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Wann machen Ihre Mitarbeiter endlich das, was Sie sagen? Tja, schön wär’s ja. Deshalb wird im Management so viel manipuliert, gedroht, incentiviert, Boni ausgelobt, eingeheizt, Fehler bestraft, Widerstände gebrochen und enormer Druck aufgebaut. Dass diese atavistischen Verbalkrücken aus dem Repertoire der uneingestandenen Hilfslosigkeit nicht wirklich funktionieren, hat wohl jede Führungskraft schon bemerkt, die länger als zwei Monate im Amt und nicht völlig wirkungsblind ist. Wussten wir es nicht alle? Nicht mal manipulieren können Manager richtig! Weil sie es nie richtig gelernt haben. Woher auch? Das lernt man an keiner Uni, keiner Business School und in keinem MBA-Kurs – aber hier. Wenn schon manipulieren, dann aber richtig!
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Seitenzahl: 171
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Vorwort: Der Traum jedes Vorgesetzten
1 Manager überzeugen – nicht
2 Manager lügen: – erfolglos
3 Manager machen erfolglos Druck
4 Visionen sind ein Witz
5 Anweisungen sind was für Amateure
6 Mitarbeiter manipulieren Manager
7 Manager heizen ein
8 Manager bestrafen Fehler
9 Manager brechen Widerstände
Nachwort von Mitarbeitern, die machen, was der Chef sagt
Mitarbeiter sind lästig. Mitarbeiter machen selten oder nie, was man(ager) ihnen sagt. Fragt man Führungskräfte, welche hochfliegenden beruflichen Träume sie haben, fällt früher oder später unvermeidbar der Satz: „Aber im Grunde wünsche ich mir bloß, dass meine Leute endlich das tun, was ich von ihnen erwarte! Und möglichst ohne dass ich es erst hundertmal sagen muss!“
Wäre es nicht schön, wenn Ihre Mitarbeiter endlich täten, was Sie ihnen sagen und dies schnell, eigenverantwortlich und ohne dass Sie es ihnen erst dutzendmal haarklein erklären müssen?
Die Realität sieht anders aus. Hört man Führungskräften beim Glas Rotwein zu, gewinnt man den Eindruck, dass der durchschnittliche Mitarbeiter der Horror auf zwei Beinen ist: unselbstständig, unfähig mitzudenken, passiv, lustlos, wenig kreativ und sich in endlosen Meetings auf Firmenkosten unproduktiv die Zeit um die Ohren schlagend. Mitarbeiter, die nur mit unerhörter Anstrengung zu dem zu bewegen sind, was von ihnen erwartet wird. Kein Wunder, dass sich viele Vorgesetzte bei der Mitarbeiterführung vorkommen, als ob sie einen Tanklastzug die Zugspitze hoch schieben müssten: viel Aufwand, wenig Bewegung. Kein Wunder auch, dass jeder Vorgesetzte, ob ihm nun zwei oder 20 000 Mitarbeiter unterstellt sind, von der Antwort auf die Frage träumt:
Wie schaffe ich es, dass meine Mitarbeiter schneller und effektiver das tun, was ich von ihnen erwarte?
In meiner Zeit als Geschäftsführer habe ich in Büchern und Seminaren nach Antworten auf diese Frage gesucht. Ich habe keine gefunden, obwohl es Berge von Büchern gibt, in denen Hunderte Motivationsmethoden dargestellt werden – aber mal unter uns: Kennen Sie einen einzigen Manager, der eine dieser Supermethoden anwendet? Mit Zufriedenheit und Erfolg? Warum nicht? Weil das Niveau dieser Techniken entweder „Tschaka!“ ist; also sehr pragmatisch und langfristig wirkungslos. Oder weil das Niveau so hoch wissenschaftlich, intellektuell und komplex ist, dass kein Praktiker damit etwas Sinnvolles anfangen kann. Die Praxis ist schon komplex genug. Wer braucht da Techniken, die sie noch komplizierter machen?
