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Karl Marx - Opfer eines heimtückischen Mordanschlages? Was wirft im Jahr seines 200. Geburtstages mehr Fragen auf - Marx als deutscher Philosoph, Gesellschaftskritiker, politischer Journalist, Protagonist der Arbeiterbewegung? Kommunist? Oder als Mordopfer? Zwei Frauen, die nach Erklärungen für die sich weiter zuspitzende Weltlage suchen, treffen sich, um Fragen und Hypothesen zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu diskutieren. Die Journalistin Katharina und die Wissenschaftlerin Romy reflektieren aktuelle Herausforderungen der Gegenwart anhand historischer Ereignisse und schlagen so den Bogen in die Zukunft. Dabei werden Themen wie: Marx im todbringenden London, Laryngitis und die Rolle der Ärzte, Das System wehrt sich und Die Rolle technologischer und medizinischer Erkenntnisse in einem unsichtbaren Krieg beleuchtet.
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Seitenzahl: 260
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Über die Autorin:
Jordana André, Wissenschaftlerin, geboren in Berlin, studierte Informationswissenschaften, promovierte in Ingenieurwissenschaften, arbeitete als Professorin und Studiengangsleiterin im gesundheitswissenschaftlichen und technischen Kontext. Sie war international in unterschiedlichen Branchen und auch in europäischen Institutionen tätig. Gleichfalls wirkte sie als Geschäftsführerin und Vorstand.
Vorwort
Mohr im todbringenden London
Laryngitis und die Rolle der Ärzte
Das System wehrt sich
Die Rolle technologischer und medizinischer Erkenntnisse in einem unsichtbaren Krieg
von Wolf Hartmann
Das folgende Buch verdankt sein Entstehen im Grunde einer Schnapsidee. Während des Nachdenkens über eine Wiedergeburt des von Theodor Fontane gern getrunkenen SANITAS zu seinem Geburtstag Ende 2019, entstand ein Disput darüber, dass Karl Marx zu seinem naheliegenden 200. im Mai dieses Jahres viel weniger Aufmerksamkeit im Land Brandenburg und generell hierzulande geschenkt wird.
Im sogenannten Karl-Marx-Jahr 1983 zum 100. Todestag war das im geteilten Deutschland noch ganz anders und das Marx-Konterfei zierte den 100-Markschein der DDR, während er es im anderen Teil Deutschlands gerade mal auf eine 5-DM-Gedenkmünze schaffte.
Dass ausgerechnet die Chinesen dem großen Sohn der Stadt Trier eine überdimensionale Marx-Statue zum 200. schenken, löste auch keineswegs nur Begeisterung aus. Sie wird im Mai feierlich eingeweiht.
Die unterschiedliche Wertung liegt an der Ambivalenz, mit der die Persönlichkeit Marx als Revolutionär, Gesellschaftskritiker und Weltverbesserer, aber auch Romantiker und bis zum Lebensende im Londoner Asyl Lebender sehr kontrovers wahrgenommen wurde und wird.
Angesichts der Tatsache, dass bis heute geheimnisvolle Giftanschläge in Großbritannien die Welt in Atem halten und über die Eskalation diplomatischer Krisen in einen 3. Weltkrieg stürzen können, entstand die Idee, einmal darüber nachzuforschen, ob nicht auch Karl Marx ein Mordopfer gewesen sein könnte?
Manchem verschlägt es die Sprache, bei anderen entsteht Neugierde.
Viel Vergnügen!
Wolf Hartmann
Bad Saarow,
im Jahr des 200. Geburtstages von Karl Marx
Katharina:„Setzen wir die Diskussion zu deinen Fragen ans Universum fort?“
Romy: „Irgendwie ja. Aber vielleicht sind es diesmal mehr Antworten als Fragen. Oder wenigstens Hypothesen, die helfen, unsere Welt etwas verständlicher zu machen, Hintergründe zu verstehen oder wenigstens, es zu versuchen. Karl Marx ist sicherlich dafür eine Schlüsselfigur der Geschichte.“
Katharina:„Zum 200. Geburtstag von ihm in diesem Jahr passt das ja auch. Du hast mich gebeten, mit dir gemeinsam etwas zu Karl Marx zu schreiben, richtig? Ich will dich nicht demotivieren, aber über ihn schreibt heute fast jeder. Meinst du, es gibt irgendwelche neuen Erkenntnisse, die die Leser dabei hinter dem Ofen hervorlocken?“
Romy: „Das kann ich nicht sagen. Aber ich empfinde das, was mich gegenwärtig umtreibt, als sehr spannend für unsere heutige Zeit. Nenne es Krimi, nenne es gesellschaftspolitisches Drama, nenne es Psychothriller. Karl Marx wurde umgebracht. Er wurde Opfer eines Systems, das sich gegenwärtig vor allem nur noch dadurch am Leben erhält, dass es rechtzeitig kluge Denker einfach ausschaltet. Umbringt. Ermordet.
Katharina:„Das glaube ich nicht. Marx wurde ermordet? Eine sehr verrückte These. Und du meinst, das zieht sich bis in unsere heutige Zeit hinein? Ich meine, mit den Morden? Das sind doch wohl eher Fake News, oder? Ich hoffe, du veräppelst mich jetzt und willst nicht populistisch irgendetwas in den Raum stellen, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erhalten?“
Romy: „Überhaupt nicht. Du kennst mich doch. Aber es liegt so klar auf der Hand, wie das Amen in der Kirche. Nur das rechtzeitige Ableben, der Tod oder das „nachhaltige“ Erkranken kluger Köpfe, erhält das kapitalistische System im Moment noch am Laufen.
