Was geht in Erics Köpfchen vor? - Karina Kaiser - E-Book

Was geht in Erics Köpfchen vor? E-Book

Karina Kaiser

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Beschreibung

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. Es war Anfang September, aber das Wetter war noch beinahe sommerlich, was Bastian und Eric mehr als genug ausnutzten. Das heißt, Bastian war schon recht vernünftig und machte kaum Unsinn, er war immerhin schon dreizehn, aber Eric… Maris Hübner seufzte leise, als sie zum Küchenfenster ging und von dort aus ihren Halbbrüdern beim Fußballspielen zuschaute. Da die Rasenfläche nicht allzu groß war, flog der Ball oft genug in die Blumenbeete und richtete entsprechenden Schaden an. Verena, die Mutter der Jungen, hätte jetzt ihre hoffnungsvollen Söhne energisch zur Ordnung gerufen, sie hätte so vieles getan, hätte sie geliebt und umsorgt und für das Leben gerüstet, aber sie lebte nicht mehr. Sie war mit ihrem Mann, der auch der Vater von Maris war, vor mehr als zwei Jahren beim Bergsteigen tödlich verunglückt. Die Jungen waren damals völlig verstört und verzweifelt gewesen. Sie hatten sich weinend an ihre Schwester geklammert, die auch nicht wußte, wie es weitergehen sollte. Aber sie hatte den Willen gehabt, ihren Brüdern die Eltern zu ersetzen, und war inzwischen auch ihr Vormund. Harte Zeiten lagen hinter ihnen, aber diese waren noch lange nicht zu Ende. Das wußte Maris nur zu gut. Vor ein paar Tagen erst hatte sie ihre letzte Prüfung bestanden und durfte sich jetzt Diplompsychologin nennen. Sie hatte ihr Studium trotz der großen psychischen und finanziellen Belastung geschafft. Darauf war sie stolz. Doch die Ersparnisse der Eltern waren jetzt bis auf einen ganz kleinen Rest zusammengeschmolzen. Wenn sie nicht bald Arbeit bekam, würde sie die immer noch fälligen Raten für das Haus nicht mehr bezahlen können. Eric und Bastian ahnten davon nichts, sie wußten auch nicht, daß es ihrer großen Schwester seit einiger Zeit nicht besonders gut ging. Sie hatten den Tod der Eltern weitgehend überwunden, hatten ihren Freundeskreis und gingen gern zur Schule. Aber ich bin am Ende meiner Kräfte, gestand Maris sich ein. Das ist ja auch kein Wunder nach dem Streß in den letzten Wochen. Ich werde mich ein paar Tage ausruhen, nur das Nötigste machen und mich endlich ausschlafen.

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Mami – 2060 –

Was geht in Erics Köpfchen vor?

Unveröffentlichter Roman

Karina Kaiser

Es war Anfang September, aber das Wetter war noch beinahe sommerlich, was Bastian und Eric mehr als genug ausnutzten. Das heißt, Bastian war schon recht vernünftig und machte kaum Unsinn, er war immerhin schon dreizehn, aber Eric… Maris Hübner seufzte leise, als sie zum Küchenfenster ging und von dort aus ihren Halbbrüdern beim Fußballspielen zuschaute. Da die Rasenfläche nicht allzu groß war, flog der Ball oft genug in die Blumenbeete und richtete entsprechenden Schaden an. Verena, die Mutter der Jungen, hätte jetzt ihre hoffnungsvollen Söhne energisch zur Ordnung gerufen, sie hätte so vieles getan, hätte sie geliebt und umsorgt und für das Leben gerüstet, aber sie lebte nicht mehr. Sie war mit ihrem Mann, der auch der Vater von Maris war, vor mehr als zwei Jahren beim Bergsteigen tödlich verunglückt.

Die Jungen waren damals völlig verstört und verzweifelt gewesen. Sie hatten sich weinend an ihre Schwester geklammert, die auch nicht wußte, wie es weitergehen sollte. Aber sie hatte den Willen gehabt, ihren Brüdern die Eltern zu ersetzen, und war inzwischen auch ihr Vormund.

