Mami braucht 'nen Drink & Mami muss mal raus - Gill Sims - E-Book

Mami braucht 'nen Drink & Mami muss mal raus E-Book

Gill Sims

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Beschreibung

Mami braucht 'nen Drink & Mami muss mal raus Zwei Bestseller in einem Band Die beiden Romane MAMI BRAUCHT 'NEN DRINK und MAMI MUSS MAL RAUS von Bestseller-Autorin Gill Sims in einem Bundle Mami braucht 'nen Drink Das Familien-Tagebuch der etwas anderen Art – witzig, ehrlich, befreiend!  Dienstag, 8. September Erster Schultag. Dieses Jahr werde ich meinen Kindern eine absolut mustergültige Mutter sein. Ich werde es schaffen. Ja, dieses Jahr wird alles ganz anders – ich werde meine kleinen Lieblinge keinesfalls anschnauzen, und ich werde verhindern, dass sie den ganzen Tag ungesundes Zeug in sich reinstopfen und nur noch auf ihren Tablets rumdaddeln. Und ganz sicher werde ich abends nicht erschöpft auf dem Sofa zusammensinken und bei einem Glas Wein "Shit, Shit, Shit" vor mich hin murmeln. Leider habe ich es noch nicht geschafft, die Tupperdosen für die Lunchpakete zu besorgen oder die Jiu-Jitsu-Kurse zu buchen. An den scheußlichen Geschmack von grünem Tee muss ich mich erst gewöhnen, und das mit den französischen Zöpfen und dem Retro-Lidstrich klappt auch noch nicht so richtig, aber ich gehe mal davon aus, dass das alles vernachlässigbare Details sind, die mich nicht davon abhalten können, meinen großartigen Masterplan umzusetzen ... Mami ist gerade 39 geworden. Mit Schrecken blickt sie einer Zukunft entgegen, in der sie ständig gefragt wird, ob sie nicht auch mal zum Yoga für Fortgeschrittene kommen will, und wo auf Partys alle so tun, als hätten sie nach einem Pinot Grigio schon "ein Schwipschen". Aber Mami hat weder Lust auf Yoga noch darauf, nur noch für ihre Kinder zu leben und auf dem Schulhof rumzustehen, während andere Mütter mit den jüngsten außerlehrplanmäßigen Aktivitäten ihres Nachwuchses angeben oder sie mit ihrem neuesten Familienurlaub zu beeindrucken versuchen. Stattdessen greift sie bei jeder Gelegenheit zu einem großen Glas Wein und fragt sich, wo sie selbst bei all dem Familientrubel eigentlich bleibt. Bis sie sich auf eine geniale Idee von früher besinnt, die nur noch darauf wartet, in die Tat umgesetzt zu werden… Mami muss mal raus Das neue Tagebuch einer erschöpften Mutter - witzig, ehrlich, befreiend! Der Alptraum aller Eltern – der Beginn der Schulferien. Statt in der Sonne zu liegen, ein Buch zu lesen – neben sich ein schönes kühles Glas Pinot Grigio –, muss Mami ihre zwei gelangweilten Lieblinge bei Laune halten. Panisch meldet sie die Kinder bei Sportfreizeiten und anderen Betreuungsangeboten an und muss sich trotzdem andauernd bei der Arbeit abmelden. Mami ist erschöpft. Aber das ist erst der Anfang … Nachdem eine unangenehm hilfsbereite Nachbarin Mami überredet hat, sich doch auch im Elternbeirat zu engagieren, muss sie die Schulweihnachtsfeier organisieren und es dabei allen anderen Eltern rechtmachen – ein Ding der Unmöglichkeit. Als dann auch noch ihr Vater mit seiner neuen (deutlich jüngeren) Flamme anrückt und ihre egozentrische Mutter die Aufmerksamkeit ihrer Tochter einfordert, hat Mami gar keine Verschnaufpause mehr. Kann es noch schlimmer kommen?

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Seitenzahl: 857

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GILL SIMS

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ISBN 978-3-96161-184-3

Mami braucht ’nen Drink

Die Originalausgabe »Why mummy drinks. The diary of an exhausted mum« erschien 2017 bei HarperCollins Publishers Ltd, London.

© 2017 Gill Sims© Coverillustration: TomGauld/Heart Agency© Coverdesign: HarperCollins Publishers Ltd 2017© 2018 der deutschsprachigen AusgabeJulia Eisele Verlags GmbH, MünchenCovergestaltung: FAVORITBUERO, München

Mami muss mal raus

Die Originalausgabe »Why mummy swears. The struggles of an exasperated mum« erschien 2018 bei HarperCollins Publishers Ltd, London.

© 2018 Gill Sims© Coverillustration: TomGauld/Heart Agency© Coverdesign: HarperCollins Publishers Ltd 2017© 2019 der deutschsprachigen AusgabeJulia Eisele Verlags GmbH, MünchenCovergestaltung: FAVORITBUERO, München

E-Book-Konvertierung: LVD GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis
Umschlag
Titelseite
Impressum
Mami braucht ’nen Drink
Widmung
September
Dienstag, 8. September
Freitag, 11. September
Samstag, 12. September
Mittwoch, 16. September
Freitag, 18. September
Montag, 21. September
Mittwoch, 23. September
Freitag, 25. September
Samstag, 26. September
Oktober
Sonntag, 4. Oktober
Samstag, 10. Oktober
Freitag, 16. Oktober
Samstag, 17. Oktober
Dienstag, 20. Oktober
Mittwoch, 21. Oktober
Montag, 26. Oktober
Freitag, 30. Oktober
Samstag, 31. Oktober
November
Samstag, 7. November
Montag, 9. November
Donnerstag, 12. November
Freitag, 13. November
Samstag, 14. November
Mittwoch, 18. November
Samstag, 21. November
Sonntag, 22. November
Mittwoch, 25. November
Dezember
Dienstag, 1. Dezember
Donnerstag, 3. Dezember
Freitag, 4. Dezember
Montag, 7. Dezember
Mittwoch, 9. Dezember
Freitag, 11. Dezember
Samstag, 12. Dezember
Sonntag, 13. Dezember
Dienstag, 15. Dezember
Samstag, 19. Dezember
Sonntag, 20. Dezember
Dienstag, 22. Dezember
Mittwoch, 23. Dezember
Donnerstag, 24. Dezember – Weihnachten!
Freitag, 25. Dezember – erster Weihnachtsfeiertag
Samstag, 26. Dezember – zweiter Weihnachtsfeiertag
Montag, 28. Dezember
Dienstag, 29. Dezember
Donnerstag, 31. Dezember – Silvester
Januar
Freitag, 1. Januar – Neujahrstag
Samstag, 2. Januar
Mittwoch, 13. Januar
Samstag, 15. Januar
Sonntag, 17. Januar
Februar
Montag, 1. Februar
Sonntag, 14. Februar – Valentinstag
Mittwoch, 17. Februar
Montag, 29. Februar
März
Freitag, 4. März
Samstag, 5. März
Sonntag, 6. März – Muttertag
Donnerstag, 17. März
Freitag, 25. März – Karfreitag
Sonntag, 27. März – Ostersonntag
April
Freitag, 1. April
Donnerstag, 14. April
Montag, 18. April
Mai
Sonntag, 1. Mai
Mittwoch, 4. Mai
Freitag, 20. Mai
Juni
Mittwoch, 1. Juni
Freitag, 3. Juni
Freitag, 10. Juni
Dienstag, 14. Juni
Samstag, 18. Juni
Juli
Mittwoch, 6. Juli
Donnerstag, 21. Juli
Freitag, 29. Juli
August
Donnerstag, 4. August
Sonntag, 7. August
Freitag, 12. August
Donnerstag, 25. August
Dank
Mami muss mal raus
JULI
Montag, 18. Juli
Freitag, 22. Juli
Montag, 25. Juli
AUGUST
Donnerstag, 4. August
Mittwoch, 10. August
Sonntag, 20. August
Freitag, 26. August
SEPTEMBER
Montag, 5. September
Dienstag, 6. September
Mittwoch, 7. September
Donnerstag, 8. September
Freitag, 9. September
Samstag, 10. September
Montag, 12. September
Dienstag, 13. September
Mittwoch, 14. September
Montag, 19. September
Donnerstag, 22. September
Freitag, 30. September
OKTOBER
Samstag, 1. Oktober
Freitag, 7. Oktober
Sonntag, 9. Oktober
Montag, 10. Oktober
Dienstag, 11. Oktober
Donnerstag, 13. Oktober
Freitag, 14. Oktober
Samstag, 15. Oktober
Samstag, 29. Oktober
Montag, 31. Oktober
NOVEMBER
Freitag, 4. November
Montag, 7. November
Dienstag, 8. November
Mittwoch, 9. November
Donnerstag, 10. November
Freitag, 11. November
Dienstag, 22. November
Mittwoch, 23. November
Samstag, 26. November
DEZEMBER
Freitag, 2. Dezember
Sonntag, 4. Dezember
Donnerstag, 8. Dezember
Freitag, 9. Dezember
Montag, 12. Dezember
Mittwoch, 14. Dezember
Freitag, 16. Dezember
Montag, 19. Dezember
Freitag, 23. Dezember
Samstag, 24. Dezember
Sonntag, 25. Dezember
Dienstag, 27. Dezember
Freitag, 30. Dezember
Samstag, 31. Dezember / Sonntag, 1. Januar
JANUAR
Sonntag, 1. Januar
Freitag, 13. Januar
Donnerstag, 19. Januar
FEBRUAR
Mittwoch, 1. Februar
Freitag, 10. Februar
Samstag, 11. Februar
Samstag, 18. Februar
Mittwoch, 22. Februar
MÄRZ
Mittwoch, 1. März
Freitag, 3. März
Samstag, 11. März
Donnerstag, 16. März
Montag, 27. März
APRIL
Mittwoch, 5. April
Donnerstag, 6. April
Sonntag, 9. April
Mittwoch, 12. April
Donnerstag, 13. April
Donnerstag, 20. April
MAI
Montag, 1. Mai
Samstag, 13. Mai
Dienstag, 23. Mai
Samstag, 2. Mai
JUNI
Donnerstag, 1. Juni
Freitag, 2. Juni – Schulsportfest
Samstag, 10. Juni
Freitag, 16. Juni
Montag, 19. Juni
JULI
Samstag, 1. Juli
Donnerstag, 20. Juli
DANKSAGUNG
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GILL SIMS

Tagebuch einer erschöpften Mutter

ROMAN

Aus dem Englischen von Ursula C. Sturm

Für D

SEPTEMBER

Dienstag, 8. September

Erster Schultag. Ich habe mir fest vorgenommen, meinen Kindern dieses Jahr eine absolut mustergültige Mutter zu sein. Ich werde es schaffen. So sieht meine Tagesplanung für das kommende Schuljahr aus:

6:00 Uhr: Ich stehe auf, dusche und schlüpfe in das elegante Outfit, das ich bereits am Vorabend aus meiner aus 33 perfekt aufeinander abgestimmten Kleidungsstücken bestehenden minimalistischen Capsule Wardrobe ausgewählt habe. Ich lege ein leichtes, raffiniertes Make-up inklusive schickem Retro-Lidstrich auf, für das ich mir Anregungen bei Pinterest geholt habe, föhne mir die Haare und stecke sie – ebenfalls nach Pinterest-Anleitung – zu einem lockeren Knoten hoch, um einen Look zu erzielen, der zeitlos und modern wirkt und zugleich einen Hauch Individualität verströmt. Solcherart perfekt gestylt mache ich rasch noch klar Schiff, damit unser Zuhause bei unserer Rückkehr am Abend ordentlich und einladend aussieht.