Und es stand bereits schon vor 200 Jahren auf der Kippe. Viele Menschen haben erkannt, dass es viel zu ungerecht in der Welt zugeht und dass dies eigentlich nicht sein müsste.
Die traditionellen Werte gehen schleichend verloren, die Menschlichkeit, die Solidarität, das Gemeinsame. Nicht viele haben sich getraut, dies auch auszusprechen. Aber wenn, dann ging es denjenigen dabei selten gut. Entweder sie wurden mit Einschüchterungen, Drohungen, Angst oder Krankheiten zum Schweigen gebracht oder wenn das nicht ausreichte, mussten sie eben beseitigt werden.
Den Kapitalismus als System würde es längst nicht mehr geben, wenn nicht Angst, Rache, Wut, Gier und andere negative Emotionen das Handeln der Menschen steuern würden und wenn sich niemand mehr gegen den anderen ausspielen lassen würde. Dann könnten wir heute in einer ganz anderen, und ich bin mir sicher, besseren Zeit leben.
Dann wären die Lehren und Theorien ökonomischer Vordenker, die vom Wohlstand für alle ausgingen, längst umgesetzt.
Und natürlich auch, wenn die Pioniere und Visionäre für eine bessere Zukunft mehr Zeit gehabt hätten, den Menschen ihre Theorien und Erkenntnisse mit einfachen Worten verständlich zu machen, die Funken für eine neue Zeit nachhaltig übergesprungen wären und daraus auch praktisches Handeln resultiert hätte. Aber um das zu verhindern, hat man sie wohl konsequenterweise umgebracht.“
Katharina:„Du meinst ernsthaft, Karl Marx ist Opfer einer Gewalttat geworden? Das ist schon eine heftige Anschuldigung. Und das wäre wirklich ein Krimi. Aber davon hätte man doch schon längst etwas gehört oder gelesen? So viele Wissenschaftler beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit seiner Person. Und dann noch in diesem Jahr, dem 200. Geburtstag von Karl Marx? Ich kann mir kaum vorstellen, dass dieser Fakt nicht bereits durch Historiker aufgegriffen worden wäre, wenn da auch nur der kleinste realistische Verdacht bestehen würde.“
Romy: „Aber es besteht eben kein Verdacht. Warum auch? Und das ist das Problem. Deshalb ist es auch selbstverständlich, dass sich bisher noch niemand intensiver mit dem Ableben von Karl Marx beschäftigt hat. Vielleicht handelte es sich ja auch nicht unbedingt um einen gewalttätigen Anschlag oder wie man sich damals noch einen klassischen Mord vorstellte, sondern um eine eher stille, gut geplante Überführung in den Tod.“
Katharina:„Du meinst, wie man jemanden langsam vergiftet oder erstickt und niemand kann das nachweisen?
Romy: „Das wäre denkbar. Mittlerweile werden wir ja durch zahllose Krimis, CSI, Medical Detectives und andere amerikanische Serienformate im Fernsehen mit einer großen Anzahl von potentiellen Todesvarianten konfrontiert. Vor einhundert Jahren gab es allerdings noch nicht so einen hohen Bekanntheitsgrad von „natürlich erscheinenden Toden“. Weder Fernsehen noch Internet gehörten als Informationsquellen zum Alltag der Bevölkerung. Mittlerweile steigt der Umfang medialer Inhalte über Verbrechensarten förmlich synergetisch zum Bekanntwerden neuer Methoden darüber, wie man jemanden aus dem Leben befördern kann. Ehe wir wissen, was uns in der Realität erwartet oder wir in den Zeitungen über ein Verbrechen lesen, hat ein Film oder ein Buch dieses Vorgehen bereits medial überhöht und mit Unterhaltungswert an die Bevölkerung gebracht. So kann kaum jemand mehr glaubhaft vermitteln, dass es sich bei subjektiven Beobachtungen oder persönlichen Erfahrungen, um die grausame Realität und nicht um deren virtuelle und mediale Abbilder handelt. Je nachdem, was schneller in das Unterbewusstsein der Massen gedrungen ist.
Besonders kompliziert wird es, wenn sich Realität und Kino in ihren zeitlichen Abläufe überschneiden, überholen oder abwechseln. Dann ist die Verwirrung komplett. Denn auch das „Vordenken“ von Verbrechen oder Kriegsstrategien im Kino gehört mittlerweile zum State of the Art und erfreut sich bei Militärexperten großer Beliebtheit. Gerade wenn es um Formen der psychologische Kriegsführung geht, verbinden die Produzenten gemeinsam mit Militärstrategen, Politprofis, Marketingexperten und Psychologen gleichzeitig noch Marktforschungen und Akquisitionsstrategien für den freiwilligen Einsatz in der Truppe.1 Und im Leben befinden sich die Nachahmer bereits in der Spur.
In Marx‘ Zeit nahmen die Medien-, Informations- und Kommunikationstechnologien allerdings noch nicht eine so massenwirksame Spiegelfunktion technologischer Entwicklungen und krimineller Anwendungen ein. Sie waren einfach noch nicht so im Alltag präsent.
Deshalb möchte ich auch nicht ein brutales, also noch nicht so strategisch ausgereiftes, Ende von Karl Marx ausschließen. Vielleicht hat man ihm einfach die Kehle durchgeschnitten, um ihn endgültig zum Schweigen zu bringen.
