber, ihren Freunden, für die sie sowieso nie genug Zeit hatte bei ihrem Beruf.

Müde rieb sich Mercédès die Augen. Sie war gestern erst spät am Abend in ihrem Hotel ALMVDAINA eingetroffen, das nicht weit entfernt von ihrer neuen Wirkungsstätte lag. Dem Hauptquartier der Polizei-Palma in der Carrer de Simó Ballester, in dem die neugegründete Abteilung untergebracht war, der sie ab sofort vorstand.

Nichts würde es jetzt mit einem gemütlichen Bummel durch die Avinguda de Jaome III werden, in der ihr Hotel sich in die lang gezogenen Häuserblocks eingliederte, hinunter zum Plaza Rei Joan Carles I. Ihr persönliches Willkommens-Gläschen Cava in der berühmten Bar Bosch fiel ebenfalls ins Wasser. Wie die Erkundung Palmas, auf die sie sich wie ein Kind gefreut hatte. Einmal nur ziellos durch die Stadt schlendern. Sie liebte es, sich Städte zu erwandern. Laut seufzte sie auf bei diesen Gedanken, schlug heftig auf ihr Lenkrad ein. Warum kam immer alles anders? Warum konnte ihr das Leben nicht mal Zeit geben? Ständig überstürzten sich die Ereignisse. Und wie immer, wenn sie Dampf ablassen wollte, stieß sie ein paar Mal einen richtig lauten Schrei aus. Das hatte sie bei einer Superversion gelernt und festgestellt, dass es ihr half. Allerdings praktizierte sie diese Therapie nur noch beim Autofahren, denn als sie das einmal in ihrer winzig kleinen Wohnung in Madrid angewandt hatte, hatte die Nachbarin die Polizei gerufen ...

Eigentlich wäre erst morgen ihr erster Arbeitstag. Eigentlich ... Sie hätte es nicht so eilig gehabt mit ihrem Dienstantritt, dachte sie frustriert. Warum nur hatte man sie auf diese gottverdammte Insel versetzt, die von Ausländern beherrscht wurde? Sie aus ihrem geliebten Madrid verbannt?

Abgelenkt von ihren Gedanken hätte sie fast die Abzweigung nach La Romana verpasst. Kaum zwanzig Minuten hatte sie für die Strecke gebraucht. Und musste trotz ihrer Vorurteile zugeben, dass die Fahrt sie durch eine reizvolle Landschaft geführt hatte. Links von ihr das Meer, das hin und wieder durchblitzte. Die Küste dürfte von größeren und kleineren Buchten durchsetzt sein, an denen sich die Orte wie auf einer Perlenschnur aufreihen mussten, wenn sie an die vielen Abfahrten und Hinweise auf diverse Ortschaften dachte. Könnte spannend werden, diese zu erforschen, überlegte Mercédès. Auch die rechte Seite ins Landesinnere reizte sie. Je weiter sie sich von Palma entfernte, desto näher rückten die Berge ans Meer. Anscheinend hatte die Insel doch mehr zu bieten, als sie sich durch ihre Aversionen wegen Ballermann eingestehen mochte.

Das Urlaubs-Resort, das Miquel als Ziel genannt hatte, war gut ausgeschildert und sie parkte ihren kleinen Mietwagen vor der Rezeption. Sie brauchte nicht zu fragen, wo die Leiche zu finden war. Polizisten in Uniform in verschiedenen Farben markierten den Weg Richtung Tatort. In Spanien gab es zur Überraschung vieler Ausländer neben der »PolicíaLocal« noch die »Guardia Civil« und die » PolicíaNacional«. So blieben Überschneidung von Zuständigkeiten, Kompetenzgerangel und Verzögerungen nicht aus, dachte Mercédès wieder einmal amüsiert. Wie oft hatte sie sich über diese Zustände schon echauffiert.

Die schwarz uniformierte PolicíaLocal übernahm vorzugsweise Ordnungsfunktionen. Sie regelte den Verkehr, bat Verkehrssünder zur Kasse, trat bei Einbrüchen und Diebstählen in Aktion. Auch bei Streit, Körperverletzung und Nötigung schritt die PolicíaLocal ein. War aber ein Messer im Spiel, war die grün gekleidete Guardia Civil zuständig. Die durften, im Gegensatz zur PolicíaLocal, bei Delikten wie Raub oder Vergewaltigung die Täter beziehungsweise Verdächtigen verhaften. Wurde das Opfer allerdings bedroht, verfolgt und fürchtet um sein Leben, war die blau gekleidete PolicíaNacional für die Aufklärung zuständig. Da lag es auf der Hand, dass alle drei Polizeisektionen ständig überprüfen mussten, ob ein Fall in ihre oder in eine andere Kompetenz fiel. Wenn sich die PolicíaLocal nicht sicher war, rief sie die Guardia Civil, die rief bei Gewaltverbrechen die PolicíaNacional ... Deshalb hatte man sie heute Morgen geweckt.

Rund um den Tatort wimmelte es von Neugierigen. Mercédès musste schmunzeln, als sie die vielen Menschen wahrnahm, die sich ihre Nasen an den riesigen Glasscheiben platt drückten, hinter denen das Hallenbad erkennbar war, um etwas von der Sensation mitzubekommen, die sich hier buchstäblich vor ihrer Nase abspielte.

Ein junger, schwarz uniformierter Polizist der PolicíaLocal stand vor der Glasfassade und wies sie ein, nachdem sie ihren Ausweis gezeigt und sich knapp vorgestellt hatte. »Wissen wir schon, wer das Opfer ist?«, erkundigte sie sich. Miquel hatte am Telefon nur angemerkt, sie hätten eine weibliche, schwimmende Leiche.

»Senyora Sabrina Schneider. Seit Ende Oktober Gast in der Anlage. Sie bewohnt Apartment 920. Laut Resortleiter wollte sie ihr neuestes Buch fertigstellen.«

»Eine Schriftstellerin? Interessant. Welche Art von Literatur?«, fragte Mercédès neugierig.

»Erotische«, antwortete der junge Polizist leicht errötend.

»Olala«, konnte sich die Comissària ein Lächeln nicht verkneifen. »Wer hat sie gefunden?«

Der Kollege deutete auf das ältere Ehepaar, das, in seine abgewetzten Bademäntel gewickelt, in einer Ecke des Hallenbades stand und dem geschäftigen Treiben fassungslos zusah. Wobei, fassungslos war eher er. Sie schien die Situation zu genießen. Bevor Mercédès ins Gebäude verschwand, bat sie den Kollegen, die Schaulustigen zurückzudrängen, denn auch eine Tote hatte Privatsphäre verdient.

»Das habe ich versucht, Comissària. Aber die wollen einfach nicht hören! Die Herbstmonate sind immer sehr, sehr ruhig. Anfang November schließen viele Läden und Cafés, es werden kaum noch Aktivitäten angeboten. Nur hin und wieder ein bisschen Klatsch und Tratsch. Und jetzt ist endlich etwas los. Da wollen sie nichts versäumen. Außerdem soll die Tote die letzte Woche die Hauptperson des allgemeinen Interesses gewesen sein«, zwinkerte er ihr zu.

»Versuchen Sie´s trotzdem noch mal, ja?«

Er nickte Gott ergeben.

Die Kommissarin näherte sich dem Paar, das die Tote gefunden hatte. Die Dame wirkte leicht gehässig, machte sich mit bissigen Bemerkungen über die Tote her.