7:00 Uhr: Ich wecke meine kleinen Lieblinge und kredenze ihnen ein gesundes, zuckerfreies Frühstück. Wobei ich bereitwillig zustimme, wenn sie mir bei der Zubereitung der Rühreier helfen wollen; verfolge selig lächelnd, wie sie sich mit hochkonzentrierten Mienen und vor Eifer glühenden Wangen gemeinsam ans Werk machen, während ich den Thermomix mit den Ingredienzien für ein wohlschmeckendes Abendessen fülle.

7:45 Uhr: Ich schicke meine süßen Kleinen nach oben, damit sie sich waschen und anziehen, was ganz schnell und unkompliziert vonstattengeht, denn ihre Schuluniformen habe ich schon am Vorabend bereitgelegt.

Inzwischen stelle ich rasch das Frühstücksgeschirr in die Spülmaschine und hole die Lunchpakete für die Kinder aus dem Kühlschrank. Die Tupperdosen enthalten (mit großen Ausstechern zu lustigen Figuren geformte) Sandwiches sowie eine reiche Auswahl an frisch geschnippelten, ebenfalls originell geformten Obstschnitzen.

8:00 Uhr: Ich bürste Jane die Haare und flechte sie zu französischen Zöpfen o. Ä., dann kämme ich Peter die Haare. In den verbleibenden zehn Minuten lese ich den beiden eine hübsche Geschichte vor. Noch schnell fünf Minuten aufräumen, dann heißt es Schuhe und Jacken anziehen.

8:25 Uhr: Abmarsch. Auf dem Weg zur Schule trällern wir ein fröhliches Liedchen und machen einen Abstecher in den Park, damit sich der Hund ein wenig austoben kann. Zufrieden lächelnd sehe ich dabei zu, wie meine süßen Engelchen mit dem drolligen Vierbeiner zwischen den fallenden Blättern herumtollen und beglückwünsche mich zu meinem Einfall, denn dank der Bewegung an der frischen Luft sind ihre kleinen Gehirnzellen nun stimuliert und bereit, Informationen aufzusaugen wie ein Schwamm.

8:50 Uhr: Ich verabschiede mich mit zahlreichen Küssen und Umarmungen von meinen beiden Hübschen auf dem Schulhof und trete dann mit dem Hund beschwingt den Heimweg an. Zu Hause rollt sich der Hund artig in seinem Körbchen zusammen und wartet seelenruhig auf die Hundesitterin, die mittags mit ihm eine Runde drehen wird, während ich mich ans Steuer meines kürzlich gereinigten Wagens setze und zur Arbeit fahre.

15:15 Uhr: Ich hole die lieben Kleinen von der Schule ab und plaudere auf dem Schulhof ein wenig mit den anderen Müttern über diverse harmlose, neutrale Themen.

15:30 Uhr: Ich serviere den Kindern eine nahrhafte Zwischenmahlzeit (evtl. selbstgemachte Müsliriegel) und durchforste, während sie diese verzehren, beide Schultaschen nach Mitteilungen von Lehrern, wobei ich mir etwaige Termine für Aktivitäten und Ausflüge und sonstige Anfragen notiere. (Merke: Mitteilungen evtl. in zwei verschiedenfarbigen Mappen ablegen, damit ich sie bei Bedarf rasch lokalisieren kann!) Ich blättere die Hausaufgabenhefte durch und erarbeite einen Zeitplan, um sicherzustellen, dass das täglich zu erledigende Pensum nicht zu umfangreich ist.

15:45 Uhr: Schicke Peter und Jane nach oben, damit sie sich für ihre diversen obligatorischen außerschulischen Aktivitäten umziehen.

16:00 Uhr: Ich fahre die Kinder zum Klavierunterricht / Ballett / Schwimmen / Tennis / Jiu-Jitsu. Sollte nur ein Kind in eine der genannten typischen Mittelschicht-Aktivitäten involviert sein, nutze ich die Zeit, um die Beziehung mit dem anderen zu intensivieren, etwa in Form eines Gesprächs über den vergangenen Schultag sowie über Hoffnungen / Träume / Ziele. Sind beide Kinder beschäftigt, arbeite ich berufliche E-Mails ab, wie es sich für eine effiziente Karrierefrau des 21. Jahrhunderts gehört.

17:00 Uhr: Ich begleite die Hausaufgaben, die ich auf der Grundlage des oben erwähnten ausgeklügelten Zeitplans ausgewählt habe.

17:30 Uhr: Ich serviere das im Thermomix mühelos schongegarte köstliche Essen; halte inne, um mir im Geiste auf die Schulter zu klopfen, weil ich so eine tolle Mutter bin, und um andere Mütter zu bedauern, die es nicht mit meinem großartigen Organisationstalent und meinem beispiellosen Mutterinstinkt aufnehmen können.

18 Uhr: Kurze Klavier-übe-Session in meinem Beisein, dann Buchstabieren üben und das kleine Einmaleins abfragen.

18:45 Uhr: Ich gestatte den Kindern eine halbe Stunde fernsehen.

19:15 Uhr: Die Kinder begeben sich ohne Extraaufforderung ins Bad.

19:45 Uhr: Schlafenszeit. Ich lese ein Kapitel aus einem pädagogisch wertvollen Kinderbuch vor, das meine Sprösslinge selbst ausgesucht haben.

20:00 Uhr: Zur Belohnung nach diesem produktiven Tag gönne ich mir eine schöne Tasse grünen Tee.

Ja, dieses Jahr wird alles ganz anders als im Vorjahr, als sich die Schultage eher so gestalteten:

5:00 Uhr: Wache auf, weil eins meiner Kinder die Treppe runter trampelt. Stolpere hinterher und finde besagtes Kind auf dem Sofa, über ein iPad gebeugt. Fauche das dreiste Gör an, dass es sich verdammt noch mal auf der Stelle wieder ins Bett schleichen soll. Krieche vor Wut schäumend ebenfalls wieder in die Kiste und schlafe gefühlte fünf Sekunden vor dem Weckerklingeln wieder ein.

6:00 Uhr: Drücke auf den Snooze-Knopf.

6:10 Uhr: Drücke noch einmal auf den Snooze-Knopf.

7:10 Uhr: Haste panisch aus dem Bett und unter die Dusche, um anschließend in die erstbesten Klamotten zu springen, die mir in die Finger kommen. Bekomme eine Panik-Attacke, weil mein Arsch über Nacht offenbar so breit geworden ist, dass ich die Unterhose nicht über die Knie kriege. Vergieße ein paar Tränen der Erleichterung, als mir klar wird, dass sich eine von Janes Unterhosen in meiner Wäscheschublade befand, was ich in der Eile nicht bemerkt habe. Mein Hintern ist zwar weder besonders klein noch besonders knackig, aber die erwachsene Frau möchte ich sehen, deren Allerwertester in die Unterwäsche einer Achtjährigen passt! Föhne mir kopfüber die Haare und kriege anschließend die Krise beim Anblick meines Spiegelbilds, das fatal an ein Stachelschwein erinnert. Bändige mir das Haar mit einem Hello-Kitty-Haargummi und versuche – vergeblich –, so zu tun, als würde ich freiwillig Hello-Kitty-Accessoires tragen, quasi als Ausdruck meiner verschrobenen Individualität.

7:30 Uhr: Gehe nach unten und schnauze meine kleinen Lieblinge an, sie sollen gefälligst ihre verfluchten Tablets ausschalten und frühstücken.

7:37 Uhr: Reiße den Kindern ihre verdammten Kack-Tablets aus der Hand und zetere: »So, die sind jetzt konfisziert, und zwar bis in alle Ewigkeit! Ab in die Küche, das Frühstück wartet!« Sie mustern mich entgeistert, da sie von meinem siebenminütigen hysterischen Gekeife offenbar keinen Ton mitgekriegt haben.

7:40 Uhr: Knalle die Schachtel mit den Coco Pops auf den Tisch, schlichte den Streit um das darin enthaltene bescheuerte Plastikspielzeug und beantworte ungefähr eine Million beknackte Fragen von der Sorte »Wer gewinnt, wenn ein Vampir-Eichhörnchen und eine Wieselkatze gegeneinander kämpfen?« oder »Kann man Warzenschweine essen?«. Fauche »Keine Ahnung, woher soll ich das wissen! Ich werd’s nachher googeln, okay? Und jetzt hört bitte auf, mit dem Frühstück zu spielen, und fangt endlich an zu essen! Na los, beeilt euch! Es ist doch nur eine Schüssel Coco Pops! Wie lange dauert das denn noch? Nein, bitte tu das nicht, das gibt bloß eine Riesensauerei … Na, toll! Hervorragend! War ja klar. Ich hab dir doch gesagt, du sollst aufhören! Nein, LASS, ich mach das schon. Jetzt ESST endlich, BITTE!«.

