Manni auf Abwegen - Markus Zang - E-Book

Manni auf Abwegen E-Book

Markus Zang

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Beschreibung

Manni auf Abwegen Lassen Sie sich in Band 1 unserer LiLa-Reiseabenteuer-Reihe in den Süden Afrikas, zu den schönsten Orten Namibias und Botswanas entführen und begleiten Sie Manni hautnah auf seiner höchst emotionalen und turbulenten Selbstfindungstour Manni ist frisch getrennt und will seine Exfrau Inge möglichst schnell vergessen. Er muss Abstand gewinnen, zur Ruhe kommen und will sein Leben neu ordnen. Ein Kollege schwärmt ihm von Namibia vor und dass er dort die erhoffte Ruhe und Einsamkeit finden wird. Doch es sollte anders kommen. Der Zufall und das Schicksal lassen Manni von einem Abenteuer ins nächste stolpern und was er da so erlebt, macht ihn zu einem völlig anderen Menschen ... Einführung in die Welt der LiLa-Reiseabenteuer LiLa steht für Liebe und Lachen und in der Kombination mit Reiseabenteuer können Sie sich denken, was Sie hier erwartet. Meine frei erfundenen Protagonisten nehmen Sie mit in die große weite Welt zu den schönsten Orten auf diesem Planeten und entfachen hoffentlich auch bei Ihnen Sehnsucht nach dem Unbekannten. Freuen sie sich auf Beziehungsdramen vor grandiosen Kulissen, spannende Abenteuer in der Wildnis, Liebe und Laster in Reinkultur und verrückte Begegnungen zwischen Menschen, die Sie nicht mehr so schnell vergessen werden. Jedes Buch der LiLa-Reiseabenteuer-Reihe erzählt Geschichten aus einem anderen Land. Wer selbst schon einmal in diese Länder gereist ist, wird jeden dieser Orte nochmals emotional miterleben und dabei seine eigenen Erlebnisse auffrischen. Für alle anderen sind diese Geschichten wie ein Kurzurlaub für die Seele oder ein Trip in eine bisher unbekannte Welt. Die Buchreihe der LiLa-Reiseabenteuer wird kontinuierlich fortgesetzt, also freuen sie sich schon jetzt auf alles was noch kommt...

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„Wenn jemand eine Reise tut,

so kann er was erzählen“

Matthias Claudius

Deutscher Dichter und Lyriker

„Reisen bedeutet herauszufinden,

dass alle Menschen Unrecht haben mit dem,

was sie über andere Länder denken“

Aldous Huxley

Britischer Schriftsteller und Philosoph

„Lass deine Erinnerungen nie größer werden

als deine Träume“

Douglas Ivester

Amerikanischer Geschäftsmann

Inhaltsverzeichnis

Einführung in die Welt der LiLa-Reiseabenteuer

Manni auf Abwegen

1. Windhoek

2. Unterwegs

3. Im Hotel

4. Sossusvlei

5. Aufbruch in der Dunkelheit

6. Swakopmund

7. Allein am Meer

8. Heia Safari

9. Am Wasserloch

10. Unter Geiern

11. Unterwegs

12. Endlose Weite

13. Planänderung

14. On the road

15. Gewimmel im Fluss

16. Livingstone

17. Im Rausch der Sinne

18. Nächtliche Beichte

19. Am Abgrund

20. Abschied und Aufbruch

21. Eine ganz besondere Nacht

22. Nicht schon wieder

23. Fish River Canyon

24. Am Abgrund

25. Die Rasselbande

26. Orange River

27. Das Ende Naht

Epilog

Ein bisschen Frieden

Pretty Woman

Szenenwechsel

Krieg der Sterne

Einführung in die Welt der LiLa-Reiseabenteuer

LiLa steht für Liebe und Lachen und in der Kombination mit Reiseabenteuer können Sie sich denken, was Sie hier erwartet. Meine frei erfundenen Protagonisten nehmen Sie mit in die große weite Welt zu den schönsten Orten auf diesem Planeten und entfachen hoffentlich auch bei Ihnen Sehnsucht nach dem Unbekannten. Freuen sie sich auf Beziehungsdramen vor grandiosen Kulissen, spannende Abenteuer in der Wildnis, Liebe und Laster in Reinkultur und verrückte Begegnungen zwischen Menschen, die Sie nicht mehr so schnell vergessen werden.

Jedes Buch der LiLa-Reiseabenteuer-Reihe erzählt Geschichten aus einem anderen Land. Wer selbst schon einmal in diese Länder gereist ist, wird jeden dieser Orte nochmals emotional miterleben und dabei seine eigenen Erlebnisse auffrischen. Für alle anderen sind diese Geschichten wie ein Kurzurlaub für die Seele oder ein Trip in eine bisher unbekannte Welt.

Die Reihe der LiLa-Reiseabenteuer wird kontinuierlich fortgesetzt, also freuen sie sich schon jetzt auf alles was noch kommt...

Manni auf Abwegen

Lassen Sie sich in Band 1 unserer LiLa-Reiseabenteuer-Reihe in den Süden Afrikas, zu den schönsten Orten in Namibia und Botswana entführen und begleiten Sie „Manni“ hautnah auf seiner höchst emotionalen und turbulenten Selbstfindungstour

Manni ist frisch getrennt und will seine Exfrau Inge möglichst schnell vergessen. Er muss Abstand gewinnen, zur Ruhe kommen und will sein Leben neu ordnen. Ein Kollege schwärmt ihm von Namibia vor und dass er dort die erhoffte Ruhe und Einsamkeit finden wird. Doch es sollte anders kommen.

Der Zufall und das Schicksal lassen Manni von einem Abenteuer ins nächste stolpern und was er da so erlebt, macht ihn zu einem völlig anderen Menschen ...