»Buenos días«, grüßte Mercédès freundlich, »ich bin Comissària Mercédès Mayerhuber und leite die Ermittlungen. Wer sind Sie?« Wie immer, wenn Sie sich mit ihrem ausgefallenen Namen vorstellte, wanderten zuerst einmal erstaunte Augen in ihre Richtung. Wie hatte sie das satt!

»De ausgschamte Person, die häd no gar ned so fria im Pool sei derfa. De sperrn jo east um achte auf«, keifte die Frau gleich los.

»Bisd stad, Mutti, die Frau Kommissarin interessiad des ned.« Mit einem entschuldigenden Blick auf seine Frau drehte er sich der Kommissarin zu. »Rosmarie und Josef Fichtelhuber aus Rosenheim. Mia überwintern do. Wia jeds Joar.«

Auch eines dieser deutschen Paare, die es sich leisten konnten, den Winter im wärmeren Mallorca zu verbringen und den Einheimischen die Preise ruinierten, dachte Mercédès leicht verbittert, ließ es sich aber nicht anmerken.

»Kannten Sie Frau Schneider?«

»Kenna is zvui gsogt. Obwoi sie a Stammgast is. Gseng hom mia sie a boh moi. Oiwei mid andern Mannsbuidern«, keifte Frau Fichtelhuber los. »De war aa aus Rosenheim. Friaha. Bevoa sie noch Berlin ganga is. War oiwei so a ausgschammts Luada. Nia fahairad, aba oiwei oan, der um sie herumgschwanzelt is.«

Die Comissària hob leicht die Augenbraue. »Herumgschwanzelt?«, versuchte sie zu formulieren.

»Na, Männa hoid, de ihr nachglaffa san.«

»Aha. Sind ihr hier auch Männer nachgelaufen?«

»Na sicha. Auf 602 wohnt a ältera Mo mid seina krankn Frau, der hod si öfta mit ihr unterhoidn. Ma munkelt, dass do wos g´laufon is. Jo, und seid a pooa Tog is auf 115 so a junga Mo, der wos do allon wohnt. Der sull ogeblich ihr Liabhobr aus Berlin sei. Und da Resoatleita, da do drend so vaschdoanart städ, da Herr Hoffmann, soi aa a Aug auf ihr g´woafa hom.«

»Mutti, jetzt hear scho auf damit. Des san ois grod Vamutunga. Mia wissn gar nix«, wieder mit einem entschuldigenden Blick zur Kommissarin.

Diese lächelte leicht und meinte: »Danke vorerst, wenn wir noch Fragen haben, wo können wir Sie finden?«

»Mia wohna im Heisl 8, auf 815«, antwortete Herr Fichtelhuber, hakte seine Frau unter und zog die protestierende Rosie hinter sich her. Mercédès schaute den beiden nach, bevor sie sich an den Manager des Hotels wandte.

„Buenos días. Herr Hoffmann, wenn ich nicht irre?“, fragte Mercédès den immer noch wie versteinert dastehenden Geschäftsführer.

»Ja, der bin ich«, und wunderschöne, bernsteinfarbene Augen in einem markant geschnittenen Gesicht richteten sich auf die Kommissarin. Ein Blick, der Mercédès unter die Haut ging und ein eigenartiges Kribbeln in ihr hervorrief. Nicht nur, weil sie nicht mit einem dermaßen attraktiven Mann gerechnet hatte, sondern sie war überrascht über den Schmerz in seinen Augen. Und das Zucken seiner Augenlider verwirrte sie. War er nervös?, überlegte sie.

»Comissària Mayerhuber, ich leite diesen Fall. Kannten Sie die Tote näher?“

»Warum näher?«, fragte er aufgewühlt.

Oh oh, dachte Mercédès, der hat etwas zu verbergen.

»Wie man mir erzählt hat, war Frau Schneider Stammgast in dieser Ferienanlage. Da ist es naheliegend, dass Sie die Tote kannten.«

»Ähm, ja, natürlich. Sie kam seit einigen Jahren regelmäßig im Herbst zu uns, um sich zu entspannen. Wir haben hin und wieder geplaudert.«

Sie konnte seinen Gesichtszügen entnehmen, dass sie mehr als nur geplaudert hatten. Erneut sah sie Schmerz darin. Ja, sogar Erschütterung.

»Können Sie uns etwas zum Umstand ihres Todes sagen oder gibt es irgendwelche Besonderheiten, die Sie bemerkt haben?«

»Äh, nein, nicht das ich wüsste.«

»Warum sind Sie so nervös?«

»Ich … äh, bin nicht nervös.«

»Doch, das sind Sie.« Mercédès war überrascht, denn er schien eher der Typ eines selbstsicheren Managers zu sein. Was war mit ihm los?

»Ich … nein, ja …«

»Also, was jetzt?«, fragte sie hart.

»Sie sehen doch, was hier los ist. Die ersten Gäste beschweren sich bereits, dass sie nicht ins Hallenbad dürfen, obwohl normalerweise die wenigsten am Vormittag den Pool nutzen. Die anderen beklagen sich über den Lärm, den die Bauarbeiter vom Nachbarhotel veranstalten. Keiner hat uns informiert, dass dort Renovierungsarbeiten durchgeführt werden«, kam es genervt vom Manager. »Brauchen Sie mich noch? Ich habe alle Hände voll zu tun, um die Gäste zu beruhigen.«

War es nur das?, überlegte die Kommissarin und meinte: »Vorerst nicht. Wo kann ich Sie finden, wenn ich noch Fragen habe?«

»In meinem Büro an der Rezeption«, damit marschierte er in weit ausholenden Schritten davon, wie es großgewachsenen Männern eigen war. Mercédès schaute ihm fasziniert nach, fühlte Blicke auf sich gerichtet und drehte sich nach diesen um.

Am Beckenrand standen zwei männliche Personen. Ein schlaksiger Mit-Zwanziger mit kurzen dunklen Haaren, die wie dichte Borsten in die Höhe ragten, und der sie interessiert musterte. Der andere war älter, Ende Fünfzig, Anfang Sechzig, mit einem beachtlichen Leibesumfang. Seine Augen wanderten gemächlich über Mercédès´ Gestalt. Es war unschwer zu erkennen, dass ihm gefiel, was er sah.

Wahrscheinlich mein neuer Kollege und der Gerichtsmediziner, überlegte Mercédès und bekam sofort ein schlechtes Gewissen, weil sie sich zuerst mit den Zeugen unterhalten hatte, anstatt die Kollegen zu begrüßen. Dabei hatte sie sich geschworen, an ihrer neuen Dienststelle die Arbeitskollegen mehr in ihre Ermittlungen einzubinden. Sie schob ihre widerspenstigen Locken hinter die Ohren, wie sie es immer tat, wenn sie sich ertappt fühlte oder nervös war. Und ärgerte sich gleichzeitig darüber, dass es ihr nicht gelang, diese Gewohnheit abzulegen.

Mercédès ging auf die beiden zu, die ihr erwartungsvoll entgegenblickten. Der ältere Kollege sagte leise etwas wie ›Una dona guapa‹ auf Mallorquinisch, was so viel bedeutete wie ›schöne Frau‹, und grinste breit.

