Nelly soll lachen und glücklich sein - Karina Kaiser - E-Book

Nelly soll lachen und glücklich sein E-Book

Karina Kaiser

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Beschreibung

Große Schriftstellerinnen wie Patricia Vandenberg, Gisela Reutling, Isabell Rohde, Susanne Svanberg und viele mehr erzählen in ergreifenden Romanen von rührenden Kinderschicksalen, von Mutterliebe und der Sehnsucht nach unbeschwertem Kinderglück, von sinnvollen Werten, die das Verhältnis zwischen den Generationen, den Charakter der Familie prägen und gefühlvoll gestalten. Mami ist als Familienroman-Reihe erfolgreich wie keine andere! Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Zum wiederholten Male wischte sich Arvid von Rhunow schon den Schweiß vom Gesicht. Die Hitze war unerträglich. Stundenlang war er nun schon die Autobahn entlang, gefahren, bis er endlich Stralsund erreicht hatte. Der Stau auf dem Rügendamm war jedoch weniger lang gewesen, als er befürchtet hatte. Da konnte er vielleicht noch... Warum nur vielleicht? Er tat es einfach, er gönnte sich einen Abstecher nach Binz. Sein Vater würde trotz der Rapsernte noch zwei oder drei weitere Stunden ohne ihn auskommen, würde wahrscheinlich meckern und aus der Haut fahren, so wie immer, wenn ihm etwas nicht paßte. Er würde sich jedoch mit diesem Entschluß abfinden müssen. Schließlich hatte es ihm ja auch nichts ausgemacht, ihn für drei Tage zu einem Kongreß nach Breitingen zu schicken. Er würde ihn eben anrufen und sagen: »Hallo, Papa, ich fahre noch mal kurz ans Wasser. Sage Mama, daß sie nicht mit dem Abendessen auf mich warten soll.« Kurze Zeit später hatte er diesen Anruf erledigt, hatte das Gepolter seines alten Herrn zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder heraus gelassen, hatte sein Auto auf dem Parkplatz abgestellt und sich die vorsichtshalber mitgenommenen Badesachen geschnappt. Er besorgte sich anschließend noch Mineralwasser und zwei belegte Brötchen, mietete sich einen Strandkorb und setzte sich, nachdem er sich sozusagen strandfein gemacht und ausgiebig gebadet hatte, mit einem tiefen Seufzer hinein. Endlich Ruhe und frische Luft. Er verzehrte seinen Imbiß, trank das Wasser aus und lauschte dem Auf und Ab der Wellen. Dabei schlief er ein, allerdings nicht lange. Und es waren nicht die Wellen oder die Möwen, die ihn weckten, sondern ein Ball, der recht unsanft an seinem Kopf landete. »Himmel – Herrgott noch mal! Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?«

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Mami Bestseller – 80 –

Nelly soll lachen und glücklich sein

Ein Kind vertreibt die Wolken der Vergangenheit

Karina Kaiser

Zum wiederholten Male wischte sich Arvid von Rhunow schon den Schweiß vom Gesicht. Die Hitze war unerträglich. Stundenlang war er nun schon die Autobahn entlang, gefahren, bis er endlich Stralsund erreicht hatte. Der Stau auf dem Rügendamm war jedoch weniger lang gewesen, als er befürchtet hatte. Da konnte er vielleicht noch...

Warum nur vielleicht? Er tat es einfach, er gönnte sich einen Abstecher nach Binz. Sein Vater würde trotz der Rapsernte noch zwei oder drei weitere Stunden ohne ihn auskommen, würde wahrscheinlich meckern und aus der Haut fahren, so wie immer, wenn ihm etwas nicht paßte. Er würde sich jedoch mit diesem Entschluß abfinden müssen. Schließlich hatte es ihm ja auch nichts ausgemacht, ihn für drei Tage zu einem Kongreß nach Breitingen zu schicken. Er würde ihn eben anrufen und sagen: »Hallo, Papa, ich fahre noch mal kurz ans Wasser. Sage Mama, daß sie nicht mit dem Abendessen auf mich warten soll.«

