Maschinen und MVO: Rechtliche Anforderungen - Thomas Haiden - E-Book

Maschinen und MVO: Rechtliche Anforderungen E-Book

Thomas Haiden

0,0
50,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In einer technologiegetriebenen Welt spielen Maschinen eine zentrale Rolle: Sie optimieren Arbeitsprozesse, steigern die Produktivität und führen letztlich zu höheren Gewinnen. Im Laufe des Lebenszyklus von Maschinen sind auch Änderungen und Nachrüstungen notwendig: Aber sind die Maschinen danach noch sicher? Dürfen Änderungen überhaupt durchgeführt werden, oder sind sie sogar erforderlich? Welche Auswirkungen hat die neue Maschinenverordnung 2023 auf Maschinen? Welche rechtlichen Auswirkungen hat eine Änderung vom „Stand der Technik“? Solange es zu keinem Unfall kommt, wird diesen Fragen meist wenig Bedeutung geschenkt. Doch wenn es tatsächlich zu einem Unglück kommt, sind die Auswirkungen nicht selten gravierend: Neben Produktionsausfällen und Reputationsverlust des Unternehmens sind insbesondere Vorstände und Geschäftsführer schnell persönlich haftbar. Thomas Haiden kombiniert die Regelungen der Maschinenverordnung 2023 mit technischen Aspekten und normativen Anforderungen. Er gibt einen Überblick über allgemeine Anforderungen an Maschinen, die in Europa hergestellt bzw. nach Europa eingeführt werden – und das speziell unter Berücksichtigung der österreichischen Rechtslage. Rechtliche Auswirkungen bei einer Verwendung in Österreich, besonders wenn sich der „Stand der Technik“ ändert, stellt er an praxisbezogenen Beispielen dar. Das Buch ist Ihr unverzichtbarer Begleiter für eine erfolgreiche und sichere Maschinenherstellung und Maschinenbenützung: es ist insbesondere für Entscheidungsträger ein wichtiges Hilfsmittel und zeigt notwendige Vorgehensweisen bei Maschinen auf, die rechtlich berücksichtigt werden müssen, um fahrlässiges Handeln tunlichst zu vermeiden und etwaige Fehler möglichst ausschließen zu können.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 161

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum

ISBN 978-3-85402-418-7

Auch als Buch verfügbar:

ISBN 978-3-85402-417-0

1. Auflage 2024

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Alle Rechte vorbehalten.

Nachdruck oder Vervielfältigung, Aufnahme auf oder in sonstige Medien oder Datenträger, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, sind nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Austrian Standards plus GmbH gestattet.

Alle Angaben in diesem Fachbuch erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr und eine Haftung des Autors oder des Verlages ist ausgeschlossen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in vorliegendem Werk die Sprachform des generischen Maskulinums angewendet. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll.

© Austrian Standards plus GmbH, Wien 2024

Die Austrian Standards plus GmbH ist ein Unternehmen von Austrian Standards International.

Austrian Standards plus Gmbh

1020 Wien, Heinestraße 38

T +43 1 213 00-300

F +43 1 213 00-355

E [email protected]

www.austrian-standards.at/fachliteratur

Projektbetreuung

Gertraud Reznicek

Lektorat

Anna Giricz

Cover – Fotocredit

© stock.adobe.com/tarasov_vl

Gestaltung

Alexander Mang

Inhalt

Abbkürzungsverzeichnis

Vorwort

1 Allgemeine Anforderungen an neue Maschinen

1.1 Europäische Richtlinien und ihre nationale Umsetzung

1.1.1 Produktsicherheit allgemein

1.1.2 Marktüberwachung

1.1.3 Maschinenrichtlinie (MRL)

1.1.4 Maschinenverordnung (MVO)

1.1.5 Niederspannungsrichtlinie (NspRL)

1.1.6 EMV-Richtlinie (EMVRL)

1.2 Nationale Gesetze und Verordnungen

1.2.1 Gewerbeordnung (GewO)

1.2.2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG)