1

Windhoek

Oh Mann, was war das für ein Flug. Warum gibt es bei den Sitzplatzreservierungen keine Gefahrenhinweise zum Körpergewicht oder zum Schnarch-Verhalten des Sitznachbarn? Ich bin ja auch nicht gerade schlank, aber wenn zwei so korpulente Menschen beim Versuch sich anzuschnallen ständig nur gegenseitig an den Arsch packen, weil keiner mit seiner Hand durch die Sitzspalte kommt um den Gurt zu fassen, wird es echt ungemütlich. Ich habe jetzt noch einen ganz feuchten Oberschenkel, weil mein Nachbar und ich uns jetzt zehn Stunden lang aneinander gerieben haben. Davon mal abgesehen, dass ich diesen Schweißgeruch jetzt bis zur nächsten Duschgelegenheit nicht mehr aus der Nase bekomme, werde ich vor Müdigkeit vermutlich nicht einmal stolperfrei ein Taxi besteigen können.

Inge hat mir mein Leben lang vorgeworfen, ich würde schnarchen, aber nach dieser Nacht weiß ich erst, zu welchen Geräuschen Menschen im Schlaf fähig sind. Immer dann, wenn ich mit tiefsitzenden Ohrstöpseln endlich ins Koma fallen wollte, spürte ich die wütenden Tritte der hinter uns sitzenden Fluggäste in meiner Rückenlehne. Offensichtlich sind nicht alle Fluggäste so rücksichtsvoll und friedlich wie ich, aber das Grauen hat nun ein Ende. In etwas mehr als einer Stunde werden wir hoffentlich in Windhoek landen, aber zuvor gilt es für mich noch die schwerste Prüfung im Flieger zu bewältigen, das Frühstück.

Sicherlich gibt es Menschen, die mögen Rührei, aber ich gehöre nicht dazu. Ich bekomme schon Anzeichen von Würgereiz, wenn ich Rührei am Buffet im Hotel unter der geschlossenen Edelstahlklappe nur erschnüffele, aber hier im Flieger wird es echt apokalyptisch. Da reißen dann über 300 Fluggäste die Folie ihrer Frühstücksbox ab und der ganze Flieger stinkt wie das Innere einer Geflügelfarm, in der man vergessen hat die Fenster auf Kipp zu stellen. Warum gibt es nicht einfach nur ein belegtes Sandwich mit Schinken oder Käse oder zwei Brötchen mit Marmelade, so wie es die Leute auch zuhause essen würden? Das Schlimme ist, dass ich nicht einmal ein Fenster aufmachen darf. Ich muss niemanden erklären, was die Kombination aus unfreiwilligem, nachbarschaftlichem Schweißabrieb und dem Gestank von Rührei auf 8.000 Metern Flughöhe für meine Nase bedeutet. Ich habe den Verdacht, dass die Fluggesellschaften nur wegen dieser morgendlichen Rühreiexzesse Kotztüten ins Netz des Vordersitzes stecken. Wenn ich meinen Nasenflügeln trauen darf, hat einer der Fluggäste in den hinteren Reihen sein Frühstück gerade an eine dieser Tüten wieder zurückgegeben. Ich bin offensichtlich nicht alleine mit meiner „Ei-Phobie“.

Nach dieser Symbiose aus Erbrochenem, Rührei und dem Schweißgeruch meines korpulenten „Schnarch-Nachbarn“, bin ich überglücklich den Flieger nach der Landung in Windhoek endlich verlassen zu dürfen.

Jetzt stehe ich hier in einer Wartehalle und keiner wartet auf mich. Normalerweise buche ich Pauschalurlaube und dann steht irgend so ein armer Wicht hinter der Absperrung und hält sein Schildchen hoch, bis er alle seine Schäfchen eingesammelt hat. Da brauchst du dann nur treudoof hinterherzulaufen und möglichst in den richtigen Bus einzusteigen, alles andere regelt irgendeiner. Urlaub beginnt im Kopf und wenn man sein Hirn für ein paar Tage abschalten darf, ist das echte Erholung. In diesem Moment regelt niemand was für mich und ich frage mich, ob ich mich nicht etwas überschätzt habe als ich diesen Trip nach Namibia gebucht habe. Namibia steht für Einsamkeit, für menschenleere Wüsten und absolute Ruhe, also für alles, was ich gerade so nötig brauche.

Ich habe im Moment keinen Bock auf Menschen, nicht nach dem, was ich die letzten Wochen erlebt habe. Deswegen habe ich auch keinen Pauschalurlaub und auch keine organisierte Rundreise gebucht. Meine Freunde haben mich gewarnt, regelrecht bekniet und meinten: „Wie doof ist das denn? Nach diesem ganzen Scheiß zuhause, machst du dir so einen Stress und willst in einem fremden Land alles selbst organisieren? Lass es, da wirst du doch niemals zur Ruhe kommen.“ Im Grunde genommen haben sie recht. Schon kurz nach der Landung wird mir klar, dass es keine besonders gute Idee war einfach nur den Flug zu buchen und dann zu schauen, worauf ich Lust habe. Im Moment habe ich Lust ein Schild zu sehen, auf dem steht: „Hallo Manni, herzlich willkommen in Windhoek!“

Dann würde ich brav hinterherlaufen und wüsste wenigstens ungefähr, wie es weitergeht. So stehe ich ziemlich verloren, mitten in einer Traube von Menschen, deren Sprache ich nicht verstehe und hoffe auf eine Eingebung. Früher hätte sich Inge um so etwas gekümmert, denn Inge kann gut Fremdsprachen. Heute kümmert sie sich aber um Joachim, denn mit ihm kann sie auch gut, zumindest besser als mit mir. Ich hätte nicht gedacht, dass ich meine Frau - oder sollte ich besser sagen „zukünftige Exfrau“ - schon am ersten Tag meiner Reise vermissen würde. Inge hätte jetzt ganz resolut den nächstbesten Typen angequatscht, der einigermaßen intelligent ausgeschaut hätte und sich von ihm den Ausgang zeigen lassen. So ähnlich hat sie auch Joachim kennengelernt, aber der hat ihr noch ganz andere Sachen gezeigt. Über Joachim will ich jetzt aber nicht nachdenken, ansonsten versaue ich mir den ganzen Tag.