Die meisten Historiker konzentrieren sich anscheinend eher auf die ökonomischen Thesen von Marx, seine politischen Anliegen oder maximal auf sein Familienleben. Vielleicht auch noch auf seine außerehelichen Vergnügungen oder menschlichen kleinen oder größeren Schwächen. Aber wer beschäftigt sich schon mit dem Tod von Marx unter dem Aspekt, hier einem Mordfall gegenüberzustehen?“
Katharina:„Das liegt ja auch nicht wirklich nahe. Außerdem ist es einfach zu lange her. Und bei den damaligen Lebensumständen sind die Menschen eben öfter erkrankt und früher gestorben. Warum sollte man darin etwas Verdächtiges sehen?“
Romy: „Und es gibt auch vermeintlich so viel Wichtigeres. Heute beschäftigt sich doch kaum noch jemand mit Marx und seinen Theorien. Wenn wir nicht gerade in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag begehen würden, fiele sicherlich das öffentliche Interesse an seiner Person noch geringer aus. Zumal ja das sozialistische System vermeintlich weltweit gescheitert ist. Und in Gesamtdeutschland gewinnt der Religionsunterricht in den Schulen wieder zunehmend an Bedeutung.“
Katharina:„Aber ist das jetzt ein Grund, um über das Ableben von Marx als Mordfall nachzudenken?“
Romy: „Du hast recht, dass das irgendwie weit hergeholt erscheint. Und man könnte auch annehmen, dass es keinen konkreten Anlass gibt, um misstrauisch auf die Vergangenheit zu blicken. Warum sollte damals auch etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein? Und sofern niemand ein mögliches Motiv sieht, wie eben ein gut geschulter Kriminalist oder auch ein Berufskiller auf diesen Fall blicken würde, kommt natürlich auch kein Verdacht auf. Und für Ermittlungen scheint es ja sowieso zu spät. Da würde jeder Prozess wegen Verjährung gar nicht erst aufgenommen werden.“
Katharina:„Das denke ich aber auch. Aber du willst dich jetzt mit einem Kriminalisten oder etwa einem Berufskiller vergleichen? Oder warum greifst du jetzt dieses Thema auf?“
Romy: „Intuition. Ein unbestimmtes Gefühl, das mir sagt, dass da etwas nicht stimmen könnte.“
Katharina:„Aber reicht das, um daraus einen Fall zu konstruieren?“
Romy: „Was einen Mord zu einem echten Kriminalfall macht, sind vor allem ein Auftraggeber und ein Ermittler, der versucht, diesen „Fall“ zu lösen. Aber wo „kein Kläger, da kein Richter“. Hast du schon einmal gehört, dass jemand den Auftrag bekommen hätte, in einem vermeintlichen Mordfall von „Karl Marx“ zu ermitteln?“
Katharina:„Ich nicht. Allerdings bin ich kein „Marx-Spezialist“. Und du auch nicht, soviel ich weiß. Wir würden diese Thematik sowieso nur aus Sicht von „Laienhistorikern“ und „Laienkriminalisten“ betrachten können, oder?“
Romy: „Das muss kein Nachteil sein, weil es manchmal sinnvoll ist, Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Und dass sich bisher niemand damit beschäftigt hat, heißt ja nicht, dass es da nichts gibt, was aufgeklärt werden könnte.“
Katharina:„Und du bis nun Auftraggeber und Ermittler zugleich, der einerseits darum ersucht, den Tod von Karl Marx als Mordfall untersuchen zu dürfen und andererseits, diesen dann aufklären möchte?“
Romy: „Ja, so ungefähr.“
Katharina:„Und ich soll dann darüber einen Artikel schreiben? Hast du denn wenigstens schon eine Spur?“
Romy: „Natürlich, sonst hätte ich dich ja nicht um das Treffen gebeten und diesen Fall zur Diskussion gestellt. Klar ist es schwierig, jetzt eine konkrete Person zu benennen, die den Auftrag für den Mord an Karl Marx erteilt hat. Ich gehe aber davon aus, dass es sich um einen Auftragsmord gehandelt hat. Es gibt einige Verdächtige, die daran beteiligt waren. Und mit Sicherheit gibt es ein verdächtiges Netzwerk, das in die Mordpläne involviert war und das bis in die Gegenwart hinein sein unheimliches Spiel treibt.“
Katharina:„Aber wie kommst du denn darauf?“
Romy: „Man braucht natürlich für alles immer einen gewissen Anlass, eine Art Inspiration. Und dann findest du eigentlich alle Informationen dazu im Internet, wenigstens bis jetzt noch. Oder sagen wir mal: fast. Zwar mal mehr oder weniger konkret, aber immerhin reicht es, daraus die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen, sofern man nicht annehmen muss, dass es sich bei jeder Information im Netz nur noch um Fake News handelt.“
Romy pausierte und setzte dann fort:
„Und, ich gehe sogar noch weiter. Nicht nur Marx wurde ermordet, sondern auch seine Ehefrau und seine Tochter. Wahrscheinlich auch noch andere Verwandte.“
Katharina:„Das wird mir jetzt aber zu heftig. Du meinst, dass sozusagen ein Familienmord stattgefunden hat? Du meinst, man hat die ganze Familie Marx ausgelöscht? Und du möchtest, dass ich darüber einen Artikel schreibe? Dann benötige ich aber stichhaltige Argumente, besser noch Beweise. Ich mache mich ja sonst ohne Ende lächerlich.“
Romy: „Die bekommst du.“ Romy zögerte.