8:00 Uhr: Schicke die Kinder nach oben zum Waschen und Anziehen. Obwohl ich gestern Abend ihre Schuluniformen bereitgelegt habe, behaupten sie jetzt, sie seien spurlos verschwunden. Unauffindbar. Stampfe nach oben und deute auf die Uniformen, die wie jeden Morgen unübersehbar über den Stühlen hängen. Bereite die Lunchpakete zu und fülle währenddessen den Thermomix mit Zutaten für eine Mahlzeit, die meine heiklen Blagen hoffentlich essen werden (Spaghetti Bolognese). Gebe dem Hund sein Futter und sehe zu, wie er es hinunterschlingt und umgehend wieder hochwürgt. Wische die Kotze weg.

8:20 Uhr: Bemühe mich nach Kräften, die unzähligen Gordischen Knoten in Janes Haaren zu entwirren, erkläre, dass ICHVERDAMMTNOCHMALKEINEFRANZÖSISCHENZÖPFEFLECHTENKANN und verpasse ihr stattdessen zwei stinknormale Zöpfe. Muss mir anhören, dass ALLE Mütter – und übrigens sogar Tilly Barkers Vater – französische Zöpfe flechten können. Lasse eine langatmige Schimpftirade von Jane über mich ergehen, deren Kernaussage lautet, ihr Leben sei ruiniert und habe ohne französische Zöpfe keinen Sinn, während ich mit dem Kamm in der Hand hinter Peter herjage, dem das Haar in bizarren Büscheln vom Kopf absteht und der johlend und Haken schlagend durchs Haus rennt, als wollte ich ihn aufspießen.

8:35 Uhr: Beginne die Kinder anzubellen, sie sollen ihre Taschen holen und Jacken und Schuhe anziehen, und zwar jetzt sofort, sofort, sofort, SOFORT! Versuche mich zu beherrschen, obwohl ich vor Wut schäume, weil sie mich so verständnislos anstieren, als hätten sie in ihrem ganzen Leben noch nie etwas von Jacken, Schuhen oder Schultaschen gehört. Werde von einem Kind darüber informiert, dass es heute eine sehr wichtige Einverständniserklärung unterschrieben zurückbringen muss. Durchforste etliche Papierstapel, finde schließlich das besagte Schriftstück und suche anschließend in sämtlichen Ritzen des Sofas nach Kleingeld, weil in dem Brief steht, dass man dem Kind fünf Pfund (bitte passend) mitgeben soll und ich nur einen Zwanziger habe.

8:47 Uhr: Verlasse endlich mit den Kindern das Haus und haste mit ihnen zur Schule, wobei ich den Hund, der an jeden einzelnen verdammten Laternenpfahl zu pinkeln versucht, hinter mir her schleife.

8:57 Uhr: Schubse die Kinder auf den Schulhof und setze ein mattes Lächeln auf, als ich den »Hausdrachen« passiere, sprich, die Direktorin, die am Tor steht – offiziell, um die Eltern zu »begrüßen«, in Wahrheit, um sich ein Urteil über sie zu bilden. Hindere den Hund daran, ihr an eines ihrer in kaffeebraune Nylonstrumpfhosen gehüllten Beine zu pinkeln. Renne mit dem Hund nach Hause, wobei ich ein paar zerknirschte Entschuldigungen murmle, weil keine Zeit für einen richtigen Spaziergang bleibt.

9:07 Uhr: Verfasse eine Nachricht an die Hundesitterin, in der ich sie bitte, mittags mit dem Hund fünf Minuten länger rauszugehen. Klemme mich hinters Lenkrad meines Wagens, wobei ich mich flüchtig frage, was hier so seltsam riecht, ehe ich Richtung Büro düse, wobei ich versuche, mich zu schminken, und mir einrede, dass es weder verboten noch gefährlich ist, beim Fahren Lipgloss aufzutragen. Verdränge den Gedanken an unser Zuhause, in dem es aussieht, als hätte eine Bombe eingeschlagen.

15:15 Uhr: Hole die Kinder ab, darauf bedacht, keinem Mitglied des »Hexenzirkels« in die Arme zu laufen (mein Spitzname für eine Clique von Müttern, die zum Erbrechen perfekt sind, angeführt von der allerperfektesten, der Mutter der rundum perfekten kleinen Lucy Atkinson). Versuche beim halbherzigen Smalltalk mit den anderen Eltern möglichst keinen weiteren Fauxpas zu begehen, so wie neulich, als mir mit Bezug auf den allseits beliebten Moderator einer Kindersendung ein »Der sieht doch aus, als würde er auf irgendwelche perversen Sexualpraktiken stehen!« rausgerutscht ist.

15:30 Uhr: Drücke den Kindern eine Packung Chips in die Hand und mache mich daran, etwas Ordnung in das häusliche Chaos zu bringen.

15:45 Uhr: Befehle den Kindern, sich für ihre außerschulischen Mittelschicht-Aktivitäten umzuziehen und löse damit eine Debatte darüber aus, ob Schwimmen / Klavierunterricht / Tennis / Ballett / Jiu-Jitsu eine dämliche Zeitverschwendung ist oder nicht. Darf mir erneut anhören, dass ich das Leben meiner Kinder zerstöre, worauf ich zische, dass ich für nichts garantieren kann, wenn ich noch einmal den Ausruf »Das ist total unfair!« höre. Verneine, als Peter fragt, ob ich raufkommen und seinen Furz riechen will. Gehe trotzdem nach oben und halte den beiden ihre Klamotten unter die Nase, von denen sie wie schon heute früh behauptet haben, sie seien spurlos verschwunden. Muss aufs Klo, sehe mich mit einem enormen Haufen in der Schüssel konfrontiert und lasse mich des Langen und des Breiten über den Phantomscheißer aus, während die Kinder in Unterwäsche durchs Haus turnen. Brülle gut zehn Minuten lang »Abfahrt in FÜNFMINUTEN!«, bekomme noch einmal erklärt, wie unfair das doch alles sei. Fauche »Das Leben ist eben kein Ponyhof« und überlege, wann ich mir ein Glas Wein genehmigen kann.

16:05 Uhr: Fahre die noch immer protestierenden Kinder zu ihren diversen albernen außerschulischen Mittelschicht-Aktivitäten in dem hoffnungslosen Versuch, auf diese Weise gesunde, ausgeglichene, sportliche und vielseitig interessierte Mitglieder der Gesellschaft aus ihnen zu machen. Stelle das Kind, das gerade nicht beschäftigt ist, meinen leeren Drohungen von heute Morgen von wegen »konfisziert bis in alle Ewigkeit« zum Trotz, mit dem Tablet ruhig, damit ich ungestört auf Facebook Leute stalken kann.

17:00 Uhr: Gestatte den Kindern gnädigerweise, noch etwas Zeit mit ihren elektronischen Babysittern zu verbringen, weil ich null Bock auf ihr Protestgeheul habe.

17:30 Uhr: Stelle fest, dass ich morgens den scheiß verdammten Kack-Thermomix nicht eingeschaltet habe. Mache stattdessen Nudeln mit Käse und zwinge die Kinder aus ernährungstechnischen Gründen nach dem Essen zum Verzehr von einem Stück Obst. Google Skorbut und zeige ihnen Fotos, als sie sich weigern. Bekomme zu hören, es sei ihnen total schnuppe, wenn sie Skorbut kriegen.

18:00 Uhr: Erhalte auf meine Frage, ob irgendwelche Hausaufgaben zu erledigen sind, von beiden Kindern ein entschiedenes »Nö!«. Erlaube ihnen weitere fünf Minuten am Tablet, öffne eine Flasche Wein.

18:30 Uhr: Sage den Kindern, sie sollen ihre Tablets ausschalten und anfangen Klavier / Buchstabieren / das kleine Einmaleins zu üben, während ich staubsauge und ungefähr eine Million Tonnen Wäsche in die Waschmaschine stopfe.

18:45 Uhr: Registriere, dass es verdächtig still ist und ich weder das Klavier noch sonst irgendetwas höre. Entdecke die Kinder im Wohnzimmer, wo sie vor der Glotze sitzen und argumentieren, ich hätte schließlich nur gesagt, sie sollten ihre iPads ausmachen.

19:00 Uhr: Schicke die Kinder ins Bad, worauf sie erklären, sie müssten bis morgen noch gaaanz viele Hausaufgaben machen. Erledige mit ihnen besagte Hausaufgaben, wobei ich verhalten jedes einzelne Schimpfwort, das ich kenne, vor mich hinknurre und mir Fragen wie »Sag mal, wie blöd bist du eigentlich, dass du nicht mehr weißt, welche Zahl nach der Drei kommt? Und wie zum Geier kommst du darauf, dass die Buchstaben H-A-S-E das Wort Hund ergeben?« nur mit viel Mühe verkneife.

20:30 Uhr: Habe die Kinder gebadet und ins Bett gesteckt und sinke erschöpft aufs Sofa. Trinke einen Schluck von dem Glas Wein, das ich mir schon vor zweieinhalb Stunden eingeschenkt habe und stöhne, der endgültigen Zermürbung gefährlich nahe, gut ein halbes Dutzend Mal »verfluchtes Scheißleben«.

Doch dieses Jahr wird alles anders. Ganz sicher. Ich werde viel besser organisiert sein. Leider habe ich es noch nicht geschafft, die Tupperdosen für die Lunchpakete zu besorgen, ganz zu schweigen von den perfekt aufeinander abgestimmten Kleidungsstücken meiner minimalistischen Capsule Wardrobe. An den scheußlichen Geschmack von grünem Tee muss ich mich erst gewöhnen, und das mit den französischen Zöpfen und dem Retro-Lidstrich klappt auch noch nicht so richtig, aber ich gehe mal davon aus, dass das alles vernachlässigbare Details sind, die mich nicht davon abhalten können, meinen großartigen Masterplan umzusetzen.