Ich trotte jetzt einfach den anderen Leuten hinterher, denn die wollen ja auch irgendwohin und sicherlich nicht in der Flughafenhalle übernachten, auch wenn einige so aussehen. Nicht wenige Frauen tragen offensichtlich bunte Bettdecken über der Schulter oder um ihre breiten Hüften und einige haben ihre Kopfkissenbezüge sogar um ihren Kopf gewickelt. Da ich im Flieger kaum schlafen konnte, habe ich ein wenig im Airline-Magazin geblättert und dort stand etwas über diese „Herero-Frauen“. Das stolze Volk der Herero, das in der Stadt Windhoek wohl omnipräsent ist.

Hier im Flughafen sind sie es definitiv, aber es sind fast ausschließlich die Frauen, die so dermaßen ins Auge fallen. Als ich die Bilder im Magazin sah dachte ich, dass die Fotos schon ziemlich unvorteilhaft geschossen wurden, denn diese Herero-Frauen sahen in der Mitte ihres Bettdeckenbezuges ziemlich breit aus. Jetzt, da ich das alles in echt sehen darf, kommen mir die Fotos sogar noch schmeichelhaft vor. Inge war auch nie so richtig schlank, aber in dieser Gesellschaft würde sie definitiv als Gazelle durchgehen. Vielleicht tragen diese dicken bunten Tücher auch nur etwas auf? So etwas kann offensichtlich nicht jede Frau tragen. Tja, andere Länder, andere Sitten. Wenn ich allerdings die stolzen Blicke der dazugehörigen Männer sehe, scheinen die damit sehr glücklich zu sein. Ich dachte immer es wäre nur ein dummes Klischee, aber die Körperfülle einer Frau scheint in dieser Region von Afrika noch immer ein anerkanntes Statussymbol für Wohlstand zu sein. Namibia ist ganz offensichtlich ein sehr reiches Land, aber das kommt mir jetzt schon irgendwie gelegen, denn ich bin nicht wegen der hübschen Frauen hier, sondern um auf ganz andere Gedanken zu kommen.

Dieses Theater-Drama mit Inge und Joachim nagt noch ziemlich an mir und wenn ich nicht aufpasse, dann werde ich davon noch regelrecht zerfressen. Mit Inge hätte ich so eine Reise vermutlich niemals machen können. Inge braucht immer diese „Wohlfühl-Area“ um sich herum, damit sie halbwegs zufrieden ist. Ich konnte ihr das wohl nicht im geforderten Maße bieten und deswegen war sie mir gegenüber in letzter Zeit alles andere als zufrieden, eher das Gegenteil.

Wenn jede noch so kleine Meinungsverschiedenheit immer gleich in Geschrei übergeht, dann hast du irgendwann nur noch Sehnsucht nach Stille und Frieden. Genau das suche ich jetzt in den Wüsten von Namibia.

Im Fernsehen habe ich auf ARTE letztens eine Dokumentation gesehen, in der europäische Touristen behaupteten, sie wären nach nur wenigen Tagen in Namibia in der Lage gewesen ihren eigenen Atem und ihren Herzschlag zu hören, so ruhig ist es in den abgelegenen Wüstenregionen. Ich bin sehr gespannt, ob auch ich mein Herz hören kann. Inge hat in unserer Trennungsphase behauptet, ich hätte gar kein Herz, aber vielleicht hat sie bei dem ganzen Trubel einfach nur nicht richtig hingehört. Wenn du dir immer wieder die gleichen Bilder oder Situationen in den Kopf rufst, dann glaubst du irgendwann an das, was du da denkst, egal ob es stimmt oder nicht. Inge hat über die Jahre ihre ganz eigene Wahrheit entwickelt und so wie es aussieht, trage ich eine ganz andere in mir. Auf jeden Fall liegt mir diese im Moment ganz schön schwer auf meinen Schultern. Ich brauche dringend andere Bilder in meinem Kopf. Ich will mich selbst wieder spüren und vielleicht spricht dann auch mein Herz wieder zu mir. Es kann natürlich sein, dass es schon die ganze Zeit zu mir spricht, aber was willst du machen, wenn du es vor lauter Geschrei nicht hören kannst? Hier in Namibia wird keiner schreien, höchstens ein paar Wildkatzen oder Raubvögel.

Kaum habe ich diesen Gedanken gedacht, hallt mir hektisches Geschrei entgegen. Ein junger Typ neben mir wollte eine dieser bunten Herero-Frauen fotografieren und steht nun kreidebleich, wie zur Salzsäule erstarrt neben mir und blickt angstvoll in die Richtung aus der die Schreie kommen. Dieser Schnappschuss war wohl keine gute Idee. Selbst ich, der keine Ahnung von den guten oder schlechten Sitten im südlichen Afrika hat, spürt, dass man das nicht hätte tun sollen. Das Objekt der fotogenen Begierde stößt einen spitzen Schrei nach dem anderen aus und aus allen Ecken kommen aufgebrachte Männer herangespurtet, die in einer mir unverständlichen Sprache auf den jungen Kerl verbal einschlagen, dass man Angst um sein Leben haben könnte. Gottseidank bleibt es nur bei den lautstarken und sehr emotionalen Zurecht-weisungen und endet nicht noch in körperlichen Angriffen.