„Wenigstens in Ansätzen. Ich bin darauf gestoßen, als mich jemand gefragt hat, was ich wohl meine, warum Karl Marx überhaupt auf seine Ideen gekommen sei und ob er vielleicht, so wie ich, gemobbt, bedroht oder ausgegrenzt wurde, so dass er plötzlich das gesamte Gesellschaftssystem in Frage stellte, einen Systemwechsel propagierte und intensiv an den Theorien dazu arbeitete. Irgendetwas muss ja in seinem Leben dazu geführt haben, dass er sich so intensiv mit einem neuen sozialen Modell des Zusammenlebens von Menschen beschäftigte. Und vor allem, dass er den Kapitalismus als untergehendes System sah. Sein besonderes Verdienst besteht ja darin, nicht nur Zukunftsvisionen aufgestellt, sondern auch ein ökonomisches Modell dazu entwickelt zu haben, das er zugleich noch wissenschaftlich fundiert begründete.“
Katharina:„Marx gehörte zu den Linkshegelianern, die im Fortgang historischer Prozesse weite fundamentale Änderungen erwarteten. Außerdem pflegte er ein enges Netzwerk mit Philosophen und Querdenkern, die ihm sehr viele unterschiedliche Ansichten und Blickwinkel vermittelten. Er sah eine Weiterentwicklung der preußischen Gesellschaft als einfach gegeben und notwendig an. Er erkannte die Probleme der massenhaften Armut, der staatlichen Zensur, der fehlenden politischen Partizipation der breiten Bevölkerungsmehrheit und die Diskriminierung von Menschen, die sich nicht zum christlichen Glauben bekannten. Da ist es doch nicht verwunderlich, dass er sich mit den ökonomischen Ursachen beschäftigte und auch über mögliche Lösungen nachdachte.
Romy: „Ich glaube, dass die wenigsten heute beurteilen können, was einen „Linkshegelianer“ auszeichnete. Als locker organisierte Gruppierung interessierten sich die Anhänger vor allem für die Philosophie Hegels, der den Anspruch erhob, dass die gesamte Wirklichkeit und alle ihre verschiedenen Formen einschließlich geschichtlicher Entwicklungen zusammenhängen, systematisch und definitiv zu deuten sind. Aber er forderte das praktische Handeln, nachdem der Determinismus vieler Entwicklungen erkannt wurde. Und das ist auch heute ein wichtiger Grund, sich mit Marx zu beschäftigen. Irgendwie stehen wir gegenwärtig wieder vor den gleichen Problemen. Armut, fehlende Partizipation der Bevölkerungsmehrheit, Diskriminierung von Menschen, die sich nicht zum christlichen Glauben bekennen. Eben alles nur 200 Jahre später. Ist das nicht irgendwie erschreckend? Als wenn es seit dieser Zeit keinen Fortschritt gegeben hätte.“
Katharina:„Und das diente dir als Anlass, bei Karl Marx zu schauen, wie er gestorben ist?“
Romy: „Ja, denn irgendwie konnte er ja seine Arbeit nicht mehr erfolgreich abschließen oder im breiten Umfang praktisch umsetzen, auch wenn er natürlich, aus meiner Sicht, bereits Weltbewegendes geleistet hatte. Doch es gab noch so vieles, was unvollendet blieb, wichtige Werke, die nie geschrieben wurden, Reden, die nie gehalten wurden, Wahrheiten, die nie in der Öffentlichkeit ankamen.“
Romy wurde nachdenklich.
„Da ich selbst von meinem ehemaligen Arbeitgeber, einem starken industriellen Wirtschaftsakteur, massiv unter Druck gesetzt wurde, als ich bestimmte Prozesse und Projekte hinterfragte und dies dann auch bei mir dazu geführt hat, aus einem emotionalen Ungleichgewicht heraus, über das Gesellschaftssystem als Ganzes nachzudenken, dieses zu hinterfragen und nicht nur über mein persönliches Schicksal zu jammern und zu klagen, erschien mir diese Frage plötzlich logisch und ganz klar.
Warum sollte nicht eine Persönlichkeit wie Karl Marx massiv bedroht und letztendlich, als eine Art historischer Whistleblower seiner Zeit, wie übrigens auch Jenny Marx2, seine Frau, aus dem „Verkehr“ gezogen worden sein? Warum sollte man nicht beide umgebracht haben, als die „Sache der Aufklärung“ anfing, aus dem Ruder zu laufen und eine nicht mehr kontrollierbare Eigendynamik zu entwickeln?