Freitag, 11. September

Oh, Gott. Heute ist mein neununddreißigster Geburtstag. Ich will nicht neununddreißig sein. Wie konnte das passieren? Und wann? Ich dachte immer, ich werde nie älter als achtundzwanzig, allermaximalst – und selbst das erschien mir unvorstellbar alt –, und jetzt steuere ich unerbittlich auf die Vierzig zu. Auf eine Zukunft, in der ich vermutlich nur noch tantige Röcke von irgendwelchen Versandhäusern tragen werde und vielleicht einen Statement-Schal, wenn ich modisch mal richtig etwas riskieren will.

Wahrscheinlich beschränkt sich mein Sozialleben in Zukunft auf Einladungen zum Yoga für Fortgeschrittene und / oder zu irgendwelchen öden Lesezirkeln, in denen ausschließlich ernstzunehmende, intellektuelle Bücher diskutiert werden und alle Frauen sehr höflich sind und Rollkragenpullis und Statement-Schals tragen und nach einem einzigen Glas nichtssagendem Pinot Grigio schon »ein Schwipschen haben«. Ich muss mir dann bestimmt andauernd Bemerkungen wie »Du liebe Zeit, Ellen, noch ein Glas? Gewagt, gewagt!« oder so anhören und dem Drang widerstehen, zu kontern, dass das kein bisschen gewagt ist – gewagt wäre es beispielsweise, das hirnverbrannte Geschwätz der Anwesenden ohne Alkohol aushalten zu wollen, dabei bräuchte ich, um es zu ertragen, statt einem weiteren Glas dieses billigen Fusels vielmehr eine ganze Flasche Wodka, und dazu idealerweise ein bisschen Crack. Gewagt wäre es, meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen und »WARUMINGOTTESNAMENSEIDIHRBLOSSALLESOUN-GLAUB-LICHLANGWEILIG?« zu heulen.

Vielleicht bekomme ich ja, wenn ich mir all das verkneife, zur Abwechslung dann und wann eine Einladung zu einer Schmuckparty. Da gibt es zumindest deutlich mehr Alkohol, um die Anwesenden zum Kaufen, Kaufen, Kaufen zu animieren. Aber dann erwache ich tags darauf und stelle ernüchtert fest, dass ich hundertfünfzig Pfund, die ich gar nicht hatte, für ramschigen Modeschmuck ausgegeben habe, den ich gar nicht brauche.

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich die Vierzig tatsächlich erreiche, hatte ich ja stets angenommen, ich wäre bis dahin zu einer kultivierten, eleganten Frau von Welt herangereift, die fließend Französisch spricht, einer lukrativen Tätigkeit für eine Non-Profit-Organisation nachgeht und sich mit Kunst, Literatur und Politik auskennt. Ich malte mir aus, wie ich auf intellektuellen Partys von Leuten umschwärmt und zu meiner Meinung über die Lage im Nahen Osten befragt werde und im Rahmen kenntnisreicher, erhellender Gespräche unter Beweis stelle, dass ich viel mehr auf dem Kasten habe als sie.

Stattdessen werde ich auf Partys angequatscht, weil sich herumgesprochen hat, dass ich Zigaretten dabei habe, und im Übrigen habe ich einen extrem langweiligen IT-Job, der sich gut mit der Betreuung der Kinder vereinbaren lässt, was uns eine Menge Geld spart, aber kein langes, teures Studium erfordert hätte. Mit Mitte zwanzig habe ich mir – was wohl nur mit zeitweiliger geistiger Umnachtung zu erklären ist – hin und wieder gewünscht, ich wäre älter und erwachsener. Ganz schön dämlich war ich damals.

Mittlerweile ist Erwachsensein für mich die reinste Horrorvorstellung. Ich will nicht stillschweigend zu einer dieser Frauen mit praktischem Haarschnitt mutieren, die nur für ihre Kinder leben und versuchen, die anderen Mütter auf dem Spielplatz zu übertrumpfen, indem sie von den ach-so-tollen Fähigkeiten und Freizeitaktivitäten ihrer garstigen Gören erzählen, mit den Managerpositionen ihrer Ehemänner prahlen oder von ihrem letzten Luxusurlaub schwärmen.

Ich will in einem viel zu kurzen Rock in verrauchten Jazzclubs hocken und einen Whisky nach dem anderen kippen, während mir ein blutjunger Bursche allerlei Anzüglichkeiten ins Ohr flüstert.

Ich will eine interessante Arbeit, bei der meine kleinen grauen Zellen zum Einsatz kommen (ein paar davon müssen doch noch übrig sein!).

Ich will wieder Aufregung und Romantik und Abenteuer erleben.

Ich will frisch verliebt sein und in Paris leben, in einer Mansardenwohnung (ohne von Armut und Hunger bedroht zu sein, natürlich). Ich fürchte nur, Simon und die Kinder werden so einiges an meinem Plan auszusetzen haben, und ganz abgesehen davon hasse ich Jazz.

Samstag, 12. September

In Ermangelung französischer Jazzclubs, Pariser Mansardenwohnungen und blutjunger Typen habe ich mich anlässlich meines Geburtstags gestern von Simon zum Tapas-Essen ausführen lassen und dabei etwas tiefer ins Glas geguckt als geplant. Immerhin, das mit dem kurzen Rock und dem Whisky habe ich umgesetzt. Wobei der Whisky leider nur in einem Cocktail enthalten war, den ich in einer ausgesprochen schnöseligen Hipster-Bar konsumiert habe. Es hat den Anschein, als wären die schnöseligen Hipster-Bars an die Stelle der verrauchten Jazzclubs getreten, zumal das Rauchen ja mittlerweile überall verboten ist.

Ich erinnere mich dunkel, dass ich ein paar Mal lauter als beabsichtigt »Scheiß Schnösel!« geknurrt habe, ehe mich Simon in eine weniger schicke Bar verfrachtet hat, in der die Cocktails noch in klassischen Kelchen serviert wurden und nicht in Marmeladengläsern. Mein Handyspeicher lässt darauf schließen, dass uns zu dem Zeitpunkt bereits der Gesprächsstoff ausgegangen war, denn ich habe eine ganze Reihe Selfies gemacht und, mit unverständlichen Kommentaren versehen, bei Facebook gepostet. So gegen halb zwölf mussten wir dann ohnehin nach Hause; Simon scheint zu befürchten, er könnte sich in einen Kürbis verwandeln, wenn er nicht um Mitternacht im Heiabettchen liegt. Bemerkenswerterweise hatten wir uns offenbar immerhin so viel zu erzählen, dass ich nicht angefangen habe, peinliche Fotos von meinem Essen bei Instagram zu posten.

Beim Aufwachen heute früh ging es mir zunächst blendend, was ich dem Umstand zuschrieb, dass ich gestern auf Rotwein verzichtet hatte, schon, weil meine Zähne davon immer so hässliche, dunkle Flecken bekommen. Stattdessen hatte ich diesmal den ganzen Abend sehr ladylike an meinen Cocktails genippt. Ich kam mir super clever vor, wurde jedoch jäh eines Besseren belehrt, als ich aufstand. Seither haben sich meine Kopfschmerzen kontinuierlich gesteigert, und ich musste mir eingestehen, dass ich sehr wohl einen Kater habe, und zwar einen von der übelsten Sorte – erst wiegt er einen in der trügerischen Sicherheit, es sei alles in bester Ordnung, so dass man den Tag beginnt wie jeden anderen auch, und dann schlägt er plötzlich umso heftiger zu, und man will nur noch sterben. Ich glaube, mir hat ein Dachs in den Mund gekackt.

Zu allem Überfluss holten mich bald allerlei unschöne Erinnerungen ein, unter anderem an die Heimfahrt im Taxi, während der ich den Fahrer unter Tränen fragte, ob man mir ansieht, dass ich nächstes Jahr vierzig werde. Nach dem Whisky-Cocktail in der schicken Bar hatte ich nämlich noch mehrere Gin-Cocktails konsumiert, und Gin löst bei mir häufig Angstzustände aus. Ich glaube, der Fahrer hat verneint, höchstwahrscheinlich hat er mich aus Furcht vor weiteren Tränenfluten angeflunkert.

Und wie ich so das Ende meiner dröhnenden Kopfschmerzen herbeisehnte, rief Hannah an und erzählte schluchzend, ihr Mann Dan wolle sie verlassen. Tja, was soll man sagen, wenn einem die beste Freundin mitteilt, dass ihr Arschloch von Ehemann die Fliege macht? Ich sagte: »Willst du vorbeikommen?« und »Nein, nein, kein Problem, bring die Kinder einfach mit.«

Hannah ist natürlich am Boden zerstört, und sie tut mir schrecklich leid, obwohl ich nie so richtig nachvollziehen konnte, was sie eigentlich an Dan fand, denn er ist so ziemlich das langweiligste Lebewesen unter der Sonne und zugleich ein fieser kleiner Kontrollfreak. Um ehrlich zu sein: Ich glaube, ohne ihn ist sie besser dran. Was ich natürlich tunlichst für mich behalten habe, weil ja nicht auszuschließen ist, dass er es sich anders überlegt und Hannah dumm genug ist, ihm zu verzeihen. Keine Ahnung, ob mich das zu einer guten Freundin macht oder zu einer schlechten.

Übrigens habe ich es mir auch standhaft verkniffen zu sagen: »Könntest du bitte ein bisschen leiser heulen, ich habe nämlich rasende Kopfschmerzen, und kotzübel ist mir obendrein.«

Mittwoch, 16. September

Gemäß meinem Vorsatz, eine bessere, liebevollere, fürsorglichere Mutter zu sein, habe ich die Kinder heute nicht erst um 8:59 schnaufend zum Tor des Schulhofs geschleift und »Tempo, TEMPO! Wir sind spät dran!« gekeucht, nein, wir waren schon um zehn vor neun da, und unterwegs haben wir über das neue Schuljahr geplaudert und darüber, was sie heute wohl so erwartet. Es war richtig nett.

Leider hat sich, noch während ich meinen kleinen Lieblingen zum Abschied fröhlich winkte, der gesamte Hexenzirkel einschließlich der vermaledeiten Atkinson-Tussi auf mich gestürzt und sich erkundigt, ob ich »schöne Ferien hatte«. Fragen wie diese werden stets mit einfühlsam zur Seite geneigtem Haupt und stählernem Blick vorgebracht. Diesen Weibern ist nämlich scheißegal, ob ich »schöne Ferien« hatte oder nicht, es geht nur darum, mir unter die Nase zu reiben, dass sie in der Toskana oder auf Barbados waren, und abzuchecken, ob ich womöglich an einer cooleren, exotischeren Urlaubsdestination als sie war. Und dann kann ich mir ihr pseudo-genügsames Gelaber anhören von wegen »sie wären ja auch viel lieber zu Hause geblieben«, während sie mit hämischem Stolz ihre Bräune zur Schau stellen.

