Martial Arts Killer - Konrad Gladius - E-Book

Martial Arts Killer E-Book

Konrad Gladius

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Beschreibung

Deutschland ist in der zweiten Welle der Corona-Pandemie. Im Saarland werden binnen kurzer Zeit eine Reihe einflussreicher Menschen ermordet. Sie alle vereint der Wille nach harten Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionen und alle wurden mit bloßen Händen ums Leben gebracht. Die junge Ermittlerin Michaela Burghardt, selbst eine begeisterte Kampfkünstlerin, wird schnell vor scheinbar unlösbare Probleme gestellt. Denn neben einem Sumpf aus Intrigen, Macht und Gewalt, sieht sie eine Reihe Verdächtiger, die ihr nur allzu gut bekannt sind.

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Seitenzahl: 232

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 – Erwürgt

Kapitel 2 – Eine Leiche

Kapitel 3 – Der Familienmensch

Kapitel 4 – Online-Gym

Kapitel 5 – Genickbruch

Kapitel 6 – Das zweite Opfer

Kapitel 7 – Der Kung Fu-Meister

Kapitel 8 – Sonderkommission

Kapitel 9 – Ertränkt

Kapitel 10 – Aufmerksamkeit

Kapitel 11 – Kniefall

Kapitel 12 – Böses Erwachen

Kapitel 13 – Morddrohungen

Kapitel 14 – Rückschlüsse

Kapitel 15 – Terrorbekämpfung

Kapitel 16 – Leichen im Keller

Kapitel 17 – Motive und Ziele

Kapitel 18 – Überraschungen

Kapitel 19 – Konsequenzen

Kapitel 20 – Im falschen Film

Kapitel 21 – Privatermittlerin

Kapitel 22 – Was nun?

Kapitel 23 – Auf den Fersen

Kapitel 24 – Im Visier

Kapitel 25 – Observation obscura

Kapitel 26 – Die letzte Rache

Kapitel 27 – Die Last

Kapitel 1 – Erwürgt

Er trat auf den verschneiten Gehweg. Kälte umspielte die breite Knollennase oberhalb des Zigarillos. Der Fußweg zu seinem Auto war nicht weit, dennoch blickte er sich genauestens um. Die nächtliche Ausgangssperre zur Eindämmung der seit einem Dreivierteljahr andauernden Pandemie mit dem neuartigen Virus SARS-CoV-2 hatte er in der Öffentlichkeit nachdrücklich verteidigt. Ebenso wie die Schließung der Bordelle. Das hielt den Mann mit seinem schütteren, grauen Haar und der Brille mit breiten, schwarzen Rändern nicht davon ab, zu nächtlicher Stunde unterwegs zu sein. Immerhin konnte er seinen Bedürfnissen ja nicht tagsüber nachkommen. Gewisse Aktivitäten brauchen nun einmal den Schleier der Dunkelheit.

In jenem Moment fühlte er in sich hinein und spürte das Gefühl tiefer Befriedigung. Wie gut es doch war, dass er sich das junge, russische Ding mit den großen Brüsten gemerkt hatte. Ihr Preis entsprach nach der letzten Erhöhung zwar nicht mehr ganz seinen Vorstellungen, jedoch konnte er es sich ohne Schwierigkeiten leisten, zweimal in der Woche zu ihr zu gehen.

Seine Schritte trugen den Mann mit dem fülligen Bauch durch den knöchelhoch liegenden Schnee weiter in Richtung seines Autos. Es stand auf einem kleinen, von entlaubten Hecken umrandeten Parkplatz. Die schwarzmetallicfarbene Limousine verriet selbst Unkundigen, dass der Eigentümer über ein gut gepolstertes Portemonnaie verfügen musste. Zu jenem fasste der Mann in diesem Moment. In seiner dunkelgrauen Manteltasche befand sich auch eine Fernbedienung, welche er nun betätigte. Das Fahrzeug entriegelte und sendete einen knappen Lichtschein durch die verschneite, nächtliche Landschaft. Ein flüchtiger Blick bestätigte ihm, dass in diesem verschlafenen Nest wieder einmal niemand bemerken würde, was er hier zu schaffen hatte.

Das Automobil wäre grundsätzlich auch ohne einen Druck auf die Fernbedienung zu entriegeln gewesen. Sensoren konnten die Anwesenheit des Schlüssels erkennen. Solche Systeme behagten dem Fahrer jedoch nicht. Er liebte es, die Kontrolle zu behalten. Eine Sicherheit, die selbst ihm in jenen Tagen der zweiten Welle der Corona-Pandemie zu entgleiten drohte.