Ich habe mal in einem Buch gelesen, dass indigene Völker im Amazonasgebiet Angst vor Fotoapparaten haben, weil sie dachten, diese würden ihre Seelen einfangen. Keine Ahnung, warum das hier jetzt so ausgeartet ist, aber es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass man diese Frauen nicht fotografieren soll. Ich werde es mir merken. Es reicht, wenn ich mit Inge Stress habe.

Gottseidank sprechen hier ein paar Leute einigermaßen Englisch und jetzt stehe ich am Schalter einer Mietwagenfirma und muss feststellen, dass es doch schwieriger ist als gedacht.

Ich habe mir schon öfter Mietwagen angemietet, aber das war dann meistens auf einer dieser kanarischen Inseln, in Italien oder irgendwo in Griechenland. Da kommst du mit einem Kleinwagen meistens überallhin, aber hier scheint das so nicht zu funktionieren. In meinem Budget hatte ich einen Kleinwagen einkalkuliert und jetzt schüttelt mein Gegenüber heftig mit dem Kopf und will mir keinen Schlüssel aushändigen, nur weil ich das Stadtgebiet von Windhoek verlassen und Richtung Namib-Naukluft Nationalpark fahren will. Soweit ich weiß, führen dorthin ordentlich asphaltierte Straßen und da sollte so ein kleiner Citroen oder ein Fiat doch ausreichen, also was soll das jetzt mit dem vierradgetriebenen Offroader? Das ist doch sicher nur Geschäftemacherei, oder? Wenn ich in diesem Moment gewusst hätte, was mich in Namibia erwartet, wäre ich sicherlich auf seine Einwände eingegangen, bin ich aber nicht. So haben wir uns auf einen Fiat 500 geeinigt, für den ich allerdings versicherungstechnisch einen nicht gerade geringen Zusatzbeitrag zahlen soll. Hätte ich den Vertrag doch nur richtig durchgelesen, dann wäre mir die „Abschleppklausel“ vermutlich aufgefallen, aber ich wollte einfach nur weg vom Flughafen und der Hektik der Stadt. Also alles unterschreiben, Schlüsselübergabe, Koffer rein und los geht`s. Das mit dem Koffer hatte ich mir auch anders vorgestellt. Erstens gab es bisher immer freundliche Busfahrer oder Hotelbedienstete, die mir den Koffer abgenommen haben und zweitens musste ich frustriert feststellen, dass italienische Kleinstwagen rollenkofferuntauglich sind, zumindest für den, den ich mir gepackt hatte.

Wie kann man nur Autos in dieser Größe bauen, bei denen man nicht einmal die Rückbank umlegen kann? Nach ungefähr 20 Minuten hatte ich meinen riesigen Rollenkoffer irgendwie auf die Rückbank gewuchtet, ohne gleich für 2.000 € Lackschäden zu verursachen und wäre am liebsten umgehend in die nächste Klinik gefahren, um mir eine Schmerzspritze in meine Lendenwirbel verpassen zu lassen.

2

Unterwegs

Ich wollte es ja so, aber so ganz alleine ist auch irgendwie doof. Nach all dem aufgestauten Frust der letzten Wochen brauche ich dringend jemanden der mir zuhört, bei dem ich all meinen „Müll“ loswerden kann, aber außer mir ist keiner da und so langsam habe ich keine Lust mehr auf diesen ewig vor sich hin nörgelnden Typen, der meine Sonnenbrille trägt. Ich frage mich, ob ich früher auch öfter so muffig drauf war. Ich meine diese eher pessimistische Grundhaltung, bei der du unterschwellig nach jeder sich bietenden Gelegenheit geierst, in der du jemanden kritisieren oder ihm für irgendwas die Schuld in die Schuhe schieben kannst. Vielleicht ist das auch einer dieser unausgesprochenen Gründe, warum Inge mich verlassen hat? Gerade jetzt als ich mich in meinem Rückspiegel betrachte, denke ich, dass ich mit so einem Menschen nicht wirklich gerne unterwegs sein möchte. Vor allem nicht in dieser Wüstengegend, in der du wenige Alternativen hast, wenn es um adäquate Gesprächs-partner geht. Gut, dass ich eine Sonnenbrille aufhabe, denn wenn ich mir jetzt in die Augen schauen könnte, würde ich vermutlich feststellen, dass ich einen tieftraurigen Blick habe, der so überhaupt nicht zur Urlaubsfreude passt. Naja, genau genommen ist das hier alles andere als Urlaub. Erholung fühlt sich anders an. Früher habe ich Inge hin und wieder vorgeworfen, sie würde den Unterschied zwischen einer Reise und einem Urlaub nicht kennen.

Ich hatte darüber was in einem Reise-Magazin gelesen und wollte mal wieder oberschlau daherreden. Ich fand, es hörte sich auch irgendwie überzeugend an, das dachte ich zumindest. Jetzt, da ich zum ersten Mal tatsächlich auf Reisen bin muss ich nüchtern feststellen, dass theoretisches Wissen und praktische Erfahrung ganz schön auseinander-klaffen. In dieser einsamen Gegend denke ich unaufhörlich daran, was ich tun soll, wenn das Auto plötzlich eine Panne hat, oder mir das Benzin ausgeht. Wenn du am Pool einer Vier-Sterne-Hotelanlage liegst, hast du diese Sorgen definitiv nicht. Am Pool kannst du dich mit all diesen mehr oder weniger attraktiven Bikini-Frauen ablenken oder dir mit ein paar Cocktails die Sorgen wegsaufen, aber danach brauchst du hier in dieser Einöde erst gar nicht zu suchen.