1.2.3 Elektrotechnikgesetz (ETG)

1.3 Essentielle Aspekte für die Praxis

2 Verkettung, Reparatur, Umbau und Nachrüstung bei neuen Maschinen

2.1 Verkettete Maschine

2.2 Reparatur, Umbau und Nachrüstung von Maschinen

2.3 Allgemeine Anforderungen bei Änderungen

2.3.1 Risikobewertung bzw. Risikominderung

2.3.2 Anwendung der Sicherheitstechnik

2.3.3 Dokumentation

2.3.4 Funktionsprüfung und Validierung

2.4 Essentielle Aspekte für die Praxis

3 Allgemeine Anforderungen an alte Maschinen

3.1 Alte Maschinen ohne CE-Kennzeichnung

3.1.1 Evaluierung bzw. Gefahrenanalyse

3.1.2 Vergleich mit den Anforderungen an neue Maschinen

3.2 Alte Maschinen mit CE-Kennzeichnung

3.2.1 Hersteller existiert noch

3.2.2 Hersteller existiert nicht mehr

3.3 Essentielle Aspekte für die Praxis

4 Umbau, Nachrüstung und Reparatur bei alten Maschinen

4.1 Anwendung aktueller Normen – der Stand der Technik in Österreich

4.2 Risikobewertung bzw. Gefahrenanalyse

4.3 Anwendung neuer Sicherheitstechnik

4.4 Dokumentation

4.5 Funktionsprüfung und Validierung

4.6 Essentielle Aspekte für die Praxis

5 Stand der Technik

5.1 Gewerbeordnung (GewO)

5.2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG)

5.3 Elektrotechnikgesetz (ETG)

5.4 Produktsicherheitsgesetz (PSG)

5.5 Patentgesetz (PatG)

5.6 Standards – Normen und Regelwerke

5.7 Sonstige gesetzliche Definitionen

5.7.1 Mineralrohstoffgesetz (MinroG)

5.7.2 Wasserrechtsgesetz (WRG)

5.7.3 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG)

5.8 Andere Technikklauseln

5.9 Essentielle Aspekte für die Praxis

6 Fazit und Ausblick

6.1 Fazit

6.2 Ausblick

7 Literaturverzeichnis

7.1 Verzeichnis der verwendeten Rechtsquellen und Normen

7.1.1 Europäische Rechtsquellen

7.1.2 Nationale Rechtsquellen

7.1.3 Standards

7.1.4 Rechtsprechungen

7.2 Fachliteratur

8 Der Autor

Abbkürzungsverzeichnis

ABV

Aufstellung und Betrieb von Dampfkesseln[1]

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union[2]

AMGSV

Allgemeine Maschinen- und Geräte-Sicherheitsverordnung[3]

AM-VO

Arbeitsmittelverordnung[4]

ASchG

ArbeitnehmerInnenschutzgesetz[5]

ATEX-RL

Richtlinie für Geräte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemäßen Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen[6]

AtomHG

Atomhaftungsgesetz[7]

AWG

Abfallwirtschaftsgesetz[8]

DBA-VO

Druckbehälter-Aufstellungs-Verordnung[9]

DC

Diagnostic Coverage (Diagnosedeckungsgrad)

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

EMV

elektromagnetische Verträglichkeit

EMVRL

Elektromagnetische Verträglichkeit Richtlinie[10]

EMVV

Elektromagnetische Verträglichkeitsverordnung[11]

ESV

Elektroschutzverordnung[12]

ETG

Elektrotechnikgesetz[13]

ETV

Elektrotechnikverordnung[14]

EuG

Europäisches Gericht

EWR

Europäischer Wirtschaftsraum

F-SPS

fehlersichere speicherprogrammierbare Steuerung

GewO

Gewerbeordnung[15]

HFT

Hardware-Fehlertoleranz

IPR

Internationales Privatrecht

iVm

in Verbindung mit

KIVO

Künstliche-Intelligenz-Verordnung[16]

MinroG

Mineralrohstoffgesetz[17]

MRL

Maschinenrichtlinie[18]

MSV

Maschinen-Sicherheitsverordnung[19]

MVO

Maschinenverordnung[20].