Kurze Zeit später hatte er diesen Anruf erledigt, hatte das Gepolter seines alten Herrn zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder heraus gelassen, hatte sein Auto auf dem Parkplatz abgestellt und sich die vorsichtshalber mitgenommenen Badesachen geschnappt. Er besorgte sich anschließend noch Mineralwasser und zwei belegte Brötchen, mietete sich einen Strandkorb und setzte sich, nachdem er sich sozusagen strandfein gemacht und ausgiebig gebadet hatte, mit einem tiefen Seufzer hinein. Endlich Ruhe und frische Luft. Er verzehrte seinen Imbiß, trank das Wasser aus und lauschte dem Auf und Ab der Wellen. Dabei schlief er ein, allerdings nicht lange. Und es waren nicht die Wellen oder die Möwen, die ihn weckten, sondern ein Ball, der recht unsanft an seinem Kopf landete.

»Himmel – Herrgott noch mal! Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?« Er sprang auf, als hätte ihn etwas gestochen, und starrte auf das kleine Mädchen, das ihn zu allem Übel auch noch auslachte.

»Du freche Göre!« zischte er aufgebracht. »Wenn ich so etwas mit meinem Vater gemacht hätte, hätte er mich übers Knie gelegt.«

Die Kleine, sie mochte etwa sieben oder acht Jahre alt sein, zeigte weder Reue noch Verständnis. Sie kicherte, näherte sich ihm wieselflink, griff nach ihrem Ball, der unmittelbar vor dem Strandkorb lag, und rannte dann davon. Sie kam jedoch nicht weit. Eine junge Frau hinderte sie daran, indem sie das Kind einfach festhielt.

Arvid hatte sich unterdessen wieder hingesetzt und blickte zu den beiden, allem Anschein nach waren sie Mutter und Tochter. Er konnte nicht verstehen, was die Frau zu ihrem Kind sagte, aber den Gesten nach zu schließen, handelte es sich um eine Standpauke. Er grinste und schloß wieder die Augen.

»Was willst du hier? Der Onkel pennt doch schon wieder«, wisperte die Kleine jetzt dicht neben ihm. Er öffnete die Augen wieder, schaute aber nicht das Kind an, sondern dessen Mutter. Erst nach einigen Sekunden kam ihm zum Bewußtsein, daß er die Frau wahrscheinlich anstarrte wie ein verliebter Teenager und nicht wie ein Mann von zweiunddreißig Jahren. Ein solcher sollte sich so gut beherrschen können, daß man ihm die Wirkung, die diese Frau auf ihn ausübte, nicht an der Nasenspitze ansah, der sollte gelassen sagen: »Ihre Tochter hat mir soeben einen Ball an den Kopf geworfen, junge Frau, und es nicht für nötig gehalten, sich zu entschuldigen.«

Statt dessen brachte er keinen Ton heraus, hören konnte er jedoch noch, und so vernahm er, wie sie betreten sagte: »Guten Tag. – Bitte entschuldigen Sie die Ungezogenheit meiner Tochter. Sie hat es nicht böse gemeint.«

»Nö, gar nicht«, setzte die Kleine treuherzig hinzu. »Ich wollte eigentlich nur die Wespe verscheuchen, die um Sie herum flog. Die hätte Sie ja stechen können.«

Bekanntschaft in Badekleidung, dachte Arvid und schlüpfte hastig in Jeanshose und T-Shirt. Es war besser, wenn er sich anzog. Man mußte ihm seine – Gefühle – nun wirklich nicht... ansehen, auch wenn man ganz plötzlich seiner Traumfrau begegnet war. Er riß sich also zusammen und erwiderte freundlich: »Wenn das so ist, kleines Mädchen, dann bin ich dir für deine schnelle Hilfe durchaus dankbar. Was ist schon ein Treffer mit dem Ball gegen einen Wespenstich.«

»Sag ich doch. Meine Oma meint auch immer, mit Insektenstichen ist nicht zu spaßen. Ich heiße übrigens Cornelia, aber alle sagen Nelly zu mir.«

Die Kleine gefiel ihm, der verkniffene Zug um den Mund ihrer Mutter viel weniger. Und vielleicht tauchte auch bald ein Ehemann und Vater auf. Traumfrauen waren ja meist in festen Händen, diese bestimmt auch. Oder doch nicht? Arvid von Rhunow entschloß sich, das Terrain trotz allem zu sondieren und antwortete lächelnd: »Nelly ist ein sehr hübscher Name. Ich heiße Arvid... Arvid von Rhunow und wohne in Lüdersfelde.«

Die Mutter des Kindes wurde nun zugänglicher.

