Management als Profession - Rupert Hasenzagl - E-Book

Management als Profession E-Book

Rupert Hasenzagl

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Beschreibung

Wie kann das Management in Zeiten radikaler Innovationen und Buzzwords wie Agilität und Digitalisierung die aktuellen und zukünftigen Anforderungen erfüllen? Die Markt- und Wettbewerbsveränderungen führen die meisten derzeit üblichen Ansätze der Managementpraxis an ihre Grenzen. Schnelle Lösungen und kurzfristiger Erfolg sind nicht zielführend, wirksame Konzepte und nachhaltige Strategien werden essentiell. Der Autor setzt sich kritisch mit den derzeitigen Hypes und Modeerscheinungen im Management auseinander und zeigt die Grundlagen für eine radikale Innovation von Management auf. Sowohl akademisch als auch unternehmerisch arbeitet er an einer Neuorientierung der Unternehmensführung. Damit erhalten Manager in der Praxis zahlreiche Impulse, um fundierte unternehmerische Antworten auf die brennenden Fragen in ihren Unternehmen formulieren zu können. Außerdem werden Anwendungsbeispiele aus der Praxis des Managements wie "Entscheidung" oder "Komplexitätsbearbeitung" auf Basis der gezeigten Grundlagen demonstriert.  

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[7]Inhaltsverzeichnis

Hinweis zum UrheberrechtImpressumAbbildungsverzeichnisVorwort1 Was ist Management und muss es professionell sein?1.1 Management – ein schillernder Begriff1.1.1 Management und die theoretische Basis1.1.2 Die Definition von Management im funktionalen Ansatz1.1.3 Ausgewählte Aspekte der funktionalen Definition1.1.3.1 Der klassische, linear durchlaufene Managementprozess und die »Plandeterminierung«1.1.3.2 Die Trennung der Funktionen im Managementprozess1.1.4 Zusammenfassung der Managementdefinition und Schlussfolgerungen1.2 Professionalität als Basis für »gute Manager«?1.2.1 Was macht eine Profession aus?1.2.2 Ist Management eine Profession?1.2.3 Sollte Management eine Profession sein?1.2.4 Was hindert Management an der Professionalisierung?1.2.4.1 Machttheoretische Erklärung1.2.4.2 Ursachen im Bildungssystem1.2.5 Welche Folgen hat ein Mangel an Professionalisierung für die Praxis?2 Wozu Theorien?2.1 Theorien als Grundlage der Managementpraxis2.1.1 Theoretiker und Praktiker2.1.2 Theorieebenen2.1.3 Wissenschaftstheoretische Positionen2.2 Rahmentheorien2.2.1 Mechanistische Rahmentheorien2.2.1.1 Grundannahmen mechanistischer Rahmentheorien2.2.1.2 Kritik an den mechanistischen Rahmentheorien2.2.1.3 Was macht die Praxis daraus2.2.1.4 Beispiele mechanistischer Organisationstheorien – Rationalität als Leitfantasie2.2.1.5 Der arbeitswissenschaftliche Ansatz nach Taylor2.2.1.6 Administrative Ansätze2.2.1.7 Der Bürokratieansatz2.2.1.8 Weiterentwicklungen der mechanistischen Ansätze2.2.2 Humanistische Rahmentheorien2.2.2.1 Die »wissenschaftlichen« Grundlagen und die abgeleiteten Grundannahmen2.2.2.2 Was macht die Praxis daraus2.2.2.3 Positive Aspekte der humanistischen Rahmentheorien2.2.2.4 Beispiele humanistischer Rahmentheorien – der Mensch im Mittelpunkt2.2.2.5 Die erste Konkretisierung des humanistischen Ansatzes – die Human-Relations-Bewegung2.2.2.6 Der Human-Resource-Ansatz und die Organisationsentwicklung2.2.2.7 Würdigung der humanistischen Theorien2.2.3 Soziologische Rahmentheorien2.2.3.1 Grundannahmen der soziologischen Rahmentheorien2.2.3.2 Beispiele soziologischer Rahmentheorien2.2.3.3 (Macro-)Organizational Behavior2.2.3.4 Die soziologische Systemtheorie nach Luhmann2.2.3.5 Weitere soziologische Systemtheorien2.2.3.6 Der soziologische Neoinstitutionalismus2.3 Gegenständliche Theorien: Wer braucht Manager?2.3.1 Management in mechanistischen Organisationsbildern2.3.1.1 Das Managementverständnis in der idealtypischen Form2.3.1.2 Die Praxis des mechanistischen Managements2.3.1.3 Würdigung der mechanistischen Praxis2.3.2 Die Servicekraft für den Mitarbeiter – das humanistische Managementbild2.3.2.1 Die wissenschaftlich orientierte humanistische Managementforschung2.3.2.2 Der Tummelplatz für Ideologien und Mythen – humanistische Strömungen in der Praxis2.3.2.3 Würdigung der humanistischen Sicht auf Management2.3.3 Strategen in komplexen Umwelten – systemtheoretisches Managementverständnis2.3.3.1 Grundannahmen systemischer Manager aus wissenschaftlicher Sicht2.3.3.2 Systemisches Management in der Praxis2.3.3.3 Würdigung der Systemtheorie als Grundlage von Managementtheorien3 Die volle Bandbreite des Managements – Unternehmen in verschiedenen Entwicklungsphasen3.1 Die Formierungsphase3.2 Die Regelphase3.3 Die Bürokratiephase3.4 Die Differenzierungsphase4 Managementmoden – die Gegenspieler der Theorien4.1 Einführung ins Modengeschäft4.2 Managementmode – was ist das?4.2.1 Erste Annäherung an Moden und Treiber der Modeszene4.2.1.1 Legitimation durch die Umwelt4.2.1.2 Druck der Modemacher4.2.1.3 Individuelle Bedürfnisse des Managements4.2.2 Der geschichtliche Verlauf der Moden und Mythen4.2.2.1 Mechanistische Ideologie und Mythen4.2.2.2 Der Traum vom guten Menschen – humanistische Ideologie4.2.2.3 Der zeitliche Verlauf der Ideologien4.2.3 Varianzen an der Oberfläche4.2.3.1 Schlagworte als einfache Kennzeichnung4.2.3.2 Der richtige Zeitpunkt4.2.3.3 Entwicklung von Zwang4.2.4 Agilität als zentrales Attribut zukünftiger Unternehmen4.2.4.1 Agile Organisationen in der Wissenschaft4.2.4.2 Agilität als Managementmode4.2.4.3 Kernaussagen von zwei zentralen Konzepten4.2.4.4 Wie können agile Moden hinsichtlich Brauchbarkeit eingeschätzt werden4.2.5 Und was soll die Praxis damit machen?5 Komplexität und Komplexitätsmanagement5.1 Komplexität5.2 Komplexitätsbearbeitung im mechanistischen Weltbild: Komplexitätsreduktion5.2.1 Rationalitätsannahmen5.2.2 »Ceteris paribus« und Zusammenhangskonstruktion5.2.3 Methodologischer Individualismus – Ausblenden der Emergenz5.2.4 Reduktion des Sinngehaltes5.2.5 Folgen für Praxis5.2.5.1 Komplexitätsreduktion durch Zentralisierung5.2.5.2 Komplexitätsreduktion durch generelle Regeln5.2.5.3 Komplexitätsreduktion durch Werkzeuge5.2.5.4 Funktionale Komplexitätsreduktion5.3 Konstruktivistisch-systemische Komplexitätsbearbeitung: Selektion sinnhafter Muster5.3.1 Annäherung an Komplexität in der neueren Systemtheorie5.3.1.1 Der St. Galler Zugang zu Komplexität5.3.1.2 Komplexität bei Luhmann5.3.2 Ansätze zum Umgang mit Komplexität5.3.3 Anwendung in der Praxis5.3.3.1 Die Bedeutung des Komplexitätsgefälles für Organisationen5.3.3.2 Wie viel Komplexitätsgefälle braucht eine Organisation?5.3.3.3 Beeinflussungsmöglichkeiten des Komplexitätsgefälles6 Entscheidungen in Organisationen6.1 Die Bedeutung von Entscheidungen6.2 Entscheidungsanalytische Ansätze6.2.1 Die Entscheidungssituation6.2.2 Das Konzept der Rationalität6.2.2.1 Der strenge Rationalitätsbegriff6.2.2.2 Eingeschränkte ökonomische Rationalität6.2.2.3 Ergebnisse, Nutzen und deren Erwartungswerte6.2.2.4 Die Folgen der Änderung von rahmentheoretischen Annahmen6.2.3 Das Entscheidungsfeld6.2.4 Spieltheorie6.2.5 Operations Research am Beispiel Simplex6.3 Verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorien6.3.1 Begrenzte Rationalität und der soziale Einfluss6.3.2 Verhaltensökonomie6.4 Soziologische Entscheidungstheorien6.4.1 Beispiele soziologischer Theorien6.4.2 Entscheidungen bei Luhmann6.4.2.1 Zurechnen von Entscheidungen an Entscheider6.4.2.2 Entscheider als Irritationsquelle 6.5 Was kann die Praxis daraus machen?6.5.1 Die rationalen Entscheidungsverfahren6.5.2 Verhaltenswissenschaftliche Modelle6.5.3 Soziologische Entscheidungstheorien7 Führung7.1 Führung – ein heiß umkämpfter Begriff7.2 Definitorische Annäherung an Führung7.2.1 Die Arten des Einflusses7.2.1.1 Teilprozess Organisation7.2.1.2 Teilprozess Führung7.2.2 Die Basis des Einflusses7.2.3 Inhalt und Erstellung organisationaler Ziele7.2.4 Erfolgreiche Führung7.3 Führung beobachtet – die Führungstheorien7.3.1 Die personenorientierten Führungstheorien7.3.1.1 Eigenschaftsansätze7.3.1.2 Verhaltensansätze7.3.2 Die geführtenorientierten Ansätze7.3.2.1 Attributionstheorien7.3.2.2 Motivationstheorien7.3.3 Interaktionsorientierte Führungsansätze7.3.3.1 Transformationale und transaktionale Führung7.3.3.2 Gruppentheoretische Führungsansätze7.3.3.3 Systemtheoretisches Führungsverständnis7.4 Anwendung auf Führungskräftebeurteilung7.4.1 Was wird da gemessen? – Empirische Ergebnisse eines Führungsexperiments7.4.2 Was heißt das für die Praxis der Vorgesetztenbeurteilung?LiteraturverzeichnisStichwortverzeichnisDer Autor
[1]

Hinweis zum Urheberrecht

Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft - Steuern - Recht GmbH

[4]Reihe Systemisches Management

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.dnb.de abrufbar.

