Maltes heimliches Leid - Patricia Vandenberg - E-Book

Maltes heimliches Leid E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Sein Vater hat eine große Aufgabe übernommen: Dr. Daniel Norden leitet ab sofort die Behnisch-Klinik. Das führt natürlich zu entscheidenden Veränderungen in seiner Praxis. Jetzt wird es ernst für Danny, den Mädchenschwarm und allseits bewunderten jungen Mediziner. Er ist nun für die Praxis allein verantwortlich. Privat ist Dr. Danny Norden dabei, sein großes Glück zu finden. Seine Freundin, die sehbehinderte, zauberhafte Tatjana, ist mehr und mehr zu seiner großen Liebe geworden. Die neue Serie Praxis Dr. Norden ist prädestiniert, neben den Stammlesern der Erfolgsserie Dr. Norden auch viele jüngere Leserinnen und Leser hinzuzugewinnen. »Verzeihung. Aber leider hat es länger gedauert in der Praxis«, entschuldigte sich Janine Merck. Schwer atmend stand sie vor der Hütte, deren Spiegelbild im Wasser des Sees zitterte. »Wie bei mir. Ich bin auch erst seit ein paar Minuten hier«, versicherte Dr. Arndt Stein. Er stand auf der Veranda und streckte Janine die Hand hin, um ihr hinaufzuhelfen. »Bitte.« Der Händedruck war warm und fest. »Danke.« Janines Wangen leuchteten nicht nur vor Anstrengung. Sie lehnte sich an das Holzgeländer und ließ den Blick über den See schweifen. Noch stand die Sonne über den Baumwipfeln. Ihre Strahlen spielten mit den kleinen Wellen, die von den Segelbooten stammten, die draußen ihre Bahnen zogen. Begleitet wurden sie von kreischenden Möwen. Unter Janines Füßen gluckerte das Wasser an die Befestigungsmauer. Sie fühlte sich auf Anhieb wohl an diesem heimeligen Ort. »Wissen Sie, wie schön es ist, wenn man sich nicht für seine Arbeit entschuldigen muss?«

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Praxis Dr. Norden – 16 –

Maltes heimliches Leid

Er braucht mehr Luft zum Atmen

Patricia Vandenberg

»Verzeihung. Aber leider hat es länger gedauert in der Praxis«, entschuldigte sich Janine Merck. Schwer atmend stand sie vor der Hütte, deren Spiegelbild im Wasser des Sees zitterte.

»Wie bei mir. Ich bin auch erst seit ein paar Minuten hier«, versicherte Dr. Arndt Stein. Er stand auf der Veranda und streckte Janine die Hand hin, um ihr hinaufzuhelfen. »Bitte.«

Der Händedruck war warm und fest.

»Danke.« Janines Wangen leuchteten nicht nur vor Anstrengung. Sie lehnte sich an das Holzgeländer und ließ den Blick über den See schweifen.

Noch stand die Sonne über den Baumwipfeln. Ihre Strahlen spielten mit den kleinen Wellen, die von den Segelbooten stammten, die draußen ihre Bahnen zogen. Begleitet wurden sie von kreischenden Möwen. Unter Janines Füßen gluckerte das Wasser an die Befestigungsmauer. Sie fühlte sich auf Anhieb wohl an diesem heimeligen Ort.

»Wissen Sie, wie schön es ist, wenn man sich nicht für seine Arbeit entschuldigen muss?«, fragte Arndt Stein in ihre Gedanken hinein.

»Da haben Sie recht.« Sie nahm die Sonnenbrille ab. Hier im lichten Schatten der Bäume brauchte sie sie nicht. »Trotzdem möchte ich mich für die Aktion meiner lieben Freundin Wendy entschuldigen. Eine so offensichtliche Verkuppelungsaktion ist nicht gerade die feine englische Art.«

Tatsächlich hatte Janine die Bekanntschaft mit dem Homöopathen Dr. Arndt Stein ihrer Kollegin Wendy zu verdanken, die sie ins Café ›Schöne Aussichten‹ gelockt hatte.

»Seit wir uns kennen, haben wir uns schon viel zu oft entschuldigt.« Arndt lächelte, dass Janine weiche Knie bekam. »Außerdem bin ich Wendy wirklich dankbar für Ihre Hilfe. Sonst hätte ich Sie womöglich niemals kennengelernt. Und das wäre ein großer Verlust gewesen.« Er bot seiner Besucherin einen Platz am Tisch vor der Hütte an.