Harte Zeiten lagen hinter ihnen, aber diese waren noch lange nicht zu Ende. Das wußte Maris nur zu gut. Vor ein paar Tagen erst hatte sie ihre letzte Prüfung bestanden und durfte sich jetzt Diplompsychologin nennen. Sie hatte ihr Studium trotz der großen psychischen und finanziellen Belastung geschafft. Darauf war sie stolz. Doch die Ersparnisse der Eltern waren jetzt bis auf einen ganz kleinen Rest zusammengeschmolzen. Wenn sie nicht bald Arbeit bekam, würde sie die immer noch fälligen Raten für das Haus nicht mehr bezahlen können.

Eric und Bastian ahnten davon nichts, sie wußten auch nicht, daß es ihrer großen Schwester seit einiger Zeit nicht besonders gut ging. Sie hatten den Tod der Eltern weitgehend überwunden, hatten ihren Freundeskreis und gingen gern zur Schule.

Aber ich bin am Ende meiner Kräfte, gestand Maris sich ein. Das ist ja auch kein Wunder nach dem Streß in den letzten Wochen. Ich werde mich ein paar Tage ausruhen, nur das Nötigste machen und mich endlich ausschlafen. Dann muß es ja besser werden. Dann werde ich auch wieder genug Kraft haben, um den beiden da draußen mal die Ohren lang zu ziehen, wenn sie zu übermütig werden.

Da, jetzt war der Ball tatsächlich im Rosenbeet gelandet und hatte von der »Gloria Dei« einen großen Zweig abgeknickt. Bastian und Eric sahen großzügig darüber hinweg. Was machte es schon, wenn die Blumen etwas mitgenommen aussahen? Sie spielten eifrig weiter, während Maris sich wieder der Hausarbeit zuwandte. Und die bestand an diesem Abend darin, Kartoffelsalat für den nächsten Tag anzurichten. Dieser sollte das Mittag-essen für den seit langem geplanten Ausflug zum Tierpark sein, den sie, die Jungen und Gernot Raschwitz morgen machen wollten.

Bastian und Eric waren schon jetzt hellauf begeistert, denn das Auto der Eltern hatte sie verkaufen müssen, die Unterhaltskosten und die Benzinpreise vertrugen sich nicht mit dem mageren Einkommen einer Studentin. Aber Gernot, ihr ehemaliger Schulfreund, stellte sich gern zur Verfügung, sich und seinen Volkswagen. Er hatte allerdings auch einen Grund dafür.

Maris hatte inzwischen alle notwendigen Zutaten für den Salat hervorgeholt, die bereits gekochten Kartoffeln, Eier, Gurken, Äpfel und Mayonnaise. Ihre schlechte Verfassung ignorierend, begann sie mit der Arbeit.

»Gibt es bald Abendbrot?« Die Jungen standen plötzlich in der Küche und blickten sie erwartungsvoll an.

»Es ist doch noch gar nicht soweit«, erwiderte Maris müde. »Ihr könnt euch aber den Rest vom Kuchen nehmen.«

»Ja, machen wir.« Bastian holte die beiden letzten Stücke des Zitronenkuchens, den Maris gestern gebacken hatte, hervor und drückte seinem jüngeren Bruder eines davon in die Hand.

»Schmeckt gut«, lobte Eric, nachdem er sein Stück im Hand­umdrehen verschlungen hatte. »Von jetzt ab kannst du doch öfter was backen, du mußt doch nicht mehr lernen.«

»Ich muß jetzt aber viele Bewerbungen schreiben«, wich sie aus, weil sie den Jungen nicht sagen wollte, daß sie sich Kuchen nicht oft leisten konnten. »Außerdem seid ihr so gefräßig wie neunköpfige Raupen. Seid froh, daß ich für morgen Kartoffelsalat mache und Würstchen gekauft habe.«

»Maris hat recht.« Bastian stupste Eric mahnend an. »Sie muß Geld verdienen, sonst geht es uns schlecht.«

»Wir werden schon hinkommen, wenn wir uns genug einschränken«, tröstete sie schnell, denn sie wollte ihre Brüder nicht verunsichern. »Das ist nämlich immer noch besser, als wenn wir das Haus verkaufen müssen.«

Dieser Satz wirkte oft Wunder, denn die Jungen hingen an ihrem Zuhause. Maris wollte es ihnen erhalten, so gut sie konnte. Sie fragte sich allerdings beklommen, wie lange noch.