Ich sollte schnellsten den Dialekt dieser Inselsprache lernen, dachte Mercédès, sonst würde das hier nichts werden, denn die würden ständig versuchen, mich auszuspielen. Wo ihnen doch eine Frau vom Festland vor die Nase gesetzt worden war. Warum änderte sich die Einstellung der Männer einfach nicht? Immer noch Frauen gegenüber skeptisch.

Aber sie war das gewohnt. Zierlich wie sie war, traute man ihr ohnedies nicht viel zu. Doch es gefiel ihr, unterschätzt zu werden. Da machten vor allem Mörder gerne Fehler. Trotzdem nervte es sie, dass attraktive Frauen es nach wie vor schwer hatten, für ihre Kompetenz anerkannt zu werden. Innerlich seufzend und mit einem Blick auf die bereits aus dem Wasser gezogene und mit einem Tuch bedeckte Leiche meinte sie zu dem jüngeren Kollegen: »Ich hab noch nicht gefrühstückt!«

Der junge Mann lachte. »Leiche zum Frühstück. Kommt doch öfter vor, oder?«

»Jetzt, wo Sie das sagen. Nein, eher selten. Meistens werden sie als Mitternachtssnack serviert«, fügte sie lakonisch an. »Sie sind wohl Miquel, der mich so unsanft aus meinen Träumen gerissen hat? Freut mich«, und sie schüttelte ihrem neuen Kollegen die Hand.

»Miquel Coll, die Freude ist ganz meinerseits«, lächelte dieser sie entwaffnend an.

Konnte sie ihm das glauben? Sie wusste, dass gegen sie interveniert worden war. Allerdings nicht von wem.

»Wir haben uns ebenfalls noch nicht kennengelernt«, und sie reichte dem Gerichtsmediziner ihre Hand. »Mercédès Mayerhuber«, lächelte sie entschuldigend.

Dieser lachte dröhnend auf. »José Munar. Nennen Sie mich José. Und sorry, wenn ich lachen muss. Aber Ihr Name ist mehr als bemerkenswert.«

»Wem sagen Sie das ...«, stöhnte Mercédès. »Mein Vater war aus Bayern und ein riesengroßer Mercedes-Fan. Ich denke nicht, dass er zeit seines Lebens je ein anderes Auto gefahren ist«, und musste lächeln bei dem verständnisvollen Blick, den Munar ihr schenkte, deshalb rückte sie mit der Geschichte ihrer Namensgebung heraus. »Mein Vater eiferte dem österreichisch-ungarischen Geschäftsmann Emil Jellinek nach, dessen Tochter ebenfalls Mercédès geheißen hat und die Namensgeberin der Marke Mercedes ist. Jellinek hat 1899 an einem Autorennen in Nizza mit einem Rennwagen aus der Daimler-Motoren-Gesellschaft teilgenommen, den er zu Ehren seiner damals zehnjährigen Tochter Mercédès getauft hatte. Und hat das Rennen gewonnen. So wurde der Vorname von Jellineks Tochter bekannt. Als er Geschäftspartner Daimlers geworden ist und eine neuartige Fahrwerks- und Motorkonstruktion entwickelt hat, erhielt die den Namen ›Daimler-Mercedes‹. Später wurde der eingedeutschte Name ›Mercedes‹ als Warenzeichen angemeldet und gesetzlich geschützt. So bringt heute den Namen ›Mercedes‹ kaum noch einer mit einem Mädchennamen in Verbindung. Außer mein Vater.« Der Frust war ihr deutlich anzumerken, trotzdem fügte sie hinzu: »Dabei ist es ein typisch spanischer Vorname, auch wenn meiner nach der französischen Variante geschrieben wird. Was in Spanien immer wieder zur Verwirrung führt ...«

»Das glaube ich gerne. Doch ich finde den Namen ausgesprochen hübsch, wie die Trägerin«, lächelte José.

Dankbar lächelte sie zurück. »Aber jetzt zu dem eigentlichen Grund, der uns hier zusammengeführt hat. Was haben wir?«

»Die Tote wurde um acht Uhr von dem Ehepaar, mit dem Sie sich vorhin unterhalten haben, mit dem Gesicht nach unten im Pool treibend gefunden. Der Bademeister hat sie herausgezogen und versucht, sie wieder zu beleben. Allerdings vergeblich.«

»Todesursache?«

»Vermutlich Ertrinken.«

»Herbeigeführt wodurch?«, und Mercédès kniete sich neben die Leiche, schlug das dünne grüne Tuch zurück, blickte in das aufgequollene Gesicht einer einstmals wahrscheinlich attraktiven Frau, das von verfilzten, langen rotblonden Haaren eingerahmt war.

»Kann ich noch nicht sagen. Aber es war höchstwahrscheinlich kein Unfall durch Herzinfarkt oder dergleichen, sondern Fremdverschulden. Zumindest lassen die Abdrücke an ihren Schultern darauf schließen, die auf den ersten Blick frisch aussehen. Deshalb sind Sie gerufen worden.«

»Bis wann können Sie sagen, woran sie tatsächlich gestorben ist?«

»Hängt davon ab, wie schnell ich sie auf meinem Tisch in der Pathologie habe. Dann mach ich mich gleich an die Arbeit. In der Nebensaison hat auch die Gerichtsmedizin ein bisschen Luft«, lächelte José.

»Können Sie schon etwas zur Todeszeit sagen?«

»Zwischen sieben und acht Uhr«, antwortete Miquel Coll statt des Gerichtsmediziners.

Mercédès blickte erwartungsvoll zu ihm auf, denn sie kniete immer noch neben der Toten und untersuchte die Spuren an den Schultern.

Also fuhr Miquel fort: »Der Bademeister hat sie kurz nach sieben Uhr das Bad betreten sehen, und wie bereits erwähnt, wurde sie um acht Uhr gefunden. Also ein klares Zeitfenster.«

»Danke Herr Kollege«, lächelte Mercédès. »José, denken Sie, dass Sie das näher eingrenzen können?«, und erhob sich.

»Ich werde mein Bestes geben«, antwortete dieser gut gelaunt. »Aber nur, wenn Sie mich in der Pathologie besuchen.«

»Abgemacht! Miquel und ich werden Sie aufsuchen. Ich muss ja ohnedies alles kennenlernen. Sollten Sie eher etwas Bahnbrechendes herausfinden, freue ich mich über einen Anruf«, und reichte ihm zum Abschied die Hand.

»Jetzt brauche ich einen Kaffee«, seufzte Mercédès in Richtung ihres neuen Kollegen. »Hatte keine Gelegenheit, in meinem Hotel das Frühstück zu genießen.«

»Hier in der Anlage? Da hätten wir die Bar Luna 81 anzubieten oder das Restaurant Tentación.«

»Nein, nicht beim Tatort. Gibt es hier in der Nähe nicht ein Café, wo man sich ungestört unterhalten kann?«

»Eine Bucht weiter, in der Platja del Torà gibt es ein paar nette Bars«, meinte Miquel fröhlich.

»Klingt gut, lassen Sie uns dorthin gehen.«

»Sie wohnen im Hotel?«, wollte der Kollege überrascht wissen, als sie außerhalb der Hörweite der Schaulustigen waren, die nach wie vor sensationssüchtig vor dem Bad herumstanden.