Es gab für ihn nur eine Sache, bei der er mit Freuden die Zügel aus der Hand gab. Das kurz zurückliegende Liebesspiel entsprach genau seiner Vorstellung perfekter Glücksmomente. Der von ihm erworbene Dienst folgte daher immer dem gleichen Muster. Er zog sich aus und legte den wohlgenährten Körper auf das weiche, rotbezogene Bett. Die Dame verwöhnte sein bestes Stück mit ihrem Mund, bis es ganz aufgerichtet war. Dass dieser Zustand seit einigen Jahren etwas länger auf sich warten ließ, störte den Mann dabei in keiner Weise. Dann streifte sie ihm ein hauchzartes Präservativ über und setzte sich für einen schnellen Ritt auf ihn. Selbst verschränkte er immer die Hände hinter seinem Kopf, um sich vollständig bedienen zu lassen. Sein Blick genoss jede Bewegung des zuckenden, jungen Körpers auf ihm. Für seine vollumfängliche Befriedigung galt es für die Dame mit den richtigen Worten immer wieder seine männlichen Vorzüge zu lobpreisen. Zudem zeigte sie ihm, gut gespielt, höchste Verzückung, während er selbst den Höhepunkt genoss.

An seinen heutigen Höhepunkt erinnerte sich der Mann zurück, als er die Tür der Limousine öffnete und in das vorgeheizte Auto stieg. Seine Achtsamkeit gönnte sich in diesem Moment eine Auszeit.

***

Der feiste Bonze betrat den noch weichen Schnee des kleinen Parkplatzes. Das Ziel schaute sich kaum um und hielt zielstrebig auf sein Auto zu. Er musste schnell handeln. Ein Satz trug den Beobachter aus seinem eigenen Fahrzeug. Flinke Schritte brachten ihn zur Fahrertür der Limousine. Ehe der Mann sich überhaupt nach dem Türgriff zu strecken vermochte, um die Tür zuzuziehen, schlossen sich zwei Arme um seinen Hals. Die rechte Ellbogenbeuge des Angreifers zerdrückte mit der Entschlossenheit einer Schrottpresse Schlagadern und Adamsapfel des Opfers. Der Attentäter fasste seine eigene linke Armbeuge mit der rechten Hand. Die linke Hand wiederum stabilisierte den Würgegriff am Hinterkopf des Bonzen.

Der Mann brachte keinen Laut mehr hervor. Während der Angreifer ihn halb aus dem Auto herauszog, fiel ihm der Zigarillo aus dem Mund und landete im Schnee. Nach einem kurzen, durch den kalten Wind bedingten Aufleuchten verlosch er und ließ nur noch einen sich schnell verflüchtigenden Rauchfaden zurück. Ebenso erstarb auch die Gegenwehr des Mannes. Seine Hände, die versucht hatten, den Arm des Angreifers vom Hals wegzuziehen, hingen bewegungslos an ihm hinab. Noch eine ganze Weile wurde der Griff aufrechterhalten. Dann entwich das Leben aus dem Körper. Der Angreifer tastete nach der Halsschlagader des Bonzen. Er konnte keinen Puls erspüren und holte einen Handspiegel hervor. Auch direkt vor Mund und Nase des anderen beschlug dieser nicht.

***

Grob wird der Körper in das Wageninnere gestoßen. Dort sackt er über dem Automatikschalthebel zusammen. Die Fahrertür fällt leise ins Schloss. Die Verriegelung des Automobils ist klar zu hören. In diesem Moment setzt starker Schneefall ein.

Kapitel 2 – Eine Leiche

Kriminalhauptkommissar Rüdiger Edelmann hatte seinen Beruf bis vor Kurzem geliebt. Er wusste, dass er diesen ohnehin nicht mehr allzu lange ausüben durfte. Vom heutigen Tage an waren es noch zwölf Wochen, bis er in den wohlverdienten Ruhestand gehen sollte. Unmittelbar nach seinem 60. Geburtstag würden seine Kollegen ihm eine Abschiedsfeier geben. Wie in der Dienststelle üblich, galt es ihnen dafür ordentlich einen auszugeben.

Doch bis dahin musste er sich mit dem „Küken“ herumschlagen. Offiziell sollte sie seinen Posten übernehmen. De facto war sie zu seiner Partnerin gemacht worden. Wie alt war sie? 23, oder? Frisch aus dem Studium hatte man diese Kriminalkommissarin zunächst in die Sitte gepackt und jetzt einfach mal auf den Posten in der Mordkommission versetzt, der am besten für einen Aufstieg zum Hauptkommissar geeignet war. Wenn das mit der Frauenförderung so weitergehen würde wie bisher, dann hätte sie schon mit Mitte dreißig seinen Dienstgrad und würde es bis zur Amtsleiterin schaffen. Was für eine ungerechte Welt dies doch war.

Zugegeben, „et“, wie der Saarländer von einem Mädchen zu sprechen pflegt, war schon etwas fürs Auge. Die Blondine war groß. Ihr durchtrainierter, geradezu muskulöser Körper wirkte jedoch kantig. Der flache Busen dazu und die ebenso kantigen Gesichtszüge erweckten den Eindruck, dass „die Neue“ recht spröde sein mochte. Das eine oder andere freundliche Lächeln hatte sie ihm zwar schon geschenkt, aber ... Egal! Die letzten Wochen würden vorbeigehen und bis dahin musste er eben etwas babysitten.