Ich muss wohl nicht extra betonen, dass ich mitnichten »schöne Ferien« hatte. Schön wären meine Ferien gewesen, wenn ich in einer dekadenten Hotelanlage rumliegen und Frauenromane von Jilly Cooper oder Penny Vincenzi hätte lesen dürfen, während mich ein freundlicher Herr mit Cocktails versorgt. Stattdessen musste ich in betrunkenem Zustand Simon ankeifen, damit er uns aus billigem Aldi-Gin und einem mysteriösen Likör, den wir vor zwölf Jahren in Malta gekauft und bis dahin nicht zu öffnen gewagt hatten, etwas zusammenbraut, während ich bei Netflix Filme, Serien oder sonst irgendetwas suchte, das die Kinder noch nicht gesehen hatten, mal abgesehen von Sex on the Beach (für Kinder höchst ungeeignet – als Peters Lehrerin neulich erzählte, sie fahre mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Schule, hat er doch glatt »Buswichser!« gekräht). Soll heißen: Nein, ich hatte keine »schönen Ferien«, aber ich werde den Teufel tun und das den zum Kotzen perfekten Hexenzirkelmüttern auf die Nase binden.

Stattdessen spielten wir das übliche Spielchen: Sie beteuerten, sie seien ja so erschöpft, weil sie ihre zahlreichen perfekten Kinder höchstpersönlich durch die Weltgeschichte karren mussten, nachdem die Nanny darauf bestanden hatte, sich eine Woche frei zu nehmen, um ihre Familie zu besuchen, und ich biss die Zähne zusammen und schwor mir, der Zicke, die die nächste herablassende Bemerkung vom Stapel ließ, ordentlich eins mit ihrer eigenen mintgrünen Céline-Handtasche überzuziehen. (Das würde ich natürlich nicht tun – ich würde dafür mein Primarni-Billigimitat verwenden und mir die schicke Céline unter den Nagel reißen, ehe sich ihre Besitzerin von dem Schlag erholt hat.)

Freitag, 18. September

Der Wein ist mein Freund. Der Wein ist auch Hannahs Freund. Sie hat die Kinder bei Dan abgeladen und kam dann zu uns, und wir haben uns Roséwein in rauen Mengen hinter die Binde gekippt und dabei ein ums andere Mal »Dan ist ein Vollpfosten« gebrüllt. Simon hielt sich wohlweislich von Hannah fern – emotional instabile Frauen sind ihm ein Graus, und in diesem Fall musste er damit rechnen, dass die beste Freundin seiner Angetrauten in seiner Gegenwart losheult und er gezwungen ist, über Gefühle zu reden. Simons Vorstellung von einem offenen Gespräch über Gefühle beschränkt sich darauf, einem peinlich berührt den Arm zu tätscheln und »na, na« zu murmeln, während er fieberhaft nach einer Fluchtmöglichkeit sucht.

Als er sich dann irgendwann doch in die Küche wagte, um sich noch ein Bier zu holen, in der Annahme, wir wären zu sehr damit beschäftigt, Gloria-Gaynor-Songs zu schmettern, schnitten wir ihm den Weg ab und ließen ihn erst wieder gehen, nachdem er zugegeben hatte, dass Dan ein totaler Vollpfosten ist. »Ein totaler Vollpfosten!« Zum Glück konnte er Dan ebenfalls nicht ausstehen – er sagte sogar ziemlich oft (zu Recht), Dan habe was von einem Gnom. Es bestand also nicht die Gefahr, dass er mich bloßstellte, indem er verlegen herumdruckste, er müsse doch neutral bleiben. Und Simon weiß, er hat natürlich auf Hannahs Seite zu sein, schließlich ist sie meine beste Freundin und er mein Mann, also hat er gefälligst meine Meinung zu teilen. Wenn im umgekehrten Fall einer seiner Freunde verlassen wird und erklärt, seine Frau sei ein schamloses Flittchen, dann wäre ich selbstverständlich auch dieser Ansicht (Es sei denn, es handelt sich um einen seiner widerlichen Vollpfosten-Freunde.).

Ich fürchte, morgen wird der Wein nicht mehr unser Freund sein.

Montag, 21. September

Riesenwirbel heute auf dem Schulhof: Es war EINMANN anwesend! Zugegeben, das kommt öfter vor, in unserem Viertel geht es schließlich nicht zu wie in dem Film Die Frauen von Stepford, aber normalerweise kann man die Männer, die auf dem Schulhof anzutreffen sind, in zwei Kategorien einteilen: a) die superwichtigen, superbeschäftigten Anzugträger, die, wenn sie ihre Kinder vor der Schule abladen oder hinterher hastig wieder einsammeln, lautstark mit dem Handy telefonieren, damit auch ja jeder mitkriegt, wie superwichtig und superbeschäftigt sie sind, und dass sie nur hier sind, weil die Nanny so rücksichtslos war, sich eine Blinddarmentzündung einzufangen, und b) die Hausmänner, die zwar sehr nett sind, aber immer ein bisschen schmuddelig und verloren wirken und bei denen man das Gefühl hat, sie könnten jeden Moment in Tränen ausbrechen. Es gibt auch noch eine Menge anderer, normaler Männer, die ihre Kinder gelegentlich zur Schule bringen oder von dort abholen, aber die stechen nicht groß raus und passen auch nicht in eine den beiden erwähnten Kategorien.

Der Mann heute allerdings war SEXY. Zugegeben, so was hatten wir hier schon einmal, aber damals handelte es sich bei dem »Mann« um den Freund eines Aupair-Mädchens, einen dreiundzwangzigjährigen, umwerfend gut aussehenden Franzosen, in dessen Gegenwart wir uns alle gefühlt hatten wie die notgeilen alten Schreckschrauben aus der TV-Serie Harry Enfields ganz alltägliche Grausamkeiten, weil wir ihn lasziv kichernd mit Blicken verschlangen und dabei »Junger Mann!« raunten. Merkwürdigerweise ist er nie wieder aufgetaucht.

Dieser Mann dagegen war seinem – und unserem – Alter entsprechend sexy: Dreitagebart, verstrubbeltes Haar, Lederjacke (und zwar die coole Sorte, nicht der Typ Midlife-Crisis). Genau so stelle ich mir den Kerl vor, der in einem verrauchten Jazzclub neben mir hockt und mir Anzüglichkeiten ins Ohr flüstert. Und er hat einen ziemlich knackigen Hintern.

Ja, ich schäme mich dafür, dass ich, eine respektable, verheiratete Frau von neununddreißig Jahren und zweifache Mutter, einem Kerl auf den Hintern gestiert habe, noch dazu auf dem Schulhof, umgeben von unschuldigen Kindern, aber, es war nun mal ein verflucht knackiger Knackarsch. Und überhaupt, Simon behauptet zwar immer, er würde den Aupairs nicht auf den Hintern schielen, wenn er die Kinder abholt, aber das ist glatt gelogen. Es ist schlicht unmöglich, die Knackärsche der Au-pairs nicht zu bemerken. Die Mütter auf dem Schulhof / Spielplatz verbringen viel Zeit damit, zu diskutieren, ob wir je derart knackige Hintern hatten wie besagte Au-pairs. Vermutlich nicht, schließlich sind wir in England aufgewachsen und haben schon in jungen Jahren in rauen Mengen Cider und Fritten zu uns genommen, im Gegensatz zu den gesund lebenden Jugendlichen auf dem europäischen Festland, die sich von Salat ernähren und gern Radfahren.

Doch zurück zu Mister Knackarsch. Selbst die zum Kotzen perfekte Mutter der rundum perfekten kleinen Lucy Atkinson war ganz aus dem Häuschen. Sie fängt sich garantiert noch eine Pilzinfektion ein, wenn sie in ihren teuren Marken-Leggins von Lululemon Athletica weiter so rumhampelt. Die Buschtrommeln hatten bereits ihr Werk getan, weshalb sie atemlos enthüllen konnte, das Objekt unserer Begierde höre auf den Namen Sam.

Sam ist alleinerziehender Vater – seine herzlose Frau hat ihn und die gemeinsamen Kinder wegen eines anderen Mannes verlassen (Du meine Güte, was muss Sams Rivale erst für einen Hintern haben!?) – und wie ich im IT-Bereich tätig (Im Ernst? Sieht man ihm gar nicht an, aber, hey, eine Gemeinsamkeit!). Und seine Kinder gehen in die gleiche Klasse wie unsere (Ha! Weitere Gemeinsamkeiten!).

Ob es wohl sehr verwerflich wäre, wenn ich Jane und Peter ermutige, sich mit seinen Kids anzufreunden, damit ich mir diesen appetitlichen Hintern etwas genauer ansehen kann? Okay, ja, das wäre es, aber alle anderen Mütter, deren Kinder in die betreffenden Klassen gehen, dachten ganz offensichtlich das Gleiche wie ich.

Leider wussten meine lieben Kleinen herzlich wenig über die beiden Neuzugänge zu erzählen. Jane konnte immerhin berichten, das Mädchen heiße Sophie und sei »ganz nett«. Peter glotzte mich verständnislos an, als ich mich nach dem neuen Jungen erkundigte und fragte schließlich: »Ach, meinst du Elliott, der andauernd Mindcraft spielen durfte?«

Elliott ist letztes Semester weggezogen. Manchmal treiben mich meine Kinder in den Wahnsinn.

Aber wenn ich sie künftig geschminkt und mit gebürsteten Haaren zur Schule bringe, dann nur deshalb, weil ich mir vorgenommen habe, mich etwas mehr um mein Äußeres zu kümmern und nicht immer so schlumpfig rumzulaufen. Mit diesem Sam und seinem knackigen Hintern hat das überhaupt gar nichts zu tun. Reiner Zufall, jawohl.