Nicht auszudenken, wenn sich seine Ideen in den Köpfen theoretisch so verfestigt hätten, dass sich daraus generell ein neuer gesellschaftspolitischer Anspruch bei der Mehrheit der Menschen entwickelt hätte. Und wenn dieses Denken zu einem veränderten und neuen gemeinschaftlichen praktischen Handeln geführt hätte, wie es bereits ja vielfach schon in beunruhigender Weise für die herrschende Klasse sichtbar wurde. Und wenn sich daraus dann sozialistische und kommunistische Haltungen flächendeckend und global entwickelt hätten. Und wenn plötzlich das Volk nicht mehr die Zustände im Kapitalismus akzeptiert hätte. Immerhin entwickelte Karl Marx theoretisch die wesentlichen Elemente einer Analyse und Kritik des Kapitalismus mit wissenschaftlichem Anspruch.“
Katharina:„Du meinst, dass ihn in Gefahr brachte, dass er in den letzten Jahren im Londoner Exil vor allem weiter an seinen Theorien geschrieben hatte?“
Romy: „Denke bitte an die heutigen Schicksale investigativer Journalisten. Und auch Autoren, Publizisten, Schriftsteller leben gefährlich. Nicht umsonst finden immer wieder Überfälle auf Redaktionen statt und Schreibende werden unter Druck gesetzt. Schriften können zündeln. Schriften können das Denken verändern. Deshalb haben in den letzten Jahren vor allem die elektronischen und digitalen Medien so an Einfluss zugenommen, vor allem Film, Fernsehen und Internetangebote, die das kritische Schrifttum zunehmend zu verdrängen suchen. Durch die Vielfalt und Fülle der Angebote, durch eine inszenierte Informationsflut wird es für den einzelnen zunehmend schwieriger, sich zu fokussieren oder auch die Wertigkeit von kritischen Informationen einzuschätzen. Insofern bin ich sehr froh, dass zunehmend das Lesen von Büchern wieder an Bedeutung gewinnt. Obwohl dies heute auch keine Garantie für Qualität mehr sein muss.
Und gleichzeitig ist es auch nicht ungewöhnlich, wenn versucht wird, leistungsorientierte, kluge, kreative Menschen zu Zwecken des Machterhalts oder der Machtergreifung als Multiplikatoren für die eigenen Interessen zu gewinnen, zu binden und deren Potential zu nutzen.
Auch dafür werden zahlreiche Instrumentarien eingesetzt, wenn auch diese eher manipulierende und missbrauchende Methoden nutzen und auf psychologischen Tricks aufbauen. Dass diese während der letzten Jahre immer weiter geschärft, perfektioniert, natürlich verändert, angepasst und personalisiert wurden und damit heute viel moderner daherkommen, ist längst kein Geheimnis mehr.
Aber was passiert, wenn diejenigen, die eigentlich als Stütze und Diener des Systems „aufgebaut“ wurden, in dessen Sinne wirken sollten und die eigentlich immer gut manipuliert werden konnten, plötzlich nicht mehr steuerbar sind? Was, wenn die geplanten Entwicklungen drohen, sich ins Gegenteil zu verkehren?
Sollten die Machthaber dann zusehen, wie sich ihre Träume, Hoffnungen und ihr Reichtum langsam in Luft auflösen?
Sollten sie zusehen, wie die materiellen Werte, die ihre Ahnen, ihre Familien über Jahrzehnte und Jahrhunderte „zusammengetragen“ haben - unabhängig davon, ob gerecht, fleißig, unter Beachtung humaner Werte oder ungerecht, diktatorisch und ausbeuterisch - plötzlich an das „gemeine“ Volk verteilt werden?
Sollten sie zusehen, wie die Existenz ihrer Klasse in Frage gestellt wird?
Sollten sie, die sich zu den Bewahrern ihrer Kultur, ihrer Ethik, ihrer Bildung zählten, die in diesem Sinne von ihren Eltern erzogen wurden, das alles aufgeben? Kampflos? Konnte man in diesem Sinne Karl Marx grenzenlos agieren lassen? Und hat sich daran heute etwas geändert?“
Katharina:„Du meinst den alten Adel und den neuen Geldadel, Kirchenvertreter und das Großbürgertum?“
Romy: „Natürlich. Nur wenige aus dieser Oberschicht, der Elite, der führenden Klasse, werden in der Lage sein oder darin etwas Erstrebenswertes sehen, wenn sie in sicheren finanziellen Verhältnissen aufgewachsen sind, diese Situation freiwillig aufzugeben, um in Armut zu leben oder wenigstens etwas von ihrem Reichtum abzugeben. Sie haben nicht gelernt, dass man auch mit weniger glücklich leben kann. Auch bei ihnen greift das Motiv der Angst, das sich in ihrer persönlichen Vorstellung bis zur Existenzangst steigert.
Und diese Angst begegnet der Angst der Arbeiter und des Volkes, das befürchtet, das Wenige zu verlieren, was es noch hat.
Aber auch die Angst, nicht selbst in der Lage zu sein, das eigene Schicksal bestimmen zu können, sondern sich in totaler Abhängigkeit von Industrie, Staat, Kirche aber auch Flüchtlingen, Terrorattacken, Globalisierung zu befinden. Durch wen oder was auch immer diese Angst ausgelöst wird, das Feindbild ist für jede Klasse klar und einfach strukturiert.