Das Resultat dieser Notlage: In der Führungspraxis motiviert kein Mensch. Nicht erst seit Sprenger wissen wir: Es wird nicht motiviert. Es wird manipuliert; auch und gerade weil einem nicht geringen Prozentsatz von Vorgesetzten der Unterschied zwischen beidem nicht geläufig ist. Die meisten Führungskräfte verabscheuen Motivation geradezu: „Motivation ist nur was für Weicheier! Ich bin der Boss, also müssen die Leute tun, was ich sage!“ Diesen Spruch höre ich in frappierender Regelmäßigkeit in Führungstrainings und Coachings. Unverhohlen geht es Führungskräften darum, Mitarbeitern etwas „reinzudrücken“, sie von etwas zu „überzeugen“, was diese nicht immer und unbedingt (machen) wollen.
Wer über Motivation reden will, muss bei der Manipulation beginnen – denn das ist es, was Millionen Führungskräfte täglich tun. Es nützt dabei gar nichts, zu behaupten, dass Manipulation etwas Schlechtes sei. Das mag zwar moralisch gerechtfertigt sein, doch das interessiert offenkundig Millionen Führungskräfte nicht sonderlich. Wer eine moralische Diskussion anzettelt, bringt die Rat suchenden Manager nicht weiter. Denn Führungskräfte geben ihre Manipulation nicht einfach auf, nur weil sie moralisch angreifbar ist – was bliebe ihnen dann noch an Führungsinstrumenten? Drohung? Bestechung?
Nein, die Verletzung der Menschenrechte durch Manipulation ist, so hart das klingt, kein hinreichender Grund für deren Aufgabe (der Manipulation, nicht der Menschenrechte – Scherz am Rande). Es gibt einen viel triftigeren Grund dafür:
Die Manipulation der Mitarbeiter funktioniert nicht.
Oder kennen Sie auch nur einen einzigen Fall, bei dem Manager zum Beispiel behaupteten, „Wir müssen keine Leute entlassen!“ (eine der beliebtesten Manipulationen, s. Kapitel 2) und die komplette Belegschaft darauf herein fiel? Das funktioniert nicht. Wie schon Abraham Lincoln sagte: Du kannst alle Leute manchmal, manche Leute immer, aber niemals alle Leute immer hinters Licht führen. Die Manager-Lüge als eine der beliebtesten Manipulationsmethoden funktioniert wie die Rentenlüge inzwischen nur noch bei rund 20 Prozent der Adressaten – und dazu noch bei den falschen: Die High Potentials unter den Mitarbeitern riechen die Manipulation und sehen sich nach einem neuen Job um, bevor die Lüge sich als solche und die Manipulation sich als gescheitert herausstellt.
Trotzdem begegnen Sie, wenn Sie nachher den Wirtschaftsteil der FAZ aufschlagen, der Manager-Lüge garantiert ein halbes Dutzend Mal in wechselnden Kontexten und Variationen, in Pressemitteilungen und Bilanzberichten. Obwohl inzwischen jeder Manager weiß, dass sich nun wirklich nur noch die Allerdümmsten davon manipulieren lassen. Warum verwenden Manager wider besseres Wissen unwirksame Manipulationsmethoden? Warum verschwenden sie ihren Atem auf ineffektive Verbalakrobatik? Weil sie keine Alternative haben: Sie kennen nichts Anderes, sie kennen nichts Besseres. Dem wollen wir abhelfen:
Wenn Sie schon manipulieren, dann manipulieren Sie richtig.
Wie erkennen Sie eine wirksame Manipulation? An einem einzigen Kennzeichen: Sie wirkt. Für jede beliebte und verbreitete Art der Manipulation, wie die Manager-Lüge, die nicht wirkt, gibt es (mindestens) eine wirksame Manipulationsmethode, die zuverlässig wirkt. Meist ist sie sogar noch einfacher, schneller und leichter anzuwenden als die unwirksame Manipulation – wie es so oft im Leben der Fall ist: Das wirklich Geniale ist sehr einfach. Sonst würde es nicht so gut funktionieren. In den folgenden Kapiteln
betrachten wir die beliebtesten Manipulationen der Manager
beleuchten die Gründe für ihr Scheitern
erkennen Sie, wie wirksame Manipulation funktioniert und
bemerken verblüfft, dass wirksame Manipulation meist beiden nützt: dem Manipulateur und dem Manipulierten.