»Ja, ich bin erst gestern angekommen und wollte mir ein bisschen Zeit lassen mit der Suche nach einer geeigneten Wohnung. Können Sie mir etwas empfehlen?«

»Nein, leider. Aber leicht wird es nicht werden, bei den Preisen hier.«

»Das habe ich mir schon gedacht.« Und dabei schaute sie mürrisch auf das Hotel Lido Park, das auf einem Felsvorsprung, den sie soeben auf einem breiten Promenadenweg umrundeten, der die Buchten La Romana und Torà verband, in die Höhe ragte. Da hat der Bürgermeister sicher gut verdient, dachte sie sarkastisch.

»Gefällt Ihnen wohl nicht, was Sie sehen, oder?«

»Nein, ich bin kein Freund von Hotelkomplexen in Strandnähe, die die Natur völlig missachten. Und wenn ich da hinüberblicke, wird mir schlecht«, und dabei deutete sie auf die gegenüberliegende Bucht und die Häuser, die sich bis zur Bergkuppe in enger Bebauung dicht an den Hang drängten und kaum etwas vom Grün der Insel durchblitzen ließen.

»Das ist Cala Fornells. Von den Häusern bietet sich ein wunderbarer Ausblick auf das Meer. Ist eine teure Gegend.«

»Das glaube ich gerne. Trotzdem möchte ich um nichts in der Welt in einem derart dichten Gewirr von Häusern wohnen. Wie kann so etwas in dieser herrlichen Umgebung genehmigt werden? Gibt es keine Bauvorschriften?«

»Ist ohnedies nicht unsere Preisklasse«, antwortete Miquel brüsk, der einer Diskussion über bauliche Verschandelung seiner Insel aus dem Weg gehen wollte. Alle fingen damit an, kaum hatten sie einen Fuß auf die Insel gesetzt. Zumindest, wenn sie mehr interessierte als nur billig Bier oder Sangria zu saufen. Überall schossen Bungalows aus dem Boden, wo man eine schöne Aussicht auf das Meer genießen konnte. Trotz Baustopps. Außerdem standen an den wundervollsten Orten noch immer die hässlichsten Bettenburgen. Aber er war nicht der Verantwortliche dafür. Sollten sich andere den Kopf darüber zerbrechen.

Mittlerweile waren sie vor einer schmalen Häuserzeile am Platja del Torà angekommen, die ausschließlich aus diversen Bars und Cafés bestand. »Dafür können wir uns die Bars hier leisten. Wo wollen wir einkehren?«

»Was empfehlen Sie als Einheimischer?«

»Sind alle nett.«

»Dann nehmen wir gleich die Beach Bar hier. Ein bisschen die Sonne ins Gesicht scheinen lassen tut gut.«

Mercédès bestellte einen café con leche. Darauf freute sie sich, seit sie in Palma in ihr Auto gestiegen war.

Worauf Miquel meinte: »Wenn Sie sich hier willkommen fühlen wollen, dann sollten Sie mallorquinische Ausdrücke benutzen. Bringen Sie uns dos cafès amb llet«, und zwinkerte der Kellnerin zu.

Die antwortete in holprigem Spanisch: »Kaffee versteh ich in allen Sprachen. Ansonsten ist mir deutsch lieber«, und zog von dannen.

Mercédès musste herzlich über Miquels Gesichtsausdruck lachen.

»Deshalb steht wohl ›Peguera‹ und nicht ›Paguera‹ auf den Straßenschildern? Hat mich leicht verwirrt bei der Anfahrt ...«, lenkte sie ihn von seiner Verblüffung über die Kellnerin ab.

»Ja, auf mallorquinisch heißt die Stadt ›Peguera‹.«

»Sie legen Wert darauf, Mallorquiner zu sein und nicht Spanier?«

»Nein, ich bin beides. Doch zuerst stolzer Mallorquiner und in zweiter Linie Spanier. Ich bin hier geboren, in Calvià und würde die Insel freiwillig nie verlassen. Und Sie? Fühlen Sie sich als Deutsche oder als Spanierin?«

»Ich bin in Deutschland aufgewachsen, lebe jedoch seit fast zwanzig Jahren in Spanien. Also bin ich Spanierin, auch wenn ich meine deutschen Wurzeln nicht leugne. Das wäre somit geklärt, oder haben Sie noch Fragen?«, lächelte sie Miquel herausfordernd an. Ihre deutsche Abstammung war höchstwahrscheinlich vielen im Kommissariat ein Dorn im Auge.

Als die große Tasse Kaffee mit Milch vor ihr stand, umschloss sie diese mit den Händen, als wollte sie sich daran wärmen. Dabei hatte die Sonne eine unheimliche Kraft.

Sie konnte gar nicht glauben, dass bereits der sechste November war. Lehnte sich zurück, schloss die Augen, genoss einen Augenblick nur die Strahlen der Sonne und versuchte, sich wie eine Touristin zu fühlen, die einfach nur hier saß und das Leben auskostete. Doch leider gelang ihr das nicht. Sie musste an den erschrockenen Gesichtsausdruck der Toten denken.

»Was denken Sie, war das ein Unfall oder Mord?«, und blickte direkt in das intelligente Gesicht von Miquel. Kurz fügte sie noch an: »Übrigens, ich heiße Mercédès.«

»Miquel«, und sie stoßen symbolisch mit ihren Kaffeetassen an.

»Also, was denkst du?«

Der junge Kollege überlegte. Er war erst seit Kurzem bei der Sonderkommission, die extra gebildet worden war, um für Einsätze wie diese gerüstet zu sein, wenn Urlaubsgäste betroffen waren. Da vierzig Prozent der Gäste deutsche Urlauber waren, hatte man der Kollegin aus Madrid den Vorzug gegeben, da sie deutscher Abstammung war. Niemand wollte freiwillig mit der Neuen arbeiten, die ihnen vom Festland vor die Nase gesetzt worden war. Ihr eilte der Ruf voraus, sehr eigenwillig zu sein und die Ermittlungen gerne alleine durchzuziehen. Doch er hatte auch gehört, dass ihre Aufklärungsrate hoch war. Und er wollte lernen. Schließlich hatte er ehrgeizige Pläne. Polizeichef der Insel zu werden. So hatte er sich beworben und war überglücklich, dass er den Job ergattert hatte. Ausschlaggebend waren wahrscheinlich seine perfekten Englischkenntnisse, denn die zweite große Gruppe an Urlaubern waren Engländer. Man hatte ihn noch schnell zu einem Kursus zum FBI geschickt, um gerüstet zu sein. Vielleicht als Bonus für seine freiwillige Bewerbung, denn es wurde lange nach einem einheimischen Polizisten als Unterstützung für die nicht Ortskundige gesucht ...

»Ich habe mir die Abdrücke auf ihren Schultern genau angesehen. Es scheint, dass sie jemand mit den Händen unter Wasser gedrückt hat. Und wenn ich an ihren Gesichtsausdruck denke ...«

»Ja, der ist mir ebenfalls aufgefallen. Erschrocken. Überrascht. Aber auch leicht ärgerlich. Vielleicht konnte sie nicht glauben, dass die Person es ernst meint«, sinnierte Mercédès.

»Doch wer hätte Interesse, eine Schriftstellerin zu töten? Noch dazu in einem so eleganten Resort, wo es immer zivilisiert zugeht und wir dort praktisch keine Einsätze haben«, seufzte Miquel.