Bastian und Eric hatten inzwischen noch Apfelsaft getrunken und waren zum Wohnzimmer gelaufen, wo sie den Fernseher angeschaltet hatten, laut und dröhnend wie gewöhnlich. Maris bekam in letzter Zeit stets Herzklopfen bei dem Lärm, genauso wie sie den Aufenthalt in Kaufhäusern und Supermärkten nicht mehr ertrug. Die Menschenmengen schienen sie zu erdrücken.

Genervt eilte sie nun zu ihren Brüdern und zischte: »Wenn ihr den Kasten nicht endlich leiser macht, dann könnt ihr den Ausflug morgen vergessen, den Kartoffelsalat auch.«

»Ja, ja, schon gut.« Bastian drückte auf die Fernbedienung, während Eric einen Flunsch zog. Warum war die Schwester nur manchmal so unleidlich?

Aber er ärgerte sich nicht lange. Als Maris ihm zur Schlafenszeit »Gute Nacht« sagte, kuschelte er sich an sie und meinte, daß sie doch die Allerbeste wäre.

*

Gernot Raschwitz war stets die Pünktlichkeit in Person und stand schon zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit vor der Haustür. Er war ein knappes Jahr älter als Maris, also fünfundzwanzig, und ein magerer junger Mann mit rötlichen Haaren und den dazu passenden Sommersprossen. Maris mochte ihn wie einen Bruder, was diesem »Bruder« jedoch gar nicht gefiel. Er hatte auch noch andere Wünsche und sah sich inzwischen seinem Ziel doch schon etwas näher. Genau wie Eric und Bastian meinte er, Maris hätte nach dem Studium und den Prüfungen nun nichts anderes mehr zu tun, als sich ihrer Familie (zu der er sich auch zählte) zu widmen. Ihre Blässe und ihre zitternden Hände bemerkte er nur sehr am Rande, was nicht verwunderlich war. Schließlich hatte er seine Augen meist nur auf ihre weiblichen Rundungen gerichtet.

Im Augenblick jedoch achtete er auf den Straßenverkehr und nicht so sehr auf Maris, die neben ihm saß. Hinter ihm vergnügten sich ihre Brüder mit einem Reisespiel. Gernot hoffte, daß die beiden Quälgeister sich auch weiterhin mit sich selbst beschäftigten und ihre Schwester in Ruhe ließen. Dann hatte er freie Bahn und konnte ihr seine Gefühle nahe bringen, konnte sie anbaggern, wie Eric manchmal salopp sagte.

»Wir sind da«, meinte er etwa zwanzig Minuten später und stellte den Wagen auf dem Parkplatz ab, der zum Tierpark gehörte.

»Prima« und »Super« riefen die Jungen erfreut und hüpften aus dem Auto. Sie rannten zum Eingang, während ihnen Maris und Gernot gemächlich folgten. Letzterer war heute sehr spendabel und bezahlte den Eintritt für alle. Maris bedankte sich leise, doch er wehrte ungehalten ab: »Du brauchst dich nicht zu bedanken. Ich weiß doch, wie knapp es bei euch zugeht.«

»Leider«, erwiderte sie beklommen. »Ohne BaFöG sieht es bei uns noch trüber aus als ohnehin schon. Ich kann nur hoffen, daß ich bald Arbeit bekomme oder wenigstens eine Praktikantenstelle.«

»Wird schon irgendwie klappen«, antwortete er aufmunternd. »Außerdem bin ich ja auch noch da und stehe euch zur Seite. Doch nun wollen wir zusehen, daß wir die Jungen nicht aus den Augen verlieren. Es ist einfacher, einen Sack Flöhe zu hüten als diese beiden.«

Gernot hatte nicht übertrieben, denn es war gar nicht so einfach, die Jungen im Blickfeld zu behalten. Bastian und Eric waren nämlich schon zu dem großen Eisbärengehege gelaufen, wo sie staunend stehen blieben, allerdings nicht lange. Es gab ja auch soviel zu sehen: Einen Schneeleopard, der sich in der Sonne räkelte, fünf mächtige Elefanten, fauchende Tiger und schlafende Löwen und Panzernashörner, die miteinander schmusten. Darüber war es im Handumdrehen Mittag geworden, so daß Maris zum Aufbruch mahnte.