Insbesondere der letzte Punkt klingt unglaublich? Denken Sie an ein Baby: Es hat Hunger. Es schreit. Die Mutter stillt es. Beide lächeln beglückt. Man braucht einen scharfen Verstand, um das als wirkungsvolle Beeinflussung der Mutter durch das Baby zu erkennen, aber das ist es im Grunde – und: Beide sind glücklich damit. So funktioniert Manipulation.
Klingt lächerlich einfach? Ist es auch. Richtig manipulieren ist einfach – sofern man weiß, wie’s geht. Wollen Sie’s wissen?
Die Zeiten, in denen Mitarbeiter das taten, was man ihnen auftrug, sind lange vorbei. Der Fertigungsleiter eines Elektronik-Unternehmens sagt: „Ich habe mal nachgezählt. Wenn ich von meinen Mitarbeitern eine Aufgabe erledigt haben will, die etwas über die übliche Routine hinausgeht, ernte ich in sieben von zehn Fällen erst mal Einwände, Skepsis, Widerspruch oder diese stummen Blicke, wo ich genau weiß: Der macht das jetzt zwar – aber wie er das macht, kann ich mir lebhaft vorstellen: halbherzig.“
Der rebellische, skeptische und passive Mitarbeiter ist nicht die Ausnahme, sondern der Regelfall.
Kaum eine Führungskraft nimmt es krumm, wenn ein Mitarbeiter mal skeptisch guckt. Doch wenn die meisten Mitarbeiter das ständig tun, sorgt es mit der Zeit für den Frust, den zu viele Führungskräfte derzeit erleben. Eine Innendienstleiterin sagt: „Egal, was ich vorschlage – der Großteil der Mitarbeiter winkt erst mal ab. Oft sogar noch, bevor sie gehört haben, was ich möchte. Das ist ganz schön frustrierend.“ Wie gehen Führungskräfte mit dieser Situation um? Wie gehen Sie mit dieser Situation um? Eine der am häufigsten eingesetzten Methoden: Man versucht eben, den unwilligen Mitarbeiter davon zu überzeugen, dass das, was nötig ist, nötig ist:
„Herr Maier, machen Sie doch bitte mal… “
„Och, muss das jetzt sein? Ich bin bis oben zu. Außerdem: Das bringt doch nicht viel. Das haben wir doch schon mal versucht.“
„Was reden Sie denn! Denken Sie an unsere Kunden! Wie sollen wir denn sonst unsere Umsatzziele erreichen?“
Kundeninteressen, Umsatzziele – überzeugende Argumente, nicht wahr? Tatsächlich gibt der Mitarbeiter seine Einwände auf und trabt pflichtschuldig von dannen. Hat der Vorgesetzte ihn überzeugt? Unerfahrene Führungskräfte glauben das tatsächlich. Sie wissen nicht, dass in sieben von zehn Fällen der Mitarbeiter schnurstracks zu seinen Kollegen läuft und sagt: „Der Alte spinnt mal wieder. Stellt euch vor, was er sich jetzt wieder ausgedacht hat… Und als ich ihm sagte, dass das nicht geht, kam er gleich mit Kundenorientierung, Umsatzzielen und anderem Blödsinn.“ Und mit dieser Einstellung geht er an die Aufgabe heran, die Sie ihm aufgetragen haben. Sie können sich vorstellen, was dabei herauskommt. Wir lernen also:
Wenn ein Mitarbeiter keine Einwände erhebt, heißt das noch lange nicht, dass er tut, was Sie ihm sagen.
Wer schweigt, ist nicht unbedingt einverstanden oder gar leistungswillig. Leider müssen wir erkennen:
Mitarbeiter zu überzeugen bringt nichts. Überzeugen überzeugt nicht wirklich.
Warum überzeugen einen normalen Mitarbeiter logische Argumente nicht? Warum motivieren ihn weder Kundenorientierung noch Umsatz oder Rendite? Aus einem einfachen Grund: Weil jeder geistig gesunde Mitarbeiter diese plumpe Manipulation auf den ersten Blick durchschaut:
Mitarbeiter durchschauen „überzeugende Argumente“ sofort als Manipulation.