Edelmann nahm seine Winterjacke vom Kleiderständer im Büro, legte die dienstlich gelieferte, schwarze, medizinische Maske an und verließ in Gedanken das Polizeipräsidium, welches man im Saarland „Direktion“ nennt, durch den Ausgang zum Parkplatz. Glücklicherweise befolgte das Küken Anweisungen. Sie vorzuschicken, um den Wagen zu holen, das gefiel dem altgedienten Ermittler. So konnte er seine Sachen in Ruhe zusammensuchen und nun in den VW einsteigen, der als ihr Dienstfahrzeug zur Verfügung stand.

„Wo geht es genau hin?“, fragte Kommissarin Michaela Burghardt.

„Nach Holz. Burgstraße“, antwortete ihr Kollege. Sie tippte die Adresse in das Navigationsgerät.

„Kennst du eigentlich den?“, begann Edelmann zu erzählen. „Ein junger Mann trifft auf einem Volksfest ein attraktives Mädchen und nimmt es mit zu sich nach Hause. Im Bett strengt er sich mächtig an, es zu beglücken, es zeigt aber überhaupt keine Regung. Daraufhin fragt er es erbost: Sag‘ mal, bist du aus Holz?!“

„Nein, aus Quierschied“, antwortete Michaela mit dem Namen des Nachbarorts von Holz.

Sie grinste leicht verlegen unter ihrer Mund-Nasen-Bedeckung und stimmte in das einsetzende Lachen ihres Kollegen nicht ein.

„Den kanntest du also schon“, stellte der Hauptkommissar noch lachend fest.

„Ja, ich habe eine Weile in Quierschied gewohnt und durfte mir das mehr als einmal anhören“, antwortete sie.

„Bist du eigentlich vergeben?“, fragte der ältere Kriminalpolizist.

„Seit zwei Monaten bin ich wieder zu haben“, erwiderte die Kommissarin und steuerte das Auto aus Saarbrücken heraus. „Das Studium war nicht gerade sehr beziehungsförderlich. Und jetzt, in diesem zweiten Lockdown, wo wieder alles dicht ist und man nirgends hinkann, ist es echt schwer, außerhalb des Internets jemanden vernünftig kennenzulernen.“

„Verstehe“, kommentierte Edelmann. „Unser Beruf ist da auch keine große Hilfe. Wenigstens fahren wir zu deinem ersten Tatort in der Mordkommission zu wirklich humaner Stunde. Und wir hatten sogar vorher schon einen Kaffee.“

***

Das Saarland ist nicht groß und grundsätzlich jeder Ort von Saarbrücken aus in überschaubarer Zeit zu erreichen. Der kleine Parkplatz war mit Sicherungsband abgesperrt und zwei Streifenwagen, ein Löschfahrzeug der Feuerwehr sowie ein Krankenwagen befanden sich vor Ort. Michaela steuerte den Dienstwagen an den gegenüberliegenden Straßenrand und stieg zeitgleich mit ihrem Kollegen aus. Für sein Alter war Rüdiger noch bemerkenswert agil, wie sie dabei erneut feststellte.

Wie in jener Zeit der Corona-Pandemie üblich, trugen alle am Tatort Anwesenden eine Mund-Nasen-Bedeckung und vermieden es, dichter als nötig zusammenzustehen. In den wenigen Tagen, die noch bis zum neuen Jahr blieben, klagten die Intensivstationen der ganzen Republik über eine kaum zu bewältigende Anzahl an Corona-Patienten. Täglich verstarben mehrere Hundert Menschen an oder mit dem Virus. Auch wenn man nicht zur Risikogruppe zählte, galt es sich und andere durch diese einfachen Maßnahmen vor einer Ansteckung zu bewahren. Die ersten Impfungen gegen die neue Krankheit liefen nur schleppend an und blieben im Moment der Generation der über Achtzigjährigen vorbehalten. Die allgemeine Vermummung der Öffentlichkeit erschien die logische Konsequenz. Dadurch wurde es jedoch nahezu unmöglich, das Mienenspiel der Anwesenden zu lesen. Ein Umstand, welcher der immer noch recht frischgebackenen Kriminalkommissarin überhaupt nicht schmecken wollte.

Ihr Partner hatte sich im Sturmschritt zur Absperrung begeben und nickte den Streifenpolizisten zur Begrüßung zu. Als Michaela hinzugetreten war, begann bereits ein Oberkommissar in mittleren Jahren, von dem man zwischen Mütze und Maske kaum mehr sah, als die graublauen Augen, den Sachverhalt zu erläutern.

„Der Name des Toten ist Gernot Müller, SPD-Landtagsabgeordneter und wohnhaft in Saarbrücken“, erklärte der Beamte. „Was er hier trotz nächtlicher Ausgangssperre zu suchen hatte, wissen wir nicht. Eine Passantin hat ihn hier vor einer Stunde in seinem Auto liegen sehen und die Rettungskräfte verständigt. Die Feuerwehr musste das Fahrzeug aufbrechen. Reanimationsversuche blieben erfolglos. Der Notarzt hat den Tod und schwere Würgemale am Hals festgestellt und die Polizei gerufen.“

„Gibt es Zeugen des Vorfalls?“, fragte Edelmann.