Bis zum Horizont nur Brauntöne, Grautöne, Rottöne und hin und wieder ein verdorrter Strauch. Die Straße verläuft seit gefühlten zwei Stunden schnurstracks geradeaus, sodass ich Angst haben muss einzuschlafen. Mir sind seit Windhoek gerade mal ein Dutzend Autos entgegengekommen und ich habe mich jedes Mal echt darüber gefreut. Wenn nicht diese endlosen Weidezäune links und rechts der Straße wären, könnte man meinen, dass man auf dem Mond unterwegs ist. Ich frage mich seit Stunden, warum man diese Zäune dahin gebaut hat? Bei uns in Deutschland findest du in der Nähe des Zaunes immer ein paar neugierige Tiere, die versuchen den Kopf zwischen den Draht zu stecken, weil sie glauben, dass das Gras auf der anderen Seite besser schmeckt.

Hier wächst nichts, was einem Tier schmecken könnte, weder auf der einen, noch auf der anderen Seite des Zaunes. Was lebt dort überhaupt? Ich habe bisher weder Kühe, noch Rinder und auch keine Schafe oder sonst irgendwelche Tiere gesehen.

Angeblich soll es in Namibia die meisten Skorpione auf der ganzen Welt geben, aber die verstecken sich vermutlich gerade alle unter den Milliarden Steinen, die hier überall auf dem Wüstenboden rumliegen. Die trauen sich nicht einmal über die Straße zu huschen, obwohl sie das bei den wenigen Autos durchaus wagen könnten. Denen ist das bestimmt zu heiß. Wenn ich gewusst hätte, wie heiß sich 45 Grad in einem schlecht klimatisierten Fiat 500 mitten in der Wüste Namibias anfühlen, wäre ich sicherlich nicht um diese Uhrzeit losgefahren. Ich habe in einem Reiseführer gelesen, dass man in Namibia nach Einbruch der Dunkelheit möglichst nicht mehr mit dem Auto unterwegs sein soll, das wäre zu gefährlich. Angeblich wegen der Tiere! Was für Tiere? Selbst wenn es hier welche gäbe, würden die doch alle hinter irgendeinem Zaun zum Stehen kommen, oder? Angeblich sollen hier in Namibia viele Elefanten leben, was mir beim Anblick dieser endlosen Wüsten ohne Bäume, Sträucher oder auch nur einem winzigen Wasserloch schwerfällt zu glauben. Vielleicht bin ich auch nur noch nicht dort angekommen wo die Elefanten leben? Wenn es hier Elefanten gäbe, dann wären die Zäune doch sicherlich alle niedergetrampelt, oder?

Während meine müden Blicke von links nach rechts zum jeweiligen Horizont schweifen, stelle ich mir vor wie es wäre, wenn hinter all diesen Zäunen tausende glückliche Kühe auf saftig grünen Weiden grasen würden. Plötzlich taucht vor mir, wie aus dem Nichts, eine Kreuzung auf. Ein großes Schild verspricht Erlösung: Namib-Naukluft Nationalpark 30 Km. Nationalparks sind immer etwas Besonderes, also wird es hier auch nicht anders sein. Inge und ich waren mal vor einigen Jahren im Nationalpark Berchtesgadener Land und ja, dort war es ganz besonders schön, selbst mit Inge, die es nicht unbedingt in die Natur zieht. Ich erinnere mich gerne an die knusprige Schweinshaxe und das kalte Weizenbier im Biergarten am See. Herrlich! Ich glaube, die Hitze macht mir echt zu schaffen, ich bekomme langsam schon Wahnvorstellungen.

Erst die glücklichen Kühe auf saftig grünen Weiden und jetzt die Vision vom eiskalten Weizenbier mit Blick auf einen Gebirgssee. „Manni, bleib cool, du bist in Namibia und hier gibt es keine Gebirgsseen“ höre ich mich bestimmend, aber nicht unhöflich vor mich hinsagen. Ist das nicht krank? Da setzt du dich zehn Stunden lang in ein Flugzeug, weil du Fernweh hast und unbedingt mal was anderes sehen willst und kaum bist du da, sehnst du dich nach dem, was du zuhause gerade hinter dir lassen wolltest. Fernweh ist wohl so eine Art Krankheit und kann sogar weh tun, steckt ja sozusagen schon im Wort.

Jetzt bin ich aber hier in Namibia und ich werde diese zwei Wochen genießen, jawoll! Wenn ich jetzt im Berchtesgadener Land wäre, dann würde ich bestimmt nur an Inge denken, wie sie nörgelnd neben mir hertrottet und hörbar vor sich hin schimpft, was Menschen überhaupt antreibt freiwillig durch den Wald zu laufen, wo es hier doch nur schmutzig ist und überall kleine eklige Tiere über den Boden krabbeln. Inge und ich hatten es nach diesem Urlaub in Bayern endgültig aufgegeben, etwaige Gemeinsamkeiten oder Hobbys zu finden, die uns beide begeistern. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, gab es verdammt wenige Gemeinsamkeiten die uns verbanden. Mein Vater hatte mir damals kurz vor der Hochzeit ins Ohr geflüstert: „Gegensätze ziehen sich an, mein Junge, also mach dir nicht so einen Kopp!“ Klar, fand ich das spannend, mit einer so ganz anderen Frau zusammen zu sein als mit meiner Mutter, mit der ich fast 30 Jahre unter einem Dach lebte. Ich kann mich bis heute nicht davon freisprechen, dass ich bei Frauen häufig darauf achte, dass sie meiner Mutter ähnlich sind. Angeblich sollen Menschen bei der Partnerwahl unbewusst nach Charaktereigenschaften suchen, die sie von ihren Müttern oder Vätern kennen. Auf der einen Seite macht es das Zusammenleben sicherlich leichter, weil jeder vom anderen ungefähr weiß, wie er oder sie in bestimmten Situationen reagiert. Allerdings kann das Leben dann auch irgendwann einmal zu berechenbar und langweilig werden. Deswegen war Inge für mich eine willkommene Abwechslung in meinem Leben, das zu diesem Zeitpunkt ein wenig müde und zu sehr eingefahren wirkte.