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ISBN 978-3-7910-4550-4

Bestell-Nr. 10351-0150

Rupert Hasenzagl

Management als Profession

1. Auflage, Januar 2020

 

© 2020 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH

www.schaeffer-poeschel.de

[email protected]

 

Produktmanagement: Dr. Frank Baumgärtner

Lektorat: Barbara Buchter, Freiburg

 

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

 

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart

Ein Unternehmen der Haufe Group

[13]Abbildungsverzeichnis

Abb. 1.1:Der ManagementprozessAbb. 2.1:Ebenen von Theorien (vgl. Hasenzagl 2009)Abb. 2.2:Strukturtyp Maschinenbürokratie (vgl. Mintzberg 1979, S. 325)Abb. 3.1:Entwicklungsphasen einer OrganisationAbb. 6.1:Entscheidungssituation mit den Parametergruppen Entscheidungsfeld und EntscheiderAbb. 7.1:Systematik von Führungstheorien mit beispielhaften Ausprägungen

[15]Vorwort

Management und Führung beschäftigen seit der Industrialisierung nicht nur die direkt betroffenen Menschen in der Wirtschaft und in Organisationen, sondern sind immer wieder auch Thema der gesellschaftlichen Diskussion. Besonders derzeit beschäftigen starke Veränderungen im Umfeld von Organisationen Unternehmensführer, aber auch Teile der Wissenschaft und der Gesellschaft. In den letzten fünf Jahren werden einige dominante Veränderungen in den Rahmenbedingungen lautstark diskutiert, von denen »disruptive« Veränderungen für ganze Branchen erwartet werden.

Umfeldveränderungen, mit denen viele Unternehmen konfrontiert werden, sind beispielsweise die vielzitierte Globalisierung, die Bevölkerungsstruktur und die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft. Außerdem werden Geschäftsmodelle in ganzen Branchen durch den hohen Anteil an reifen Märkten und insbesondere hochreifen Technologien erschüttert. Gesellschaftliche Entwicklungen, wirtschaftliche Probleme bei einigen Euroländern und aufkommende gesellschaftliche Krisen machen sich in Europa bemerkbar und beeinflussen Unternehmen massiv. Diese Beeinflussung zeigt sich in steigender Komplexität, mit der sich viele Organisationen auseinandersetzen müssen.

In dieser Gemengelage sind Anzeichen zunehmender Verunsicherung in den Chefetagen zu beobachten, ob die bisherige Art der Unternehmensführung noch die richtige ist. Bestärkt werden Manager in ihren Zweifeln von den vielen Helfern, deren Geschäftsmodell darin besteht, Lösungskonzepte anzubieten und radikale Transformationen zu versprechen. Viel wichtiger ist aber, dass seit Jahrhunderten auch in der Gesellschaft zunehmender Druck in Richtung Emanzipation der Menschen und Befreiung von gesellschaftlichen Normen und Vorgaben, aber auch von Eliten aller Art aufgebaut wurde. In dieser Ausgangslage, die von Wissenschaftlern schon lange als hochkomplex identifiziert wurde, merken auch Manager der Praxis zunehmend, dass die verwendeten Werkzeuge und Methoden nicht ausreichen, um das Überleben von Unternehmen zu sichern. Die Verunsicherung führt manchmal auch dazu, die gesamte Art der Unternehmensführung infrage zu stellen.

Mit dieser kurzen Schilderung des Umfeldes sollen drei Aspekte angesprochen werden, die mir sehr wichtig sind:

Der erste Punkt ist, dass aus eigener Managementerfahrung (u. a. als Alleingeschäftsführer) und aus 30 Jahren Beratertätigkeit tiefe Achtung vor der Leistung vieler Manager entstanden ist. Auch im Laufe der akademischen Auseinandersetzung mit Unternehmensführung ist diese Hochachtung kontinuierlich gestiegen und hat sich zunehmend [16]verfestigt. Wenn die Praxis des Managements in diesem Buch immer wieder als stark vereinfachend, durch Ideologien geleitet und wenig reflektiert dargestellt wird, dann heißt das nicht, dass Manager ihren Job nicht gut machen. Wie soll man reflektieren, wenn von der Lebenswelt der Manager rasches und einfaches Handeln gefordert wird?

 Mein akademischer und beruflicher Hintergrund hat zu der Hypothese geführt, dass das Arbeitsumfeld der Manager, ihre Modelle und Werkzeuge nur bedingt geeignet sind, mit der wachsenden Komplexität umzugehen. 

Management wird immer mehr ein Arbeiten mit Paradoxien in einer Welt, die von vielen hochdynamischen Variablen abhängt. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Management zeigt ganz deutlich, dass Manager hierbei nicht wirklich viel Unterstützung haben. Weder von der Wissenschaft noch von der akademischen Ausbildung und auch nicht durch ihr Umfeld (Eigentümer, Gesellschaft, Mitarbeiter), die mit ihren nicht kongruenten Zielsetzungen das Management zu einem täglichen Konfliktmanagement zwingen, aber tiefe Harmonie und ruhigen Ablauf fordern. Manager sind für mich zwar keine Engel und es gibt durchaus schwarze Schafe, die ihr Eigeninteresse in den Vordergrund stellen und Machtmissbrauch vorleben. In der Summe sehe ich Manager als eine Gruppe, die ihre Tätigkeit unter sehr schlechten Voraussetzungen ausübt, die aber gleichzeitig für die Weiterentwicklung (oder muss man schon sagen »Wiedergesundung«?) unserer Wirtschaftsregion äußerst wichtig ist. Diese Einsichten begründen für mich die Hochachtung vor Menschen, die täglich in einem nicht einfachen Umfeld viel Verantwortung übernehmen und von allen Seiten unter Druck geraten.

Der zweite für mich wichtige Punkt entspringt der tiefen Überzeugung, dass Komplexität nur mit Komplexität bearbeitet werden kann. Diese Idee ist nicht neu, sie wurde von Kybernetikern schon in der ersten Hälfte des 20. Jhs. formuliert. Das heißt aber, Manager brauchen für ihre hochkomplexe Tätigkeit genau die gleichen Voraussetzungen wie andere Tätigkeitsgruppen, die mit komplexen Problemen umgehen müssen, etwa Ärzte, Zivil-Ingenieure und Rechtsanwälte. Meine beruflichen Erfahrungen haben die Überzeugung gefestigt, dass Europa zur Bewältigung der sich bereits andeutenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verwerfungen auch eine gut entwickelte Managementprofession braucht.

Der dritte Punkt hat mit der in einer Profession geforderten Wissensbasis zu tun. Dieses Buch möchte einen Beitrag dazu liefern, der durch Denkanstöße zwar nur ein ganz kleiner sein kann, aber in den aktuellen Theoriestand einführt und Alternativen zu tradierten Denkweisen der Praxis und neuen Modeströmungen aufzeigen möchte. Denkanstöße brauchen manchmal Überzeichnung und pointierte Aussagen, mit (leichtem) Hang zu satirischer Zuspitzung – Irritationen eben. Die vertretenen Sichtweisen sind [17]zwar theoretisch begründet, aber trotzdem (oder deswegen?) oft gegen den Strich gebürstet. Gleichzeitig wird versucht, die beschriebenen Umweltveränderungen auf der Oberfläche etwas unaufgeregter zu sehen, als in der derzeitigen Diskussion üblich.

Insoweit ist das Buch nicht als wissenschaftliches Buch konzipiert, sondern es wurde bewusst eine essayartige Form gewählt. Trotzdem habe ich viele Quellen angegeben, in erster Linie, um dem interessierten Leser die Möglichkeit zu geben, sich rasch zu bestimmten Inhalten Informationen zu besorgen.

Wenn insbesondere im Zusammenhang mit Managementmoden Entwicklungen, die ich für problematisch erachte, dargestellt werden, habe ich weitgehend auf die Zitation von Beispielen verzichtet. Es ist nicht das Ziel, Vertreter der Ratgeberliteratur oder Berater persönlich anzugreifen. Im Grunde gelten für diese Jobs ähnliche Rahmenbedingungen wie oben für das Management beschrieben.

Der Text spiegelt stark das Bemühen wider, wissenschaftliches Wissen mit all seiner inhärenten Komplexität so aufzubereiten, dass wesentliche Hintergründe ersichtlich werden und trotzdem die Lesbarkeit für Praktiker erhalten bleibt. Außerdem sollte jeder der in Kapiteln gefassten Beiträge für sich lesbar sein. Dies führt zu Redundanzen, die aber insoweit beibehalten wurden, als ich es persönlich für hilfreich empfinde, komplexe Textstellen aus einem anderen Blickwinkel noch einmal zu lesen.

Es macht natürlich schon Sinn, sich zuerst mit den wissenschafts- und rahmentheoretischen Beiträgen auseinanderzusetzen, weil dadurch in den anderen Beiträgen nur kurz formulierte Grundlagen klarer werden. Es ist aber nicht notwendig, jedes kleine Detail verstanden zu haben, um weiterlesen zu können.

Der Idee liegt eine Form von zeitgemäßem Komplexitätsmanagement zugrunde: Es kommt nicht auf jedes kleine Detail an, sondern es reicht, die Grundaussagen, die Muster und Prinzipien erkannt zu haben – und darüber nachzudenken.

Inhaltlich spiegeln die Beiträge einerseits grundlegende Fragestellungen für die Fundierung einer Managementtheorie wider, andererseits werden aktuelle Themen wie Komplexitätsmanagement, Entscheidungsfindung sowie Agilität aufgegriffen, um fundierte Diskussionsgrundlagen zu bieten.

Die Auswahl der Themen hat natürlich auch einen willkürlichen Aspekt, spiegelt aber Schwerpunkte meiner derzeitige Forschungstätigkeit wider sowie die Gebiete, in denen ich in der akademischen Managementweiterbildung und in der Managementberatung derzeit intensiv arbeite.

[18]Und noch eine formale Anmerkung: Auch wenn bei Personenbezeichnungen überwiegend männliche Formulierungen gewählt wurden, sind immer beide Geschlechter gemeint.

 Wien, im Juni 2019

 Rupert Hasenzagl

[19]1 Was ist Management und muss es professionell sein?

Greift ein Leser zu einem Buch zum Thema Management, ist wahrscheinlich eine der ersten Fragen: Worum geht es hier – was wird hier unter Management verstanden? Dies gilt insbesondere dann, wenn durch den Titel eines Buches der Anspruch erhoben wird, Beiträge über »Management als Profession« zu schreiben. Dann darf man zu Beginn des Buches erwarten, dass der Autor offenlegt, was in den folgenden Kapiteln unter Management verstanden wird. Viele gehen vielleicht zunächst davon aus, dass der Begriff doch eindeutig definiert sei und somit weitere Erläuterungen unnötig erscheinen. Das ist auch der Tenor, wenn in MBA-Kursen oder Managementtrainings eine Begriffsdefinition erfragt wird: Manch einer der Befragten findet es befremdlich, da der Begriff »Management« für ihn ohnehin klar ist.1 Umso größer ist dann bei den meisten Praktikern die Verwunderung über die Unklarheit und Unterschiede der Bilder, die bei der Diskussion über Management auftauchen.