»Können wir nicht noch ins Schmetterlingshaus?« bettelten die Jungen, die sich beide sehr für die flatternden exotischen Schönheiten begeistern konnten.

»Na gut, meinetwegen«, erwiderte sie nachsichtig. »Wir halten uns aber nicht lange auf. Sonst wird es zu spät zum Essen.«

»Machen wir nicht.« Die Jungen flitzten davon, der große Junge Gernot auch, denn Schmetterlinge waren (neben Maris) seine große Leidenschaft. Die feuchtwarme Luft in dem Tropenhaus machte ihnen nichts aus. Staunend und leise miteinander redend betrachteten sie die großen südamerikanischen Falter, auf Maris achteten sie nicht mehr.

Auf diese hatte die Luft jedoch so beklemmend gewirkt, daß ihr schon nach wenigen Minuten schwindlig und übel wurde. Sie taumelte und konnte nur noch denken: Ich muß hier raus…, sofort. Aber ihre Beine schienen schwer wie Blei zu sein, sie rang nach Luft und war einer Ohnmacht nahe. In diesem Moment hörte sie, wie jemand ruhig sagte: »Kommen Sie, ich bringe Sie an die frische Luft.«

Und dann spürte sie Hände, die sie hielten und führten, bis sie das Schmetterlingshaus verlassen hatten. Nur ein paar Schritte weiter befanden sich Bänke, Maris wurde auf eine von ihnen gedrückt und dann gefragt: »Geht es Ihnen jetzt etwas besser?«

»Ein bißchen, ich weiß auch nicht, was plötzlich mit mir los war. Haben Sie vielen Dank, daß Sie mir… geholfen haben.« Während sie noch recht mühsam sprach, blickte sie auf einen schlanken, jungen Mann mit markanten Gesichtszügen, dessen Miene jetzt aber Besorgnis ausdrückte.

»Sind Sie allein hier?« erkundigte er sich weiter und setzte sich zu ihr auf die Bank.

»Nein. Mein Freund und die Jungen sind noch bei den Schmetterlingen, sie vertragen diese Luft, ich leider nicht.«

»Dann bleiben Sie besser hier sitzen, bis Ihre Familie wiederkommt. Ich bleibe so lange bei Ihnen, oder soll ich doch lieber den Rettungsdienst anrufen?«

»Nein, das ist nicht nötig. Ich habe wohl nur Hunger. Wir sind ja schon eine Weile über die Mittagszeit hinaus, aber die Jungen wollten ja unbedingt…«

»Maris, da bist du ja!« Eric lief auf sie zu, blieb dicht vor ihr stehen und sprudelte dann aufgeregt hervor: »Warum sitzt du hier herum? Schau dir lieber die Schmetterlinge an. Wir haben auch viele einheimische gesehen… Pfauenaugen und Schwalbenschwänze und Aurorafalter.«

»Mir ist es dort drinnen viel zu heiß und stickig. Geh und hole Gernot und Bastian. Es wird Zeit für das Mittagessen.«

Der Junge gehorchte augenblicklich, und Maris’ Retter fragte ungläubig: »Der Kleine ist aber nicht Ihr… Sohn?«

»Nein, er ist mein Bruder.« Maris hatte sich wieder etwas erholt und stand nun auf. Sie reichte dem Mann, der sich unterdessen auch erhoben hatte, die Hand und sagte leise: »Nochmals vielen Dank für Ihre Hilfe.«

»Das war doch selbstverständlich«, gab er zurück, nickte ihr freundlich zu und ging weiter, blieb jedoch in der Nähe des Ausgangs stehen und betrachtete scheinbar interessiert eine Herde Bergziegen. In Wirklichkeit wartete er jedoch auf die hübsche blonde Frau. Er wollte sie wenigstens noch einmal sehen.

