Männermanieren - Karolina Leppert - E-Book

Männermanieren E-Book

Karolina Leppert

3,9

  • Herausgeber: edition a
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Zwanzig Jahre Berufserfahrung und irgendwie ist es immer schlimmer geworden. Karolina Leppert, hauptberuflich Domina, findet, dass Männer allzu oft grob, selbstherrlich, ungepflegt und von den Internetpornos verzogen sind. Bei einem Kaffeehaustratsch mit ihrer Wiener Kollegin Mariella tauscht sie sich über die schlechten Manieren der Kundschaft aus, wobei haarsträubende Geschichten aus Deutschland und Österreich auf den Tisch kommen. Frauen werden lachen und den Kopf schütteln und Männer sich vielleicht wiedererkennen. Doch dieses Buch ist mehr als ein Rotlicht-Report der anderen Art. Es wirft ein neues Schlaglicht auf das oft skurrile Verhältnis zwischen den Geschlechtern im Jahr 2016.

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Seitenzahl: 87

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Karolina Leppert: Männermanieren

Alle Rechte vorbehalten© 2016 edition a, Wienwww.edition-a.at

Cover: Lukas BeckCoverfoto: JaeHee LeeGestaltung: HidschLektorat: Sebastian Höllmüller

Gesetzt in der PremieraGedruckt in Europa

1 2 3 4 5 — 19 18 17 16

Print ISBN 978-3-99001-156-0

eBook ISBN 978-3-99001-165-2

eBook-Herstellung und Auslieferung:Brockhaus Commission, Kornwestheim

Die in diesem Buch beschriebenen Begebenheiten haben tatsächlich stattgefunden. Zum Schutz der Privatsphäre handelnder Personen und aus dramaturgischen Gründen wurden Namen, geografische Begriffe, zeitliche Abläufe und die Zuordnung bestimmter Begebenheiten zu bestimmten Personen teilweise geändert.

www.brocom.de

Pass mal auf, Bubi!

Ich hauche ihm noch einen Kuss zu und drehe das Schild außen an der Tür um. Der Tag lief bisher gut für mich, die Kunden gaben sich fast die Klinke in die Hand. Ich binde mir die Haare zu einem Zopf und gehe ins Bad, um mich frisch zu machen.

Kennst du diese Momente? Du kennst sie wahrscheinlich nicht genau so, weil du in einem anderen Fach arbeitest, aber du bist aus der gleichen Branche, also kannst du dir sicher vorstellen, was ich meine.

Im Bad lasse ich das heiße Wasser den Schweiß und andere Körperflüssigkeiten von meiner Haut spülen. Ich genieße dieses Gefühl, nach getaner Arbeit allein unter der Dusche zu stehen. Am liebsten ist es mir so wie jetzt, wenn meine Haut noch sensibel ist, gleich nachdem ein Kunde gegangen ist.

Es geht mir nicht darum, mich möglichst schnell zu reinigen. Schon gar nicht will ich Schuld wegwaschen, denn ich empfinde keine. Ich liebe meinen Beruf. Ich mag Sex, das Zusammenspiel zweier Körper, die Intimität ohne Romantik. Ich mag dieses pure Handwerk, das auf seine Art Kunst sein kann. Mir sind die therapeutischen Elemente dieses Handwerkes bewusst und ich habe dabei immer das Gefühl, auf einfache Art gutes Geld zu verdienen.

So stehe ich mit pochenden Schläfen unter dem heißen Wasser, bin zufrieden und denke an gar nichts. Da höre ich draußen ein Geräusch. Es klingt, als hätte jemand die Tür geschlossen. Anscheinend habe ich vergessen, sie zu versperren. Ich steige aus der Dusche und wickle mich in ein Handtuch. In dem Raum, in den durch das kleine Fenster die Abenddämmerung sickert, sitzt ein junger Mann mit viel zu großer Kappe auf dem Bett. Er kann kaum älter als achtzehn oder neunzehn sein. Das Bett ist noch in dem Zustand, wie ich es mit meinem letzten Kunden verlassen habe. Ich herrsche ihn an. »Was machst du da?«

Seine Kappe sieht aus, als hätte er sie nicht richtig aufgesetzt, sondern nur vorsichtig auf den Kopf gelegt, als würde sie bei einer jähen Bewegung herunterfallen. Seine Hose ist viel zu weit und dazu trägt er ein enges weißes T-Shirt. Er sieht idiotisch aus. »Kannst du nicht lesen?«, sage ich zu ihm.

Er steht auf und grinst mich an. Wahrscheinlich will er sexy und selbstsicher wirken.

Ich brauche dich nicht zu fragen. Ich bin sicher, dass du sie kennst, diese Typen, die sexy und selbstsicher wirken wollen, dabei wie Idioten aussehen, und gegen die du trotzdem nichts hast, zumindest nicht deshalb.