Norm-VO

Verordnung zur europäischen Normung[21]

NspGV

Niederspannungsgeräteverordnung[22]

NspRL

Niederspannungsrichtlinie[23]

OGH

Oberster Gerichtshof

PatG

Patentgesetz[24]

PHG

Produkthaftungsgesetz[25]

PL

Performance Level

PSA

persönliche Schutzausrüstung

PSA-VO

Verordnung über persönliche Schutzausrüstung[26]

PSG

Produktsicherheitsgesetz[27]

PSRL

Produktsicherheitsrichtlinie[28]

PSVO

Produktsicherheitsverordnung[29]

RAPEX

Rapid Alert System for Dangerous Non-Food Products

SIL

Safety Integrity Level

SPS

speicherprogrammierbare Steuerung

UWG

Unlauterer-Wettbewerb-Gesetz[30]

VwGH

Verwaltungsgerichtshof

WRG

Wasserrechtsgesetz[31]

1 ABV, BGBl 353/1995 idF BGBl I 161/2015.

2 Kons AEUV, Abl 2012 C326/47.

3 AMGSV, BGBl 219/1983.

4 AM-VO, BGBl II 164/2000 idF BGBl II 21/2010.

5 ASchG, BGBl 450/1994 idF BGBl I 115/2022.

6 RL 2014/34/EU.

7 AtomHG 1999, BGBl I 170/1998 idF BGBl I 33/2003.

8 AWG 2002, BGBl I 102/2002 idF BGBl I 66/2023.

9 DBA-VO, BGBl II 361/1998 idF BGBl I 161/2015.

10 RL 2014/30/EU.

11 EMVV 2015, BGB. II 22/2016.

12 ESV 2012, BGBl II 33/2012.

13 ETG 1992, BGBl 106/1993 idF BGBl I 204/2022.

14 ETV 2020, BGBl II 308/2020.

15 GewO 1994, BGBl 1994/194 idF BGBl I 75/2023.

16 Vorschlag 2021/0106(COD).

17 MinroG, BGBl 38/1999 idF BGBl I 60/2022.

18 RL 2006/42/EG.

19 MSV 2010, BGBl II 282/2008 idF BGBl II 204/2018.

20 VO (EU) 1230/2023.

21 VO (EU) 1025/2012.

22 NspGV 2015, BGBl II 21/2016.

23 RL 2014/35/EU.

24 [PatG], BGBl 259/1970 idF BGBl I 51/2023.

25 [PHG], BGBl 99/1988 idF BGBl I 98/2001.

26 VO (EU) 425/2016.

27 PSG 2004, BGBl 16/2005 idF BGBl I 32/2018.

28 RL 2001/95/EG.

29 VO (EU) 988/2023.

30 UWG, BGBl 448/1984 idF BGBl I 99/2023.

31 WRG 1959, BGBl 215/1959 idF BGBl I 73/2018.

Vorwort

Meine mehrjährige Praxiserfahrung als Techniker im Außendienst hat gezeigt, dass bei vielen Personen eine gewisse Unkenntnis bzw. Unsicherheit im Zusammenhang mit den rechtlichen Anforderungen an Maschinen und dem „Stand der Technik“ besteht. Dies betrifft vorrangig Betreiber von Maschinen bei notwendigen Änderungen oder Nachrüstungen und teilweise auch Maschinenhersteller und deren Bevollmächtigte sowie Einführer oder Händler.

Das vorliegende Buch gibt Ihnen einen Überblick über allgemeine Anforderungen an in Europa hergestellte bzw. nach Europa eingeführte Maschinen und die damit verbundenen rechtlichen Auswirkungen bei einer Verwendung in Österreich, insbesondere wenn sich der Stand der Technik ändert. Die wichtigsten damit verbundenen und zu berücksichtigenden Grundlagen werden praxisbezogen aufgegriffen, analysiert und zusammengefasst. Auf technische Details wird bewusst nicht näher eingegangen, damit die Ausführungen auf möglichst alle Maschinen zutreffend sind. Das Fachbuch ist eine Weiterentwicklung der im Jahr 2017 erschienenen Publikation „Rechtliche und normative Anforderungen an Maschinen – ,Stand der Technik in Österreich‘“ in der 1. Auflage, erschienen im Verlag Austrian Standards plus GmbH. Die Einarbeitung neuer gesetzlichen Rahmenbedingungen – insbesondere der Maschinenverordnung – hat den Anlass dazu gegeben, den ursprünglichen Buchtitel an die neuen Gegebenheiten anzupassen und zu ändern.