Die Annäherung an den Begriff Management erfolgt in diesem Beitrag in zwei Schritten: Zuerst wird eine Arbeitsdefinition von Management, die in diesem Buch als Grundlage verwendet wird, diskutiert. Diese erste Definition dient als gemeinsame Gesprächsbasis.

In einem zweiten Schritt wird in diesem einführenden Beitrag untersucht, welchen Status Management als Profession hat. Der Begriff Profession meint in der Berufssoziologie eine Ausprägung von bezahlter Tätigkeit, wobei Professionen von anderen Tätigkeiten wie Berufen und Jobs abgegrenzt werden. Der Grad an Professionalisierung lässt einige Interpretationen über ein Tätigkeitsfeld wie Management zu – er ist also ein wichtiges Hilfsmittel, um Management besser zu verstehen.

Wie sich rasch herausstellen wird, ist es allein durch die Lektüre eines Buches nicht möglich, diesen Professionalisierungsgrad zu erhöhen, sofern das erwünscht oder notwendig erscheint. Der Anspruch an diesen Beitrag ist aber sehr wohl, ein Verständnis für die Vielfältigkeit von Management zu ermöglichen und durch die Professionalisierungsdiskussion andere Sichtweisen und einen komplexeren Zugang zu Management aufzuzeigen, als sie in der Praxis üblicherweise zu finden sind. Damit können Impulse in Richtung Professionalisierung gesetzt werden.

[20]1.1 Management – ein schillernder Begriff

Management ist ein weitverbreiteter Begriff, er ist weder aus Organisationen noch aus der gesellschaftlichen Diskussion wegzudenken. Wir managen unseren Urlaub und unsere Ersparnisse, ebenso wie Mann und Frau heute den Haushalt managen. In Unternehmen scheint fast schon jede zweite Stelle mit der Bezeichnung »Management« verknüpft zu sein. Neben den gebräuchlichen Hierarchieebenen Top- und mittleres Management gibt es den Key Account Manager, Office Manager, Facility Manager usw. In manchen Berufen wird Management auch als Funktionsbezeichnung verwendet, bspw. Senior Manager und Ähnliches. Zu einer klareren Definition des Begriffs »Management« trägt diese inflationäre Verwendung des Wortes wenig bei, möglicherweise zeigt sich darin aber die Attraktivität, die »Management« innerhalb der Gesellschaft besitzt. Es liegt also die Vermutung nahe, dass so manche Berufsbezeichnung mit dem Zusatz »Management« aufgewertet werden soll.2

1.1.1 Management und die theoretische Basis

Um sich dem Begriff Management und dessen geschichtlicher Entwicklung fundiert anzunähern, sind Unterscheidungen in Theorieebenen hilfreich, ohne in diesem Kapitel zu tief in die Diskussion über verschiedene Ebenen von Theorien einzusteigen. Deshalb wird hier ein einfaches Theoriemodell verwendet, in dem Managementtheorien basierend auf grundlegende Annahmen – man könnte auch Weltbilder oder Paradigmen dazu sagen – formuliert werden. Ein Teil dieser grundlegenden Annahmen betrifft prinzipielle Vorstellungen über Organisationen,3 die als Organisationstheorien (manchmal auch als Organisationsbilder oder Organisationsmodelle bezeichnet) formuliert werden. Je nach den darin formulierten Vorstellungen über Organisationen erhält man gänzlich andere Interpretationen über Aufbau und Aussagen einer darauf aufbauenden Managementtheorie. Die unter den Organisationstheorien liegenden wissenschaftstheoretischen Grundannahmen stellen zwar ein Kernelement des geltenden Weltbildes dar, brauchen im einführenden Abschnitt für die hier verfolgten Zwecke aber noch nicht näher erläutert zu werden.

[21]Diese Vorbemerkungen sind hilfreich, um wesentliche Unterschiede von Managementtheorien formulieren zu können.

DIE THEORETISCHE FUNDIERUNG DER FRÜHEN MANAGEMENTLEHRE

Die frühen Zugänge zu Management, bspw. das amerikanische »Scientific Management« von Frederick W. Taylor, die Bürokratie nach Max Weber sowie der »administrative Ansatz«, aber auch der »quantitative Managementansatz« prägen die »klassische« Managementlehre sehr stark. Einige Soziologen nennen diese Phase die »klassische Modernisierung« (Pohlmann 2002).

Üblicherweise wird dieser eine ungenügende theoretische Fundierung vorgeworfen (Pohlmann 2002, S. 231). Im Wesentlichen entstand sie durch die Übernahme des naturwissenschaftlichen Weltbildes für soziale Einheiten wie Organisationen. Dies führte zu einem maschinenhaften Bild von Organisationen, weshalb die theoretische Fundierung der klassischen Ansätze auch als mechanistisch bezeichnet wird.

Die mechanistischen Grundannahmen der Managementlehre hatten auch Auswirkungen auf die gesellschaftliche Sicht auf das Management. Der Widerstand gegen dieses mechanistische Organisationsbild zeigte sich schon allein dadurch, dass bspw. nahezu zeitgleich mit der Etablierung des Taylorismus (vgl. Abschnitt 2.2.1.5) eine gesellschaftlich legitimierte humanistische Gegenbewegung einsetzte. Die derzeit wieder populäre radikale Ausprägung dieser Gegenbewegungen lehnt die Grundannahmen der klassischen Managementlehre, insbesondere die formalen Strukturen (Hierarchie), massiv ab und setzt auf selbstmotivierte Mitarbeiter anstelle sachlicher Führung (vgl. Abschnitt 2.2.2). Ebenso wie bei den mechanistischen Grundannahmen ist auch bei den humanistischen Gegenbewegungen die theoretische Basis nicht hinreichend wissenschaftlich begründet und hat daher oft ausgeprägte ideologische Züge. Speziell in Amerika kam es ab den 1930erJahren zu einer wahren Flut an spezialisierten Organisationsmodellen und darauf aufbauenden Managementtheorien (vgl. Staehle 1999, S. 22), die aber den zwei erwähnten Strömungen der mehr oder weniger »theoretisch« fundierten Basisannahmen (mechanistisch und humanistisch) folgen.

Die Kritik der weitgehend fehlenden theoretischen Fundierung gilt auch für die europäische »Managementlehre«. Die in den deutschsprachigen Ländern bis heute dominante Betriebswirtschaftslehre (BWL) ist die zentrale Basis der deutschen »klassischen« Managementlehre, oder genaugenommen ist sie deren Ersatz. Die Kritik greift in diesem Zusammenhang umso stärker, als die BWL noch weniger elaboriert ist (es gibt bis heute keine umfassende betriebswirtschaftliche Organisationstheorie) als die oben genannten theoretischen Funda[22]mente der klassischen Managementlehre. Außerdem ist die BWL selten direkt auf Unternehmensführung ausgerichtet (Steinmann et al. 2013, VII).

Die Amerikaner hatten Management, wir die BWL– so könnte die Situation von Beginn des 20. Jhs. bis in die 1960er Jahre aus deutscher Sicht beschrieben werden. Der Begriff Management tauchte ungefähr Ende der 1950er Jahre in Europa auf und wurde eher reserviert aufgenommen. Erst etwa 10 Jahre später begann eine Umorientierung. Management wurde als Abkehr von bürokratischen Strukturen mit Amtshierarchie und Zentralismus gesehen, hin zu einem modernen Management nach amerikanischem Vorbild (Pohlmann u. Markova 2011, S. 113f). Im Wesentlichen ist aber die deutschsprachige Managementforschung und v. a. die Praxis auch heute noch stark von der BWL beeinflusst – und neigt daher besonders zum Bürokratismus.4

Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jhs. tauchten in Europa mit den systemtheoretischen Grundannahmen echte Alternativen zu diesen heute in der Praxis und in der Mainstreamforschung nach wie vor dominanten mechanistischen und humanistischen Strömungen auf. Anhänger der mechanistischen Theorie sind tendenziell eher Manager, humanistische Strömungen werden naturgemäß eher von Mitarbeitern und deren »Interessensvertretern« bevorzugt, aber auch eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Beratern, Trainern und Buchautoren gehören dazu.

Innerhalb der mechanistischen Annahmen wurden zu Beginn des 20. Jhs. Funktionen von Management festgelegt und damit erfolgte eine erste definitorische Annäherung an den Begriff Management.

Im Rahmen dieser Theorieströmung wird angenommen, dass Rationalität im Sinne einer Zweck-Mittel-Optimierung durch Arbeitsteilung und integrierende Regeln erreicht wird. Das Organisationsbild dahinter ist maschinenhaft (eben mechanistisch). Dabei spielt das Management – in der Frühphase noch als Verwalter oder »Industriebeamte« bezeichnet – eine zentrale Rolle, es ist speziell ausgebildet und erfüllt die Funktionen Planung, Kontrolle und Steuerung. Es erfolgt dadurch eine Trennung von Handarbeit und Kopfarbeit.5 Bei der Zusammenarbeit ist das kopfarbeitende Management den Arbeitern übergeordnet, also weisungsbefugt und durch die Rationalität ihrer Entscheidungen legitimiert.6 Manager – so das Bild in der klassischen Managementlehre – lenken das Unternehmen [23]und damit die Mitarbeiter auf Basis von Rationalität zur effizienten Erreichung ökonomischer Zwecke. Der Anspruch auf »Wissenschaftlichkeit« (und die dadurch begründete Rationalität) führt zu Sachorientierung und »Entseelung« der Organisation (Pohlmann 2002).

EINE ERSTE ANNÄHERUNG AN DIE DEFINITION VON MANAGEMENT

Ein erster bekannterer Ansatz zur Definition von Management, der auf den oben beschriebenen Managementfunktionen beruht und bis heute noch Wirkung zeigt, finden sich bei dem Franzosen Henri Fayol, der zu Beginn des 20. Jhs. 14 Prinzipien formulierte, die Regeln für »gutes« Management darstellten. Fayol identifizierte dafür zunächst fünf Funktionen von Management: Planung, Organisation, Anweisung, Koordination und Kontrolle (Steinmann et al. 2013). Diese Überlegungen bilden zusammen mit Studien über Bürokratismus von Max Weber die wesentliche Grundlage dessen, was in Amerika »General Administrative Theory« genannt wird und immer noch großen Einfluss auf die amerikanische Managementlehre hat.

Die Weiterentwicklung der fünf Funktionen des Managements von Henry Fayol führten zu einer Darstellung der Managementfunktionen im sogenannten Managementprozess.

Management wird hier über Funktionen definiert, also mittels der Beiträge, die Management für den Erhalt des Unternehmens liefern soll (funktionale Definition). Davon zu unterscheiden ist die in der klassischen Managementtheorie als institutioneller Ansatz bezeichnete Sichtweise, die sich damit auseinandersetzt, welche Mitarbeiter(-gruppen) diese Funktionen wahrnehmen und welche Charakteristika diese Gruppen aufweisen.