„Leider nein“, antwortete der Streifenkollege. „Wir haben bereits alle Anwohner befragt und keiner will etwas mitbekommen haben.“

„Wie kann es sein, dass das Opfer erwürgt wurde und in einem verschlossenen Auto saß?“, hakte Michaela nach und legte dabei gewohnheitsgemäß die Stirn in Falten. So pflegte sie Ungereimtheiten bei einer Ermittlung zu quittieren.

„Verriegelungsautomatik. Der Täter muss den Mann ins Fahrzeug gelegt und die Tür zugeschmissen haben.“

„Was ist mit der Spurensicherung?“, wollte der Kriminalhauptkommissar wissen.

„Ist coronabedingt leider unterbesetzt“, erhielt er als Antwort. „Da sind gerade etliche Kollegen mit ihren Familien in Quarantäne.“

Rüdiger Edelmann grummelte etwas Unverständliches vor sich hin, während Michaela Burghardt zu der Limousine schaute.

„Der Neuschnee und der Rettungsversuch dürften einige Spuren verwischt haben“, bemerkte sie. „Das wird es deutlich schwerer machen, etwas Verwertbares zu finden.“

Ihr Kollege nickte.

„Die Leiche muss in die Gerichtsmedizin und wir schauen uns den Wagen einmal an, bevor der in die KTU geht“, bestimmte Edelmann. „Mal sehen, ob wir nicht doch etwas finden.“

***

Rüdiger Edelmann saß auf seinem in die Jahre gekommenen Schreibtischstuhl und blickte nachdenklich durch das im vorgeschriebenen Lüftungsintervall offenstehende Fenster des Büros. Seine Kollegin und er hatten ihre Masken abgenommen und hielten eineinhalb Meter Sicherheitsabstand. Während er nachdachte, surfte sie an ihrem Computer von Website zu Website.

„Dass gleich mein erster Mordfall einem verhassten Politiker gilt, hätte ich nicht erwartet“, sagte Michaela Burghardt halb zu sich.

„Wieso verhasst?“, wollte ihr Kollege wissen.

„Sag‘ mal, liest du denn keine Zeitungsapp?“, erhielt er als Gegenfrage, während die junge Frau von ihrem Bildschirm aufblickte.

„Ich bevorzugte bis vor zehn Jahren noch bedrucktes Papier, doch dann habe ich damit aufgehört“, erklärte Edelmann. „Der sensationsgeilen Presse kann man heute auch nicht mehr trauen. Wenn ich etwas lese, ist es rein dienstlich.“

„Vor zehn Jahren habe ich noch überhaupt keine Nachrichten gelesen“, bemerkte Burghardt.

„Du bist halt ein Küken“, frotzelte der ältere Beamte.

„Und du ein alter Hahn“, konterte die Kommissarin.

„Jetzt gackere mal nicht so lange herum, sondern tu dem alten Hahn den Gefallen und lege endlich auch dein Ei“, sagte Edelmann.

„Gernot Müller war der Gesundheitsexperte der SPD-Landtagsfraktion“, erklärte sie. „Er ist seit Anfang der Pandemie derjenige im Saarland gewesen, der sich für harte Einschnitte stark gemacht hat. Als es die Lockerungen im Sommer gab, kamen von ihm ständig warnende Kommentare. Teilweise galt er als schärfster Kritiker jeder Öffnung und hat sich damit auch in seiner Fraktion nicht nur Freunde gemacht. Bisweilen sollen seine Aussagen sogar zu Spannungen im Regierungsbündnis von CDU und SPD geführt haben. Ich habe hier etwas von Mitte November gefunden, wo er weitere Verschärfungen fordert und dabei von zahlreichen Morddrohungen spricht. Er meinte, die Aluhut-Fraktion würde sich auf ihn einschießen.“

„Aluhut-Fraktion?“, fragte Rüdiger und sah dabei ehrlich unwissend aus.

„Sag‘ mal, das machst du jetzt mit Absicht, oder?“, erwiderte seine Kollegin.

„Keine Ahnung wer das sein soll“, gab Rüdiger zurück.

Die Polizistin seufzte.

„Damit sind die Verschwörungstheoretiker und diese Corona-Leugner gemeint“, erklärte sie.

„Aha“, kommentierte der Kriminalhauptkommissar knapp.