Das sagen sie auch gegenüber ihren Kollegen: „Stellt euch vor, was der Alte sich jetzt wieder ausgedacht hat… Und als ich ihm sagte, dass das nicht geht, kam er gleich mit Kundenorientierung, Umsatzzielen und anderem Blödsinn.“ Warum funktioniert diese Manipulation nicht? Warum „ziehen“ diese Argumente nicht?
Gegenfrage: Was juckt den Mitarbeiter die Kundenzufriedenheit? Sie ist zwar eines der beliebtesten Manipulationsmittel von Führungskräften – doch der Mitarbeiter denkt sich dabei nur: „Ich bin total überlastet, habe Stress mit der Dispo, ein Kollege ist krank – und der Chef kommt mir mit Kundenzufriedenheit! Wer kümmert sich denn um meine Zufriedenheit? Kein Schwein! Also warum sollte ausgerechnet ich mich um Kundenorientierung (Rendite, Kosten, Umsatz,…) kümmern?“ Oder wie ein Mitarbeiter aus einer Fertigungsstraße eines Kfz-Herstellers mal sagte: „Was gehen mich die strategischen Unternehmensziele an? Ich kriege mein Gehalt auch so.“
Was Sie überzeugt, überzeugt Mitarbeiter nicht.
In den meisten Unternehmen sagen die Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand: „Ich kann Kundenzufriedenheit schon nicht mehr hören!“ Warum nicht? Weil Mitarbeiter diese „vernünftigen und überzeugenden“ Argumente als das erkennen, was sie sind: blanke Manipulation. Natürlich fällt es jeder Führungskraft schwer, das einzusehen. Was ein Vorgesetzter für „überzeugend“ hält, halten Mitarbeiter meist für manipulativ. Und das liegt durchaus in der Absicht eines Vorgesetzten: Mit dem Hinweis auf die Unternehmensziele und die Kundenorientierung soll der Mitarbeiter zu etwas überredet werden, was er von sich aus nicht tun würde. Leider funktioniert das nicht besonders gut, wie wir alle täglich erleben. Warum versuchen Führungskräfte dann trotzdem, Mitarbeiter zu überzeugen?
Sehen Führungskräfte nicht, dass Überzeugen nicht überzeugt? Doch, sie sehen es recht wohl – denn sie leiden ja unter den mangelnden Ergebnissen ihrer Überzeugungsarbeit. Warum lassen sie’s dann nicht einfach? Weil sie in einer Zwickmühle stecken. Als Alternative zur Überzeugung sehen viele Vorgesetzte eben nur die Drohung. Wenn der Vorgesetzte in unserem Beispiel hätte drohen wollen, hätte er gesagt: „Wenn die Kunden nicht zufrieden sind, sind Sie Ihren Job los!“ Diese Brachialmethode verstehen die meisten Führungskräfte als üble Manipulation. Und weil, im Gegensatz zur landläufigen Meinung, es ausgesprochen wenig Sadisten unter Managern gibt, möchte diese Art der Manipulation fast jeder Vorgesetzte vermeiden.
Deshalb setzt der Vorgesetzte in unserem Beispiel auf die weiche Tour: Nicht, weil er von der weichen Tour überzeugt wäre, sondern weil sie ihm als einzige Alternative zur Brachialmethode erscheint. Deshalb appelliert er an die Einsicht des Mitarbeiters. Deshalb versucht er, ihn zu überzeugen.
Führungskräfte überzeugen nicht, weil sie das überzeugend finden, sondern weil sie nicht drohen wollen.
Der Vorgesetzte denkt: Wenn der Mitarbeiter erkennt, wie wichtig Kundenzufriedenheit, Umsatz, Kosten, Rendite oder der Shareholder Value für seine eigene und die Zukunft des Unternehmens sind, wird er die gestellte Aufgabe sicher engagiert angehen! Tut er das? Pustekuchen. Und warum nicht? Weil der Vorgesetzte
A) zwar von der harten auf die weiche Tour wechselt (er überzeugt, statt zu drohen)
B) dabei jedoch übersieht, dass die weiche Tour den Mitarbeiter nicht interessiert.
Dieses Resultat wirkt auf Vorgesetzte in Trainings und Coachings geradezu schockierend: „Was? Wo ich doch extra die große Keule stecken lasse – ja honoriert der Mitarbeiter das denn überhaupt nicht?“ Offensichtlich nicht.