1.1.2 Die Definition von Management im funktionalen Ansatz

Trotz der europäischen Wurzeln aus dem frühen 20. Jh., bspw. den fünf Funktionen des Managements von Fayol (siehe die Info-Box »Eine erste Annäherung an die Definition von Management«), sind es die amerikanischen Weiterentwicklungen, insbesondere in der Fassung von Koontz und O’Donnell, die heute auch in Europa die Grundlage des funktionalen Managementansatzes bilden. Diese Weiterentwicklungen führten zu dem in der aktuellen Managementlehre weit verbreiteten Standard, der einen auf Managementfunktionen aufbauenden Managementprozesses darstellt (Steinmann et al. 2013; Staehle 1999).

Abbildung 1.1 zeigt die Teilschritte des Managementprozesses. Zusätzlich zu den von Fayol inspirierten Funktionen in den Teilprozessen werden die Funktionen Koordination[24]undEntscheidung, in manchen Darstellungen auch Kommunikation als übergreifende Elemente miteinbezogen.

Abb. 1.1: Der Managementprozess

Wie oben erwähnt, ist die theoretische Basis des Managementprozesses eine mechanistische. Steinmann et al. (2013) zeigen aber, dass der Managementprozess nicht nur auf der klassischen Managementlehre mit ihren mechanistischen Organisationstheorien basiert, sondern auch aus Sicht anderer theoretischer Grundannahmen (insbesondere systemtheoretischen) interpretiert werden kann.

Im Rahmen der mechanistischen Annahmen der klassischen Managementlehre sind die Tätigkeiten im Teilprozess Planung die Grundlagen für die Strukturierung des Unternehmens im Teilprozess Organisation. Im Teilprozess Planung werden einerseits die Ziele formuliert, die in einer Organisationseinheit verfolgt werden sollen und grob die möglichen Wege zur Zielerreichung festgelegt. Im Teilprozess Organisation werden die grundlegenden Aufgaben zur Zielerreichung bestimmt und diesen einerseits Stellen zugeordnet, die dann in ein hierarchisches Weisungssystem integriert werden (Aufbauorganisation), andererseits wird die zeitliche Verknüpfung der Aufgaben in Form der Ablauforganisation definiert. Diese entspricht – ergänzt bspw. um Planungs- und Steuerungsaspekte – der seit den 1990er Jahren verbreiteten Geschäftsprozesssicht.

Sieht man die Beeinflussung (Koordination) des Verhaltens der Mitarbeiter in Richtung organisationaler Ziele als Kernaufgabe im Teilprozess Organisation, dann zeigt sich, dass auch die Organisationskultur, der ja eine wesentliche Verhaltensbeeinflussung der Mitarbeiter zugeschrieben wird, diesem Teilprozess zugeordnet werden muss. Die Diskussion, ob und wie das Verhalten der Organisationsmitglieder beeinflusst und diese Kultur durch das Management gestaltet werden kann, wird sehr kontrovers geführt. Eine strukturierte Diskussion kann allerdings nur auf Basis der zugrunde liegenden Organi[25]sationstheorien erfolgen. Diese müssen in der Lage sein, Kulturen in Organisationen zu beschreiben und zu verstehen. Diese Diskussion wird in den nachfolgenden Beiträgen in diesem Buch grundlegend geführt werden – eine Erkenntnis aber schon vorab: Mechanistische Theorien können kulturelle Aspekte nur sehr eingeschränkt abbilden.

Weiters liefert der Teilprozess Planung (und die daraus abgeleiteten organisatorischen Entscheidungen) die Grundlagen für die Auswahl, die Weiterentwicklung und die direkte Führung der Mitarbeiter, die in den Teilprozessen Personaleinsatz und Führung von Bedeutung sind.

Die Formulierung der Ziele für die Mitarbeiter im Teilprozess Personaleinsatz basiert ebenfalls auf der Planung der Ziele. Diese mitarbeiterbezogenen Ziele sind wiederum Basis für die Leistungsbeurteilung (ebenfalls eine Funktion im Teilprozess Personaleinsatz). Auf Grundlage dieser Leistungsbeurteilung kann dann im Sinne eines Soll-Ist-Vergleiches (Ziele vs. Leistung) eine Mitarbeiterbeeinflussung, also die direkte Führung der Mitarbeiter erfolgen. Dabei wird dem Teilprozess Führung die Beeinflussung von Mitarbeitern in Richtung organisationaler Ziele durch direkte soziale Interaktion zugeordnet. Sie wird deshalb als »direkte« oder »personale« Führung bezeichnet. Die Beeinflussung von Mitarbeitern durch organisationale Regeln, die im Teilprozess Organisation definiert werden, wird als »indirekte« Führung oder »Distanzführung« bezeichnet.7

Den letzten Teilprozess stellt die Kontrolle dar. Hier werden Soll-Ist-Abweichungen festgestellt und Korrekturmaßnahmen geprüft. Planung und Kontrolle bedingen sich gegenseitig. Ein interessanter Aspekt ist, dass selbst unsichere Planung sinnvoll sein kann, denn erst wenn die Kontrolle eine Abweichung von etwas Geplantem ergibt, kann im nächsten Durchgang der Plan verbessert werden. Außerdem fällt nicht auf, wenn Planungsprämissen sich verändern, weil deren Auswirkung nicht als Planabweichung analysiert werden können, wenn es nicht einmal eine »unsichere« Planung gibt.

Die Teilprozess-übergreifenden Funktionen Entscheidung, Koordination und Kommunikation kommen in jedem der Teilprozesse vor. In der Praxis wird häufig die Funktion, als Manager für die zur Erfüllung der organisationalen Ziele notwendigen Kommunikation in alle Richtungen verantwortlich zu sein, negiert oder als zu unbedeutend eingeschätzt. Außerdem wird Kommunikation häufig als Machtmittel gesehen, um durch Information (und eventuell daraus generiertem Wissen) Vorteile für die eigene Position zu ziehen.

[26]Die Funktion Entscheidung wird in mechanistischen Organisationstheorien als Basis überhaupt nicht erwähnt. Das liegt daran, dass bei einer gut geölten Maschine kaum Entscheidungen notwendig sind, bestenfalls im operativen Geschäft und da werden sie den Sachaufgaben zugerechnet. In den rezenten Organisationstheorien hat – beginnend mit dem Macro-Organizational-Behavior-Ansatz bis zur Systemtheorie – die Bedeutung von Entscheidungen massiv zugenommen.

In dem hier vorgestellten Bild des Managementprozesses liefern bzw. verantworten alle Managementebenen in einem Unternehmen Anteile dieser Teilprozesse in einem Mindestausmaß für ihre Organisationseinheit. Dabei wird nicht unbedingt autoritäres Entscheiden des Managers vorausgesetzt. Im Managementprozess wird nur gezeigt, welche Funktionen erfüllt werden sollen, und postuliert, dass der zuständige Manager für diese Erfüllung verantwortlich ist. Wer die Funktion durchführt, ist in dem hier vertretenen Verständnis eine Frage des Führungsstils und im Managementprozess nicht festgelegt.8

MANAGEMENTFUNKTIONEN UND MANAGER

In der klassischen Managementlehre haben alle Managementebenen, also bspw. auch Gruppenleiter, die Aktivitäten des Managementprozesses zusätzlich zu ihren Fachaufgaben durchzuführen.9 Erfahrungen aus der Praxis zeigen insbesondere in den unteren Führungsebenen, dass der für Managementfunktionen zur Verfügung gestellte Zeitrahmen entweder in Zielvereinbarungen gar nicht berücksichtigt oder nicht groß genug bemessen ist.

Ein Ergebnis der Aktivitäten im Teilprozess Planung sind meist auch Rahmenziele für die untergeordnete Management- bzw. Mitarbeiterebene, die dann in Zielvereinbarungen ausverhandelt werden. Die obere Managementebene befasst sich v. a. mit Plänen auf Unternehmensebene, bspw. Strategien und unternehmensweite operative Pläne. Ein Gruppenleiter plant ebenfalls (bzw. ist mindestens dafür verantwortlich, dass geplant wird), aber mit einem hohen operativen Anteil, d. h. auf das Tagesgeschäft bezogen. Ein Fertigungsgruppenleiter wird bspw. eine Maschinenbelegungsplanung für die nächste Woche verantworten. Zur Plandurchführung organisiert der Gruppenleiter seine Gruppe und beschafft und entwickelt mittelfristig die zugeordneten Mitarbeiter – beide Funktionen meist mit Unterstützung des zentralen Personalmanagements. Im Rahmen des Personaleinsatzes ist auch die Leistungsbeurteilung der direkt unterstellten Mitarbeiter eine zentrale Aufgabe des Managements, im genannten Fall bspw. eines Gruppenleiters.

[27]Inzwischen gibt es neuere Tendenzen dahingehend, dass für bestimmte Managementfunktionen überhaupt keine speziellen Stellen geschaffen, sondern die Funktionen auf mehrere Positionen verteilt werden. Allerdings hat das »Entbündeln« von Aufgaben des Managementprozesses durchaus Folgen für die Durchsetzbarkeit von Managemententscheidungen (s. u.). Mit den theoriebasierten Annahmen nicht konform sind einige derzeit aktuelle Managementmoden, die die Bedeutung von hierarchischer Führung ganz in Abrede stellen.

Bereits diese kurze Überblicksdarstellung von Inhalten und den gegenseitigen Abhängigkeiten der Aktivitäten in den Teilprozessen macht deutlich, dass wesentliche Funktionen des Managements auf diese Weise thematisiert werden können. Das ist einer der Gründe, warum der Managementprozess sich in der akademischen Managementlehre derzeit als Strukturierungsmittel der Managementfunktionen durchsetzt.

1.1.3 Ausgewählte Aspekte der funktionalen Definition

Neben dieser kurzen Beschreibung des funktionalen Ansatzes in Form des Managementprozesses werden zum besseren Verständnis der hier vertretenen Managementsicht einige Diskussionspunkte aufgegriffen, die entweder in der Literatur zu finden sind oder die bei der praktischen Arbeit im Zuge des Managementprozesses auftreten:

der klassische, linear durchlaufene Managementprozess und die »Plandeterminierung«,die Trennung zusammenhängender Funktionen im Managementprozess undder Managementprozess auf Basis elaborierter Organisationstheorien.