„Die glauben an eine oder mehrere groß angelegte Verschwörungen, im Zuge der Corona-Pandemie die Weltordnung umzuwerfen“, führte Michaela weiter aus. „Da gibt es die Theorie, dass Bill Gates uns allen über die Impfungen Mikrochips einpflanzen will, um so die Menschheit zu kontrollieren. Ebenso beliebt ist der Glaube an eine Verschwörung des Weltwirtschaftsforums in Davos, namens Great Reset, also Großer Neustart. Das ist eigentlich eine Idee zur Neugestaltung des Kapitalismus nach der Pandemie. Investitionen sollen dann in erster Linie umweltfreundlich und auf den Fortschritt aller Staaten ausgerichtet werden. Die Verschwörungstheoretiker erzählen sich, dass hierdurch eine neue Weltordnung geschaffen wird. Sie behaupten, der Corona-Virus wäre von den Finanzeliten dieser Welt absichtlich losgelassen worden, damit diese im Zuge des Great Reset die Macht übernehmen könnten.“

„Also: Totaler Quatsch“, kommentierte Rüdiger. „Aber warum heißen diese Spinner dann Aluhut-Fraktion?“

„Unter ihnen gibt es einige, die glauben, man könnte sich mit Aluminium gegen Gedankenkontrolle schützen“, erzählte Michaela mit breitem Grinsen. „Solche Angriffe von Außerirdischen oder Machteliten lassen sich demnach nur durch Hüte aus Alu abwehren. Daher haben sie ihren Spitznamen.“

Der Kriminalhauptkommissar schüttelte den Kopf.

„Was für Probleme sich die Leute selbst backen“, stellte er fest. „Ich verstehe aber richtig, dass du diesen Spinnern auch Morde zutraust?“

„Es ist eine ziemlich diffuse Gruppe quer durch alle Gesellschaftsschichten“, erklärte die Kommissarin. „Da gibt es sicherlich Charaktere, die nicht nur Droh-E-Mails versenden, sondern auch zur Tat schreiten könnten. Dass es bei den vielen Querdenkern, wie sie sich selbst auf ihren Demos nennen, einige Gewaltbereite geben muss, erscheint mir sehr wahrscheinlich. Bei deren Kundgebungen kommt es ja regelmäßig zu Ausschreitungen.“

„Das ist zumindest mal eine Idee“, merkte ihr erfahrenerer Kollege an. „Auch wenn dem nicht so sein sollte, können wir uns einer Sache schon sicher sein ...“

„Welcher denn?“, frage Burghardt.

„Dass dieser Fall einiges an Medienaufmerksamkeit nach sich ziehen wird“, befand Edelmann.

Kapitel 3 – Der Familienmensch

Am Nachmittag des gleichen Tages steuerte die junge Polizistin den Dienstwagen durch die immer noch mit Weihnachtsdekoration verschönerten Straßen des zugeschneiten Saarbrücken. Die Nachrichten im Radio berichteten bereits vom Mordfall an dem bekannten und umstrittenen SPD-Politiker. Der Hinweis, dass die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen im Moment keine Informationen herausgebe, fehlte nicht. Dafür nutzte der quirlige Moderator des Senders die Möglichkeit, um auf die Morddrohungen in Richtung des Lockdown-Befürworters einzugehen und allerlei Fragen aufzuwerfen. Das konnte weder ihr noch ihrem schweigsamen Kollegen gefallen, denn zum jetzigen Zeitpunkt wussten sie damit kaum mehr als die Öffentlichkeit. Dies würde sich hoffentlich zügig ändern.

„Da vorne rechts, dann sollten wir auch gleich da sein“, meinte Rüdiger und unterbrach ihre Gedanken.

Die junge Kommissarin parkte das Dienstfahrzeug vor einem Wohnhaus in der gehobenen Wohngegend von Saarbrücken. Das Anwesen entsprach rund der doppelten Fläche der übrigen Häuser und wäre auch gut mit der Einordnung als Villa gefahren. Die relativ frisch gestrichenen, weißen Außenwände und das mit gläsernen Pyramiden versehene Flachdach des opulenten Bauwerks fügten sich geradezu übergangslos in die Winterlandschaft ein. Im weitläufigen Garten lag jede Menge Schnee. Die Einfahrt zur großen Garage und auch den Fußweg zur Eingangstür hatte jedoch jemand mit nachhaltigem Einsatz von allen Resten der weißen Pracht befreit.

Das aus Gusseisen bestehende, schulterhohe Gittertor in der Grundstücksmauer stand offen. Die beiden Ermittler traten hindurch und gingen die sechs Meter zur Haustür. Während Michaela ihre Mund-Nasen-Bedeckung zurechtrückte, las sie das hellblaue, tellergroße Schild, welches den Namen der Familie verriet: Müller.

Die Kommissarin betätigte die Klingel und ein dumpfer Glockenton drang an ihr Ohr. Es dauerte nicht lange, dann öffnete eine Frau von Anfang dreißig. Ihre sehr dunkelbraunen Haare waren in einem strengen Pagenschnitt frisiert, der allem Anschein nach direkt vor dem Lockdown gestaltet worden sein musste. Die geschlossenen Friseursalons galten zu dieser Zeit als eine der größten Entbehrungen. Die Garderobe der Frau bestand aus einem schwarzen Kleid und erweckte den Eindruck, als ob die Dame direkt auf dem Weg zu einer Beerdigung wäre. Im Kontrast dazu stand die in Regenbogenfarben gehaltene Alltagsmaske, welche sie auch im Haus trug.