Er hat inzwischen darauf vergessen, zu grinsen. »Eh, was?«, sagt er.

»Draußen, das Schild neben der Tür«, sage ich zu ihm. »Was steht darauf?«

Er verzieht sein Gesicht.

Anscheinend kann er nicht glauben, was er hört. »Das is’ mir egal«, sagt er. »Du bist eine Schlampe. Du machst, was ich sag’, und ich sag’, wir ficken jetzt.«

Seine eigenen Worte scheinen ihm Mut zu machen. In etwas versöhnlicherem Ton fügt er hinzu: »Du bist so geil, wow. Aber du bist zu frech. Ich zahl’ dir sicher nicht den vollen Preis.«

Ich verdrehe die Augen. »Jetzt pass mal auf, Bubi«, sage ich. »Wenn da draußen »besetzt« steht, dann heißt das etwas. Es heißt, dass du warten musst, bis ich das Schild auf »frei« drehe. Wenn du keine Lust zu warten hast, verziehst du dich. Dass du trotzdem hereinkommst und dann auch noch den Preis verhandeln willst! Kannst dir das Taschengeld, das dir deine Mama gibt, sonst wohin stecken. Weiß deine Mama überhaupt, was du mit ihrem Geld machst, Gangster?«

Er fängt zu stammeln an. »Meine Mutter darf das nicht wissen«, sagt er.

»Dann halt den Mund und benimm dich gefälligst wie ein zivilisierter Mensch«, sage ich und deute zur Tür. »Jetzt raus mit dir und warte, bis wieder frei ist.«

Der Flaum über seiner Oberlippe zittert. Er stapft aus dem Zimmer.

Fünfzehn Minuten später bin ich fertig geduscht und geschminkt und das Zimmer ist wieder sauber und ordentlich. Als ich die Tür öffne, um das Schild auf »frei« zu drehen, steht der Junge draußen. Er hält seine Kappe in der Hand. »Komm rein«, sage ich. Er trottet durch die offene Tür.

Ich habe so oder so nichts gegen ihn, aber warum eigentlich nicht gleich so, denke ich. Warum muss er mich zuerst eine Schlampe nennen und den Macho spielen? Pure Unsicherheit? Ich bin seit fünfzehn Jahren in der Branche, seit damals, als ich als kaum erwachsenes Mädchen in die Landdiskos gegangen bin und festgestellt habe, dass es einen Unterschied zwischen Sex aus Liebe und Sex einfach so gibt, dass mir Sex einfach so Spaß macht, dass ich Geld dafür kriegen kann und dass es, wenn ich Geld dafür kriege, ein Beruf ist, der sich nicht wie Arbeit anfühlt. Aber »Schlampe« und »du machst, was ich sag’, und ich sag’, wir ficken jetzt«? Als ich angefangen habe, war das noch nicht so.

Die Vergangenheit hat gegenüber der Gegenwart den Glanz des Verklärten, denke ich, die Jungs waren auch damals schon unsicher und vielleicht haben sich ja nur meine Ansprüche geändert. Aber waren schlechte Manieren wirklich immer schon normal? So normal, dass ich Frechheiten sogar süß finden konnte, wenn der Typ, der sie von sich gibt, nur harmlos genug ist? Haben die Typen nicht früher besser kapiert, dass sie mehr für ihr Geld kriegen, wenn sie sich besser benehmen?

Weißt du, was ich meine?

Auf eine Melange in Wien

Als Mariella mit ihrer Geschichte fertig ist, nimmt sie einen Schluck von ihrer Wiener Melange. Wir sitzen in einer Fensterloge des Café Mozart, gegenüber der Albertina, es ist später Vormittag und draußen scheint die Sonne. Das Café gehört zum Reich der Wiener Cafetiers-Familie Querfeld, die alte Kaffeehäuser mit eleganter Gastlichkeit in die Gegenwart versetzt, ohne ihnen ihr Flair zu nehmen.

Wegen seiner Nähe zu großen Anwalts- und Wirtschaftsprüferkanzleien, Finanzunternehmen und Kommunikationsagenturen sind viele Gäste des Cafés Geschäftsmänner. Doch selbst ein geschneiderter Anzug und polierte Schuhe können das innere Kind eines Mannes nicht verbergen, wenn man einmal weiß, wo man hinsehen muss. Ich hoffe, dass wenigstens ein paar der Männer Mariellas Geschichte und ihr Resümee mitgehört haben und ich weiß natürlich, was sie meint.