Die Anziehung der Gegensätze ist kein physikalisches Gesetz, auf jeden Fall gilt es nicht für Paarbeziehungen. Wenn es ein physikalisches Gesetz wäre, dann würde es immer und für jeden gelten und nicht nur für maximal ein oder zwei Jahre zu Beginn einer Beziehung. Wenn ich damals etwas besser darüber informiert gewesen wäre, dann hätte ich vermutlich schon vor unserer Hochzeit bemerken können, dass diese Gegensätze auf Dauer eher abstoßend als anziehend wirken. Aber was wäre denn die Alternative gewesen? Hätte ich eine „gleichgeartete“ Frau wie meine Mutter heiraten sollen, die vermutlich von Anfang an reibungslos funktioniert hätte? Meine Kollegen haben schon öfter von einer gut funktionierenden Ehe oder Beziehung gesprochen und früher dachte ich immer, wie langweilig das klingt, so gar nicht nach Romantik, Sehnsucht oder Spannung. Heute bin ich schlauer, aber so wie mein Vater seine eigenen Erfahrungen sammeln musste, so werde ich das auch tun müssen, denn Inge wird vermutlich nicht meine letzte Beziehung sein, so hoffe ich zumindest.

Jetzt habe ich mir aber erst einmal eine Auszeit verordnet. Keine lockenden Frauen am Hotelpool oder beim Beach-Volleyball, sondern die pure Einsamkeit. Bevor ich nach einer neuen Beziehung suche, muss ich mich erst einmal selbst wiederfinden. Wenn ich jetzt eine andere Frau kennenlerne, würde die wahrscheinlich alles abkriegen, was sich bei mir und Inge in all den Jahren aufgestaut hat. Das wäre unfair und würde vermutlich im Chaos enden.

Ich bin mir nicht sicher, ob diese zwei Wochen tatsächlich ausreichen zu mir selbst zurück zu finden, aber in diesem endlos flachen Land ohne Hecken und Sträucher kann ich mich offensichtlich nirgends verstecken und das macht es hoffentlich leichter.

Vor mir taucht ein leicht verwittertes Schild „Willkommen im Namib-Naukluft Nationalpark“ auf und das meine ich wörtlich. Das steht da in deutscher Sprache und urplötzlich kommt mir wieder in Erinnerung, dass es vor vielen Jahren mal eine unrühmliche Verbindung zwischen Namibia und Deutschland gab. Mein Opa hat mir früher, als er noch lebte, hin und wieder das „Rommel-Lied“ vorgesungen, so wie er es in der Schule auswendig lernen musste. Irgendwas von Stolz, Schweiß und Blut. Davon mal abgesehen, dass die meisten Fanlieder von Fußballvereinen ähnliche Textzeilen haben, ging es beim „Rommel-Lied“ um Panzer und den heldenvollen Siegeszug der Nazi-Truppen im südlichen Afrika. Rommel war wohl ein bekannter General oder irgend so ein hohes Tier beim Militär, den sie Wüstenfuchs nannten, der hier damals für Zucht und Ordnung sorgen sollte, zumindest hat das mein Opa so ausgedrückt. Dass er im Zusammenhang mit Afrika auch gerne das „N-Wort“ verwendete, habe ich in den Jahren nach seinem Tod versucht zu verdrängen, weil ich es nicht nur peinlich, sondern auch menschenverachtend empfand. Ich glaube allerdings, im Grunde genommen hat er es nicht böse gemeint.

Auf jeden Fall scheint sich die deutsche Sprache in Namibia immer noch an der einen oder anderen Ecke zu zeigen, denn auch in Windhoek ist mir das schon aufgefallen. Da gibt es offensichtlich eine ganze Menge Geschäfte und Läden mit deutsch klingenden Namen. Auch wenn ich hier in deutscher Sprache willkommen geheißen werde, so erinnert mich hier nichts, also absolut gar nichts an Deutschland. Wo ist denn dieser Nationalpark? Ich kann gegen die tiefstehende Sonne nicht alles sehen, aber das was ich gerade sehe, sieht genauso aus wie das, was ich schon seit Stunden vor Augen habe, allerdings ohne die Zäune am Straßenrand und zugegebenermaßen etwas hügeliger.

Sollte ich nach dem einseitig geplanten Abgang von Inge jetzt etwa die nächste schwere Enttäuschung erleben? Mein Arbeitskollege sagte mir vor ein paar Monaten: „Manni, wenn du die schönste Ecke von Afrika sehen willst, dann musst du unbedingt nach Namibia in den Namib-Naukluft Nationalpark. Guck dir Sossusvlei an, das ist der Hammer!“ Mein Kollege kam aus dem Schwärmen überhaupt nicht mehr raus und da sonst keiner aus der Runde in der Büroküche jemals auch nur annähernd im südlichen Afrika war, hatte ihm auch keiner widersprochen. Im Moment wäre ich also der Einzige, der ihm vehement widersprechen würde. Zugegeben, diese unterschiedlichen Braun-, Grau-, Ocker- und Rottöne der bizarren Felsformationen bieten den grün-verwöhnten „Europäer-Augen“ einen ungewohnten und wirklich spektakulären Anblick.

Hier hat sich ganz offensichtlich einer mit dem Farbkasten der Natur ausgetobt und wenn ich mir das in der zwischenzeitlich tief stehenden Sonne so betrachte, dann hat es sogar was Beruhigendes. Beim kurzen Blick auf meine Uhr macht sich dann allerdings Unruhe breit. Die Sonne steht tief und das bedeutet, dass sie bald untergeht. In meinem Reiseführer steht ausdrücklich, dass ich nicht in der Dunkelheit auf der Straße bleiben soll und wenn ich das richtig gelesen habe, dann wird es in diesen Breitengraden verdammt schnell dunkel.