»Was wissen wir von der Toten?«

»Sabrina Schneider lebt, besser gesagt, lebte in Berlin. Einundfünfzig Jahre alt. Sie hat einige sehr erfolgreiche Bücher auf den Markt gebracht und sich als Erotikschriftstellerin weltweit einen Namen gemacht. Ihre Bücher wurden ins Englische, Französische und Italienische übersetzt. Leider noch nicht ins Spanische. Sie war Millionärin und konnte sich jedes Luxusdomizil auf Mallorca leisten. Trotzdem hat sie diese Anlage gewählt.«

»Die ist wahrscheinlich auch nicht billig, oder?«, wandte Mercédès ein.

»Nein, sie gehört ebenfalls zu den gehobenen Anbietern, aber hier steigt an und für sich gutbürgerliche Klientel ab und nicht Millionäre. Warum also war sie hier?«

»Gut Frage! Seit wann kam sie in das Resort?«

»Seit genau fünf Jahren. Sie hatten gestern Abend Jubiläum gefeiert.«

»Wer ›sie‹?«, bohrte Mercédès nach.

»Herr Hoffmann, der Manager, hatte ein Abendessen für Frau Schneider im resorteigenen Restaurant ausgerichtet. War ursprünglich nur für die beiden gedacht, aber dann kam überraschend ihr Freund aus Berlin. Hoffmann und unsere Leiche scheinen nicht begeistert davon gewesen zu sein.«

»Sagt wer?«, warf Mercédès ein und lenkte ihren Blick, der sich über dem Meer verloren hatte, interessiert Richtung Miquel.

»Frau Fichtelhuber, die hast du ja schon kennengelernt.«

»Und woher weiß Frau Fichtelhuber das so genau?«, fragte sie spöttisch.

»Sie saß mit ihrem Mann am Nebentisch und hat das Gespräch zufällig mitangehört.«

»Zufällig ... wer´s glaubt. Was hat sie gehört?«

»Wie Sabrina Schneider den jungen Mann angefaucht hat, was er hier verloren habe. Er wisse doch genau, dass sie auf Mallorca ihre Ruhe haben möchte und sich entspannen wolle. Und dabei soll sie dem Hoffmann schöne Augen gemacht haben, sagt die Fichtelhuber.«

Mercédès lachte herzlich auf. »Wie gut, dass es Menschen gibt, denen das eigene Leben nicht genug ist und die ihre Nase in fremde Angelegenheiten stecken. So helfen sie uns bei unseren Ermittlungen. Dann werde ich mal Herrn Hoffmann auf den Zahn fühlen, ob Frau Schneider ihm ›schöne Augen‹ gemacht hat und erkunden, was es mit dem jungen Mann aus Berlin auf sich hat. Und nach dem älteren Mann fahnden, der laut Frau Fichtelhuber ›etwas mit ihr laufen hatte‹. Seine Apartmentnummer ist mir ja dank Rosie Fichtelhuber bekannt.«

»Und was mache ich?«

»Du wirst die anderen Gäste befragen, von denen wir die Personalien aufgenommen haben, ob sie am Morgen etwas Verdächtiges bemerkt haben. Und das Personal, das Frau Schneider kannte. Allerdings gehen wir von einer Unfall-These aus. Sollte es doch Mord sein, wiegt sich der Täter in Sicherheit.«

»Alles klar. Wo treffen wir uns wieder?«

»Am Nachmittag im Büro. Ich nehme an, unsere Dienststelle ist auch am Wochenende besetzt«, lächelte sie.

»Weißt du denn schon, wo die ist?«, lachte Miquel verschmitzt.

»Ich werd´s finden«, antwortete Mercédès lakonisch.

Mercédès stand einige Zeit vor dem Gebäude, in dem Rezeption und Büros der leitenden Angestellten untergebracht waren, und betrachtete Werner Hoffmann durch das Fenster. Erneut fiel ihr seine außergewöhnliche Attraktivität und seine besondere Ausstrahlung auf, obwohl sein Gesichtsausdruck verkniffen wirkte und er irgendwie in sich gekehrt zu sein schien. Sie konnte sich seiner Aura trotz Glasscheibe nicht entziehen. Ein bemerkenswerter Mann, überlegte sie. Wie alt er wohl war? Anfang/Mitte vierzig? Sie musste unbedingt herausfinden, ob sein Gemütszustand mit dem Tod von Sabrina Schneider zusammenhing.

Sie betrat das Haus, schlüpfte an der Rezeption an einer verblüfften, ausgesprochen hübschen jungen Frau vorbei, klopfte an seine Tür und trat ohne Aufforderung ein.

»Herr Hoffmann, ich hätte noch einige Fragen«, begann sie sofort, ohne Begrüßung.

Übellaunig erhob sich der Manager hinter seinem Schreibtisch. »Womit kann ich dienen?«

Der Ausdruck ›dienen‹ zauberte ein Lächeln in ihr Gesicht. Neugierig fragte sie: »Wo kommen Sie denn her?«

»Aus Wien«, sagte er kurz angebunden.

»Und wie lange leben Sie auf Mallorca?«

»So an die zwölf Jahre. Aber ich denke nicht, dass Sie hier sind, um über meine Mallorca-Erfahrung mit mir zu plaudern«, meinte er eisig.

»Nein, da haben Sie recht. Ich möchte mir das Apartment der Toten ansehen.«

»Äh, natürlich. Aber Ihre Kollegen von der Spurensicherung waren bereits da.«

»Ich weiß. Doch ich mache mir gerne selbst ein Bild. Und ich hätte ein paar Fragen an Sie. Würden Sie mich begleiten?«

»Wie Sie wollen«, meinte er höflich. »Ich gehe voraus.«

Sie folgte dem großgewachsenen Mann durch die liebevoll gestaltete Anlage, vorbei am glasverschalten Restaurant, das über einige Stufen direkt vom gepflegten Strand aus erreichbar war. Aus dem Inneren konnte man wahrscheinlich einen herrlichen Blick auf das Meer genießen, sinnierte Mercédès. Kein schlechter Platz für eine Auszeit vom täglichen Trott. Die ausladende, mit Steinen gepflasterte Terrasse davor wirkte einladend, nur etwas kahl, jetzt, in den Herbstmonaten. Vereinzelt saßen Gäste mit Zeitungen an den Tischen, erfreuten sich an den Sonnenstrahlen und tranken Kaffee. An einer Seite der Terrasse wurde gerade eine Art Podium für den Winter »eingepackt«, vermutlich die Bühne, wo in der Hauptsaison die abendlichen Belustigungen für die Gäste stattfanden. Nichts für sie. Sie verabscheute diese Art der Unterhaltung.

Sie kamen am Hallenbad vorbei. Alles war wieder ruhig, die Leiche war weggebracht worden, das Absperrband vor dem Eingang wehte leicht im sanften Wind, der vom Meer her blies. Der hintere Teil der Häuserwand von dem Gebäude, in dem neben dem Bad auch die Wäscherei untergebracht war, wie sie im Vorbeigehen bemerkte, war von bunten Bougainvilleas bewachsen, die in der Sonne leuchteten. Doch Mercédès hatte keine Zeit, sich an den herrlichen Blüten zu erfreuen, denn Werner Hoffmann holte weit aus mit seinen Schritten und sie hatte Mühe, ihm zu folgen. Schweigend trotteten sie hintereinander die Stufen zu den Apartment-Häusern hinauf. Eine schmale Treppe führte in den zweiten Stock von Haus 9 zu Apartment 920.