„Ja, bitte?“, fragte sie und rang dabei sichtlich um ihre Fassung.

„Das ist meine Kollegin Kriminalkommissarin Michaela Burghardt und ich bin Hauptkommissar Rüdiger Edelmann“, stellte der Ermittler die Polizisten vor und zeigte der Frau zeitgleich seinen Dienstausweis. „Wir sind von der Mordkommission und untersuchen den Tod von Herrn Gernot Müller. Dürfen wir hereinkommen?“

Einen kurzen Moment stutzte die Frau, dann nickte sie.

„Natürlich“, sagte sie und gab den Ermittlern den Weg frei.

„Und Sie sind?“, fragte Rüdiger weiter, während er eintrat.

„Karin Müller“, antwortete die Frau und schloss hinter Michaela die Haustür. „Ich bin die älteste Tochter.“

„Unser Beileid, Frau Müller“, erwiderte die Kommissarin.

„Danke. Sie wollen sicher mit meiner Mutter sprechen“, stellte die Tochter des ehemaligen Hausherren fest und führte die beiden Polizisten in das geräumige Wohnzimmer.

***

Neben Beatrix Müller, der Ehefrau des Verstorbenen, einer schlanken Mittfünfzigerin mit dunkelblond gefärbten, langen Haaren, trauerten hier noch die jüngere Tochter, Dorothea, und der Sohn, Klaus, der mit seinen fünfundzwanzig Jahren das Nesthäkchen der Familie war. Michaela fiel sogleich auf, dass Klaus Müllers verhärtete Blicke nicht nur von Trauer, sondern auch von Zorn kündeten. Kaum hatten sich die Ermittler vorgestellt, platzte es aus dem in einen dunklen Anzug gekleideten, jungen Mann heraus. „Werden Sie das Schwein festnehmen?!“, forderte er mehr, als das er fragte.

„Klaus!“, rief sogleich die zierliche Dorothea, die im Vergleich zu ihrer älteren Schwester unscheinbar wirkte.

Die Geschwister und ebenso die Hausherrin trugen Masken, wohl in erster Linie, um die Mutter vor einer Infektion zu schützen. Michaela schätzte diesen Umstand nicht besonders. Es erschwerte ihre Arbeit erheblich, da sie so eventuelle Stimmungen nur an den Augen ihrer Gegenüber abzulesen vermochte.

„Wen meinen Sie damit?“, stellte die Ermittlerin die passende Gegenfrage.

„Na, diesen Arthur Ross!“, schimpfte der Sohn. „Dieser Verrückte wollte unseren Vater schon seit Monaten tot sehen. Das war allen klar, nur den Behörden mal wieder nicht. Die Bedrohung sei zu unspezifisch für durchgängigen Polizeischutz, hieß es immer. Den gäbe es für Auftritte bei Veranstaltungen. Als ob mein Vater in dieser Zeit irgendwo vor großem Publikum hätte sprechen können!“

Während sich Rüdiger Edelmann im ihm eigenen, ruhigen Ton nach dem Ursprung dieses Verdachts erkundigte, schweiften Michaelas Gedanken ab. Denn Arthur Ross war ihr ein Begriff. Jener professionelle Mixed Martial Arts-Athlet gehörte zu den Sport- und Fitnesstrainern, welche die Pandemie wirtschaftlich besonders hart traf. Es war somit kein Wunder, dass er den aktuellen Kurs der Landesregierung zur Eindämmung der Infektionszahlen ablehnte. Die Ermittlerin hatte noch im Oktober in seinem Saarbrücker Studio trainiert. Zum Jahresende würde ihre Mitgliedschaft auslaufen. Der Grund hierfür hieß jedoch nicht Arthur Ross.

Die Kommissarin fand gerade so rechtzeitig ins Hier und Jetzt zurück, dass sie eine Bitte ihres Kollegen hörte:

„Können Sie uns das mal zeigen?“

Karin Müller, die neben ihrer Mutter auf dem ausladenden Ledersofa saß, nahm ihren Laptop zur Hand und gab etwas ein. Dann drehte sie diesen in Richtung der Ermittler und startete ein Youtube-Video. Die zum Großteil verwackelte Aufnahme zeigte eine Ansammlung von Menschen auf einem zentralen Platz der saarländischen Hauptstadt. Der geschulte Blick der Polizistin erkannte sofort, dass der vorgegebene Sicherheitsabstand eingehalten wurde. Ebenso trugen alle Anwesenden eine Mund-Nasen-Bedeckung. Auf den Plakaten und Transparenten stand zu lesen, warum sie sich zu einer Demonstration versammelt hatten. Die in Worte gefassten Befürchtungen und Vorwürfe bestätigten sich gegen Ende des Jahres 2020 immer mehr.