Das Kapitel 1 stellt allgemeine Anforderungen an Maschinen dar, die in Europa neu in Verkehr gebracht werden. Schwerpunkt dieses Kapitels sind die gesetzlichen und normativen Voraussetzungen, die für die Herstellung bzw. von Wirtschaftsakteuren neuer Maschinen berücksichtigt werden müssen. Ausgehend von den europäischen Richtlinien und Verordnungen werden insbesondere die Auswirkungen auf Österreich sowie die nationalen Umsetzungen der europäischen Vorgaben dargestellt. Auch bei neuen Maschinen kann es bereits zu Beginn aufgrund von Verkettungen, Nachrüstungen sowie Reparaturen zu notwendigen Änderungen der Maschine kommen. Dabei werden vor allem Betreiber vor Herausforderungen gestellt. Das Kapitel 2 zeigt Ihnen die wichtigsten zu berücksichtigenden Punkte auf und gibt Ihnen Tipps, wie bereits vorbeugend zukünftige Probleme verhindert werden können.

Die nächsten beiden Kapitel 3 und 4 widmen sich den Anforderungen an alte Maschinen: Betreiber von Maschinen haben dafür zu sorgen, dass ihren Mitarbeitern sichere Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt werden. Die für Österreich relevanten rechtlichen Voraussetzungen stehen großteils im Zusammenhang mit dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz[32]. Speziell bei einem erforderlichen Umbau oder bei Nachrüstungen von alten Maschinen ist eine Vielzahl von rechtlichen und normativen Vorgaben zu erfüllen sowie zu beachten. Wichtige Aspekte in diesem Zusammenhang werden in Kapitel 4 aufgegriffen und Sie erhalten praxisnahe Tipps, wie Sie sinnvoll an die Herausforderungen herangehen können.

In Kapitel 5 werden die Grundlagen zum Stand der Technik dargelegt und die Bedeutung im Zusammenhang mit unterschiedlichen Gesetzesmaterien dargestellt sowie zusammengefasst.

Am Ende jedes Kapitels werden die essentiellen Aspekte kurz zusammengefasst. Diese sollen Ihnen helfen, wichtige Punkte für die Praxis kompakt zu erfassen. Auch die wesentlichen Auswirkungen der neuen Maschinenverordnung auf die Praxis werden erörtert.

Im letzten Kapitel werden auch konkrete Beispiele von juristischen Entscheidungen und deren Auswirkungen beschrieben. In einem kurzen Ausblick werden zukünftige Trends dargestellt und Gedankenanstöße für dadurch neu entstehende Herausforderungen gegeben.

Dieses Fachbuch ist durch die Betrachtung unterschiedlicher Aspekte gemäß dem Zitat von Marie Curie „Was man zu verstehen gelernt hat, fürchtet man nicht mehr.“[33] ein Hilfsmittel insbesondere für Entscheidungsträger und zeigt Vorgehensweisen bei Maschinen auf, die rechtlich berücksichtigt werden müssen, um fahrlässiges Handeln tunlichst zu vermeiden und etwaige Fehler möglichst ausschließen zu können.

Zugunsten der besseren Lesbarkeit wurde in der Arbeit auf die Verwendung von personenbezogenen Bezeichnungen verzichtet. Die gewählte Form gilt selbstverständlich für alle Geschlechtsformen in gleicher Weise und soll keinesfalls dem Gleichbehandlungsgesetz[34] § 31 Abs 2 GlBG widersprechen, wonach Männer und Frauen gleichgestellt sind und sonstige Diskriminierungen abgebaut werden.