Ich bekam erst gestern, ehe ich aus Berlin abreiste, wieder einen dieser Anrufe. Keine Begrüßung. Der Anrufer nannte keinen Namen, nicht einmal einen falschen. »Was kostest du?«, sagte er nur. »Wie groß sind deine Titten?«

Sein Deutsch klang vornehm. Ich fragte mich, was wohl seine eigene Mutter, die Mutter seiner Kinder oder seine Kinder selbst von ihm hielten, könnten sie ihn so reden hören. »Ich vermute, Sie haben sich verwählt«, sagte ich.

»Du bist doch Karolina?«

»Die bin ich. Aber was veranlasst Sie, mich zu duzen? Habe ich es Ihnen erlaubt? Kennen wir uns etwa?«

Mein Anrufer ließ sich davon nicht abschrecken und machte gleich noch einen Fehler. Einen, den ich nicht mehr akzeptiere. »Wie viel kosten Sie?«, fragte er.

Prostituierte sind Frauen, die eine Dienstleistung anbieten. Männer können die Dienstleistungen kaufen, aber nicht die Frau, denn Frauen sind keine Ware. Das schien er nicht zu verstehen, was nicht nur dumm, sondern auch ausgesprochen unhöflich war. Ich hatte genug und legte auf.

Mariella hätte sich schwerer getan, die Höflichkeitsform in der Anrede einzufordern. Sie arbeitet vor allem in Laufhäusern. Das heißt, sie mietet beim Besitzer des jeweiligen Laufhauses ein Zimmer und bietet darin ihre Dienstleistungen an. Ihr Repertoire ist groß. Geschlechtsverkehr in allen Variationen, zudem hat sie sich in ein paar Spezialgebieten einen Namen gemacht. Zum Beispiel im Pegging. Dabei vögelt die Frau den Mann mit einem Strap-on Dildo, den sie sich umschnallt, in den Arsch. Außerdem macht sie Face-sitting, Prostatamassage, Fußerotik, Brustwarzenstimulation und Rollenspiele, und sie ist Fetisch-Spezialistin. Zu unserem Treffen war Mariella gerade von einem Looning-Kunden gekommen, also von einem der Männer, die das Geräusch der Reibung von Körperteilen an einem aufgeblasenen Luftballon oder Schwimmreifen zur Stimulation brauchen. Sie musste mit den Fingernägeln über einen Ballon kratzen und der Mann kam, als der Ballon platzte. »Pop«, sagte er dabei.

Hätte Mariella bei ihrer Version unseres Jobs ein »Sie« verlangt, hätten sie ihre Kolleginnen und Kunden ausgelacht, ganz abgesehen davon, dass es nicht zu ihrer rustikalen Art gepasst hätte. Doch bei mir ist das etwas anderes. Als ich mich vor zwanzig Jahren von Nürnberg auf den Weg ins wiedervereinte Berlin machte, hatte ich noch keine Ahnung, dass ich dort nach einiger Zeit mein vermeintlich »bürgerliches Leben« aufgeben würde. »Bürgerliches Leben« unter Anführungszeichen, weil sich die Frage stellt, was ein bürgerliches Leben bedeutet. Für mich bedeutet es, Verantwortung zu übernehmen, den eigenen Verpflichtungen, sowohl den wirtschaftlichen als auch den menschlichen, nachzukommen und pfleglich mit Mitmenschen umzugehen. Idealerweise sollte jemand sich und seine Wohnung sauber halten und sich um gute Manieren bemühen. Insofern blieb mein Leben bürgerlich, bloß mein Beruf wurde, sagen wir einmal, etwas unorthodox.

In einer Zeitung entdeckte ich einen Bericht über die Beratungsstelle Hydra. Hydra berät Frauen, die in der Prostitution arbeiten und dabei Probleme haben. Ich wollte wissen, worauf ich, wenn ich da einsteigen würde, achten musste, um gesetzeskonform zu handeln. Derartige Anfragen waren bei Hydra damals noch selten, weshalb das Gespräch etwas verwirrend verlief:

»Sie wollen wirklich Prostituierte werden?«

»Ja.«

»Haben Sie Schulden?«

»Nein.«

»Setzt Sie jemand unter Druck? Sie können es mir sagen.«

»Nein.«

»Dann machen Sie doch zuerst eine Therapie.«

Die Beraterin war durchaus kompetent, bloß konnte sie sich einfach nicht vorstellen, dass ich aus Neugierde und eigenem Willen diese Branche kennenlernen wollte.

Ich fragte mich trotzdem, ob ich Sex für Geld machen könnte. Hydra schickte mich schließlich in ein Bordell, wo ich beobachten konnte, wie es lief. Mich störte vor allem eine Sache: Um einen Anrufer auch wirklich als Kunden zu gewinnen, strengten sich die Frauen schon am Telefon an. Sie gurrten in einer Mischung aus vulgären Tönen und Diminutiva. »Bist du der geile Peter mit dem geilen Schwänzi?« So klang das dann.