Sie setzte sich. Eine leichte Brise wehte ihr eine krause Locke ins Gesicht. Lächelnd wischte sie sie weg und blinzelte ihn an.

»Trotzdem gefällt mir der Gedanke nicht, verkuppelt worden zu sein«, widersprach sie und sah Arndt nach, wie er in der Hütte verschwand.

Sie hörte ein Rumpeln und Klappern, Gläser klirrten. Mit einem verheißungsvollen Plopp rutschte ein Korken aus einer Flasche. Gleich darauf kehrte er mit einem Tablett zurück. Vom kühlen Weißwein beschlagene Gläser, eine Karaffe mit Wasser, bunte Häppchen, belegt mit Kräutercreme, Oliven und Tomaten.

»Dann fangen wir doch noch einmal ganz von vorn an.« Arndt setzte sich neben Janine auf die Bank und reichte ihr ein Glas Wein. Seine Augen blitzten vor Vergnügen. »Sie sind eine müde, hungrige Wanderin und zufällig hier vorbeigekommen.«

Janine dachte kurz nach. Ihr Lächeln verriet, dass ihr der Gedanke gefiel.

»Sie wollten nicht ganz allein zu Abend essen und haben mich spontan eingeladen.«

»Nein, niemals.« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin viel zu schüchtern.«

»Und warum hätte ich mich selbst einladen sollen?«

Das Klingen der Gläser mischte sich mit den Schreien der Möwen.

»Weil Sie den Wink des Schicksals verstanden haben.«

Janine warf den Kopf in den Nacken und lachte. Arndt lachte mit ihr. Danach saßen sie eine Weile schweigend nebeneinander. Ließen den Blick über den See wandern. Beobachteten die Ruderer, die im Boot über das Wasser glitten. Sie saßen so dicht nebeneinander, dass Janine die Härchen seiner Arme auf ihrer Haut spürte. Ein elektrisierendes Kitzeln.

»Ich finde, wir könnten langsam »Du sagen«, machte Arndt einen Vorschlag.

Janine schickte ihm einen schiefen Blick. Das Lächeln auf ihrem Gesicht verblasste.

»Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob das alles wirklich so einfach ist.«

»Lass uns doch sehen, wohin uns die Reise führt.« Wie zufällig rutschte sein Arm auf ihre Schulter.

Janine lehnte sich zurück. Die Wirkung von körperlichem Kontakt war wissenschaftlich bewiesen. Mäusebabys hatten weniger Stresshormone im Blut, wenn sie den Körper der Mutter spürten. Hundewelpen schliefen in bunten Haufen über- und untereinander und Menschenkinder kuschelten sich an die Eltern. Und auch in Janines Berufsalltag gab es häufig Fälle, in denen sie am liebsten Streicheln, Kuscheln und Kümmern verschreiben wollte. Und trotzdem war da dieser warnende Ton in ihrem Kopf. Dieses Blinklicht.

»Ich habe mich schon so oft geirrt«, erwiderte sie und legte den Kopf an seine Schulter.

Arndt lachte leise.

»Ich mich doch auch.«

»Aber man muss doch …«

»Nein, muss man nicht.«

»Es gibt mindestens zehn Gründe, die dagegen sprechen«, erklärte Janine streng.

»Nenne mir einen davon.«

»Ich bin schon über vierzig.«

Arndt beugte sich vor und nahm Janine ins Visier.

»Du hast recht. Neben so einem Backfisch wie dir kann ich nur alt aussehen. Aber für dich würde ich über meinen Schatten springen.«

»Ach ja?«, gluckste Janine.

»Ja! Wirklich!«, versicherte er mit Nachdruck. »Und jetzt würde ich gern die anderen neun Gründe entkräften.« Er fasste sie am Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich.

Janine wehrte sich nicht. Als sich ihre Lippen trafen und er sie zum ersten Mal küsste, vergaß sie, dass sie jemals auch nur einen einzigen Zweifel gehegt hatte.

*

»Alles in Ordnung, Wendy?«, erkundigte sich Dr. Danny Norden. Bereit zum Aufbruch in den Feierabend stand er am Tresen. Nur die Miene seiner langjährigen Assistentin hielt ihn davon ab, die Praxis zu verlassen.