Da ich bereits stundenlang durch menschenleeres „Nirvana“ gefahren bin, kann ich mir gerade schlecht vorstellen, dass ich hinter der nächsten Biegung ein schönes Hotel mit einem freien Zimmer finde und genau das macht mich unruhig. Würde ich in diesem Moment in einem Reisebus sitzen, dann könnte ich den Blick auf den Farbkasten genießen, mir ein eiskaltes Bier aus der Kühlbox greifen und mich schon mal auf ein leckeres Abendessen und ein gemütliches Bett im vorreservierten Hotel freuen. Diese beruhigende Gewissheit geht mir gerade völlig ab und weicht einer Panik, wie ich sie schon lange nicht mehr gespürt habe. Natürlich hatte ich schon häufiger Panik, aber das waren dann eher so Sachen, wie zum ersten Mal selbst in der Küche stehen und Gästen was kochen zu müssen, oder das erste Mal Sex, wobei ich heute noch nicht sicher bin, was von beidem schlimmer war.

Was mache ich denn, wenn es jetzt tatsächlich von der einen auf die andere Minute dunkel wird? In meiner Fantasie sehe ich in meinem Scheinwerferlicht, wie Abermillionen von Skorpionen über die Straße krabbeln und mir den Weg versperren. So viele, dass ich nicht mehr weiterfahren kann und diese meinen Fiat 500 Stück für Stück auffressen, bis sie mich selbst bis auf die Knochen abgenagt haben. Oh Mann, ich habe in den 80er Jahren definitiv zu viele Insekten-Horror-Filme im Kino geguckt. Manni, reiß dich am Riemen!

Irgendwo müssen die Touristen ja wohnen, die bei ihrer Rundreise ein Hotel zum Übernachten brauchen und dieser Nationalparkt steht ganz sicher auf der Liste aller Reiseveranstalter. Als ob mich eine übergeordnete Macht erhört hätte, taucht hinter der übernächsten Biegung tatsächlich etwas auf, das nach einer Kleinstadt im Nirgendwo aussieht. Das mit der überfallartigen Dunkelheit ist übrigens keine Angstmacherei, sondern harte Realität. Ich bin wirklich froh, dass ich wenigstens noch in einem Mindestmaß an Dämmerung auf dem Parkplatz angekommen bin. Viel später hätte ich nicht ankommen dürfen. Ich werde es mir für die nächsten Tage merken. Jetzt aber schnell ein Zimmer buchen und dann ab zum Abendessen.

3

Im Hotel

Vielleicht hätte ich mich vorher besser auf diese Reise vorbereiten sollen. Meine Freunde hatten recht: Ich bin verrückt! „Aber ich will auch manchmal ein bisschen verrückt sein“, flüstert eine trotzige Stimme in mir, „deswegen bin ich doch hier“. Mangelnde Vorbereitung hat einen entscheidenden Vorteil und einen entscheidenden Nachteil. Der Vorteil ist, du lernst zu improvisieren und der Nachteil ist, du zahlst dafür einen hohen Preis. Natürlich war das Hotel weitestgehend ausgebucht, das hätte ich mir denken können, denn es ist Hauptsaison für die Touristen. Ich habe es nicht genau nachgerechnet, aber es waren gefühlte 50% Preisaufschlag für das letzte Zimmer. Wenn ich sage „das letzte“, dann meine ich auch „das letzte“! Inge wäre schreiend zur Rezeption gelaufen und hätte sich wie eine Elster in der Brunftzeit aufgeführt, solange, bis irgendein Bediensteter das Ungeziefer entfernt und die Staubflusen unter dem Bett weggesaugt hätte, aber ich bin zu meiner eigenen Überraschung völlig ruhig geblieben.

Das war eine ganz neue Erfahrung für mich. Einfach mal annehmen, was das Leben an Überraschungen für mich bereithält und gucken was passiert. Im Grunde genommen bin ich heilfroh, dass ich überhaupt einen Schlafplatz gefunden habe. Ich frage mich ernsthaft, was ich ansonsten gemacht hätte, wenn die mir nicht dieses Zimmer gegeben hätten?

Natürlich schmolle ich noch ein bisschen wegen dem Preisaufschlag, aber manchmal muss man im Leben Lehrgeld bezahlen und da bin ich keine Ausnahme. Nachdem ich mit meiner Schuhspitze getestet habe, dass sich die vertrockneten und angestaubten Skorpione auch tatsächlich nicht mehr bewegen, habe ich meinen Koffer auf`s staubige Bett geknallt und bin gleich runter in den Speisesaal. Dass es hier überall etwas staubig ist, kann ich nachvollziehen. Nicht nur, dass da draußen alles mit Staub bedeckt ist und der Wind dir den ganzen Tag die Staubkörner regelrecht durch die Nasenflügel direkt ins Hirn pustet, nein, selbst hier im Speisesaal findest du kleine Sandhäufchen unter den Tischen. Die stammen ganz offensichtlich von den Schuhen der Touristen. Die halbe Wüste steckt noch in den Sohlen und die Schwerkraft macht den Rest.

Es scheinen übrigens noch mehr Deutsche hier im Hotel zu sein, denn ansonsten würde ich hier nicht so viele Menschen mit ihren klobigen, verdreckten Wanderschuhen sitzen sehen. Mein Kumpel Pascal ist ein Reisender vor dem Herrn und der hat mir mal erzählt, dass du deutsche Touristen auf dem ganzen Planeten immer an den klobigen Wanderschuhen und den neonfarbenen „High-Tech-Wander-Rucksäcken“ erkennst. Die schleppen immer ihre Fotoausrüstung und die ganzen Wertsachen mit sich rum, weil sie offensichtlich wenig Vertrauen in die Menschen haben, deren Kultur sie gerade dabei sind zu erkunden.