„Stoppt den Tod der Veranstaltungsbranche!“

„Ohne Sport - nur Mord!“

„Habt ihr eigentlich selbst Kinder, die leiden?!“

Nur ein Mann im Bild trug keine Maske. Er stand auf einer für die Demo errichteten Veranstaltungsbühne und hielt ein Mikrofon sowie einige Zettel in den Händen. Die schwarz-rote, figurbetonende Sportjacke verhüllte einen schlanken, jedoch sehr muskulösen Oberkörper. Er trug seine schwarzen Haare kurz geschoren. Die kantigen Gesichtszüge und die von vielen Treffern geformten Blumenkohlohren machten es Michaela leicht, Arthur Ross wiederzuerkennen. Seine verkniffenen Augen verdeutlichten die Wut, mit der er seine Worte über die Anwesenden hinweg schrie:

„Und hier bei uns ... und hier bei uns gibt es auch solche realitätsfernen Spinner, die uns und unseren Kindern vor lauter Schiss die Luft zum Atmen abdrehen! Den Größten findet man nicht mal auf einem Posten in der Landesregierung. Es ist der angebliche Gesundheitsexperte der Sozis, Gernot Müller!“

Buh- und Pfui-Rufe unterbrachen die Ausführungen von Ross und dieser grinste kalt.

„Gernot Müller, also dieser Sozi-Gesundheitsexperte, will uns die Luft abdrehen?! – Na, der soll mal aufpassen, dass wir ihm nicht seine abdrehen!“

Lauter Jubel und Pfiffe klangen aus den hochwertigen Lautsprechern des Laptops. In dem Wohnzimmer herrschte Stille, auch nachdem die älteste Tochter das Video angehalten hatte.

***

Nach einer halben Stunde hatten die Kriminalpolizisten genug gehört und verließen zunächst schweigend das Anwesen. Als die Türen des Dienstwagens verriegelten, brach die junge Ermittlerin als Erstes die Stille:

„Die Alibis der Familie sind rechts dünn. Klar, man kann im Moment ja auch nicht viel woanders hingehen, aber dass alle daheim gewesen sind und nichts Besonderes gemacht haben wollen, klingt für mich zu einfach.“

Rüdiger Edelmann schüttelte den Kopf und wieder einmal verdammte Michaela innerlich die Maske, welche ihr so viel von seinem Mienenspiel vorenthielt.

„Das ist für mich glaubhaft“, widersprach der Hauptkommissar. „Mir ist dafür etwas anderes aufgefallen.“

„So? Was denn?“, wollte seine Kollegin wissen, während sie den Motor startete.

„Alle vier haben Gernot Müller als einen überaus liebevollen und fürsorglichen Familienmenschen beschrieben“, erklärte Rüdiger. „Meiner Erfahrung nach gibt es dafür bei einem Mann in seiner Position und im Licht der Öffentlichkeit nur einen Grund.“

„Und der wäre?“, hakte Michaela ein.

„Er hat eine Affäre“, verkündete ihr Kollege.

„Was soll denn das für eine Schlussfolgerung sein?“, fragte die Kommissarin, während sie den Dienstwagen auf die Hauptstraße steuerte.

„Es ist recht einfach“, begann Edelmann zu erklären. „Nach meiner Wahrnehmung sind die meisten Politiker im Alter des Opfers bereits in zweiter oder dritter Ehe verheiratet. Gernot Müller soll seiner Jugendliebe stets treu gewesen sein? Wohl kaum! Ich würde mich nicht wundern, wenn der ach so sehr beschäftigte Gesundheitsexperte noch eine weitere Familie oder vielleicht auch nur eine Freundin hatte. Bei dieser ist er gestern gewesen. Deshalb war er in Holz. Falls wir sie finden, wissen wir sofort mehr über diesen Saubermann.“

„Apropos mehr wissen“, meinte Michaela Burghardt. „Sollte die KTU nicht mittlerweile weiter sein? Vielleicht haben wir auch schon etwas aus der Gerichtsmedizin.“

„Ich kann ja mal anrufen“, erwiderte Edelmann und nahm sein Smartphone ans Ohr.

Sein Telefonat mit dem Mitarbeiter der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle (KTU) blieb ausgesprochen kurz. Sollte der Täter irgendwelche Spuren hinterlassen haben, so waren diese durch den Rettungseinsatz zerstört worden. Etwas Verwertbares vorzuweisen hatte die KTU ebenso wenig wie zuvor die Spurensicherung durch Burghardt und Edelmann. Der Anruf bei der Gerichtsmedizin dauerte länger und Rüdiger bedankte sich ausgiebig und mit einigen Scherzen bei seinem langjährigen Freund, dem verantwortlichen Leiter, Professor Ferdinand Baumann. Seine Kollegin steuerte den Wagen gerade auf den Parkplatz der Polizeidirektion, als er auflegte. „Und?“, fragte Michaela sofort, als sie die Zündung ausgestellt hatte, und drehte sich zu Edelmann herum.