Er öffnete die Tür, ließ ihr aber den Vortritt. Ein prachtvoller Ausblick über Palmen direkt auf das Meer bot sich durch die großzügige Fensterfront auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes, den sie betraten.

»Was für eine Aussicht!«, rief sie überwältigt aus. Doch dann stutze sie. Wo war die Spurensicherung?

»Ist die Spurensicherung schon abgezogen?«, drehte sie sich überrascht zu Hoffmann um.

Der sagte nichts, starrte nur auf den Esstisch, der hinter der Küchenzeile, die durch eine Art Bar vom restlichen Zimmer getrennt war, an der Wand stand, umgeben von vier Sesseln. Weiter hinten im Raum, knapp vor den bodentiefen Fenstern, befand sich eine Couch mit einem kleinen Tischchen davor. Sie beobachtete Hoffmann aufmerksam, der immer noch fasziniert auf den Esstisch stierte.

Hier habe ich sie das erste Mal geliebt, dachte dieser traurig. Vor ziemlich genau fünf Jahren. Bei ihrem allerersten Besuch hatte sie mich gebeten, ihr die Koffer auf das Zimmer zu tragen. Er tat dies normalerweise nie, aber ihre grauschimmernden Augen hatten ihn von Anfang an fasziniert und in seinen Bann gezogen. Nachdem sie das Apartment betreten hatten, hatte sie sich lasziv an diesen Tisch gelehnt.

»Wollen Sie mir Gesellschaft leisten und einen Begrüßungsschluck mit mir trinken?«, hatte sie ihn herausfordernd angelächelt.

Er hätte ablehnen sollen. Nie trank er mit Gästen einen Begrüßungsschluck. Er war Manager der Anlage und nicht persönlicher Betreuer. Doch er war in die Küche gegangen, hatte den Begrüßungswein geöffnet und zwei Gläser eingeschenkt.

»Salud!«, hatte sie bemerkt und mit ihm angestoßen. Nie würde er ihre Augen dabei vergessen. Spöttisch hatten sie sich in seinen verfangen. Er vergaß, dass er der Manager war, er vergaß alles. Er war auf sie zugetreten, hatte ihr das Glas abgenommen, sie einfach in seine Arme gezogen und leidenschaftlich geküsst. Und dann war es passiert. Gleich auf dem Tisch.

Es war nicht bei dem einem Mal geblieben. Fast täglich hatte er sie besucht und sie hatten sich geliebt. Überall im Apartment. Im Bett. Auf dem Esstisch. Auf der Küchenarbeitsplatte. Auf der Couch. In der Dusche. Er war ihr regelrecht verfallen.

Nach ihrer Abreise war er in ein tiefes Loch gefallen. So süchtig war er nach ihr gewesen. Also war er ihr nach Berlin gefolgt, aber sie hatte ihn vor ihrer Tür abgewiesen. »Ein wunderbarer Urlaubsflirt, aber nicht mehr«, hatte sie nur gesagt und die Tür geschlossen. Er war sich wie ein Esel vorgekommen.

Ein Jahr später war sie erneut im Resort aufgetaucht. Er war wie elektrisiert, als er sie an der Rezeption gesehen hatte und war sofort aus seinem Büro geeilt. »Wollen Sie mir wieder mit den Koffern helfen, lieber Herr Hoffmann?« Er wollte. Und abermals war es der Tisch, der für die erste Leidenschaft herhalten musste.

Sie war nun das fünfte Mal bei ihnen abgestiegen, und nichts hatte sich am Begrüßungszeremoniell geändert. Auch fand sich nach wie vor jeden Tag eine Gelegenheit, ihrer Leidenschaft nachzugehen. Und nach wie vor war er süchtig nach ihr. Erst heute Morgen hatten sie in diesem Bett da … Sein Blick wanderte Richtung Schlafzimmer.

»Ist Ihnen nicht gut?«, fragte Mercédès, da Hoffmann geistesabwesend wirkte. Sie registrierte, wie er zusammenzuckte und sich ihrer anscheinend erst wieder besinnen musste. »Sie sehen plötzlich so bleich aus.«

»Alles in Ordnung. Es ... es hat mich nur etwas mitgenommen. Wir hatten noch nie eine Tote bei uns im Resort«, meinte er entschuldigend.

Mercédès glaubte ihm nicht, irgendetwas ging in dem Mann vor. Sie konnte seine Verzweiflung direkt fühlen. »Laut Aussage einer Zeugin hatten Sie ein Auge auf die Verstorbene geworfen?«, fragte sie beiläufig.

»Ein Auge auf ...? Wer sagt denn so was?«, erkundigte er sich verstört. Er war überzeugt, dass sie diskret vorgegangen waren. Wobei, wenn er an gestern Nachmittag dachte … da hatten sie alle Vorsicht außer Acht gelassen und sich hinter dem Resort auf den Klippen unter freiem Himmel geliebt. Aber er hatte sich vorher vergewissert, da war niemand gewesen, der sie hätte beobachten können.

Mercédès ließ ihn nicht aus den Augen. Sie hatte eine wunde Stelle getroffen, das spürte sie. »Sie mochten Frau Schneider, richtig?«, stellte sie sachlich fest.

»›Mochten‹ ist nicht der passende Ausdruck«, antwortete er nach einer kleinen Weile. »Ich bewunderte sie für ihren Mut. Wie offen sie mit ihrer schriftstellerischen Tätigkeit umgegangen ist. Bei dem Thema nicht immer leicht.«

»Warum nicht?«, wunderte sich Mercédès.

»Weil es Männer gab, die dachten, sie lebe so, wie sie es in ihren Büchern beschrieb. Sie wurde öfter bedrängt.«

»Hat Frau Schneider Ihnen das erzählt?«

»Ja, manchmal beklagte sie sich darüber. Deshalb kam sie so gerne zu uns. Sie meinte immer, hier seien lauter alte Ehepaare, da wolle keiner was von ihr.« Er lachte angestrengt.

»Sind Sie sicher, dass keiner etwas von ihr wollte?«, fragte sie gespannt nach. Du zum Beispiel?, überlegte sie.

»Die Leute tratschten zwar über sie, aber das war es auch schon. Ich habe zumindest niemanden beobachtet, der ihr zu nahe getreten ist. Außer ...«, unterbrach er sich grübelnd.

»Außer?«

»Außer dem jungen Mann, der vor ein paar Tagen auf 115 eingezogen ist. Ich bin mir nicht sicher, aber angeblich war er ihr Geliebter.«

Er wusste, dass es so war. Er hatte sie gestern mit dem Kerl im Bett erwischt. Sie war fürchterlich wütend geworden, dass er mit seinem Zentralschlüssel einfach ihre Tür aufgesperrt hatte, als sie auf sein Klopfen nicht geöffnet hatte. Es hatte ihn wie ein Faustschlag im Magen getroffen, als er den Burschen über ihr knien gesehen hatte und aus ihrem Mund das gleiche Stöhnen gekommen war wie wenn er …

Fluchtartig hatte er das Apartment verlassen. Wütend auf sie. Aber mehr noch auf sich. Warum konnte er die Finger nicht von ihr lassen? Seine Umgebung war bereits misstrauisch, für ihn stand alles auf dem Spiel. Wenn jemand erfuhr, dass er seit Jahren mit einem Gast …

Er hatte sich vorgenommen, die Affäre zu beenden, als er aufgelöst in seinem Büro saß und die Szene aus dem Apartment Revue passieren ließ. Er musste sich von ihr lösen, sonst stürzte sie ihn ins Verderben. Da sah er sie über die Treppen zur Bar Luna 81 hinaufsteigen, und er war ihr gefolgt. Sie hatte das Resortgelände hinter den letzten Häusern Richtung offenem Pinienwald verlassen und sich auf den ovalen Tisch gesetzt, der hoch über den Klippen für Picknicks bereitstand mit einem traumhaften Ausblick auf das Meer.