Pascal hat mir auch was von Jack-Wolfskin-Jacken erzählt und dass diese Outdoor-Bekleidungsfirma wohl über 90% der angeblich absolut wasserdichten Jacken nach Deutschland verkauft. Die Deutschen würden diese Jacken dann meistens auf Reisen in Ländern anziehen, in denen es so gut wie nie regnet. Pascal hat gnadenlos darüber gelästert, doch wenn ich jetzt sehe, wie viele dieser Jacken tatsächlich über den Stuhllehnen hängen, muss ich auch etwas grinsen. In dieser Jahreszeit liegt die Regenwahrscheinlichkeit in Namibia bei „Null-Komma-Null!

Inge hätte mir im Speisesaal jetzt erklärt, warum die Schuhe, die Zipp-Wanderhose und die Outdoor-Jacke der einen oder anderen Frau überhaupt nicht zusammenpassen würden und anschließend mindestens eine Stunde von ihrer befreundeten Farb-und-Stil-Beraterin erzählt. Inge war das Äußere schon immer wichtig und deswegen frage ich mich gerade, was sie an mir überhaupt anziehend fand? Als wir uns kennenlernten, war ich noch nicht so korpulent wie heute. Naja, Inge hat schon immer behauptet ich wäre etwas korpulent, auch wenn sie es anfangs freundlicher formulierte. Meine neue Kollegin aus der Buchhaltung meinte vor ein paar Wochen, ich wäre nicht dick oder korpulent, sondern würde einfach nur aussehen wie ein richtiger Mann, so wie sie es mag. Ich denke es gibt auch bei Frauen Zeichen der Anmache, die man einfach nicht übersehen oder wie in diesem Fall überhören kann. Vielleicht wollte sie auch nur ein Kompliment erwidert bekommen, weil sie selbst wie eine „richtige“ Frau aussieht.

Wie sehen überhaupt „richtige“ Frauen aus? Mein Ex-Schwager Edgar ist zum Beispiel ein absoluter Fan von diesen superschlanken „Gazellen“, wie er sie gerne nennt. Ich finde das passt irgendwie zu Afrika und wenn wir schon mal dabei sind, bleibe ich bei den Tiervergleichen. Edgar würde ich übrigens der Kategorie Wasserbüffel zuordnen, weil er nicht nur etwas gedrungener wirkt, ziemlich breite Hüften hat, meistens mit längeren und ungepflegten Haaren rumrennt, sondern auch, weil er sein halbes Leben im Hallenbad verbringt. Nicht wegen dem Schwimmsport und der Fitness, sondern weil Edgar dort als Bademeister arbeitet. Auf jeden Fall ist Edgar davon überzeugt, dass er und seine Kumpels sich bei den Frauen niemals in die Quere kommen, weil jeder seiner Kumpels andere Vorlieben hätte. Er erzählte mir mit hingebungsvoller Begeisterung von Gazellen, Leoparden und Löwen, allerdings ohne diese ordentlich zu gendern. Im Nachgang folgten auch ein paar provokative Vergleiche mit Nilpferden und Elefanten, wobei er sich dabei etwas zurückhielt, weil er mich nicht verletzen wollte. Ich selbst würde mich als Bär bezeichnen, so ein Kuschelbär mit großen Tatzen, einem Stiernacken und kräftigen Beinen, der beim Laufen für gewöhnlich etwas schwankt, weil ihm sein Bauch etwas aus der Form geraten ist. Hier in Namibia gibt es keine Bären und deswegen fühle ich mich vielleicht auch etwas fehl am Platz. Inge würde ich nach meiner persönlichen Kategorisierung übrigens den Hyänen zuordnen.

Oh Mann, warum bin ich nur so feindselig? Eigentlich wollte ich hier in Namibia doch runterkommen und meine „bad-vibrations“ zuhause lassen. Apropos Hyänen, wenn ich hier sehe, wie die Leute sich auf ihr Essen stürzen, scheint es entweder besonders gut zu schmecken oder sie haben den ganzen Tag über nichts Gescheites zu Futtern bekommen. Da fällt mir gerade ein, dass ich den letzten Lebensmittelmarkt am Stadtrand von Windhoek gesehen habe. Was mache ich denn, wenn ich morgen nach dem Frühstück keine Gelegenheit mehr finde Lebensmittel einzukaufen? Noch viel wichtiger ist Wasser! Ich habe heute im Auto fast drei Liter Wasser gesoffen, trinken kann man das nicht mehr nennen. Mehr habe ich nicht dabei. Ich könnte natürlich die leeren Plastikflaschen mit Wasser aus dem Wasserhahn auffüllen, aber ich habe gelesen, das sollte man definitiv nicht tun. Das hat wohl was mit Keimen oder irgendwelchen Bakterien zu tun, auf jeden Fall ist es nicht gut für meinen Magen oder meine Darmwindungen.

Ich stelle mir gerade bildhaft vor, dass ich deswegen auf der Straße rechts ranfahren muss und dann findest du auf 100 Kilometer keinen einzigen Strauch, hinter den du kacken könntest. Ich habe auf der Fahrt von Windhoek hierher kein einziges Dixi-Klo oder sowas in der Art am Straßenrand gesehen, geschweige denn ein Raststätten-Klo mit Wasserspülung. Darüber steht natürlich nichts in meinem Reiseführer. Über jeden unwichtigen Scheiß stehen dort seitenlange Kommentare und Empfehlungen, aber über die existenziellen Themen schweigen die Autoren sich aus.