»Sarah Konrady«, sagte sie mit einem Anflug von Humor. »Damit Sie wissen, wessen Tochter Ihnen den Samstagnachmittag verdorben hat.«

Der junge Landwirt bemühte sich, die schlanke und trotzdem an den richtigen Stellen gut gerundete Gestalt der Frau zu übersehen – was ihm natürlich nicht gelang. Er räusperte sich und entgegnete dann: »Nelly hat mir durchaus nicht den Nachmittag verdorben, ganz im Gegenteil. Ich bin ihr dankbar, daß sie... äh... die Wespe verscheucht hat. Wie wäre es, wenn ich sie und ihre Mutti zum Dank zu einem Eis einladen würde?«

Die Blicke der Erwachsenen trafen sich, abschätzend, vorsichtig und doch mit einer gewissen Freude. Sarahs Antwort klang jedoch reserviert: »Wir kennen uns doch gar nicht...«

»Wir können uns ja kennenlernen«, versetzte er unbekümmert. »Oder gibt es jemanden, der etwas dagegen haben könnte?«

Ehe Sarah antworten konnte, zwitscherte Nelly munter drauflos: »Sie meinen, ob ich einen Papa habe, der...«

»Cornelia!!«

»Ich bin ja schon still, ich wollte ja bloß sagen, daß wir keinen...«

Auch diesen Satz konnte sie nicht zu Ende sprechen, denn ihre Mutter sagte nervös: »Gut, gehen wir Eis essen. Nelly und ich, wir müssen uns allerdings noch umziehen und unsere Sachen zusammenpacken.«

»Selbstverständlich, ich warte gern.« Arvid lächelte zuversichtlich und sagte dann so leise, daß nur Sarah ihn verstehen konnte: »Ich freue mich über unsere Bekanntschaft, ich habe nämlich auch keine...«

*

Nelly löffelte hingebungsvoll ihr Eis, ein großes Eis mit vielen Früchten, Schokoraspeln und Schlagsahne. Ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit war sie recht still, was jedoch nicht nur am Eis lag. Wenn ihre zurückhaltende Mama nun doch endlich einen Mann kennenlernen wollte, dann hatte sie, Nelly, vorläufig Sendepause. Sie beschränkte sich daher aufs Zuhören und erfuhr somit, daß der »nette Onkel« ein besserer Bauer war, der mit seinen Eltern in einem großen Haus wohnte, das dem Schloß im Märchen wahrscheinlich sehr ähnlich war.

»Ich bin Sachbearbeiterin beim Landhandel in Tiemersdorf«, antwortete Sarah gleichmütig, viel zu gleichmütig fand Nelly. Wenn ihre Mutter nichts zu sagen wußte, mußte sie eben weitere und nähere Auskünfte geben. Mochte das Eis auch schmelzen, das machte ihr gar nichts aus. Mami brauchte einen Mann, Nelly einen Papa und die Oma einen guten Jungen, der handwerkliche Arbeiten übernehmen konnte. Ob dieser braunhaarige Onkel, der so lustig lächeln konnte, sich zu allem eignete, wußte sie noch nicht. Aber sie würde es herausbekommen, sofern ihre Mutter ihr die Gelegenheit dazu gab.

»Wir wohnen auch in einem Haus«, erzählte sie eifrig. »Da hatte mein Opa früher seine Tierarztpraxis, aber jetzt wohnen nur noch wir drin, Mutti und ich und Uroma Betty. Und wir haben einen schönen großen Garten mit Apfelbäumen und vielen Blumen. Einen Sandkasten und eine Schaukel habe ich auch, hat Opa noch gebaut.«

»Und nun lebt der Opa wohl nicht mehr«, erkundigte sich Arvid teilnehmend.