1.1.3.1 Der klassische, linear durchlaufene Managementprozess und die »Plandeterminierung«

In der ursprünglichen Form des »klassischen Managementprozesses« wurden die Teilprozesse linear durchlaufen (siehe dazu Steinmann et al. 2013, S. 10; Staehle 1999, S. 82). Im Teilprozess Planung wird dabei festgelegt, was in und mit dem Unternehmen (oder der Organisationseinheit) erreicht werden soll, die anderen Teilprozesse haben eher instrumentellen Charakter. Das führt zu der Forderung, der Planung die Primärfunktion zuzuweisen, der alle anderen Teilprozesse unterzuordnen sind. Steinmann et al. (2013, S. 127ff) bezeichnen diesen Ansatz deshalb als »plandeterminiert«. Dennoch treten bei einem solchen linearen Durchlauf auch weitere Abhängigkeiten zwischen den Aktivitäten der einzelnen Teilprozesse auf. Beispielsweise ist die Leistungsbeurteilung im Teilprozess Personaleinsatz in der Regel Voraussetzung für eine sinnvolle Führungshandlung.

[28]PLANDETERMINIERUNG IN DER PRAXIS

Interessant scheint, dass in der Praxis fast ausschließlich der plandeterminierte Ansatz zu beobachten ist. Man beachte nur die aufwändigen, monatelangen Planungs- und »Budgetierungsprozesse« zu Jahresende. Dabei werden üblicherweise sehr aufwändig ein Unternehmensplan (meist auf Erträge und Aufwände beschränkt) erstellt und Maßnahmen für das nächste Jahr starr festgelegt. Auf unterjährige Abweichungen wird dabei kaum reagiert. Andererseits zeigen eine Reihe von empirischen Befunden, dass Management auf Basis dieser plandeterminierten Grundannahmen zu massiven Problemen in der Praxis führt, wenn die Situation auch nur geringe soziale Komplexität aufweist (vgl. Pohlmann u. Markova 2011, S. 118). Diese Komplexität tritt bspw. bei konfliktären Zielen, hoher Dynamik sowie hohen informationstechnischen Anforderungen auf und führt v. a. zu riesigen Planungsaufwänden und mangelnder Flexibilität (Steinmann et al. 2013, S. 128f; Staehle 1999, S. 82).

Erste Abhilfe kann dadurch geschaffen werden, dass die Dominanz des Teilschritts Planung abgemildert und der Managementprozess einem iterativen Prozessdurchlauf unterworfen wird. Stellt sich bei einem Teilprozess heraus, dass die durch die Planung definierten Anforderungen nicht erreicht werden können, kann eine Maßnahme darin bestehen, die Planung zu überarbeiten. Gleiches gilt für andere Teilprozesse: Wenn bspw. nicht das richtige Personal für eine Organisationsform gefunden werden kann, wird der Teilprozess Organisation noch einmal durchlaufen. Das setzt aber voraus, den Aufwand für weitere Durchläufe gering zu halten, weil sonst bspw. Neuplanungen kaum möglich sind.

Angesichts dieser Problematik tritt besonders deutlich die Untauglichkeit der mechanistischen (speziell der betriebswirtschaftlichen) Organisationssicht zutage. Das ist in ruhigen Fahrwassern nicht sehr problematisch, bei komplexen (und damit auch dynamischen) Umweltbedingungen kann es sich aber fatal für Organisationen auswirken. Steinmann et al. (2013) haben mit ihrer Neuinterpretation des Managementprozesses jedoch gezeigt, dass der Managementprozess auch auf Basis rezenter soziologischer Theorien ein brauchbares Modell darstellt.

1.1.3.2 Die Trennung der Funktionen im Managementprozess

Mit Trennung der Funktionen des Managementprozesses ist hier gemeint, dass sinnvoll zusammenhängende Aktivitäten von unterschiedlichen Stellen durchgeführt bzw. verantwortet werden. Hier gibt es in der Praxis drei Auffälligkeiten:

[29]die Trennung von (direkter) Führung und Management,die Trennung zwischen Hierarchieebenen,die Trennung durch Einsatz (aktueller) Managementmoden.
1.1.3.2.1 Die Trennung von Führung und Management

Die Trennung von direkter Führung und Management erfolgt v. a. in den USA durch die Unterscheidung zwischen Leadership und Management. Die Unterteilung in Leader und Manager war in den letzten zwei Jahrzehnten in der Praxis sehr populär, wird jetzt aber von neuen agilen und digitalen Modewellen abgelöst. Diese machen sich um die Trennung wenig Sorgen, denn sie wollen Manager ohnehin abschaffen.

Mit dem bisher Gesagten läuft der Managementprozess auf eine Integration der Führungs- und Managementfunktionen hinaus. Bestrebungen v. a. in der amerikanischen Literatur, unter »Leadership« direkte (personale) Führung von Mitarbeitern zu sehen und unter Management ein administrativ-bürokratisches Leiten, ist unter dem Blickwinkel des Managementprozesses nicht sinnvoll.10

Viele Unternehmen hatten in der Vergangenheit aber eher eine ideologische Basis für die Trennung von Leadership und Management. In der Leadership-Management-Dichotomie erfolgt eine Vermischung von Funktionen mit Führungsstilen, (New) Leadership wird als charismatisch-kooperative Führung beschrieben, Leader werden in dieser populären Strömung als »Great Man« verherrlicht (vgl. Neuberger 2002, S. 49f). Management wird dann als ein bürokratisch-verwaltender, kurzfristig orientierter und rationaler Stil gesehen.

Pohlmann und Markova bringen die organisationssoziologische Sicht auf den Punkt: »Management ist immer auch Führung, strategisch ausgewiesene Unternehmens- und Mitarbeiterführung.« (Pohlmann u. Markova 2011, S. 111). Die Logik des Managementprozesses mit den verknüpften, interagierenden Aktivitäten bestätigt diese organisationssoziologische Sicht.

[30]1.1.3.2.2 Die Trennung zwischen Hierarchieebenen

In der unternehmerischen Praxis werden sinnhafte Zusammenhänge im Managementprozess oft aus hierarchischen Gründen zerteilt. Beispielsweise werden Führungskräfte im Teilprozess »Personaleinsatz« durch das Top-Management in ihren Kompetenzen beschnitten. Sie übernehmen Ziele, organisieren die Zusammenarbeit in ihrer Organisationseinheit, haben aber dann keine Verantwortung und manchmal nicht einmal ein Mitspracherecht bei den wichtigen Aspekten des Personalmanagements. Eine Begründung dafür ist, dass speziell Recruiting und Kündigung einerseits eine wichtige Funktion für die Organisation darstellen (nämlich passende Mitarbeiter zu haben). Andererseits stellen sie auch eine wichtige Machtposition dar, die sich das Top-Management nicht nehmen lässt. Ähnliches findet man bei der Trennung von Führung und Anreizsystemen etc.

Diese Aufteilung zusammengehörender Funktionen auf verschiedene Hierarchieebenen lässt sich nur beheben, wenn die leider üblichen dysfunktionalen Aspekte der Hierarchie nicht weiter gepflegt werden.

1.1.3.2.3 Die Trennung auf Basis (aktueller) Managementmoden

Seit Mitte der 2010er Jahre grassieren agile Managementmoden und versprechen, Organisationen und Management radikal zu verändern. Abgesehen davon, dass hier viele Elemente der humanistischen Ideologien zum wiederholten Male auftauchen, ist eine Leitmaxime bspw. von Holacracy, eines der derzeit populärsten agilen Konzepte, Autorität zu teilen und weg von Personen in die Entscheidungsprozesse zu verlagern (Robertson 2016, S. 21). Das führt zu einer radikalen Trennung von Managementfunktionen, von denen die Teile, die von den Prozessen übriggelassen wurden, auf möglichst viele Personen verteilt werden. Obwohl die agilen Moden sehr stark die humanistische Ideologie mit ihren vielfältigen Mythen bemühen, ist dieser Versuch, Entscheidungen über simple Entscheidungsregeln zu automatisieren (also Autorität in Prozesse zu verlagern) ein kräftiger Ruck in Richtung mechanistischer Organisationsvorstellungen.

1.1.4 Zusammenfassung der Managementdefinition und Schlussfolgerungen

Die Forderung, Management solle die oben beschriebenen Funktionen erfüllen und in einen sinnhaften Zusammenhang11 bringen, ist die heute sehr häufig verwendete Defi[31]nition von Management. Außerdem zeigt die Literatur im Zusammenhang mit dem Managementprozess deutlich die Grenzen eines mechanistischen Organisationsverständnisses auf (bspw. bei der Diskussion der Plandeterminiertheit). Die Grenzen zeigen sich in zwei Bereichen:

Notwendige Komplexität, um Management zu verstehen

Es bedarf elaborierter Organisationstheorien mit genügend Eigenkomplexität, um bei komplexen Verhältnissen (intern und extern) genügend Erklärungs- und Verstehenspotenzial über Management zu haben. Pohlmann bringt dies aus organisationssoziologischer Sicht deutlich auf den Punkt: »Ein Phänomen wie das moderne Management lässt sich nur durch eine ausgeführte Theorie der Organisation bestimmen – und genau diese ließ die traditionelle Managementlehre im Regelfall vermissen« (Pohlmann 2002, S. 231). Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Meinungen bezüglich der Fragen, welche Bedeutung Manager haben, welche Aufgaben Management für Organisationen genau erfüllen sollte und in welcher Form das zu geschehen hat, deutlich auseinandergehen. Pointiert formuliert reicht das Spektrum der Meinungen von »ohne Manager funktionieren Unternehmen nicht« bis »Manager stören die selbstorganisierten Mitarbeiter«. Da drängt sich schon die Frage auf, wie diese Unterschiede begründet oder zumindest verständlich gemacht werden können. Diese Fragen werden üblicherweise in Theorien über Management behandelt.

Das mangelnde Verständnis von Management ist aber nur ein Grund, warum eine Aufrüstung mit elaborierten Organisationstheorien als Basis einer echten Managementtheorie dringend notwendig ist.

Notwendige interne Komplexität in komplexen Umwelten

Bei diesem Aspekt ist nicht das Verstehen von Management im Fokus, sondern die massive Zunahme von interner Komplexität innerhalb der Organisation, die notwendig ist, um in komplexen Umwelten zu überleben. Es braucht also Theorien für Management mit angemessener Komplexität. Globalisierung, Technologieentwicklungen, Digitalisierung, gesellschaftliche und demografische Entwicklungen, reife Technologien (insbesondere als Basis der europäischen Industrie), die Liste der in der Literatur genannten Ursachen für die Steigerung der Umweltkomplexität ist lang.12

Hält die interne Komplexität der Organisation nicht Schritt mit der explodierenden Umweltkomplexität, besteht das massive Risiko eines Ausblendens wichtiger Umwelt[32]entwicklung. Wie komplexitätstheoretische Überlegungen zeigen,13 ist die gegenteilige Vorgehensweise in der Praxis üblich. Hoher Komplexitätsdruck von außen führt zu immer einfacheren internen Modellen, um die steigende Komplexität im Griff zu behalten. Dagegen herrscht zwischen Wissenschaftlern, die auf Basis rezenter Organisationstheorien arbeiten, ziemliche Übereinstimmung, dass die Erhöhung der Umweltkomplexität auch zu einer Erhöhung der internen Komplexität führen sollte (Steinmann et al. 2013, S. 137).14 Die stark vereinfachenden Ansätze, die der Managementpraxis angeboten werden, helfen da nur wenig. Sie sind aber die Basis von Managementmoden und haben wegen ihrer starken Vereinfachungen große Attraktivität für Manager, die sich von der Umweltkomplexität und der daraus entstandenen internen Komplexität überfordert fühlen.