»So in Ordnung, wie es eben sein kann, wenn die ganze Welt um einen herum entweder frisch verliebt oder in ein neues Haus eingezogen ist oder ein anderes aufregendes Abenteuer erlebt.« Unverwandt starrte Wendy auf den Bildschirm ihres Computer. »Nur bei mir, da passiert einfach nichts.«

»Haben Sie nicht neulich noch behauptet, sie wären eine gnadenlose Optimistin?«

»Da muss ich betrunken gewesen sein.«

Unwillkürlich dachte Danny an die Karten, die in seiner Sakkotasche steckten. Er trug sie schon eine Weile mit sich herum, immer auf der Suche nach dem passenden Augenblick, sein Geschenk zu überreichen. War das die Gelegenheit, auf die er gewartet hatte?

»Vielleicht hebt sich Ihre Stimmung ja, wenn Sie sich das hier ansehen.« Er zog das Kuvert aus der Sakkotasche und reichte es Wendy.

Sie betrachtete es, als hätte er ihr Schneewittchens vergifteten Apfel in die Hand gedrückt.

»Was ist das?«

»Machen Sie es auf!«

Der Umschlag raschelte. Es folgte ein Schnauben.

»Ein Salsa-Tanzkursus?« Wendy rümpfte die Nase. »Was soll denn das?«

Lange hatte Danny darüber nachgedacht, wie er sich bei seiner Assistentin für die Rettung seines Vermögens erkenntlich zeigen konnte. Wendy und ihren guten Kontakten war es zu verdanken, dass er aus der Pleite seines Containerinvestments lediglich mit geringem Verlust herausgegangen war.

»Damit möchten Tatjana und ich uns für Ihre Unterstützung bedanken. Und wer weiß, vielleicht ist das genau die Art Abenteuer, die Sie gerade brauchen.«

Wendy schien gänzlich anderer Meinung zu sein.

»Seit wann ist ein Tanzkursus ein Abenteuer? Noch dazu Salsa?«

Schon bereute Danny, die Idee seiner Frau aufgegriffen zu haben.

»Dann sehen Sie es eben als Entspannung. Sie arbeiten zu ohnehin zu viel.«

»Wie und wo ich mich entspanne, entscheide ich immer noch selbst«, knurrte Wendy und knallte die Karten auf den Tisch.

So schlecht gelaunt wie an diesem Abend hatte Danny seine Assistentin selten erlebt. Am liebsten hätte er die Tickets wieder eingesteckt und wäre verschwunden. Doch dazu war es jetzt zu spät.

»Die Kursusgebühr für uns beide ist längst bezahlt. Meine Eltern sind übrigens auch mit von der Partie.«

Konnte es noch schlimmer kommen? Sie, die etwas rundliche Dame mittleren Alters in den Armen eines jugendlichen Adonis?

»Ich soll mit dir tanzen? Und was ist mit Tatjana?«

»Nach dem Umzug verbringt sie lieber jede freie Minute in der Villa. Es gibt noch so viel zu tun. Außerdem will sie Fynn nicht ständig betreuen lassen.«

»Das ist ja mal wieder typisch. Die Frau bleibt bei dem Kind und der Mann hat seinen Spaß.«

»Meinetwegen können Sie auch gern mit Tatjana tanzen. Dann passe ich auf meinen Sohn auf.« Danny schmunzelte. Die Vorstellung der beiden tanzenden Frauen war zu schön.

»Mach dich nur lustig über mich.«

Danny seufzte.

»Warum freuen Sie sich dann nicht einfach über unser Geschenk?« Ihm blieb ein letzter Ausweg. »Oder haben Sie etwa Angst, sich zu blamieren?«

»Ich? Mich blamieren?« Wendy warf den Kopf in den Nacken. »In meiner Jugend war ich die begehrteste Tänzerin auf dem Schwarz-Weiß-Ball.«

»Dann kann ja gar nichts mehr schief gehen.« Danny ging zur Tür. »In einer Woche geht es los.«

*

»Die arme Wendy.« Dr. Daniel Norden griff über den Tisch und angelte die Dose Parmesan. Großzügig verteilte er den italienischen Käse über seinen Nudeln mit Tomatensauce. »So ein Tanzkursus hätte mir gerade noch gefehlt.« Unter den Blicken seiner Frau wickelte er eine Gabel Spaghetti auf. »Wie sind Danny und Tatjana nur auf so eine Idee gekommen?« Er schob die Nudeln in den Mund.