»Nein, die Oma auch nicht. Sie sind in den Alpen verunglückt... als ich vier Jahre alt war. Ist das nicht traurig?«

»Sehr traurig«, bestätigte er, während er Sarah ansah, die ziemlich unbeteiligt wirkte, nun auf ihre Armbanduhr schaute und nachdrücklich sagte: »Es wird allmählich Zeit, daß wir aufbrechen. Wie Nelly schon angedeutet hat, wohnen wir mit meiner Großmutter zusammen. Und die macht sich bestimmt schon Sorgen, wo wir bleiben.«

»Rufen Sie die alte Dame doch an und sagen ihr, daß Sie etwas später kommen. Dann könnten wir noch einen kleinen Spaziergang auf der Promenade machen.«

»Das ist leider nicht möglich, Herr von Rhunow, weil Großmama nicht ans Telefon geht.«

»Sie mag nicht telefonieren«, krähte Nelly dazwischen. »Ich verstehe das nicht, mit jemandem telefonieren macht doch so viel Spaß.«

»Ja, dir, aber nicht unserer Oma«, entgegnete Sarah nachsichtig. »Außerdem ist es inzwischen Abend geworden. Bedanke dich bei Herrn von Rhunow, daß er dir deine Attacke nicht übelgenommen hat, und für das Eis.«

»Aber gern«, strahlte die Kleine. »Sie sind echt Spitze, vielen Dank.«

»Ich bedanke mich auch«, setzte Sarah hinzu. »Es war ein schöner Nachmittag.«

»Das finde ich ebenfalls.« Arvid winkte der Bedienung, zahlte und meinte dann beiläufig: »Wir könnten uns ja noch... öfter einen so schönen Nachmittag machen. Was meinen Sie dazu, Frau Konrady?«

Sie wollte ablehnen, freundlich, aber bestimmt, und konnte es einfach nicht. Immerhin war dieser Mann weder eingebildet noch arrogant, er schien Kinder zu mögen und hatte offenbar Verständnis für kleine Ungezogenheiten. Und er sah gut aus, war groß und schlank, hatte volles mittelbraunes Haar und gepflegte Hände. Es stimmte sie nur nachdenklich, daß er noch nicht verheiratet war. Stellte er vielleicht zu hohe Ansprüche oder war er ein ewiger Junggeselle, der jeder Bindung aus dem Weg ging?

»Sie sagen ja gar nichts. Gefällt Ihnen mein Vorschlag nicht?«

Sie blickte zu ihm hin. War er jetzt vielleicht gekränkt? Nein, das wohl nicht, er lächelte sogar, als würde er ihr Zögern verstehen.

»Doch, schon, aber ich weiß trotzdem nicht so recht. Es ist nicht meine Art, auf diese Weise Bekanntschaften zu schließen.«

Sie waren unterdessen aufgestanden, hatten das Eiscafé verlassen und gingen nun in Richtung Parkplatz, wo sie ihre Autos abgestellt hatten. Nelly, altklug und darauf bedacht, ihrer Mutter ein Alleinsein mit dem Superonkel zu verschaffen, rannte voraus.

»Ihre Tochter ist ein sehr aufgewecktes Mädchen. Sie macht Ihnen sicher viel Freude.« Arvid von Rhunow sagte das sehr bewußt, denn er hatte sofort bemerkt, daß er in der Kleinen eine Verbündete hatte. Oder war das Ganze nur ein abgekartetes Spiel zwischen Mutter und Tochter? Sollte er vielleicht eingefangen werden?

Nein, beruhigte er sich sofort. Das konnte gar nicht zutreffen. Sarah Konrady kannte ihn nicht und sie schien ihm zu vernünftig zu sein, um einen Mann nur wegen seiner äußeren Erscheinung als Heiratskandidaten anzusehen. Sie würde eher auf ein gesichertes Einkommen Wert legen, was man einer alleinerziehenden Mutter auch nicht verdenken konnte.