Mittwoch, 23. September

Heute früh so gegen halb neun hat mich mein herzallerliebstes Töchterlein an den für heute angesetzten Klassenausflug erinnert, und mir wurde heiß und kalt, während ich fieberhaft überlegte, ob ich an die entsprechende Einverständniserklärung gedacht hatte, ganz zu schweigen von der horrenden Teilnahmegebühr, die wir unerklärlicherweise entrichten sollten, obwohl der geplante Museumsbesuch eigentlich kostenlos ist.

Um zwanzig vor neun erkundigte sich Jane dann ganz beiläufig, ob ich mich denn schon auf den Tag freue. ARGH! Ich hatte mich doch nicht etwa als Begleitperson gemeldet, oder? Ich hatte, auch wenn mir völlig schleierhaft ist, wie das Kreuz in das entsprechende Kästchen kam. Hm. Ich muss unter Drogen gestanden haben, warum sonst sollte ich aus eigenem Antrieb auf einen meiner vierzehntägigen »freien« Tage verzichten? Ich brauche diese Tage dringend, um dafür zu sorgen, dass unser Zuhause wieder etwas weniger einer Müllhalde gleicht, auch wenn Simon, dieses Aas, mir immer unterstellt, ich würde bloß rumsitzen und Kaffee trinken. Und nicht genug damit, dass ich versehentlich meine Hilfe angeboten hatte, ich war auch noch so nachlässig gewesen, keinen Blick in die Hausaufgabenhefte meiner Kinder zu werfen und hatte deshalb die freundliche Nachricht der netten Lehrerin nicht gelesen, in der es hieß, ich sei zur Aufsicht der Kinder eingeteilt. Na, toll. Es ist bedeutend einfacher, einen Sack Flöhe zu hüten.

Mir blieben exakt zehn Minuten. Zehn kurze Minuten, um dafür zu sorgen, dass ich einigermaßen präsentabel aussah, und eventuell sogar eine Spur sexy, für den Fall, dass Sam und sein knackiger Hintern mit von der Partie waren. Pfui, Ellen, welche Veranlassung solltest du haben, sexy auszusehen.

Ich begnügte mich dann damit, mir die Zähne zu putzen, die Haare zusammenzubinden und die hektischen roten Flecken im Gesicht notdürftig zu überschminken, und als ich den Schulhof betrat, war ich ganz froh, dass ich nicht die Zeit gehabt hatte, um mich in eine strahlende Sexgöttin zu verwandeln. Die anderen Mütter hatten augenscheinlich dieselbe unkeusche Hoffnung gehegt, davon zeugten ihre flatternden Wimpern, von Lipgloss glänzenden Münder und einen Tick zu engen Pullover. Doch ach! Wir wurden nicht mit dem Anblick des anbetungswürdigen Allerwertesten belohnt, denn Sophie und ihr Bruder wurden von einem Kindermädchen abgeliefert (das sich übrigens ebenfalls ganz schön aufgedonnert hatte).

Die Fahrt zum Museum war die Hölle: dreißig Kinder auf engstem Raum, die offenbar von der Sekunde, in der sie eingestiegen waren, bis zur Ankunft beim Museum nonstop furzten. Wer hätte gedacht, dass eine Busladung Achtjähriger einen derart unerträglichen Gestank absondern kann? Was zum Henker geben ihre Eltern ihnen zu essen? Möglicherweise hatte sich auch eins von ihnen in die Hose gekackt, jedenfalls tränten mir von ihren Ausdünstungen die Augen, und meine Lungen brannten, als ich endlich aus dem Bus taumelte.

Meiner Meinung nach sollten Lehrer, die den ganzen Tag von diesem Mief umgeben sind, mit Gasmasken ausgerüstet werden. Doch als ich diesen Gedanken der netten Lehrerin gegenüber erwähnte, lachte sie nur herzlich und sagte: »Ach, irgendwann merkt man das gar nicht mehr.«

Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Peter kam irgendwann voriges Jahr mit vor Stolz geschwellter Brust nach Hause und verkündete, einer Lehrerin sei von einem seiner besonders übel stinkenden Fürze richtig schlecht geworden. Andererseits produziert Peter in der Tat echt grässliche Pupse.

Wie dem auch sei, eine Horde Schulkinder in einem riesigen Museum zu beaufsichtigen, ist kein Spaß. Die erwachsenen Begleitpersonen hatten alle Hände voll zu tun, um sicherzustellen, dass keines der unzähligen, ungeheuer kostbaren Artefakte zerstört, geklaut oder von Freddy Dawkins mit Rotzpopeln dekoriert wurde. Die Klasse lief förmlich Amok, aber zumindest musste ich keines der Kinder aufs Klo begleiten, weil ja heutzutage quasi jeder verdächtigt wird, pädophil zu sein.

Eigentlich sollten die lieben Kleinen ja etwas über die alten Ägypter lernen, aber ich wage zu behaupten, dass der Lernerfolg gleich null war. Das Einzige, was sie wirklich interessierte, war der ganze billige Plunder im Museumsshop. Jane dachte offenbar, ich sei nur mitgekommen, um ihr ein unbegrenztes Budget für besagten Plunder zur Verfügung zu stellen. Sie regte sich fürchterlich auf, als ich mich weigerte, fünfunddreißig Pfund für einen Schirm mit dem Bildnis einer Ballerina zu bezahlen. Fünfunddreißig Pfund! Für einen Regenschirm! Holy Shit. Bis dahin war mir gar nicht klar gewesen, dass man so viel Geld für einen Schirm ausgeben kann. Wobei ich ehrlicherweise zugeben muss, dass die Schirme, die ich mit schöner Regelmäßigkeit bei Poundland kaufe, meist keine allzu lange Lebensdauer haben, und wenn doch, dann gehen sie nach dem dritten Einsatz verloren. Alles in allem habe ich vermutlich schon weit mehr als fünfunddreißig Pfund für Regenschirme hingeblättert. Vielleicht ist es ja an der Zeit für einen Statement-Schirm? Vielleicht hätte ich Jane diesen Schirm doch spendieren sollen, damit sie zu einer fröhlichen und verantwortungsbewussten jungen Frau heranreift, die sich nicht mit Ende dreißig noch fragt, wann sie wohl endlich erwachsen wird. Hmpf. Da habe ich meine elterlichen Pflichten wohl wieder einmal sträflich vernachlässigt.

Trotzdem habe ich mir, wie ich finde, mit meinem heldenmütigen Einsatz bei diesem Schulausflug und meinem tugendhaften Verzicht auf jegliche Kriegsbemalung, die ohnehin nur darauf abgezielt hätte, Mister Knackarsch zu beeindrucken, eindeutig ein Glas Wein verdient.

Freitag, 25. September

Tief durchatmen, Ellen. Gaaanz tiiief durchatmen. Heute war ich nur einen halben Tag im Büro, weil ich nachmittags zum Zahnarzt musste, und es hätte sich nicht gelohnt, danach noch mal zur Arbeit zu fahren, da ich eine halbe Stunde später bereits die Kinder abholen musste. Also ging ich mit dem Hund eine Runde im Park spazieren, und dort lief mir doch prompt Sam mit seinem appetitlichen Hintern über den Weg! Das Timing war nicht eben ideal, ich rannte nämlich gerade hinter meiner dämlichen Töle her und keifte »Bei Fuß! Wirst du wohl die Enten in Ruhe lassen!« Sam hatte einen sehr gepflegten, wohlerzogenen Staffordshire Bullterrier dabei, und obwohl mich mein beknackter Köter mal wieder total bloßstellte, indem er sich aufführte wie ein tollwütiges Wildschwein, sollte ich ihm wohl dankbar sein, denn er raste geradewegs auf Sam zu und sprang an ihm hoch, während ich das Vieh vergeblich anzischte, es solle sich gefälligst benehmen. Immerhin lieferte mir dieser Vorfall eine hervorragende Gelegenheit, mich mit Sam zu unterhalten, ohne den Eindruck zu erwecken, ich wollte mich ihm an den Hals werfen. Ähem. Weil man als Besitzerin eines ungebärdigen Hundeviehs ja einen ach-so-guten Eindruck hinterlässt. Wir plauderten ein bisschen über unsere Hunde, und dann sagte Sam: »Ich hab Sie gestern auf dem Schulhof gesehen. Sind unsere Kinder nicht sogar in der gleichen Klasse?«

Mir blieb beinahe das Herz stehen. Er hatte mich bemerkt! Mich! Sam hatte mich bemerkt!

»Meine Tochter hat erzählt, dass sie Jane nett findet«, fuhr er fort, was mir einen kleinen Dämpfer versetzte, denn es klang, als wäre er nur dank Sophie auf mich aufmerksam geworden und nicht, als hätte er mich von der gegenüberliegenden Ecke des Schulhofs aus angeschmachtet, weil ich so umwerfend aussah mit meiner Strumpfhose samt Laufmasche und meiner vom Regen frizzeligen Frisur. Na, egal, jedenfalls hatte Sophie ihn gefragt, ob Jane mal zum Spielen zu ihnen kommen dürfe.

»Wie wär’s denn gleich heute Nachmittag?«, schlug er vor.

»Peter kann gern mitkommen, dann hat Toby auch jemanden zum spielen.«

Ich zögerte einen Augenblick und fragte mich, wie ich es anstellen sollte, ebenfalls eingeladen zu werden. Ich wollte zu gern sehen, wie Sam so wohnte, und herausfinden, ob er tatsächlich so fabelhaft und perfekt war, wie es schien. Außerdem brannte ich darauf, bei der nächsten Unterhaltung mit den Hexenzirkelmüttern, die ihn umschwärmt hatten wie ein Haufen aufgescheuchter Hühner, ganz beiläufig durchblicken zu lassen, dass ich schon bei ihm zu Hause gewesen war. Soweit ich wusste, hatte er bislang noch keine Einladung an eine von ihnen oder ihre Kinder ausgesprochen.

»Sie natürlich auch«, schob Sam hinterher. »Man überlässt seine Kids ja nicht so mir nichts, dir nichts einem wildfremden Menschen.« Ha, geschafft! Und ich habe mich kein bisschen aufgedrängt, auch wenn er offenbar annahm, ich würde ihn für einen potentiellen Kinderschänder halten. Na ja, man kann nicht alles haben.