Fee saß ihrem Mann gegenüber und beobachtete ihn.

»Ich finde diese Idee großartig. Endlich mal was anderes als die immer gleichen Gutscheine, die man nie einlöst. Oder die Fresskörbe mit Lebensmitteln, die in den Keller wandern und dort ein Aschenputteldasein führen, bis sie entsorgt werden.«

Daniel kaute und schluckte. Die Botschaft hinter den Worten seiner Frau war unmissverständlich.

»Komm bitte nicht auf die Idee, mir einen Tanzkursus zu schenken.«

Fees Lächeln war verdächtig.

»Und wenn ich dich ganz lieb bitte«, säuselte sie.

Daniel kannte seine Frau. Und er kannte sich. Wenn sie diesen Ton anschlug, diese Miene aufsetzte, war er verloren. Das durfte nicht passieren. Nicht dieses Mal.

»Das nützt gar nichts«, behauptete er und rollte eine weitere Gabel Nudeln auf.

Felicitas tat es ihm nach. Eine Weile herrschte Schweigen. Schon hegte Daniel die Hoffnung, dass dieser Kelch an ihm vorübergehen würde, als Fee zum nächsten Schlag ausholte.

»Weißt du noch, der letzte Ärzteball?« Ein Unschuldslamm hätte nicht harmloser aussehen können.

»Das Essen war wirklich gut.«

»Das meine ich nicht. Ich dachte vielmehr an die arme Elena. Du bist ihr beim Tanzen so oft auf die Füße gestiegen, dass Matthias sie versorgen musste.«

»Das war ich nicht.«

»Hat sie mir aber erzählt.«

»Ich kann mich nicht erinnern«, behauptete Daniel und griff nach der Serviette. Er tupfte Reste von Tomatensauce von den Lippen.

»Noch eine Portion?« Fee war die Liebenswürdigkeit in Person.

»Nein, danke. Mir ist der Appetit vergangen.« Er seufzte tief. »Lass mich raten: Du hast uns längst angemeldet.«

»Stimmt auffallend, mein Schatz.« Fee hauchte einen Luftkuss über den Tisch. »Wusstest du, dass Paare, die sich gemeinsam in neue Abenteuer stürzen, ihre Beziehung stärken? Die geteilten Erlebnisse machen nicht nur Spaß, sondern heben uns auch aus der Alltagsroutine. Und das schadet auf keinen Fall, so viel, wie wir arbeiten.«

Daniel neigte den Kopf.

»Komisch. Wieso wusste ich von Anfang an, dass ich keine Chance habe?«

Fee stützte das Kinn in die Hand und blinzelte ihren Ehemann über Töpfe und Gläser hinweg verliebt an.

»Vielleicht, weil du mich so gut kennst wie niemand sonst. Und das will schon etwas heißen.«

*

Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Ehe es sich Wendy versah, war der erste der beiden Kursustage gekommen. Nur noch ein paar Stunden Arbeit, und es wäre so weit. Sie stand am Fenster und sah ihrer Freundin Janine dabei zu, wie sie sich von ihrem neuen Freund verabschiedete.

»Vielen Dank für die wunderbare Mittagspause.« Janine stand vor Arndt auf dem Gehweg. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.

»Es war mir ein Vergnügen, schöne Frau.«

»Warum schaust du dann so traurig?«

»Weil mir der Abschied von dir jedes Mal schwerer fällt.«

»Aber wir sehen uns doch heute Abend schon wieder.« Wenn Janine an ihre Pläne dachte, wurde ihr mulmig im Magen. »Ich lerne Malte kennen. Schon vergessen?«

Arndt lächelte.

»Wie könnte ich das vergessen?« Der Wind wehte ihr eine Strähne ins Gesicht. Er streckte die Hand aus und wischte die Locke zärtlich weg. »Meine beiden liebsten Menschen an einem Tisch. Gibt es etwas Schöneres?«

Janine knabberte an der Unterlippe.

»Hoffentlich mag dein Sohn mich.«

»Er wird dich lieben«, versprach Arndt und küsste Janine noch einmal, ehe er sich auf den Weg machte.

Wie auf Wolken kehrte sie in die Praxis zurück.

»Na, ihr zwei Turteltauben!« Wendys Stimme klang unfreundlicher als beabsichtigt. »So sieht es also aus, wenn du etwas langsam angehen lässt.« Sie versuchte ein Lächeln. Es misslang gründlich.