Management braucht also eine theoretische Basis, und zwar mit Theorien über und für Management.15 Dieses Plädoyer für eine theoretische Basis mit einem notwendigen Komplexitätsniveau führt direkt in den nächsten Abschnitt, nämlich zu der Frage, ob Management eine Profession ist.

1.2 Professionalität als Basis für »gute Manager«?

Die theoretischen Grundlagen für eine Professionalitätsdiskussion beschäftigt schon überraschend lange die Soziologie. Um die Bedeutung von Professionalität für Manager16 zu verstehen, lohnen sich ein paar einführende Worte aus dem Blickwinkel der Berufssoziologie.

KURZE GESCHICHTE DER PROFESSIONALISIERUNGSFORSCHUNG

Ein Schwerpunkt der frühen Professionalisierungsforschung beschäftigte sich mit Akademikern und ihrer bezahlten Tätigkeiten. Speziell in den USA war mit dieser frühen Phase auch die Frage nach Zugangsbeschränkungen für die Professionen der Ärzte und Juristen durch die Forderung nach formalen Qualifikationen verbunden.

[33]Mitte des 20. Jhs. erreichte die Professionalisierungsforschung in den USA ihren bisherigen Höchststand. In dieser Phase wurde sie in die in Amerika dominante funktionalistische Strömung der Soziologie integriert.17 Insbesondere der frühe Systemtheoretiker Parsons beschäftigte sich seit Ende der 1930er Jahre aus dem funktionalistischen Blickwinkel mit dem Zweck und den damit verbunden Strukturen von Professionen.

Heute stellt sich das Forschungsfeld »Professionssoziologie« sehr zersplittert dar, für eine kompakte Darstellung der Geschichte der Professionalisierungsforschung siehe bspw. Schmeiser (2006, S. 299ff) und Kurtz (2002).

Um nicht in eine berufssoziologische Diskussion zu geraten, werden für die Analyse des Professionalisierungsstatus von Management im Folgenden zwei Theorieströmungen herausgegriffen. Diese haben in der Literatur großen Einfluss auf die Professionalisierungsdiskussion von Management erlangt.

Hier ist v. a. die Strömung zu nennen, die sich ausgehend vom oben erwähnten funktionalistischen Ansatz entwickelte und sich »beschreibend« mit der Frage beschäftigt, welche Funktionen Professionen für die Gesellschaft haben und was Professionen von anderen Berufen unterscheidet.

Wesentlich anders entwickelte sich ein zweiter Strang der Professionsforschung, der machtorientierte Ansatz. In dieser Richtung wird im Wesentlichen diskutiert, wie Professionen es schaffen, Vorteile aus dem Professionsstatus zu entwickeln und zu erhalten. Diese Vorteile können den Professionen (auch von ihnen selbst) aufgrund von Merkmalen wie Expertentum, angesehene Ausbildung und Lösung komplexer Probleme etc. in der Gesellschaft zugeschrieben werden. Es geht bei diesem Ansatz also gar nicht so sehr um gegebene Unterschiede zwischen Professionen und anderen Tätigkeitsgruppen (wie Berufe oder Jobs), sondern darum, wie durch Machtspiele und (konstruierte) Merkmale Vorteile der Professionen aufgebaut und erhalten werden können – oder von anderen Gesellschaftsgruppen bekämpft werden (vgl. zu diesen Entwicklungen bspw. die Zusam[34]menfassung von Hasenzagl u. Mitterer (2009); im Zusammenhang mit medizinischen Professionen insbesondere Freidson (2007)).

1.2.1 Was macht eine Profession aus?

Zur Diskussion, welchen Grad an Professionalisierung Management erreicht hat, wird zuerst der funktionalistische Forschungsstrang aufgegriffen. Die Erkenntnisse bspw. in Form von idealtypischen Merkmalslisten werden dann im nächsten Schritt auf Management angewendet, um den Grad der Professionalisierung im Management zu analysieren. Die funktionalistische Professionalisierungsforschung ist sich in einigen Punkten dieser Merkmalslisten einig, in anderen gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen (siehe dazu bspw. Kurtz 2002, S. 49; Schmeiser 2006, S. 301). In den meisten Merkmalslisten ist direkt oder indirekt folgende Argumentation zu finden: Professionen wenden abstraktes Wissen an, um komplexe Probleme in der Gesellschaft zu bearbeiten und eventuell auch zu lösen. Der Begriff abstraktes Wissen (oft auch als theoriebasierend oder akademisches Wissen bezeichnet) ist notwendig, da die von Professionen bearbeiteten Probleme der Gesellschaft üblicherweise durch hohe Komplexität ausgezeichnet sind. Einfache Probleme werden von Berufen mithilfe von kollektivem Erfahrungswissen bearbeitet, komplexe Probleme von Professionen mithilfe von Theorien. Dadurch ergibt sich die Notwendigkeit einer echten (auf Theorien basierenden) akademischen Ausbildung als Voraussetzung für Professionen.18 Dieses Wissen ist als »body of knowledge«, also als Wissenskern, den jeder Angehörige der Profession besitzen und anwenden können muss, kodifiziert. Typischerweise ist für die Zulassung zu einer Profession auch eine mehrjährige Praxis-Tätigkeit nach der akademischen Ausbildung gefordert, um die Anwendung des Theorie-Wissens in der Praxis zu erlernen. Durch das dabei entstehende Expertentum können die Arbeiten und die Ergebnisse von Professionen schwer von Laien, bspw. von Kunden, nachvollzogen werden. Deshalb sind Professionen autonom in ihren Entscheidungen, in ihren Professionsverbänden wird selbstständig die Qualität gesichert und die Orientierung am Gemeinwohl wird durch ethische Regeln des Verbandes gesichert. Die akademische Ausbildung und der hohe Expertenstatus sichert den Professionen üblicherweise ein hohes gesellschaftliches Ansehen.

[35]Merkmale von Professionen
MerkmaleAusprägungFunktionBeitrag für die Bearbeitung oder Lösung komplexer gesellschaftlicher FragestellungenKonstituierendes MerkmalProfessionsspezifischer Wissenskern (body of knowledge), basierend auf Theorien, um die komplexen Fragestellungen angemessen bearbeiten zu könnenVoraussetzungenAkademische Ausbildung, um notwendige Theorien zu erwerbenPraxistätigkeit, um Anwendung von Theorien zu lernenStandesvertretung zur Qualitätssicherung (inkl. Regelung der Ausbildung) und Einhaltung ethischer StandardsGesellschaftliche FolgenHohe ReputationHohes EinkommenPolitischer und sozialer Einfluss

Tab. 1.1: Merkmale und Merkmalsausprägungen einer Profession

Typische Professionen finden sich im Gesundheits- oder im Rechtssystem. Hier werden komplexe Aspekte der Gesellschaft bearbeitet, sie haben akademische Ausbildungen, vorgeschriebene Praxis und lassen sich geradezu idealtypisch als hoch professionalisiert nach den oben gezeigten Kriterien bezeichnen. Insbesondere die Professionalisierung der Mediziner beschäftigt von Anbeginn der Forschungsarbeiten die Berufssoziologie.

1.2.2 Ist Management eine Profession?

Die Diskussion über den Professionalisierungsgrad von Management finden sich nicht sehr häufig in der Literatur, die Professionalisierung von Unternehmensberatern wurde wesentlich häufiger untersucht.

MANAGEMENT: PROFESSION, BERUF ODER JOB?

Exemplarisch für die Feststellung des Professionalisierungsgrades von Management soll eine Diskussionsreihe in der Zeitschrift Harvard Business Review (HBR) herausgegriffen werden, die sich über mehrere Jahre zog und mit einem Artikel von Khurana und Nohria (2008) begann. Die beiden Autoren beschreiben Merkmale für Professionen ähnlich denen in Tab. 1.1. Sie legen ebenfalls Wert auf eine formale Ausbildung mit fundiertem Wissen und formale Zugangsbeschränkungen, setzen den Schwerpunkt aber auf einen »Code« im Sinne einer

[36]Zweckorientierung zum Wohle der Gesellschaft. Khurana und Nohria halten die Professionalisierung von Management für notwendig, aber wenig abgedeckt. Barker (2010) vertritt im Rahmen dieser HBR-Diskussion hingegen die Meinung, Management sei mehr »Kunst«.19 Diese kann man nicht durch Wissen erlangen, sondern die Managementkunst kann nur durch Anwendung in der Praxis gelernt werden. Der Stanforder Management-Professor Jeffry Pfeffer bringt seinen Standpunkt hinsichtlich der Bedeutung von Wissen in Professionen deutlich auf den Punkt: »In fact, professions have another defining feature: a specialized body of knowledge that practitioners are obliged to ally in their daily work« (Pfeffer 2011, S. 38). Derartige Anwendungen von entsprechendem Wissen sieht Pfeffer im Management nicht, deshalb bezeichnet er es auch nicht als Profession.

Legt man die Kriterien für die beiden anderen Ausprägungen einer bezahlten Tätigkeit zugrunde, dann unterscheidet sich der Beruf im Wesentlichen von der Profession nur in der Art der theoretischen Basis. Ist der »body of knowledge« bei einer Profession auf Theorien aufgebaut, besteht er bei Berufen aus oft jahrhundertealtem kollektivem Erfahrungswissen. Berufe beschäftigen sich weniger mit komplexen Problemen der Gesellschaft, sondern lösen eher praktische Probleme. Aber es gibt bei einem entwickelten Berufsrecht ebenso wie bei Professionen eine Standesvertretung, Zugangsregeln sowie Qualitäts- und ethische Standards.

Der Zivilingenieur (Profession) berechnet einen Tragflügel eines Passagierflugzeugs aerodynamisch, statisch und dynamisch. Er benützt dabei bspw. komplexe nichtlineare Differenzialgleichungssysteme. Ein Handwerker (Beruf) baut die Teile und montiert sie.

Bei der dritten Tätigkeitsgruppe, dem Job, sind keine speziellen Kenntnisse und Fertigkeiten notwendig, es gibt auch sonst keine Regelungen der Tätigkeitsausübung. Der Studentenjob »Rasenmähen« ist ein (heute nicht mehr bekanntes) Beispiel eines Jobs oder auch die Reinigungskraft beim Flugzeugbauer im obigen Beispiel.

Die Frage ist: Wo ist auf Basis der formalen Kriterien Management einzuordnen?