Leise war er hinter sie getreten, hatte die Hände um ihren Hals gelegt. »Ich könnte dich jetzt töten!«, und seine Stimme hatte rau geklungen.

»Das tust du aber nicht, viel lieber vögelst du mich«, hatte sie lachend geantwortet. Und anstatt sich von ihr zu trennen, hatte er sie auf diesem Tischchen geliebt, auf dem sonst Coladosen, Bier oder Weinflaschen standen. Sie war so leidenschaftlich gewesen, hatte ihn in einen totalen Rausch versetzt. Da wusste er, dass er nicht mehr von ihr loskommen würde.

»Morgen vor dem Schwimmen?«, hatte sie ihm nachgerufen, als er trunken vor Leidenschaft von ihr gelassen und in sein Büro gelaufen war, um sich zu beruhigen. Doch ihr Lachen verfolgte ihn. Sie wusste, dass er wieder antanzen würde. Und er hatte es kaum erwarten können. Und jetzt, jetzt war sie tot. Nie mehr würde er ihre Stimme hören, wenn sie verführerisch flüsterte ›Komm doch‹, und ihren hingebungsvollen Körper spüren.

»Herr Hoffmann? Hören Sie mich?«, drängte ein Geräusch laut und deutlich an sein Ohr.

»Äh, was haben Sie mich soeben gefragt?«, sagte Werner Hoffmann entschuldigend.

»Ich wollte wissen, wie der junge Mann heißt.« Verwundert blickte Mercédès auf den Manager. Er war verstört. Eindeutig. Und so, wie er sich über die Augen fuhr, wollte er Erinnerungen aus seinem Gedächtnis löschen. Hatte es mit der Toten zu tun?

»Ah, da müsste ich nachschauen. Bei über 170 belegten Apartments kann ich mir nicht alle Namen merken. Er ist außerdem das erste Mal bei uns.« Jens Meinfeldt war sein Name, Maler, der auf Kosten von Sabrina gelebt hatte. Aber das sollte die Kommissarin selbst herausfinden. »Wollen wir in mein Büro gehen? Da kann ich dann gleich nach dem Namen des Gastes sehen.«

»Haben Sie nicht gestern Abend mit ihm und Frau Schneider gefeiert? Da sollten Sie doch seinen Namen kennen ...«

Hoffmann war bleich geworden. »Woher wissen Sie ...«

»Herr Hoffmann, denken Sie wirklich, in einem Resort wie diesem bleibt geheim, wenn Sie mit einer schönen Frau und einem jungen Mann, die die Aufmerksamkeit der Gäste auf sich ziehen, zu Abend essen?«, fragte sie spöttisch.

»Ich hatte Frau Schneider zu ihrem fünfjährigen Jubiläum zu einem Abendessen in unserem Restaurant Tentación eingeladen. Herr Meinfeldt, Jens Meinfeldt, begleitete uns. Sabrina war nicht begeistert davon.«

»Sabrina?«, lächelte Mercédès unschuldig.

Er hätte sich auf die Zunge beißen mögen. »Ja, so nannte ich sie, wenn wir alleine waren. Schließlich war sie seit fünf Jahren Gast in unserem Haus.« Er musterte Mercédès kühl.

»Und Frau Fichtelhuber nennen Sie Rosie? Wenn ich das richtig verstanden habe, kommt sie bereits mehr als zehn Jahre mit ihrem Mann hierher«, grinste Mercédès.

Er antwortete nicht.

»Warum war Frau Schneider nicht begeistert?«

»Das weiß ich nicht genau. So gut kannten wir uns dann auch nicht, dass sie mir persönliche Dinge anvertraut hätte. Da müssen Sie Herrn Meinfeldt schon selbst danach fragen.«

Kühl und distanziert blickte er auf sie herab.

Ich kauf dir deine Unwissenheit nicht ab, sagte sich Mercédès. Du spielst hier nur den taffen Manager, innerlich bist du bis ins Tiefste getroffen. Und sie empfand so etwas wie Mitleid mit Hoffmann. Sympathie, denn er war genau der Typ Mann, bei dem sie schwach werden konnte. Selbstsicheres Auftreten, Kompetenz ausstrahlend, aber trotzdem verletzlich. Am meisten faszinierte sie allerdings, dass er sein gutes Aussehen einfach hinnahm und nicht damit kokettierte oder angab. Es einsetzte, um andere zu beeindrucken. So verloren, wie er dastand, hätte sie ihn am liebsten in die Arme genommen und getröstet.

»Gut. Dann werde ich das tun. Hier kann ich im Moment nichts mehr ausrichten. Außer abwarten, was die Spurensicherung herausgefunden hat.« Und sie ließ ihre Augen noch einmal durch das Apartment schweifen, aber es fiel ihr nichts auf, was sie weitergebracht hätte. Stirnrunzelnd betrachtete sie das Schlafzimmer. Irgendetwas war da, aber sie konnte es nicht greifen. Sie wandte sich um, als sie einen zufriedenen Ausdruck in Hoffmans Gesicht ausmachte.

Der hatte beim Inspizieren des Schlafzimmers durch die Kommissarin ängstlich überlegt, ob Maria seiner Aufforderung nachgekommen war, die Bettwäsche zu wechseln, wie er ihr nach dem Auffinden der Leiche aufgetragen hatte. Sein Blick war auf das Bett im Schlafzimmer gewandert, was ihn zufrieden aufseufzen ließ. Alles sah sauber und frisch überzogen aus. Keine Spur mehr von dem Schlachtfeld, das sie heute Morgen zurückgelassen hatten nach einer liebestollen Stunde.

Er fing den Blick der Kommissarin auf, spürte, dass ihren Augen nichts entging. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Können wir dann? Ich habe noch anderes zu tun«, meinte er betont desinteressiert.

Mercédès konnte sich keinen Reim auf sein Verhalten machen, nickte und sie verließen das Apartment. Sie klebte an die Tür noch ein Siegel und schärfte Hoffmann ein, dass niemand die Wohnung betreten oder etwas verändert werden dürfte.

An der Rezeption befragte Mercédès noch die anderen Angestellten, aber keiner konnte ihr Näheres über Sabrina Schneider mitteilen.

»Ich hätte dann noch gerne den Namen von dem Ehepaar auf 602«, bat sie höflich.

Die Rezeptionistin schaute fragend auf ihren Chef, der nickte zustimmend.

»Bärbel und Dirk Ackermann«, meinte das attraktive Mädchen.

Mercédès entschied sich, zuerst mit Jens Meinfeldt zu sprechen, und ließ sich den Weg zur Nummer 115 zeigen. Unterwegs rief sie Miquel an. »Sag mal, war die Spurensicherung in Sabrina Schneiders Apartment?«

»Ja, ist schon alles fertig.«

»Und warum haben sie es nicht versiegelt?«, fragte sie ärgerlich.

Schweigen auf der anderen Seite.