Und mit dem Blick auf all die negativen Begleiterscheinungen, die auf der Seite der „Absteiger“ sichtbar werden, wie schlechte oder mangelhafte Ernährung, ungenügende Wohnverhältnisse, unzureichende Gesundheitsversorgung resultiert nur eine Antwort: Kampf. Oder würdest du freiwillig von der Sonnenseite des Lebens oder wenigstens von einer Art Gewinnerseite auf die Seite der gesellschaftlichen Verlierer wechseln wollen?“
Katharina:„Natürlich nicht. Und aus deiner Sicht schreckt dieser Kampf, der in den Augen der „Betroffenen“ ja nur einer Verteidigungsreaktion auf den unsichtbaren Angriff auf die eigene Existenz darstellt, auch nicht vor Mord und Totschlag zurück?“
Romy: „Selbstverständlich nicht. Und da macht es auch keinen Unterschied, ob du bereits mit einem „goldenen Löffel im Mund“ geboren wurdest oder du dir diesen Aufstieg schwer erkämpfen musstest, ob du beim Lotto gewonnen, reich geheiratet hast oder eben auf kriminelle Weise in die höheren Kreise aufgestiegen bist.“
Katharina:„Und das machte Karl Marx zum Mordopfer?“
Romy: „Ja, er war mit einer Adligen verheiratet, hatte die Möglichkeit, in den Kreisen der „Prinzessin“ Jenny von Westphalen glücklich zu werden, selbst das Königshaus buhlte anscheinend um sein Wohlwollen, aber trotzdem hielt er konsequent an seinen Standpunkten fest, für das Proletariat kämpfen zu wollen, und an seiner Kritik gegenüber dem bestehenden kapitalistischen System.“
Katharina:„Du meinst, dass es immer wieder Bemühungen gab, Karl Marx politisch im Sinne der herrschenden Klasse zu beeinflussen und umzustimmen?“
Romy: „Ja. Und als alle Versuche scheiterten, aus Marx noch einen anständigen „bürgerlichen Menschen“ zu machen, sollte das Königshaus da zusehen, wie ihr erwirtschaftetes Eigentum, der Ruhm, die Macht, die Adelstitel plötzlich nichts mehr wert sein sollten, weil angeblich alle Menschen gleich wären und es keine Klassen mehr geben sollte? War es da nicht nachvollziehbar, im Angesicht der revolutionären Spannungen überall, dass sie nach Mitteln und Wegen suchten, ihr Eigentum zu verteidigen, ihre traditionellen Werte zu erhalten? „Böses und ausbeuterisches Kapital“ hin oder her. Hatten sie nicht gelernt, dass es wichtig war, ihr Eigentum zu mehren und natürlich zu schützen? Und jetzt kamen plötzlich Propagandisten daher, die das „ungebildete“ Volk aufwiegelten, nach Aufklärung, Transparenz, mehr Gerechtigkeit für alle riefen und damit ihre Errungenschaften der letzten Jahrhunderte auf dem Spiel standen? Und war es da nicht normal, dass man sich mit allen Mitteln dagegen wehrte?
Und konnte man dann nicht den Mord an einem solchen „Propagandisten“, wie Karl Marx, als blanke Notwehr und Selbstverteidigung bezeichnen?
Hatte die herrschende Klasse denn eine andere Chance oder andere Mittel, um mit solchen Störfaktoren im System umzugehen?
Und das ist noch heute so: solange sie demonstrativ Feinde des politischen Systems nutzen können, um sich dabei an einem Feindbild abzuarbeiten, gut. Aber wenn dieser Gegenpart zu stark wird und sie das Gefühl bekommen, diesen nicht mehr auf irgendeine Art und Weise manipulieren, indoktrinieren zu können, bleibt nur die Option, diesen zu beseitigen.“
Katharina:„Und du meinst, durch seine Netzwerke und die immer weiter ausgereiften wissenschaftlichen Grundlagen wurde Marx irgendwie dann doch zu gefährlich?“
Romy: „Das meine ich. Meiner Ansicht nach benötigt es für einen Systemwechsel eben nicht nur die Wut und die Überzeugung der Straße, einen revolutionären Gedanken, sondern eben auch fundierte gesellschaftliche, soziale und ökonomische Modelle, wie ein modernes System nachhaltig gelingen kann. Und da reicht es nicht, gegen etwas zu sein, sondern man muss auch in der Lage sein, zu erklären und zu konzipieren, wie etwas besser funktionieren könnte. Und da war Marx eben auf einem guten Weg. Eben zu gut.
Deshalb bleibe ich auch bei meiner Hypothese, dass er umgebracht wurde. Das war ein stiller und leiser Mord, der nicht darauf abzielte, einen weiteren Krieg auszulösen, sondern eine Störgröße aus dem Verlauf der Geschichte, aus dem Spiel um die Zukunft herauszunehmen. Solche Fälle gab es in der Geschichte ja zuhauf.
Katharina:„Mord und Totschlag setzte man in der Vergangenheit also schon immer ein, um gesellschaftspolitischen Wandel voranzutreiben oder zu verhindern?“
Romy: „Richtig. Schau mal, der erste Weltkrieg wurde mit dem Attentat von Sarajewo ins Rollen gebracht. Am 28. Juni 1914 wurden der Thronfolger Österreich-Ungarns und seine Frau bei ihrem Besuch in Sarajewo ermordet. Geplant war dieses Attentat von der serbischen Geheimgesellschaft „Schwarze Hand“3. Formal hieß diese nationalistische Vereinigung sogar „Vereinigung oder Tod“. Das waren Offiziere, die das völkische Ideal durchsetzen wollten. Das Attentat löste die Julikrise4 aus, die zu einer Zuspitzung der Konfliktlage der fünf Großmächte führte und daraus entwickelte sich der erste Weltkrieg mit 17 Millionen Toten. Angezettelt also durch eine Handvoll radikaler ideologisch „gesteuerter“ Menschen. Und plötzlich beschuldigten sich Regierungen, Länder, Bürger, jeder jeden, dass er Mitwisser gewesen sei oder sogar an diesem Attentat mitgeplant hätte. Und die Regierungen ließen sich aufeinander hetzen. Und sie rüsteten ihre Waffenarsenale auf, um sich zu verteidigen, dieser Provokation zu begegnen.