„Aufgrund der tödlichen Würgemale geht die Gerichtsmedizin davon aus, dass das Opfer mit bloßen Händen getötet wurde“, erklärte der Hauptkommissar. „Der Täter muss wohl seine Arme wie einen Schraubstock genutzt und auch den Kopf von Müller fixiert haben. Das tat er so lange, bis Atmung und Herzschlag aussetzten. Nach wenigen Sekunden zeigte das Opfer keine Gegenwehr mehr.“

„Ein Rear Naked Choke“, stellte Burghardt fest.

„Ein was bitte?“, wollte Edelmann wissen.

„Ein Würgegriff im Rücken des Gegners, ohne die Kleidung zu greifen“, erklärte die Kommissarin. „Das ist eine wichtige Technik im BJJ und MMA.“

„Hat nicht das Brazilian Jiu Jitsu die Würgetechniken für den Mixed Martial Arts-Sport geliefert?“, fragte Rüdiger.

„Sicher“, antwortete Michaela. „Und ... Arthur Ross ist ein BJJ-Schwarzgurt und zudem ein professioneller MMA-Kämpfer.“

„Ach ja? Woher weißt du das?“, wollte ihr Kollege wissen.

„Ich habe vor dem Lockdown in seinem Studio trainiert“, erwiderte die Ermittlerin wahrheitsgemäß.

„Dann sollten wir ihm morgen mal einen Besuch abstatten“, meinte der Hauptkommissar.

„Das könnten wir auch gleich jetzt tun“, schlug die Jüngere vor. „Seine Räume sind nicht weit von hier. Zudem habe ich die Einladung zum heutigen Online-Kurs bekommen. Wir sollten Arthur Ross noch abpassen können, bevor dieser losgeht.“

„Das ist der Eifer der Jugend“, stellte Rüdiger Edelmann fest und seine Kollegin meinte unter der medizinischen Maske des Hauptkommissars ein feines Lächeln zu erkennen.

Kapitel 4 – Online-Gym

Auf dem Schaufenster des alten Ladengeschäfts war deutlich zu lesen, was den Kunden hier geboten wurde:

„Iron Steeds Gym – Kampfsport, Fitness, Selbstverteidigung“.

Des Weiteren wurde für Kurse im Brazilian Jiu Jitsu für alle Altersklassen und Mixed Martial Arts ab zwölf Jahren geworben. Schattenrisse von Kampfpaaren schlugen und traten aufeinander ein. Auch Würfe und Ellbogenschläge waren zu sehen. Rüdiger Edelmann bemerkte einige Ansätze aus seinem eigenen dienstlichen Ju Jutsu-Training. Jenes deutsche, stiloffene Selbstverteidigungssystem, welches in den 1960er-Jahren im Auftrag des Bundesinnenministeriums aus verschiedenen asiatischen Kampfkünsten entwickelt worden war, stellte auch eine der Grundlagen seiner Polizeieinsatzausbildung dar.

„Iron Steeds?“, fragte Edelmann in Richtung seiner Kollegin und zog dabei eine Augenbraue hoch.

„Eiserne Rösser“, übersetzte Michaela. „Noble steed ist ein edles Ross. Die von Arthur Ross trainierten Kämpfer sind die Iron Steeds.“

„Verstehe“, sagte Rüdiger und hielt seiner jungen Kollegin die Tür zu dem Kampfsportstudio auf.

***

Die reine Trainingsfläche, welche zum Großteil mit dunkelblauen Matten ausgelegt war, schätzte Rüdiger auf gute 150 Quadratmeter. Eine Getränketheke, die neben Erfrischungen auch Nahrungsergänzungsmittel anbot, fand sich keine drei Meter vom Eingang entfernt und diente sicherlich zur Anmeldung und als Empfang. Die das Gebäude tragenden Pfeiler waren mit leichten Trainingsmatten umwickelt, um den Kampfsportlern allzu harte Zusammenstöße mit echtem Stahl zu ersparen. Vier an Ketten von der weißen Decke herabhängende Boxsäcke und ebensoviele auf Standfüßen stehende Varianten stellten nur einen kleinen Teil der Trainingsmöglichkeiten dar. Eine beachtliche Anzahl von Schlagpolstern unterschiedlicher Form und Größe sowie Fitnessbänder, Medizinbälle und Klimmzugstangen zeigten schon bei einem ersten Blick die umfangreiche Ausstattung dieses Studios. Auch wenn man Gebrauchsspuren zu erkennen vermochte, alles hier wirkte noch recht neu.

Der mittlere Teil des Gyms wurde, zusätzlich zu den Deckenlampen, von einem Standscheinwerfer ausgeleuchtet. Auf einem Stativ wartete ein Camcorder mit kleinem Richtmikrofon darauf, angeschaltet zu werden. Vor der Kamera und im Licht des Scheinwerfers sprachen zwei Männer miteinander. Der Ältere von etwa Mitte dreißig mit den kurzrasierten Haaren schien dem Jüngeren gerade Anweisungen zu geben. Ohne Zweifel handelte es sich um Arthur Ross.