Seine Geduld wurde bald belohnt, denn sie ging in Begleitung eines jungen Mannes und von zwei halbwüchsigen Jungen an ihm vorbei, nahm ihn allerdings nicht wahr.

Hilmar Matthäus schaute ihr nach und fragte sich wenig begeistert, ob das, was er jetzt fühlte, Liebe auf den ersten Blick war.

*

Maris vergaß den jungen Mann gleich wieder. Sie fühlte sich schlapp, war müde und hätte sich gern hingelegt. Sie hatte auch keinen Appetit, was ihre »Jungs« gar nicht verstehen konnten.

Gernot hatte, nachdem sie den Tierpark verlassen hatten, bei einem Rastplatz angehalten. Hier hatten sie gegessen und getrunken und waren dann nach Hause gefahren. Ihr Schulfreund war natürlich noch bis weit nach dem Abendessen geblieben. Sie hatte darüber hinweg gesehen, weil sie einen Brief im Postkasten vorgefunden hatte, einen Brief von der Bundesbahn, in dem ihr für ein halbes Jahr in einer Personalabteilung eine Praktikantenstelle angeboten wurde. Die Bezahlung war natürlich lausig, aber besser als nichts. Zusammen mit der Waisenrente und dem Kindergeld würden sie bei guter Einteilung über die Runden kommen. Sehr erleichtert hatte sie aufgeatmet.

Inzwischen waren sechs Wochen vergangen, die mit viel Arbeit und dem Schreiben von weiteren Bewerbungen ausgefüllt gewesen waren. Sie hatte sich auch dreimal bei einem Arbeitgeber vorstellen dürfen, aber da sie noch keinerlei Berufserfahrung besaß, hatte man sich für einen anderen Bewerber entschieden. Die Arbeit im Personalbüro machte ihr auch nicht viel Freude, doch das lag wohl hauptsächlich daran, daß sie sich immer noch krank fühlte. Aus diesem Grund hatte sie schließlich doch ihren Hausarzt und anschließend einen Internisten aufgesucht. Der Befund war niederschmetternd gewesen. Sie hatte zwei Knoten in der Schilddrüse und mußte operiert werden, wenn sie wieder ganz gesund werden wollte.

Eric und Bastian wußten es noch nicht, aber sie wollte es ihnen heute abend sagen, sie mußte es tun, auch wenn es ihr schwerfiel.

»Du mußt ins Krankenhaus?« rief Eric dann auch entsetzt aus. »Wie lange mußt du denn dort bleiben?«

»Wahrscheinlich acht bis zehn Tage. Aber zu Weihnachten bin ich bestimmt wieder gesund. Dr. Schadow will versuchen, daß ich bald einen Termin bekomme. Macht euch also keine Sorgen.«

»Dann sind wir ja ganz allein«, warf Bastian betreten ein. »Aber Gernot hilft uns doch, oder nicht?«

»Doch, er hat es versprochen. Er wird jeden Abend kommen und euch bei der Hausarbeit helfen, oder bei den Schulaufgaben, falls das notwendig sein sollte. Und dann könnt ihr mich natürlich auch im Krankenhaus anrufen und besuchen. Ich bitte euch nur, Gernot zu gehorchen. Er hat keine jüngeren Geschwister und kennt sich daher mit Schulkindern nicht so aus.«

»Ja, versprechen wir«, antwortete die beiden brav wie Unschuldslämmer.

Sie konnte ihnen nicht so ganz glauben, denn sie wußte nur zu gut, daß der sonst so umgängliche und hilfsbereite Freund für die Jungen wenig Geduld und Einfühlungsvermögen hatte. Und sie kannte auch ihre Brüder. Bastian wurde störrisch, wenn ihm etwas nicht paßte, und Eric übermütig und trotzig. Sie sparte sich jedoch weitere Ermahnungen und sagte nur zuversichtlich: »Es kann sich ja nur um ein paar Tage handeln, dann bin ich wieder bei euch und werde sicher bald gesund sein.«

*