Warum honoriert der Mitarbeiter die weiche Tour nicht? Warum hört er nicht auf „überzeugende“ Argumente? Warum sieht er nicht ein, dass Umsatz, Kosten, Gewinn und Kundenzufriedenheit wichtig für ihn und das Unternehmen sind? Weil es ihm nicht weh tut. „Denken Sie doch an den Kunden, die Kosten, unseren Marktanteil!“ Tut ihm das weh? Nicht die Bohne. Das tut (vielleicht) dem Chef weh – aber dem Mitarbeiter ganz offensichtlich nicht (sonst würde er sich überzeugen lassen).
Warum hört der Mitarbeiter nicht auf vernünftige Argumente? Weil vernünftige Argumente nicht wehtun.
Der Mitarbeiter ist nicht das Unternehmen. Was dem Unternehmen weh tut, tut dem Mitarbeiter nicht (unbedingt) auch weh. Und warum sollte ein Mensch etwas tun, wenn’s ihn nicht schmerzt, es nicht zu tun? Menschen bewegen sich unter anderem erst dann, wenn’s weh tut. Typisches Beispiel: Die meisten Menschen gehen erst zum Arzt, wenn der Schmerz kaum mehr auszuhalten ist. Vorher hat schon die ganze Familie versucht, sie zu überzeugen: „Das tut deiner Gesundheit nicht gut! Du verschlimmerst es damit nur!“ Überzeugt den Patienten das? Nein. Warum nicht? Weil es noch nicht schlimm genug schmerzt!
Jeder Mensch hat eine Schmerzgrenze. Wenn Sie ihn bewegen wollen, müssen Sie über diese hinausgehen.
Überzeugung ist im Vergleich zu Schmerz ein lächerlich ineffizientes Manipulationsmittel. Schmerz überzeugt besser als jedes vernünftige Argument. Ihr Hausarzt wird Ihnen das gerne bestätigen. Natürlich: Neben dem Schmerz gibt es auch noch anderes, was Menschen bewegt; zum Beispiel Erfolg oder der Nutzen erreichter Ziele. Aber das Ziel „Danach geht es mir besser“ motiviert eben nur wenige Menschen zum Arztbesuch. Deshalb konzentrieren wir uns zunächst auf den prinzipiell wirksameren Motivator.
Heißt das, Sie sollen warten, bis dem Mitarbeiter etwas weh tut? Natürlich nicht.
Warten Sie nicht, bis es dem Mitarbeiter irgendwann mal weh tut. Sorgen Sie dafür, dass es ihm jetzt schon weh tut.
Im Verkauf macht man das schon lange. Jeder anständige Verkäufer weiß, dass viele (nicht alle!) Menschen nur kaufen, „wenn ihnen etwas weh tut.“ Also sagen zum Beispiel die Verkäufer einer bekannten Staubsauger-Firma nicht: „Kaufen Sie unseren Sauger. Er erzielt die höchste Werterhaltung Ihres teuren Teppichs.“ Warum sagen sie das nicht? Weil das überzeugt. Es tut aber nicht weh. Deshalb sagen sie: „Hm, da haben Sie aber einen schönen Teppich. Wie alt ist der? Was? Und sieht schon so abgenutzt aus? Wie sieht der erst in drei Jahren aus? Tut Ihnen das nicht leid für den schönen Teppich?“ Vorher nicht – aber jetzt. Warum? Weil der Verkäufer Pain Development betreibt. Er entwickelt einen Schmerz beim Kunden.
Seltsam ist nur: Obwohl zum Beispiel viele Verkaufsleiter mit ihren Kunden sehr erfolgreich Pain Development betreiben, versuchen sie immer noch, ihre Mitarbeiter zu „überzeugen“. Das ist gerade so, als ob man mit der Holzkeule zur Jagd geht, während ein Präzisionsgewehr mit Laser-Zieloptik im Schrank hängt. Leicht verrückt.