»Ja, sie ist, von ihren gelegentlichen Streichen abgesehen, ein liebes Mädchen«, erwiderte sie nun. »Sie ist meiner Großmutter ganzer Stolz und eine Freude ihres Alters. Doch nun wollen wir uns verabschieden...«

»Ich möchte Sie und Ihre Kleine gern wiedersehen«, unterbrach er sie hastig. »Tiemersdorf und Lüdersfelde sind doch gar nicht so weit voneinander entfernt. Wir könnten uns treffen, ohne lange Wege machen zu müssen.«

»Sie sind Landwirt, können Sie denn zu dieser Jahreszeit einfach so fort?«

»Im Sommer, besonders zur Erntezeit ist es nicht gerade günstig, das gebe ich zu. Aber irgendwann muß ich auch mal wenigstens einen freien Nachmittag haben. Und den würde ich gern mit Ihnen und Ihrem Kind verbringen.« Seine Augen bettelten so sehr, daß sie schließlich leise sagte: »Sie können mich anrufen, wenn Sie wollen. Dann können wir uns ja... verabreden.«

Er spürte, daß sie Zweifel hatte, ließ sich seine Enttäuschung jedoch nicht anmerken. Sie war nicht so eine, die leicht zu haben war, und hatte überdies noch für ein Kind zu sorgen. Vielleicht hatte auch sie schon einiges durchmachen müssen, vielleicht hatte Nellys Vater sie verlassen, vielleicht zahlte er nicht... und Eltern, die sie unterstützten, hatte sie ebenfalls nicht. Es war normal, daß sie skeptisch war. Und eigentlich gefiel ihm ihre Zurückhaltung sehr gut.

»Ich werde Sie ganz bestimmt anrufen«, versprach er nun, während er ihre Hand kurz, aber fest, drückte. »Und deshalb bitte ich um Ihre Telefonnummer.«

»Ja... natürlich.« Sie blieb stehen und suchte in ihrer Handtasche nach Stift und Zettel, schrieb die Nummer auf und reichte ihm dann das kleine Stück Papier, das er sorgsam in seine Brieftasche steckte.

»Danke«, murmelte er und drückte ihr zugleich eine Visitenkarte in die Hand. »Damit Sie mich auch anrufen können, Sarah.«

Sie schauten sich an, als wollte einer die Gedanken des anderen erfahren –, sekundenlang, bis sie den Bann brach und weiterging.

Nelly stand bereits wartend am Auto. Sie war jetzt ein ganz braves Mädchen und verabschiedete sich sogar mit einem Knicks.

Arvid fuhr ihr flüchtig über das Haar, drückte noch einmal Sarahs Hand und wandte sich dann ab. Es wurde jetzt wirklich Zeit, nach Hause zu fahren.

»Ja, wir müssen auch los, sonst wird Oma doch noch unruhig.«

Nelly nickte zustimmend, meinte aber vergnügt: »Sie wird schon nicht unruhig sein, sie wird sich freuen, daß wir so einen schönen Nachmittag verbracht haben. Und wenn ich erst von dem netten Onkel erzählt habe, dann wird sie alles ganz genau wissen wollen und nicht mehr an ihre Krankheiten denken.«

»Von dem Mann wirst du ihr gar nichts erzählen, mein Fräulein«, versetzte Sarah ziemlich scharf, während sie den Kofferraum öffnete und die Tasche mit den Badesachen hineinstellte.

»Warum denn nicht? Oma ist doch nicht von vorgestern.«

Sarah blickte ihre Tochter ernst an und so war auch ihr Tonfall: »Von vorgestern gerade nicht, aber als die Uroma jung war, da hat

man über vieles ganz anders gedacht, da hat man zum Beispiel viel schneller geheiratet als heute. Und als ich deinen Vater nicht haben wollte, konnte sie das nicht verstehen. Wenn wir ihr nun von Herrn von Rhunow erzählen, wird sie vielleicht denken, es ist was Ernstes.«

»Ist es das denn nicht?«

»Das weiß ich doch jetzt noch nicht. Ich brauche Zeit zum Nachdenken und möchte Herrn von Rhunow in Ruhe kennenlernen. Und er mich sicher auch. Deshalb ist es mir lieber, wenn wir vorläufig nicht sagen, daß wir ihn hier am Strand getroffen haben. Versprichst du mir das?«

»Na klar.« Nelly legte beide Arme um Sarahs Taille und flüsterte: »Ich werde der Oma nichts sagen. Du hast recht, sie regt sich nur auf, wenn er uns vielleicht doch nicht haben will.«

*