Ich wünsche Ihnen hilfreiche Inputs und einen relevanten Nutzen für Ihre Praxis. Über Ihre Kommentare, Ihr Feedback und Ihre Verbesserungsvorschläge freue ich mich unter [email protected].

Mödling, Jänner 2024 Thomas Haiden

32 Vgl. ASchG, BGBl 450/1994 idF BGBl I 115/2022.

33 Marie Curie – polnisch-französische Chemikerin und Physikerin 07.11.1867 – 04.07.1934

34 Vgl. GlBG, BGBl I 66/2004 idF BGBl I 16/2020.

1 Allgemeine Anforderungen an neue Maschinen

1 Allgemeine Anforderungen an neue Maschinen

Generell dürfen Maschinen in Österreich nur dann in Verkehr gebracht bzw. betrieben werden, wenn sie keine Gefahr für Menschen, Tiere oder Sachen darstellen. Neben den nationalen Gesetzen und Verordnungen (siehe Kapitel 1.2) vorwiegend für Betreiber von Maschinen, gibt es auch eine Reihe von europäischen Vorschriften, die für Hersteller bzw. Bevollmächtigte sowie die Einführer und Händler von neuen Maschinen eine wesentliche Rolle spielen.

1.1 Europäische Richtlinien und ihre nationale Umsetzung

Mit dem Beitritt der Republik Österreich zur Europäischen Gemeinschaft im Jahr 1995 sowie in weiterer Folge zur Europäischen Union und damit seit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon 2009, ist die Republik Österreich auch Teil des Binnenmarktes ohne Binnengrenzen gemäß Art 26 (ex-Art 14 EGV) Abs 2 AEUV[35] (Vertrag über die Europäische Union und über die Arbeitsweise der Europäischen Union) mit freiem Warenverkehr laut Art 28 (ex-Art 23 EGV) AEUV gemäß den Verträgen. Im freien Warenverkehr sollen sowohl die Wirtschaftsakteure hinsichtlich des Wettbewerbs einheitliche Bedingungen vorfinden als auch die Konsumenten und Verbraucher geschützt werden.

Die CE-Kennzeichnung ist ein sichtbares Zeichen, das angibt, dass der Hersteller sein Produkt für konform mit den Harmonisierungsvorschriften der Union hält. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass das Produkt den europäischen Rechtsvorschriften entspricht. Solange nicht nachgewiesen wird, dass das Produkt nicht konform ist, dürfen die Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) das Inverkehrbringen von CE-gekennzeichneten Produkten weder behindern noch untersagen. Der freie Warenverkehr im EWR wird somit gemäß Pkt 8.1„Blue Guide“[36] sichergestellt. Unabhängig davon, ob das Produkt in Europa hergestellt wurde oder nicht, ist der Hersteller dafür verantwortlich, dass das Produkt konform mit den Bestimmungen der Harmonisierungsrechtsvorschriften ist und die CE-Kennzeichnung angebracht wird. Sollte der Hersteller nicht in Europa ansässig sein, so hat er sich eines Bevollmächtigten zu bedienen, der im Namen des Herstellers die CE-Kennzeichnung anbringt. Gemäß Pkt 4.5.1.3 „Blue Guide“ wird durch das Anbringen der CE-Kennzeichnung die rechtliche Verantwortung über das Produkt übernommen. Die CE-Kennzeichnung liefert gemäß Pkt 4.5.1.8 „Blue Guide“ den Hinweis darauf, dass die erforderlichen Kontrollen der Konformitätsbewertung durchgeführt wurden und die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen eingehalten werden. Zum Schutz des öffentlichen Interesses führt die Marktaufsichtsbehörde stichprobenweise zusätzliche Kontrollen durch.