Betrachten wir eine Situation, wie sie sich täglich hunderttausendmal in Deutschlands Innendiensten abspielt:
„Herr Maier, fassen Sie doch bitte mal die zweite Tranche der Erstauftrags-Kunden nach. Da scheint bei der letzten Lieferung etwas schiefgelaufen zu sein.“
„Och, muss das jetzt sein? Ich bin bis oben zu, habe Stress mit der Auslieferung und muss auch noch den kranken Kollegen vertreten.“
„Natürlich muss das sein! Denken Sie nur an die jährliche Kundenbewertung! Da wollen Sie doch sicher auch, dass wir gut dastehen!“
Was für ein schwaches Argument! Was für eine untaugliche Manipulation! Glauben Sie etwa, der Mitarbeiter durchschaut diese plumpe Manipulation nicht? Wie viele Mitarbeiter kennen Sie, die bei der jährlichen Kundenbefragung gut dastehen wollen? Eben. Ein normaler Mitarbeiter ist am Mitarbeiter interessiert, nicht am Kunden. Jacke ist näher als Hose. Doch nach diesem Muster versuchen zehntausende deutsche Vorgesetzte täglich ihre Mitarbeiter zu „motivieren“. Das ist keine Motivation. Das ist Manipulation. Und schlechte obendrein. Warum? Weil sie nicht funktioniert. Warum nicht? Weil eine Kundenbefragung niemandem weh tut, am allerwenigsten einem Mitarbeiter. Intelligenter argumentiert da schon folgender Vorgesetzter:
„Frau Müller, fassen Sie doch bitte mal die aktuellen Erstauftrags-Kunden nach. Da scheint bei der letzten Lieferung etwas schiefgelaufen zu sein.“
„Och, muss das jetzt sein? Ich bin bis oben zu, habe Stress mit der Auslieferung und muss auch noch die kranke Kollegin vertreten.“
„Da haben Sie allerdings einiges zu tun. Möchten Sie sich dazu noch Ärger mit den Erstauftrags-Kunden aufhalsen? Möchten Sie warten, bis 50 erboste Kunden stinksauer bei Ihnen anrufen und Sie stundenlang blockieren? Wenn Sie die Kunden von sich aus anrufen, ist das in zwei Stunden erledigt. Wenn Sie es nicht tun, stehlen die Kunden Ihnen eine ganze Woche. Möchten Sie das wirklich?“
Die Mitarbeiterin sagt daraufhin erst einmal gar nichts. Sie reißt die Augen auf, murmelt etwas davon, dass sie die Sache so noch nie betrachtet hat, trabt los und tut, wie der Vorgesetzte sie hieß. Glückwunsch! Die Manipulation funktionierte. Warum? Weil die Aussicht auf massiven Kundenärger weh tut. Menschen funktionieren nach einem einfachen Muster. Das ist kein Zufall, das ist ein Prinzip; nämlich die Komplementärseite des Lustprinzips:
Menschen versuchen, Schmerz zu vermeiden.
Zeigen Sie Menschen die schmerzhaften Konsequenzen, die eintreten, wenn sie nicht tun, was Sie ihnen raten. Das wirkt besser als jede Überzeugungsarbeit. Schmerz überzeugt. Jeder Schmerz?
Wenn Sie möchten, dass Mitarbeiter tun, was Sie möchten, wählen Sie keine überzeugenden Argumente. Wählen Sie Argumente, die wehtun. Was tut Mitarbeitern weh?
Da gibt es zunächst allgemeine Schmerzen, die jeder Mitarbeiter vermeiden möchte: Mehraufwand, Überstunden, Ärger mit Kunden, Kollegen und Vorgesetzten, Verlust von Arbeitsplatzsicherheit, Boni, Prämien, Ansehen und Privilegien,… Für die meisten Verkäufer zum Beispiel ist die Herabstufung beim Firmenwagen schlimmer als jede Gehaltskürzung.