So ist der Mensch eben. Einer beschuldigt den anderen, der wehrt sich, das Geschrei geht los, Argumente werden nicht mehr gehört und vor allem wird auch nicht sachlich, mit kühlem Kopf geprüft, wer welche Motive hatte, solch einen Krieg auszulösen. Einige schlaue Politstrategen stehen daneben, protokollieren und können sich auf die Fahnen schreiben, dass sie es also vermocht haben, die Welt in ein Chaos zu stürzen.
Und auch beim zweiten Weltkrieg das Gleiche. Im Jahr 1939 schafft das NS-Regime selbst den Vorwand, um gegen Polen loszuschlagen. Es wird ein Überfall auf den Sender Gleiwitz und damit die aufwändigste Kriegslüge aller Zeiten inszeniert, Fake News werden mit globalem katastrophalem Ausmaß umgesetzt. In derselben Nacht kommt es noch zu weiteren inszenierten Übergriffen, die natürlich die Wut auf Polen lenken, obwohl SS-Leute es waren, die diese Überfälle ausgeführt haben.
Wieder geht also ein Geschrei los und mit der Kriegslist weniger machtbesessener Nationalisten, die vor allem über Emotionen und Propaganda die Massen hinter sich scharen, bringen sich die Menschen gegenseitig um. Dabei werden vor allem die Basisgefühle „Wut“, „Angst“ und „Hass“ aktiviert. Und aus diesen Gemütsbewegungen resultieren Affekthandlungen. Die Provokation ist sozusagen das Grundwerkzeug derer, die die politischen Aktivitäten lenken, Konflikte und Kriege inszenieren, natürlich kontraproduktiv und reaktionär, da sie mit psychologischen Tricks den klaren Verstand ausschalten und natürlich auch den wissenschaftlich-technischen Fortschritt verhindern. Oder eben nur einseitig zu ihrem Vorteil im militärischen Bereich vorantreiben. Das Ergebnis kennen wir - 70 Millionen Tote - allein davon in der Sowjetunion 20 Millionen und im Holocaust über 6 Millionen. Insgesamt wurden damit vor allem aber fortschrittliche Gedanken getötet und die menschlichen Kapazitäten auf negative Emotionen gerichtet, die jegliches positive, sachliche und logische Denken blockierten und einer fortschrittlichen Weiterentwicklung der Welt behindernd gegenüberstanden.
Angst macht eben unfrei.
Und das waren nur die Weltkriege.
Du kannst davon ausgehen, dass jedem Krieg, vor allem auch der heutige in Syrien genau dieselben Spielregeln zu Grunde liegen.
Und Spieltheoretiker betrachten und begleiten solche Ereignisse unter psychologisch-soziologischen Aspekten aus der Sicht des menschlichen Verhaltens. Bei wem siegt wohl die Angst vor dem Absturz als erstes? Wie weit kann man die Psyche des Menschen herausfordern? Wer lässt sich auf ein „Vabanqe-Spiel5“ oder „Brinkmanship“6, eine „Politik am Rande des Abgrundes“ oder das „Spiel mit dem Feuer“ ein? Wie gelangt der Mensch zu einer Ultimo Ratio, zum letzten Ausweg, wie einem Selbstmord oder Krieg?
Wissenschaftler wie Schelling oder Selten7 klassifizierten und analysierten nüchtern Provokationen als strategische Züge in der Unterkategorie „Drohung“ im Rahmen ihrer mathematischen, ökonomischen und verhaltenstheoretisch abbildbaren Spieltheorie und perfektionierten die Übertragung von Prinzipien des Glückspiels, des Pokers aber auch des Schachs, auf die Marktwirtschaft. Das Nash8 allerdings, gerade als er sich auf dem Höhepunkt seiner Forschungen beim MIT9 befand, „zufälligerweise“ paranoid und schizophren wurde, gehört anscheinend auch zu den Auswüchsen diese Psychokrieges.“
Katharina:„Und das Motiv für die Kriege generell?“
Romy: „Die Wirtschaft derjenigen anzukurbeln, die Kriegsgeräte, Maschinen, Waffen produzieren und natürlich auch, um steuernd auf die weltweite Bevölkerung sowie geopolitische Entwicklungen einzuwirken. Sie spielen auf der Klaviatur der Emotionen der Menschen, um diese gegeneinander aufzuhetzen.
Nach dem zweiten Weltkrieg war der reale Weg für den Aufbau einer besseren Welt in einem sozialistischen und kommunistischen System und der Schaffung der dafür notwendigen ökonomischen Grundlagen erst einmal für lange Zeit vom Tisch. Es gab mehr als 20 Millionen Kommunisten weniger, 6 Millionen fortschrittlich denkende Juden weniger, insgesamt weltweit 65 Millionen Menschen weniger, davon mehr als die Hälfte Zivilisten. Einfach verheizt.
Die Kriege ermöglichen dem kapitalistischen System vor allem eine Verschnaufpause. Verschnaufpause von der anstrengenden Tätigkeit, aufmerksam alle Bewegungen weltweit zu beobachten und unter Kontrolle zu halten, die neue Technologien hervorbringen, neue wissenschaftliche Methoden, neue solidarische Bewegungen, innovative Sozialmodelle. Die Beobachter nehmen kritisch jeden kreativen Kopf, jeden Querdenker rechtzeitig aus dem „Spiel“, wenn er dem System gefährlich werden könnte. Sie verhindern, dass technische Innovationen sich ausbreiten, die gleichberechtigt Entwicklungsfortschritt für alle und Partizipation aller umsetzen helfen. Damit sichern sie den trennenden Klassenerhalt und hierarchische Strukturen.