Wenn als Grundlage für das Managementverständnis stark komplexitätsreduzierende Modelle wie mechanistische Ansätze verwendet werden, verwundert es nicht, dass Barker von einer Überforderung der theoretischen Erklärungen spricht. Sind die theoretischen Modelle nicht in der Lage, durch die inhärenten Vereinfachungen auch nur annä[37]hernd passende Antworten auf das soziale Geschehen in Organisationen zu geben, wird das nicht Erklärbare irrational. Irrationale Geschehnisse können nicht rational erklärt werden und ein zielgerichteter Umgang mit diesem Phänomen kann als Kunst gesehen werden. Will man Management aus dieser vortheoretischen Falle befreien, sind entsprechende komplexe Theorien notwendig, wie dies auch die Merkmalsliste in Tab. 1.1 ausweist.

1.2.3 Sollte Management eine Profession sein?

Von Managern kann man nur dann erwarten, die hochkomplexen sozialen Ereignisse, die bspw. bei tiefgehenden Veränderungsprozessen auftreten, erklären und verstehen zu können, wenn einerseits eine fundierte (akademische) Ausbildung, andererseits auch eine entsprechende Lehrzeit in der Praxis erfolgt. In Professionen werden die praktischen Erfahrungen theoretisch gestützt reflektiert und so die Beliebigkeit (im Sinne von Personenbezogenheit) der Interpretation minimiert. Auch hierin liegt also ein Unterschied zu der von Barker vertretenen Sichtweise, Management sei eine Kunst.

Kaum einer der in Tab. 1.1 angegebenen Punkte wird derzeit von Management erfüllt. Insbesondere bieten die mechanistischen und humanistischen Organisationstheorien, die meist die Grundlage für Managementkursen bilden, kaum genügend inhärente Komplexität, um daraus geeignete Managementtheorien zu entwickeln. Folgt man der These, dass die Komplexität der Umwelt, in der Manager agieren, rapide steigt und in dieser entsprechend komplexe Herausforderungen bestehen, liegt die Notwendigkeit einer Professionalisierung von Management auf der Hand.

Das hätte mehrere Vorteile:

Erstens ist es für die Gesellschaft wichtig, abschätzen zu können, was Manager können und was nicht. Vermutlich würde die Professionalisierung auch deshalb zu einem Reputationsgewinn für Management führen, weil die Komplexität der damit verbundenen Tätigkeit offensichtlicher werden würde.Zweitens führen starke Standesvertretungen, die sich nicht in Machtspiele verzetteln, zu einem höheren Qualitätsniveau und v. a. zu ethischen Standesregeln, die zumindest eine Gegenposition zu der in Teilen des Managements grassierenden kapitalistischen Gier bieten könnten.Drittens wären wahrscheinlich Manager auch deshalb Profiteure einer Professionalisierung, weil sie endlich eine der Komplexität ihrer Aufgabe angepasste Ausbildung, adäquate Werkzeuge sowie Standesregeln hätten. Außerdem wäre klar, was von ihnen erwartet werden kann und darf.

[38]1.2.4 Was hindert Management an der Professionalisierung

Wenn die Argumente, die für die Notwendigkeit einer Professionalisierung sprechen, so eindeutig sind, warum ist Management dann noch keine Profession?

Einen Erklärungsversuch hinsichtlich der Gründe für mangelnde Professionalisierung liefert die zweite, oben erwähnte theoretische Strömung, der machtorientierte Ansatz der soziologischen Professionsforschung. Diese Strömung ist für die Managementforschung aus mehreren Gründen interessant, die im Folgenden dargelegt werden. Darüber hinaus sollen im Anschluss auch Entwicklungen im Bildungssystem als Hindernis für eine Professionalisierung kurz diskutiert werden.

1.2.4.1 Machttheoretische Erklärung

Für Manager kann eine Standesvertretung sich neben den genannten Vorteilen aber auch als Nachteil herausstellen. Erfahrungen mit gesetzlichen »Interessensvertretern« haben gezeigt, dass von diesen exekutierte Zugangsprüfungen bspw. in Form von »Gewerbeberechtigungsprüfungen« weder zu einer nachweisbaren Qualitätserhöhung in der Berufsgruppe noch zu sonst einer nennenswerten Weiterentwicklung der Berufsgruppe geführt haben. Eine starke Standesvertretung kann bspw. bereits etablierte Professionisten schützen, indem sie Zugangsbeschränkungen für »gefährliche« Mitbewerber vorgibt sowie zu einem innovationsfeindlichen Schutz des »body of knowledge« führt.

Neben diesen potenziellen Nachteilen durch Standesvertretungen legen machttheoretische Überlegungen auch nahe, dass es durchaus gesellschaftliche Bereiche gibt, die kein großes Interesse an einer starken, ausdifferenzierten Profession »Management« hatten und haben. Sie versuchen vielmehr, Professionalisierungsbestrebungen nach Möglichkeit zu verhindern. In den Gründerzeiten von Management im Zuge der Industrialisierung waren das einerseits Eigentümer von Unternehmen, aber auch politische Vertreter, die eine starke Berufsgruppe »Management« nicht befürworteten. Angst vor dem wachsenden politischen und gesellschaftlichen Einfluss der »Fremdmanager« – im Gegensatz zu den damals vorherrschenden in der Familie verankerten Unternehmensführern – führte dazu, dass die Bildung einer starken, elitär ausgerichtet Profession mit hohem gesellschaftlichen Status zumindest nicht gefördert wurde.

Andererseits gab es bereits zu dieser Zeit die Arbeitnehmer als eine weitere Gesellschaftsgruppe, die von Beginn der Entstehung von Management an kein Interesse an deren wachsender Bedeutung als Profession hatte. Die Interessensgegensätze zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern (bzw. deren Vertreter – den Managern) zeigte [39]sich bereits zu Beginn des 19. Jhs. deutlich. Die immer besser organisierten Arbeitnehmervertreter gewannen beträchtlichen politischen und gesellschaftlichen Einfluss. Da bestand kein Interesse, dem Management ebenfalls diesen Einfluss zuzugestehen.

Heute scheint Management eine immer weniger geachtete Position zu sein, wie bspw. der Managementsoziologe Pohlmann (2002, S. 230) konstatiert. Alten Wein in neuen Schläuchen präsentieren aktuell die agilen Managementmoden, die lautstark eine »Führung ohne Führungskräfte« propagieren. Wenn etwas abgeschafft werden soll, bestehen kaum Chancen, Professionalisierungsbestreben etablieren zu können. Vermutlich werden diese Moden ziemlich wirkungslos vorbeigehen. Aber sie können als ein Indikator für den gesellschaftlichen Bedeutungsverlust von Management interpretiert werden.

1.2.4.2 Ursachen im Bildungssystem

Als weiteren Grund für die fehlende Professionalisierung von Management wird speziell in der amerikanischen Literatur immer wieder auf die Bedeutung der akademischen Ausbildung hingewiesen. Hier wird einerseits die zunehmende Praxisorientierung genannt, in den Kursen werden Praktiker als Lektoren mit geringem theoretischem Bezug eingesetzt (Pfeffer 2011, S. 38). Besonders im deutschsprachigen Raum hat sich eine eigene Lektorenbranche für diverse, eher privatwirtschaftlich angebotene Masterstudiengänge gebildet, die sich in erster Linie aus Einzelberatern mit starkem Praxisbezug rekrutieren. In den meisten derartigen Lehrgängen wird explizit auf die Praxisorientierung hingewiesen, der stellenweise auftauchende Theoriebezug bleibt v. a. hinsichtlich des Theoriebegriffs diffus.

Neben dem Aufweichen der formalen Voraussetzungen (speziell im deutschsprachigen Europa sind bspw. für einige »Masterstudien« immer öfter weder eine akademische Vorbildung noch ein Abitur notwendig) zeigen sich auch die in echten akademischen Managementausbildungen verwendeten Theorien als nicht besonders förderlich für eine Professionalisierung. In den USA stellte bspw. Sumatra Ghoshal fest: »Bad management theories are destroying good management practice« (Ghoshal 2005). Als Ursache für diese »bad theories« sieht er u. a. die bereits weiter oben mehrfach erwähnte mechanistische Ausrichtung der Managementausbildung. Die akademische Ausbildung für Management war im deutschen Sprachraum jahrzehntelang stark betriebswirtschaftlich und damit sehr mechanistisch geprägt und bot so keine sinnvolle Ausbildung in Unternehmensführung.

Es kann also nicht verwundern, dass Management kaum marginale Anzeichen einer Professionalisierung zeigt. Die Frage ist, was dies für die Praxis bedeutet.

[40]1.2.5 Welche Folgen hat ein Mangel an Professionalisierung für die Praxis?

Zuerst muss darauf hingewiesen werden, dass man in der Praxis immer wieder auf Manager trifft, die aufgrund ihrer Ausbildung, der Erfahrung und ihrer sozialen Sensibilität ihre Aufgaben sehr gut erfüllen. Bei genauerem Hinsehen merkt man, dass es Manager gibt, die »geborene« Unternehmer sind und/oder eine exzellente Ausbildung genossen haben. Aber das sind Einzelfälle, die Tätigkeitsgruppe der »Manager« ist deshalb noch lange nicht professionell.

Umgekehrt ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass nicht dem einzelnen Manager eventuelle Überforderung oder Fixierung auf betriebswirtschaftliche Modelle oder Managementmoden vorgeworfen werden kann. Nicht der einzelne Manager hat ein Professionalisierungsdefizit, sondern die gesamte Tätigkeitsgruppe leidet insbesondere an einem ungeeigneten akademischen Theoriegebäude und der fehlenden entsprechenden (akademischen) Ausbildung. Dass diese fehlende Professionalisierung mit kaum für den beruflichen Alltag von Managern geeigneten Werkzeugen leicht zur Überforderung in komplexen Situationen führt, ist mehr als verständlich. Kein Arzt würde als gelernter Fleischhauer nach einem zweiwöchigen praxisbezogenen Arzt-Development-Kurs auf Patienten losgelassen. Im Management ist es eher die Regel, Menschen aus allen möglichen Berufen, nur durch einige praxisbezogene Management-Development-Seminare vorbereitet, in hochkomplexe Situationen mit hohen sozialen Anforderungen in Unternehmen zu schicken.

Im vorliegenden Buch wird die Hypothese vertreten, dass unsere Wirtschaftsregion die zukünftigen Herausforderungen nur mit gut ausgebildeten, professionellen Managern bewältigen wird. Anders sind komplexe Umbruchsphasen nicht erfolgsversprechend zu bewältigen.

1 Studenten greifen dann gerne zu ihren Smartphones und googeln den Begriff. Nur darf man die gleiche Frage am nächsten Tag nicht erneut stellen, denn dann müssen sie meist noch einmal bei Dr. Google nachfragen.

2 Zumindest in Europa ist die Frage allerdings relativ klar zu beantworten: Management war erst in den letzten 60 Jahren positiv besetzt und die Bewertung scheint sich schon wieder in die Gegenrichtung zu entwickeln.