Sams Zuhause entsprach überhaupt nicht meinen Erwartungen. Ich hatte angenommen, er würde in einem supercoolen Glasbau mit allerlei elektronischem Schnickschnack und stilvollem, aber unbequemem Mobiliar aus dem 20. Jahrhundert leben – im Grunde genommen so, wie man es aus der Doku-Serie Große Träume, große Häuser kennt; einschließlich der Designerstühle von Mies van der Rohe, die Simon so gerne hätte, die wir uns aber nicht leisten können und die ohnehin im Nu total ramponiert aussehen würden, weil sie vom Hund als Kauknochenersatz und von den Kindern als Trampolin missbraucht werden würden.

Sam wohnt im Grunde genommen genau so, wie ich gern wohnen würde. Hübsche französische Stilmöbel und Kuschelsofas, hier und da die ein oder andere geschmackvolle Deko – das Gegenteil zu all dem schrottigen Krimskrams, mit dem unser Haus angefüllt ist. Ich machte eine entsprechende Bemerkung, zugegebenermaßen etwas indiskret, doch Sam nahm es mir nicht übel, sondern meinte, er sei nun mal erst kürzlich eingezogen und habe bei der Trennung die Hälfte der gemeinsamen Besitztümer zurücklassen müssen. Dem Vernehmen nach ist Robyn – seine Ex – Innenarchitektin, was die geschmackvolle Deko erklärt.

Ich hätte unfassbar gern mehr über die treulose Robyn erfahren, unter anderem, warum sie einen Mann wie Sam verlassen hatte, der seine Perfektion erneut unter Beweis stellte, indem er uns Pfefferminzschokoriegel kredenzte (für mich die Crème de la Crème der Schokoriegel). Leider wechselte Sam recht entschlossen das Thema, also sprachen wir stattdessen eine Weile über die diversen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung für Kinder in unserem Viertel, die zwar ganz okay sind, doch der horrende Preis steht in keinem Verhältnis zur gebotenen Leistung. Ein etwas ödes, aber harmloses Gesprächsthema also, bei dem aber zumindest nicht die Gefahr bestand, dass mir Bemerkungen wie »Sagen Sie, hätten Sie was dagegen, wenn ich Ihnen einen blase? Ich finde Sie einfach so wahnsinnig sexy …« herausrutschten.

Irgendwann stürmten dann Sophie und Jane herein und echauffierten sich lautstark über Toby und Peter, die sie mit ihren Nerf-Pistolen attackiert hatten, was auch sein Gutes hatte, denn die Mädels hatten »Schönheitssalon« gespielt und waren unter ihrer dicken Schicht Glitzer und Make-up kaum mehr zu erkennen, obwohl sie eigenen Angaben zufolge noch lange nicht fertig waren. Daraufhin bugsierte ich meine wie eine jugendliche Stripperin zurechtgemachte, zeternde Tochter und ihren zum Mini-Rambo mutierten rempelnden Bruder schleunigst aus dem Haus, solange Sam uns noch für eine nette, normale Familie hielt, mit der er und seine Kinder sich gerne anfreunden wollten.

Das war also bisher mein Tag, und als Tüpfelchen auf dem i ist heute auch noch Scheiß-drauf-Freitag. Hossa und hurra! Somit darf ich auf all meine (ohnehin aussichtslosen) Skorbut-Präventionsmaßnahmen pfeifen und den Kindern statt Brokkoli eine Tiefkühlpizza servieren. Und ich muss mal ausnahmsweise nicht so tun, als wollte ich sie am Computerspielen hindern, sondern kann sie getrost ihren elektronischen Babysittern überlassen, während ich mich stillschweigend mit mittelmäßigem Wein volllaufen lasse und auf Facebook meine Exfreunde stalke. Simon ist vor dem Fernseher eingepennt und gibt Laute von sich, bei denen man unwillkürlich an ein verzweifeltes Warzenschwein denkt, das in einem Trog voller Porridge zu ersaufen droht. Als ich vorhin versuchte, ihm die Fernbedienung zu entwinden, weil ich seine Lieblingsserie Die Gebrauchtwagenprofis: Neuer Glanz für alte Kisten hasse wie die Pest, war er auf einen Schlag hellwach und fauchte: »Hey, ich will das sehen!« Was soll’s – es nützt mir ohnehin nichts, wenn ich mal die Fernbedienung erobere, denn Simon ist ein fieser Technik-Freak und hat haufenweise Equipment (zwecks »Streaming« und dergleichen mehr) angeschafft, und da ich mir beim besten Willen nicht merken kann, welche Fernbedienung zu welchem Gerät gehört, drücke ich meist wahllos auf irgendwelche Tasten, bis sich eines der Kinder erbarmt und mir weiterhilft.

Der Hund betrachtet mich schon den ganzen Abend mit missbilligender Miene. Wahrscheinlich wittert er, dass ich unkeusche Gedanken in Bezug auf Sam hege und hält mich für ein schamloses Flittchen, weil ich ihn vorhin im Park für die Gesprächseröffnung missbraucht habe.

Samstag, 26. September

Simon hat den Nachmittag in seinem Schuppen verbracht, während ich die Kommode im Wohnzimmer neu gestrichen habe in dem Versuch, den coolen Shabby-Chic-Vibe zu imitieren, der bei Sam zu Hause dominiert. Die Kinder haben unterdessen mit altem Glitzerklebstoff gebastelt. Weil der schon eingetrocknet war, hab ich das Zeug mit warmem Wasser und Leim gemischt, mit dem Resultat, dass es so aussah, als hätten sie sich und den Tisch mit Einhornsperma eingeschmiert.

Simon war ziemlich angefressen, als ich ihm die Kommode in ihrem neuen Shabby-Chic-Look präsentierte. Angeblich ist das Teil ein Familienerbstück von seiner Großmutter. »Schäbig ja, schick nein«, lautete sein mürrischer Kommentar. Okay, vielleicht bin ich mit den künstlich herbeigeführten Gebrauchsspuren ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen.

In Anbetracht seiner ungnädigen Reaktion auf meine Upcycling-Bemühungen verpufften auch die letzten Gewissensbisse, die mich geplagt hatten, weil ich mit Hannah verabredet war und Simon an einem Samstagabend allein zu Hause zurückließ. Er musterte mich überrascht, als ich in Ausgehklamotten auftauchte, mit gebürsteten Haaren, Lippenstift und Wimperntusche. »Du siehst gut aus«, bemerkte er. »Hast du dich etwa für mich so hübsch gemacht?« Pff. Ich hatte ihm mindestens neun Mal gesagt, dass er heute die Kinder hüten (und ihnen das Einhornsperma aus den Haaren waschen) würde. Ich musste Hannah Gesellschaft leisten, die sonst allein zu Hause gehockt hätte, da Dan dieses Wochenende die Kinder hat.

Vermutlich verneinte ich etwas unwirscher als nötig; jedenfalls wirkte Simon etwas geknickt, weil ich mich nicht für ihn derart in Schale geworfen hatte. Doch als ich fragte: »Du findest also, ich seh gut aus?«, meinte er nur: »Ja, ganz annehmbar.« Idiot. Genau das wollen Frauen hören.

Hannah, die Ärmste, ist ein seelisches Wrack, seit sie weiß, dass sich Dan irgend so ein fünfundzwanzigjähriges Flittchen aus seinem Fitnessstudio angelacht hat, und er zeigte keinerlei Reue, als Hannah ihn fragte, ob er deswegen gegangen ist. Dan ist so ein Arsch! Wenigstens kann Simon in seinem Schuppen keinen attraktiven jungen Dingern nachstellen.

Hm. Ich könnte Hannah ja mit Sam verkuppeln, wenn sie erst ein bisschen über Dan hinweg ist. Es wäre doch ziemlich altruistisch von mir, den beiden auf der Suche nach einer neuen Liebe etwas unter die Arme zu greifen, und außerdem könnte ich auf diese Weise dafür Buße tun, dass ich ihn so schamlos anschmachte. Vielleicht lässt mein Interesse an ihm ja auch nach, wenn er vergeben ist. Und Dan würde es garantiert tierisch wurmen, wenn er Hannah mit einem so heißen Kerl sieht. Bei Sams knackigem Hintern kann jede noch so blutjunge Fitnesscenter-Barbie einpacken.

Nachdem wir bei einer Flasche Sauvignon Blanc mehrere Stunden lang erörtert hatten, was für ein dämlicher Depp Dan doch ist, war ich richtig froh, dass ich Simon hatte, und genau das wollte ich ihm eigentlich auch mitteilen, doch als ich nach Hause kam, lag er in seinem ältesten, hässlichsten Fleecepulli auf dem Sofa und schlief tief und fest, obwohl mal wieder eine dieser ätzenden Motorradralleys über die Mattscheibe flimmerte. Ich werde nie verstehen, wie man bei einem derartigen Krach schlafen kann. Simon schnarchte und wollte partout nicht aufwachen, selbst, als ich ihm ein Kissen an den Kopf warf, und zwar ziemlich fest. Also gab ich auf und ging ins Bett.

Wann ist Simon bloß so alt geworden? Früher waren wir oft nächtelang wach, hörten Musik und unterhielten uns. Nicht zwingend über ein bestimmtes Thema – wir gehörten weiß Gott nicht zu den Leuten, die mit ihren radikalen Ansichten zu Kunst und Politik die Welt hätten in Brand setzen können. Ehrlich gesagt weiß ich nicht mehr, worum es in all diesen Gesprächen ging, ich weiß nur noch, dass wir uns immer reichlich zu erzählen hatten. Als wir uns kennengelernt haben, war Simon eine Mischung aus Goth und New Romantic. Er lief immer in einem langen schwarzen Mantel aus dem Secondhandladen rum und rauchte eine Schachtel Marlboro Reds nach der anderen, und ich fand ihn wahnsinnig cool. Vielleicht fragt er sich ja auch, was mit mir passiert ist? Ich weiß noch, was ich anhatte, als wir uns das erste Mal unterhalten haben – einen sehr kurzen schwarzen Rock, Doc Martens, einen Seemannspullover, den ich einem meiner Exfreunde geklaut hatte, und dazu eine viel zu große Tweedjacke, die meinem Vater gehörte (der mich wöchentlich anrief, weil er sie wiederhaben wollte, aber das war ausgeschlossen, weil sie nach Rauch und Gras stank). Im Nachhinein betrachtet muss ich total albern ausgesehen haben, aber damals war ich sehr stolz auf dieses Outfit.