Setzen Sie Schmerz nicht drohend ein – das wirkt kontramanipulativ. Erwähnen Sie ihn sachlich und mit dem Unterton: „Ich möchte dir das ersparen.“
Wenn Sie einem Mitarbeiter explizit drohen, bemerkt er Ihre Manipulationsabsicht und schaltet auf Widerstand. „Wenn Sie nicht nachfassen, können Sie Ihren Jahresbonus vergessen!“ Er fasst danach vielleicht nach – aber nur widerwillig, weil er sauer ist, dass Sie ihm die Pistole auf die Brust setzen. Wecken Sie seine Schmerzvermeidung nicht durch Drohungen, sondern durch Sachlichkeit (Tagesschau-Stil), besser noch mit einer mitfühlenden Komponente: „Jaja, ich weiß, Nachfassen ist lästig. Aber was soll ich machen, wenn die Erstkunden uns aufs Dach steigen und massenhaft abspringen? Dann fehlt mir am Jahresende mächtig Umsatz in der Kasse. Dann weiß ich auch nicht, ob wir in diesem Jahr einen Bonus zahlen können… “ Danach kommt der Mitarbeiter selber auf die Idee, etwas dagegen zu tun – und tut es viel engagierter. Weil es ja seine Idee ist. Tatsächlich hat ihn der Chef zu dieser Idee manipuliert – aber das juckt ihn nicht. Denn er ist an seinem Bonus interessiert, hat also auch etwas von der Manipulation – wie der Chef.
Neben den allgemeinen Schmerzursachen hat jeder Mitarbeiter ganz spezifische „Schmerzvermeidungsknöpfe“, auf die ein versierter Manipulateur drücken kann. Je besser Sie einen Mitarbeiter kennen, desto eher wissen Sie zum Beispiel, dass er
ein Perfektionist ist, und Perfektionisten fürchten nichts schlimmer als Fehler: „Glauben Sie nicht, dass das ein schlimmer Fehler wäre? Können Sie das wirklich guten Gewissens verantworten?“
in seiner Motivationsstruktur außenorientiert ist: „Was sollen denn die Kunden von Ihnen denken, wenn wir ihnen massenhaft Fehllieferungen schicken und Sie als Kundenbetreuer sich darauf noch nicht mal melden? Glauben Sie, die sind Ihnen dafür dankbar?“
ein Visionär ist: „Wo stehen wir in fünf Jahren, wenn wir so weitermachen? Glauben Sie nicht, dass wir dann als die schlampigste Firma in der Branche dastehen werden?“
nur in Ruhe seine Arbeit machen will: „Was glauben Sie denn, was hier los ist, wenn Sie warten, bis 50 erboste Kunden auf der Fußmatte stehen? Dann kommen Sie wieder eine Woche lang nicht zu Ihrer eigentlichen Arbeit.“
prestigeorientiert ist: „Was glauben Sie wohl, was die Kollegen und der Außendienst von Ihnen sagen werden, wenn sich eine Woche lang unsere Erstkunden bei Ihnen austoben? Die Kollegen wissen doch am besten, dass Sie das Debakel durch frühzeitiges Eingreifen hätten vermeiden können!“
Es ist eigentlich überflüssig zu erwähnen – doch die meisten Vorgesetzten machen es falsch: Sie manipulieren einen Perfektionisten mit den Ängsten eines Außenmotivierten. Das funktioniert nicht.
Sie können einen Menschen nur mit seinen eigenen Ängsten manipulieren. Fremde Ängste taugen dafür nicht.
Ein guter Vorgesetzter kennt die persönlichen Schmerzursachen seiner Mitarbeiter. Er weiß, welche Knöpfe er drücken muss. Das wissen Mitarbeiter übrigens auch: Auch sie wissen, auf welche Knöpfe sie bei ihrem Vorgesetzten drücken müssen. Doch davon mehr in Kapitel 6. Kennen Sie die Knöpfe Ihrer Mitarbeiter? Warum nicht?
Einige Leser werden inzwischen einen Blutdruck nahe 200 haben. Denn viele Vorgesetzte finden es moralisch verwerflich, bei ihren Mitarbeitern „auf Knöpfe zu drücken“ oder ihnen gar Angst zu machen, weil ihnen Soziologen, Psychologen und Pädagogen einreden, das sei unmoralisch. Der Vorwurf erscheint auf den ersten Blick begründet. Überprüft man ihn jedoch in einer konkreten Führungssituation, fällt er schnell in sich zusammen. Schlimmer noch: Er erweist sich als äußerst unmoralisch!
Mitarbeitern Angst zu machen, ist im konkreten Fall nicht unmoralisch, sondern moralisch.