»Bist du noch da?«

»Vielleicht wegen der Unfallthese ...«, kam es zögerlich aus dem Telefon.

»Die sollen nicht denken, sondern ihre Arbeit machen. Das muss mit mir abgesprochen werden. Oder dir. Die Spurensicherung kann nicht entscheiden, ob etwas versiegelt werden soll oder nicht«, fuhr sie ihn wütend an. Vielleicht hätte sie mit Miquel keinen Kaffee trinken gehen sollen, sondern die Spurensicherung beaufsichtigen, dachte sie zynisch. In Madrid wäre das nicht nötig gewesen.

»Hoffentlich gehen uns dadurch nicht wertvolle Spuren verloren«, und legte einfach auf. Sie war stinksauer!

Mittlerweile stand sie vor Apartment 115, das im letzten Haus direkt über den Klippen unter dichten Pinien lag. Zwar ein etwas beschwerlicher Aufstieg bis dorthin, aber lohnenswert. Eine wundervoll gepflegte Anlage, stellte Mercédès fest. Da sind viele fleißige Hände am Werk.

Sie musste mehrmals klopfen, bis sich die Tür öffnete.

»Ja?«, fragte ein verschlafener Strubbelkopf mit zerzaustem Vollbart und beharrter Brust.

Ganz untypisch für die Jugend von heute, dachte sie. Ist behaarte Brust nicht out? Aber ihr gefiel, was sie sah. Ein toller Körper. Und erst sein … schnell ließ sie ihre Augen Richtung Gesicht wandern und wies sich als Polizistin aus.

»Jens Meinfeldt?«

Er nickte. »Polizei? So früh am Morgen?«

»Es ist Mittag vorbei. Darf ich hereinkommen?«

»Bitte«, und er gab die Tür frei.

Ungeniert stand er nackt vor ihr. »Möchten Sie sich nicht etwas anziehen?«

»Nicht unbedingt. Wenn es Sie nicht stört …«

»Nein, mich stört es nicht«, lächelte sie. Ganz und gar nicht, dachte sie noch und riskierte einen weiteren Blick. Doch dann besann sie sich auf ihre Aufgabe.

»Sie kennen Sabrina Schneider?«

»Ja. Was ist mit ihr?«

»Frau Schneider ist tot.«

»Was? Aber das gibt´s doch nicht. Wir haben heute Nacht noch …«, verstummte Meinfeldt verstört.

»Sie haben heute Nacht noch was?«, wollte Mercédès wissen.

»Wir hatten Sex. Tollen Sex. Sabrina ist … war eine leidenschaftliche Frau«, antwortete er traurig.

»Wo hatten Sie Geschlechtsverkehr? Hier in Ihrem Apartment oder bei Frau Schneider?«

»Bei Sabrina. Sie stand danach nicht so gerne auf ...«, lachte er.

»Das heißt, sie blieben nicht die gesamte Nacht zusammen?«

»Nein, Sabrina sagte immer, sie möchte nur neben dem Mann aufwachen, den sie wirklich liebt.«

»Sie hat Sie also nicht geliebt?«

»Nein. Ich war nur ihr Spielzeug. Ich gab ihr, was sie wollte. Und sie gab mir, was ich wollte.«

»Und was wollten Sie?«

»Abgesehen vom Sex, meinen Sie?« Ein neckisches Lachen war in seinen Augen erkennbar.

Mercédès nickte.

»Sabrina finanzierte mein Leben. Ich war die Muse für ihre Bücher, sie für meine Bilder. Da die aber nicht so erfolgreich sind wie ihre Bücher, also …«

»… haben Sie auf ihre Kosten gelebt«, beendete Mercédès den Satz.

»Ja«, gab er unumwunden zu.

»Frau Schneider soll nicht sehr erbaut gewesen sein, dass Sie hier auf Mallorca aufgetaucht sind?«

»Wer sagt das? Der Kriecher von einem Manager? Der war doch nur selbst scharf auf sie«, kam es verächtlich von Jens.

Mercédès wurde hellhörig. Schon wieder jemand, der meinte, Werner Hoffmann hätte mehr von Sabrina Schneider gewollt, als er zugegeben hatte. »Wie kommen Sie darauf?«, fragte sie deshalb nach.

»Na, wie er sie angesehen hat. Richtig angehimmelt. Und gestern Nachmittag stand er plötzlich in ihrem Schlafzimmer, als wir gefickt haben. Sabrina war tierisch wütend.«

»Was wollte Herr Hoffmann?«

»Keine Ahnung. Sabrina hat mich nie in ihr Leben eingeweiht. Ich fand´s komisch, dass er die Tür selbst aufgesperrt hat. Aber Sabrina wollte mir nicht sagen, ob sie was am Laufen hat mit ihm. Dafür hat sie mich dann weggeschickt. Deshalb bin ich bei dem Abendessen aufgetaucht. Wollte herausfinden, was zwischen den beiden so ablief.«

»Und, haben Sie´s herausgefunden?«

»Nein. Sie waren höflich zueinander, fast zu höflich. Sabrina ist normal charmanter, flirtet gerne. Aber gestern gab sie sich richtig langweilig. Lag vielleicht auch an dem Ehepaar, das am Nebentisch saß. Die Alte steckte ihren Kopf ständig in unsere Richtung, ließ ihre Augen flink über uns huschen. Man fühlte sich richtiggehend beobachtet. Aber mich kümmerte es nicht. Ich genoss das kostenlose Abendessen und trank zu viel von dem mallorquinischen Wein. Und ging dann mit Sabrina auf ihr Apartment. Für Sex«, fügte er grinsend wie ein Lausbub an.

Mercédès wurde es heiß, bei dem Blick, den der Junge über sie laufen ließ. Der war sicher keine fünfundzwanzig Jahre alt, aber selbstsicher und sich seiner Wirkung auf Frauen sehr bewusst.

»Sie gingen also mit Frau Schneider direkt nach dem Abendessen in ihr Apartment. Was tat Herr Hoffmann?«

»Keine Ahnung. Er schaute unglücklich drein, wie ich mit Sabrina abgezogen bin. Ich denke, er ging in seine Wohnung.«

»Wohnt er denn auf dem Gelände?«

»Soviel ich weiß, hat er irgendwo eine Dienstwohnung im Resort«, antwortete er uninteressiert.

»Wann verließen Sie Frau Schneider in der Nacht?«

»Kurz nach Mitternacht. Sabrina bestand auf ihren Schönheitsschlaf. Und sie stand ja jeden Tag um sieben Uhr auf, um schwimmen zu gehen.«

»Da haben Sie sie das letzte Mal gesehen? Als Sie sie nach ... nach dem Geschlechtsverkehr verlassen haben?«

»Ja. Was sollen die Fragen? Woran ist Sabrina denn gestorben?«

»Sie ist beim Schwimmen ertrunken.«

»Ertrunken? Doch nicht Sabrina. Die schwamm wie ein Weltmeister. Zog eine Bahn nach der anderen, ihr Fitnessprogramm. Die ertrinkt doch nicht.«

»Wir untersuchen die Todesursachen noch. Wo waren Sie heute Morgen zwischen sieben und acht Uhr?«

»Ich? Im Bett. Wo sonst?«

Mercédès musste sich ein Lachen verkneifen bei dem überraschten Gesichtsausdruck, den Meinfeldt bei dieser Frage an den Tag legte.

»Kann das jemand bezeugen?«