Wir studierten beide in Edinburgh, und ich hatte Simon schon in meinem ersten Uni-Jahr ein paar Mal gesehen, aber wir hatten nichts miteinander zu tun, denn er war ein Jahr älter und gehörte einer ziemlich coolen Künstler-Gang an, und ich war, all meinen Anstrengungen zum Trotz, weder cool noch künstlerisch veranlagt. Gegen Ende meines zweiten Studienjahrs kam er dann eines Abends im Pear Tree Pub zu mir rüber und fragte: »Hast du mal Feuer?« Später gestand er mir, er habe nur einen Vorwand gesucht, um mich anzuquatschen, was so ziemlich das Verrückteste und zugleich das Schmeichelhafteste ist, das mir je passiert ist.

Tja, und jetzt haben wir zwei Kinder, einen Kredit in einer Höhe, die für uns etwas schwindelerregend ist, und Jobs, mit denen wir beide nicht sonderlich happy sind. Und eine ruinierte Kommode, die entgegen meiner Hoffnungen auch jetzt, da die Farbe getrocket ist, nicht viel besser aussieht, wie ich zugeben muss. Ehrlich gesagt ist das Ding ein Fall für den Sperrmüll. Hmpf. Damit hat sich das mit der beruflichen Umorientierung in Richtung Innenarchitektin wohl auch erledigt.

Und neulich hat Steve Wright in der Sendung Golden Oldies »Disco 2000« gespielt. »Disco 2000«! Das ist verdammt noch mal kein Oldie! Es ist der geilste Song der Welt, und abgesehen davon ist es höchstens ein Jahr her, dass er in den Charts war. Wie kann der Song ein Oldie ein? Shit. Meine Jugend ist dahin.

OKTOBER

Sonntag, 4. Oktober

Simon nölt immer noch rum wegen seiner idiotischen Kommode.

»Was ist bloß in dich gefahren, Ellen? Wie willst du das wiedergutmachen, Ellen? Weißt du eigentlich, wie lange diese Kommode schon im Besitz meiner Familie ist, Ellen? Was wird meine Mutter sagen, wenn sie das sieht?«

Irgendwann hatte ich echt die Nase voll von seinem Gejammer. »Es ist verdammt noch mal nur eine Kommode!«, fauchte ich. »Ein Haufen Holzbretter, mehr nicht! Kein Grund, so ein Riesendrama zu machen. Das olle Teil ist doch überhaupt nichts wert!«

Simon wirkte gekränkt. »Diese Kommode hat für mich einen immensen ideellen Wert, Ellen, und du hast sie versaut, und das, ohne mich vorher zu fragen. Da ist es doch mein gutes Recht, ein bisschen sauer zu sein, meinst du nicht auch?«

»Tja, Liebling«, schnarrte ich, »möglicherweise hätte ich dich ja gefragt, wenn du dich nicht immer das ganze Wochenende in deinem gottverdammten Schuppen verkriechen würdest, wo du offenbar schwer beschäftigt bist mit Dingen, die dir weit wichtiger sind als ich und deine Kinder.«

Worauf er knurrte: »Tut mir schrecklich leid, Liebling, aber ich bin nun mal der Ansicht, dass ich am Wochenende ein bisschen Zeit für mich selbst verdient habe. Es hat nämlich nicht jeder das Glück, dass er schon mittags aufhören kann zu arbeiten und alle zwei Wochen einen Tag frei zu kriegen, Liebling. Manche von uns müssen Vollzeit arbeiten und sind deshalb am Wochenende eben scheiß müde.«

»MANCHEVONUNS hören verdammt noch mal mitnichten schon mittags auf zu arbeiten, sondern vielmehr fünf Minuten, bevor die Schule aus ist, und dann rasen sie in einem Affenzahn durch die Stadt, um die Kinder abzuholen, LIEBLING! Und danach sind MANCHEVONUNS den ganzen Nachmittag damit beschäftigt, besagte Kinder von einer Freizeitaktivität zur nächsten zu kutschieren! Und dann heißt es für MANCHEVONUNS Abendessen kochen, Hausaufgaben überwachen, Wäsche waschen, die Kinder baden und ins Bett bringen, weil MANCHEVONUNS nach der Arbeit nämlich so scheiß müde sind, dass sie nur noch mit einem Bier vor der Glotze hocken können! Und im Übrigen verbringen MANCHEVONUNS ihren sogenannten freien Tag damit, das total vermüllte Haus aufzuräumen, und am Wochenende dürfen MANCHEVONUNS dann auch noch putzen, waschen, bügeln und die Kinder bespaßen, LIEBLING!«, kreischte ich.

Ich hatte das Gefühl, Simon mit durchaus schlagkräftigen Argumenten vor Augen geführt zu haben, was für ein egoistischer Kotzbrocken er doch war, allerdings stand zu befürchten, dass meine Worte nur für einen Delfin zu verstehen waren, da ich sie in meiner grenzenlosen Wut mit derart schriller Stimme vorgebracht hatte.

»Herrgott noch mal, Ellen, warum muss bei dir immer alles in einen Wettkampf ausarten? Du hast die Kommode meiner Großmutter ruiniert, und jetzt geht es plötzlich darum, wie furchtbar anstrengend dein Leben doch ist«, stöhnte Simon.

»Es ist kein Wettkampf. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, was ich in meiner so genannten ›freien‹ Zeit so alles mache. So, und jetzt wirst du mich entschuldigen müssen, weil ich nämlich deine Kinder zu einem Playdate bringen muss. In meiner Freizeit, wohlgemerkt.«

»Wir gehen zu Sophie und Toby«, meldete sich Peter zu Wort.

»Sophie und Toby haben keine Mami. Sie wohnen bei ihrem Daddy, und der heißt Sam, und Lucy Atkinsons Mami sagt, Sam ist echt heiß«, fügte Jane hilfreicherweise hinzu.

»Wer ist dieser Sam?«, erkundigte sich Simon kühl.

»Ach, ein alleinerziehender Vater, der kürzlich mit seinen Kindern in die Gegend gezogen ist«, erklärte ich.

»Und, ist er tatsächlich heiß?«

»Ist mir noch nicht aufgefallen«, log ich dreist. Bloß nicht feuerrot anlaufen jetzt.

Es war schön bei Sam. Ich finde sein Haus unheimlich gemütlich. Und ich habe mich schon mehr als einmal dabei ertappt, dass ich mir ausmalte, ich säße morgens mit einer Tasse Kaffee an seinem mintgrün und cremeweiß gestrichenen Küchentisch, mir gegenüber ein bartstoppeliger Sam, im Morgenmantel und mit zerzausten Haaren … Nein, kein Morgenmantel. Total unsexy. Vielleicht eine Schlafanzughose von Calvin Klein und ein T-Shirt. Ein ziemlich enges. HÖRAUF, ELLEN! HÖRSOFORTAUF!

Samstag, 10. Oktober

War nachmittags mit den Kindern im Park, was irgendwie nie so ganz das ausgelassene, unbekümmerte Pläsier ist, das mir vorschwebt. Zunächst muss der Spielplatz abgegrast werden auf der Suche nach etwaigen kaputten Flaschen und gebrauchten Gummis, die gelangweilte Teenager am Vorabend dort zurückgelassen haben (Wobei man vermutlich froh sein sollte, dass sie zumindest verhüten, selbst nach einer Flasche Billig-Wodka, aber insbesondere in verkatertem Zustand ist es wirklich kein Spaß, mit kleinen Kindern darüber zu diskutieren, warum sie den komischen kleinen »Luftballon«, den sie gefunden haben, nicht anfassen sollen.). Dann gilt es, die lieben Kleinen abzulenken, wenn die zum Kotzen perfekten Hexenzirkelmütter ihre gesunden selbstgefertigten Dattelmüsliriegel an ihre rotwangigen Sprösslinge verteilen. Ich hatte keine Snacks dabei, weil ich annahm, dass Kinder im schulpflichtigen Alter es eigentlich überleben müssten, wenn sie mal eine Stunde lang NICHT alle dreißig Sekunden was in den Rachen geschoben bekommen. Aber wie es scheint, lag ich falsch; sie müssen pausenlos gefüttert werden, wie piepsende Vogelküken. Wobei ich, als Peter drei war, feststellen musste, dass es verpönt ist, seine Kinder Würmer essen zu lassen.

Ich kramte gerade in meinen Taschen nach Essbarem – bis jetzt war dabei lediglich ein mit Fusseln bedecktes Etwas zum Vorschein gekommen, das mal ein Gummibärchen gewesen sein konnte – als plötzlich Sam aufkreuzte und sich doch tatsächlich zu mir setzte, obwohl Lucy Atkinsons perfekte Mami und ihre Gefolgsdamen ihn gurrend begrüßten, als er sie passierte, und ungeniert versuchten, seine Kinder mit Zucchinikuchen zu bestechen (»Keine Sorge, da ist kein Zucker drin, ich verwende beim Backen nur Apfelsaft zum Süßen!«). Es ist durchaus möglich, dass Sam nur deshalb zu mir rüberkam, weil wir heute die ersten im Park gewesen waren und ich mich gleich auf der einzigen Bank niedergelassen hatte, auf der man wenigstens ein bisschen vor dem schneidenden Ostwind geschützt ist, der hier unentwegt durchpfeift und dafür sorgt, dass den Eltern akute Unterkühlung droht, während die Kinder ungeachtet der Kälte ohne ihre teuren warmen Jacken herumtollen.

»Ich verstehe das nicht, Ellen«, sagte Sam, der offenbar ebenfalls nicht daran gedacht hatte, ausreichend Proviant für eine einmonatige Belagerung mitzubringen. »Warum haben alle Kinder etwas zu essen in der Hand? Bekommen die etwa zu Hause nichts? Und was genau essen sie da? Toby hat gerade ›Igitt! Grüner Kuchen!‹, zu dem blonden Mädchen dort drüben gesagt, nicht ganz zu Unrecht, wenn Sie mich fragen.«