Da sie ökonomisch bisher immer als Sieger aus solchen militärischen Konflikten hervorgingen, waren sie in der Lage, ihr wissenschaftlich-technisches Methodenspektrum weiter auf- und auszubauen. Sie konnten vor allem die neuesten Technologien in ihren Besitz bringen und diese ausprobieren. Sie konnten führende Wissenschaftler und kluge Köpfe in ihre Forschungen einbinden, mit der Verlockung, auf der Sonnenseite der Macht anzukommen. Und die neuesten und besten Technologien wurden immer auch weiterentwickelt, um diese gegen die Bevölkerung einsetzen zu können, wenn der Moment gekommen sein würde, sich gegen erstarkende demokratischen und solidarische Entwicklungen wenden zu müssen.“
Katharina:„Ich habe den Eindruck, du nutzt den vermeintlichen Mord an Karl Marx zu einer generellen Systemkritik und einer Parallelbetrachtung der Gegenwart, richtig?“
Romy: „Natürlich bildet der Mord an Karl Marx nur den Auftakt für den industriellen Einsatz eines mittlerweile perfektionierten unsichtbaren „Todesportfolios“.
Die Kriege danach stellten nichts anderes als Massenmorde dar. Als militärische Handlungen getarnt, wurden sie bei angeblichen Interessenskonflikten eingesetzt, angezettelt wieder von wenigen Strategen. Diese fürchteten nicht nur in der Vergangenheit den Systemuntergang, sondern setzen bis heute alles daran, den flächendeckenden Fortschritt in der Welt zu verhindern. Sie versuchen, das historische Rad so weit wie möglich wieder zurückzudrehen.
Und jetzt geht es anscheinend wieder richtig los.
Die siebzig Jahre ohne Krieg in Europa und mit einer Gesellschaft, die sich langsam von kirchlicher Doktrin, von monarchischem Denken, von Adelsbewunderung abwendet, die das Eigentum gleichmäßig über das Volk verteilen will und die die Rüstungsindustrie als kaum noch notwendig ansieht, waren anscheinend lange genug.
Mittlerweile würde es mit jedem Tag anstrengender, sich gegen die demokratieunterstützenden technologischen Entwicklungen wie E-Learning, E-Teaching, E-government, Telemedizin zu „wehren“. Mit jedem Tag würde es schwieriger, ein freies und von jedem ohne Barrieren nutzbares Internet zu kontrollieren. Es würde schwieriger, die überall aufkommenden Ideen zu steuern und in private Taschen zu lenken, wenn man sich nicht auch nicht ganz ethischen Instrumentarien wie der Wirtschaftsspionage, -sabotage oder psychologischer Manipulationen bedienen würde. Wer wollte schon, dass Innovationen, vor allem technische, für die Mehrheit der Weltbevölkerung das Leben erleichterten, sodass es damit seinen Schrecken verlieren würde? Mit welchen Argumenten sollte das System dann weiterbestehen? Nicht umsonst blockiert man die kreativen und positiven Gedanken der Bevölkerung mit finanziellen, ökonomischen Rechnereien und Existenzsorgen, mit immer wieder neuen verwaltungsbürokratisch-rechtlichen Spitzfindigkeiten und einem globalen Wettbewerb, der vor allem das Gegeneinander der Menschen kultiviert.
Natürlich wird es kaum öffentliche Verlautbarungen geben, dass die Ökonomie aufgrund des technologischen Paradigmenwechsels eigentlich nicht mehr problemlösend an erster Stelle bei den Strategien für die Zukunft steht, sondern im Gegenteil, erst viele Herausforderungen schafft, mit denen sich die Menschheit gegenwärtig gar nicht beschäftigten müsste. Obwohl jeder Mensch weiß, dass man Geld nicht essen oder trinken kann, Geld nicht den Kopf vor Gewitter schützt, Geld nicht Leben rettet, wenn es keine Menschen gibt, die dies tun und die dafür fortschrittliche Technologien einsetzen, die den Wohlstand und die Sicherheit, in der wir leben, erst ermöglichen. Das Managen und Ökonomisieren von Leistungen, von Gesundheit, von Fürsorge ersetzt eben nicht die Notwendigkeit des praktischen menschlichen Handelns und kann dabei auch nicht auf die technischen Erfahrungen und Erfindungen verzichten, um weiterhin auf der Erde überhaupt leben zu können.
Ohne Angst, ohne Wut, ohne Hass.
Die demokratischen Bewegungen sind mittlerweile für das kapitalistische System einfach zu stark geworden.
Die Digitalisierung ermöglicht die gleichberechtigte Nutzung neuer Technologien, legt die potentiellen Bedingungen für einen gleichen Bildungsstand, für Aufklärung und Transparenz in allen Bereichen des Wissens. Und das Weltwissen ist mittlerweile riesig.
Wir stehen eigentlich kurz davor, dass sich der vermeintliche Traum einer neuen Gesellschaft verwirklicht, dass sich die Menschen aller Länder, aller Rassen, Ethnien und auch aller Klassen demokratisch vereinigen.“
Katharina:„Aber ich sehe im Moment nur eine Welt im Chaos.“
Romy