3 Solche prinzipiellen Vorstellungen sind der Rahmen für die darüberliegenden Modelle, die bspw. Führung beschreiben, und werden deshalb als »Rahmentheorien« bezeichnet. Sie betreffen bspw. die Frage, ob eine Organisation aus Menschen besteht oder aus Handlungen und wie die Schnittstelle Organisation und Menschen konzipiert ist.

4 Dies Neigung kann u. a. dadurch begründet werden, dass das Rationalitätspostulat der BWL nicht funktioniert und die Entscheidungen mit hierarchischer Macht durchgesetzt werden müssen.

5 Diese Trennung war keine Erfindung der Management-Klassiker, sondern wurde bereits im 19. Jh. als Babbage-Prinzip bekannt (Staehle 1999, S. 25).

6 Da in der Praxis die Legitimation durch Rationalität nicht funktioniert (siehe FN 4), wird diese im Laufe der Unternehmensentwicklung durch hierarchische Macht ersetzt und die Organisation verbürokratisiert.

7 Eine Erhebung der Anteile an indirekter zu direkter Führung in einer Organisation liefert wichtige Inputs für die Hypothesenbildung bezüglich der Entwicklungsphase der Organisation und hinsichtlich des Führungsverständnisses.

8 Dies wird in der Literatur oft nicht so klar unterschieden (siehe bspw. Steinmann et al. 2013, S. 21)

9 Dass dies speziell in bürokratischen Unternehmen meist nicht so gelebt wird, wird sich in den folgenden Beiträgen noch deutlich zeigen.

10 Mit Leadership ist in der Praxis die verbreitete Sichtweise des charismatischen Führers gemeint. In der amerikanischen Managementforschung hingegen wird zwischen Business Administration als Lehre von den »sachlichen Aspekten« des Managements und »Micro-Organizational Behavior«, das sich v. a. mit individuellen psychologischen Gegebenheiten auseinandersetzt, unterschieden. Die Zuständigkeit der zwei getrennten Theorierichtungen für Management, Tätigkeiten mit sachlichem Bezug (Zuständigkeit: Manager) und psychologischem Schwerpunkt (Zuständigkeit: Leader), ist eine Erklärung im akademischen Umfeld für die begriffliche Trennung in Management und Leadership. Auch wenn diese Trennung zwei Theorierichtungen widerspiegelt, ist sie noch lange nicht sinnvoll.

11 Inwiefern ein Zusammenhang als »sinnhaft« angesehen wird, hängt wieder einmal von der zugrunde liegenden Organisationstheorien ab.

12 Das populäre Akronym »VUCA« findet sich mittlerweile in vielen Arbeiten als Synonym für komplexe Umwelten. Es steht für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity, beschreibt aber nur unzulänglich die tatsächlichen Veränderungen in der Umwelt vieler Organisationen und bildet eher eine populäre Hülse.

13 Siehe dazu Kapitel 5 über Komplexitätsmanagement in diesem Buch für den Umgang mit komplexen Situationen.

14 Diese Diskussion über das Komplexitätsverhältnis zweier sich beeinflussender Systeme wurde das erste Mal prominent von dem Kybernetiker Ashby mit seiner Forderung nach »Requisite Variety« erhoben (Ashby 1961, S. 202ff).

15 Diese Unterscheidung in Theorien für und über Management geht nach dem Informationsstand des Autors auf Moldaschl zurück. Sie ist plakativ, lässt sich aber im hier vertretenen Theorieverständnis nicht immer ganz durchhalten.

16 Wird im Folgenden von »Management« gesprochen, ist dies institutionell, als Berufsgruppe der Manager, und nicht funktional, als Bündel von Aktivitäten, gemeint.

17 Der Funktionalismus in der hier benutzten Form hat eine große Bedeutung in einigen Grundlagentheorien des Managements (siehe bspw. die oben besprochene funktionale Managementdefinition), daher ein kleiner Ausflug für interessierte Leser: Als wichtiger Gründungsvater des Funktionalismus wird üblicherweise Herbert Spencer gesehen, der die Gesellschaft mit der Metapher des Organismus beschrieb. Die Teile der Gesellschaft interagieren miteinander und werden v. a. hinsichtlich ihres Beitrags zur Erhaltung der Gesellschaft (= ihre Funktion) analysiert. Einige Jahrzehnte später war es insbesondere Talcott Parsons, der 1951 dem Funktionalismus mit seinem Buch »The Social Systems« zu großer Popularität verhalf. Dies war so bedeutend, dass die im Funktionalismus verwendete wissenschaftstheoretische Position des Positivismus auch heute noch manchmal als »funktionalistische Position« bezeichnet wird, obwohl die Kernaussagen Parsons nicht der wissenschaftstheoretischen Ebene, sondern eher der Ebene der Rahmentheorien zugeordnet werden.

18 Theorien bilden üblicherweise durch ihre Eigenkomplexität eine Basis, mit komplexen Problemen umzugehen. Die Vermittlung von Theorien und auch die grundlegenden Anwendungen für praktische Probleme werden akademischen Ausbildungen zugeschrieben. Durch die »Praxisorientierung« vieler akademischer Ausbildungsgänge (oft besteht das akademische eher in der Bezeichnung des Abschlusses, oft sogar auf Masterniveau) wird sehr oft auf die Vermittlung von echten Theorien verzichtet.

19 Barker steht damit deutlich im Widerspruch zu einem etablierten zeitgemäßen akademischen Lehrbuch von Steinmann et al. (2013, S. 5).

[41]2 Wozu Theorien?

Eine zentrale These dieses Buches ist, dass einfache Modelle und Alltagsvorstellungen zur Erklärung der organisatorischen Vorkommnisse ausreichen – allerdings nur im »Regelbetrieb« von Organisationen, also wenn weder komplexe Umweltverhältnisse noch interne Schwierigkeiten den geordneten Betrieb von Unternehmen stören. Wird die Situation jedoch komplex, weil sich bspw. das externe Umfeld von Organisationen sehr dynamisch ändert und eine Vielzahl an hochvernetzten Variablen auftreten (große Produktvielfalt, viele Mitbewerber durch Globalisierung etc.), oder herrscht große interne Komplexität durch tiefgehende Veränderungen der Organisation, dann reichen diese üblicherweise simplen Alltagsmodelle oder einfachen Theorien nicht mehr aus. Die Modelle, mit denen Manager ihre Welt beobachten und erklären, müssen selbst komplex genug sein, um in komplexen Situationen brauchbare Informationen zu generieren und passende Annahmen über die wesentlichen Zusammenhänge erstellen zu können. Dies ist unabdingbar, möchte man Organisationen verstehen und versuchen, diese zu »verändern«.20 In solchen Situationen ist eine fundierte theoretische Basis für Management unabdingbar.

Die Praxis sieht das üblicherweise anders. Meist sind Manager stolz auf umfangreiche praktische Erfahrung, sie kaufen für ihr Unternehmen vorzugsweise Weiterbildungen, die sich stark an der Praxis orientieren (Hasenzagl 2011). Man kann daher die provokante These vertreten, dass derartige Angebote für Management Development – wie Weiterbildungsmaßnahmen für (Nachwuchs-)Manager gerne in der Praxis genannt werden – für die Weiterentwicklung von Management eher hinderlich sind, auch wenn sie für den Erhalt des Status quo in einem Unternehmen hilfreich sein können. Insofern lautet eine Frage, die gern in der Praxis gestellt wird: Wozu Theorien?

Im folgenden Abschnitt soll gezeigt werden, warum Theorien gerade unter komplexen Bedingungen notwendig sind. Dazu werden zuerst die verschiedenen Formen und Ausprägungen sowie die Funktionen derjenigen Theorien vorgestellt, die Managementtheorien zugrunde liegen können. Auf dieser Grundlage werden die skizzierte Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis21 beschrieben und deren Folgen aufgezeigt.

[42]2.1 Theorien als Grundlage der Managementpraxis

Das Thema »Theorien« an den Beginn einer Diskussion über Management zu stellen, sollte in der akademischen Auseinandersetzung üblich sein. In zunehmendem Maße findet sich in englischsprachigen Büchern über Organisationstheorien mindestens ein Beitrag zur Wissenschaftstheorie. In diesem werden grundlegende Fragen angesprochen: was Theorien sind, welche unterschiedlichen Theorien es gibt und welche Funktion sie für die Praxis haben.

Auch in deutschsprachigen Standardwerken über Organisationstheorien beginnt langsam die Berücksichtigung wissenschaftstheoretischer Grundlagen Fuß zu fassen. In dem Herausgeberwerk von Kieser über Organisationstheorien (Kieser u. Ebers 2019) findet sich ebenfalls ein eigenständiges wissenschaftstheoretisches Kapitel (Scherer u. Marti 2019).

Dem steht der Trend gegenüber, unter dem Primat der »Praxisorientierung« auf die relevanten theoretischen Grundlagen bei der akademischen Ausbildung zu verzichten.

2.1.1 Theoretiker und Praktiker

Als erster Schritt für die Theorie/Praxis-Diskussion wird näher auf den Theoriebegriff eingegangen. Dabei zeigt sich bereits, dass es gar nicht so einfach ist, von einem Theoriebegriff zu sprechen.

Unter Theorien werden in diesem Buch modellhafte Abbildungen von Ausschnitten der Wirklichkeit verstanden, die helfen sollen, Beobachtungen in dieser Realität zu erklären oder Phänomene sowie Zusammenhänge in einem Realitätsausschnitt zu verstehen. Das ist zwar durchaus auch der Anspruch von Praktiker- oder Alltagsmodellen, die durch die Beobachtung und Modellbildung in der Praxis entstehen und Orientierung und Handlungsanleitung geben. Theorien unterscheiden sich aber massiv von solchen Praktikermodellen.22

Ein wichtiger Unterschied besteht darin, dass Wissenschaft als Ziel hat, »wahre« Aussagen über Sachverhalte und Zusammenhänge zu generieren. Nun wird sich im folgenden [43]Abschnitt zeigen, dass es oft gar nicht so einfach ist, den Wahrheitsgehalt wissenschaftlicher Aussagen und Modelle (also Theorien) festzustellen. Aber es macht schon einen Unterschied, ob eine soziale Vereinigung wie die von Wissenschaftlern als Leitziel das Erstellen möglichst »wahrer« Modelle hat oder ob sie andere Zielvorstellungen verfolgt, wie dies in der Praxis der Fall ist.

Fragt man Manager aus der Praxis nach ihren Leitvorstellungen, werden Ziele wie »Handlungsfähigkeit, schnelles Handeln« oder Ähnliches genannt. »Wahrheit« wurde bei derartigen vom Autor durchgeführten Abfragen in den letzten fünf Jahren kein einziges Mal von Managern genannt. Die Leitvorstellung in der Praxis ist also die Aufrechterhaltung der (raschen) Handlungsfähigkeit.

Damit verbunden ist, dass Alltagmodelle

einerseits