Vor dem Beitritt der Republik Österreich zur Europäischen Gemeinschaft bzw. zur Europäischen Union waren viele Details im Zusammenhang mit sicheren Produkten in nationalen Gesetzen geregelt. Für Maschinen gab es z. B. die „Allgemeine Maschinen- und Geräte-Sicherheitsverordnung“[37] (AMGSV). Seit dem Beitritt[38] im Jahre 1995 war das „neue Konzept“ („New Approach“), das auf gegenseitiger Anerkennung der Mitgliedstaaten basiert, für die Republik Österreich relevant und gemäß § 151 Abs 1 MSV:1994[39] trat die „Allgemeine Maschinen- und Geräte-Sicherheitsverordnung“ (AMGSV) mit 31. Dezember 1994 außer Kraft. Beim „New Approach“ gemäß Pkt 1.1.3 „Blue Guide“[40] wurde versucht, möglichst nur die wesentlichsten Anforderungen an die Sicherheit von Produkten mittels Richtlinien einheitlich festzulegen. Die detaillierten Ausführungen von technischen Einzelheiten werden durch harmonisierte Normen beschrieben. Eine harmonisierte Norm ist laut Verordnung zur europäischen Normung[41] [Norm-VO] gemäß Art 2 lit c [Norm-VO] eine auf Grundlage eines Auftrags der Kommission angenommene Europäische Norm zur Durchführung von Harmonisierungsrechtsvorschriften. Sobald eine harmonisierte Norm den erforderlichen Anforderungen der Harmonisierungsvorschriften der Union entspricht, wird gemäß Art 10 Abs 6 Norm-VO die Fundstelle im Amtsblatt der Europäischen Union unverzüglich veröffentlicht. Harmonisierte Normen stellen keine Rechtsverbindlichkeit gemäß Pkt 4.1.2 „Blue Guide“[42] dar, die anstelle von einschlägigen rechtlichen Anforderungen verwendet werden müssen, sondern ein wichtiges technisches Mittel zur Einhaltung der rechtlichen Anforderungen. Die Verantwortung über die Beurteilung eventuell vorhandener Risiken der vom Produkt ausgehenden Gefahren trägt alleinig der Hersteller. Harmonisierte Normen sind wichtige Hilfsmittel zur Sicherstellung, dass das Produkt den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen entspricht. Deren Anwendung sollte unbedingt angestrebt werden.

Europäische Richtlinien sind für die Mitgliedstaaten zur Erreichung der darin definierten Ziele verbindlich, die Wahl der Form und Mittel wird gemäß Art 288 (ex-Art 249 EGV) Abs 3 AEUV[43] jedoch dem jeweiligen Staat überlassen. Die nationale Souveränität wird also von der europäischen Richtlinie nicht berührt. Die Richtlinien der Europäischen Union sind zwingend in nationales Recht umzusetzen. Europäische Verordnungen müssen nicht mehr in nationales Recht übergeführt werden, sondern gelten direkt. Die Anwendung von harmonisierten Normen ist hingegen rechtlich nicht verpflichtend. Werden harmonisierte Normen bei der Herstellung von Produkten angewendet, kann davon ausgegangen werden, dass die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der jeweiligen Richtlinie bzw. Verordnung eingehalten werden – die sogenannte Konformitätsvermutung.

Bevor ein Produkt auf den Markt gebracht wird, muss bestätigt werden, dass es den entsprechenden Sicherheitsanforderungen entspricht. Ist dies gewährleistet, kann die Konformität mit der entsprechenden Richtlinie bzw. Verordnung bestätigt werden. Harmonisierte Normen stellen dabei unter anderem den Stand der Technik dar und erleichtern so den Nachweis, dass ein Produkt den Sicherheitsstandards entspricht. Trotzdem darf sich der Wirtschaftsakteur nicht vollkommen auf harmonisierte Normen verlassen, sondern muss sicherstellen, dass die Sicherheitsanforderungen eingehalten werden. Es kann gegebenenfalls vorkommen, dass eine harmonisierte Norm nicht mehr dem Stand der Technik entspricht oder bereits durch eine neue Ausgabe ersetzt wurde, jedoch in der Liste der harmonisierten Normen noch nicht aktualisiert wurde. Als Zeichen dafür, dass der Hersteller bzw. Bevollmächtigte oder Einführer eines Produkts die grundlegenden Sicherheitsanforderungen der zutreffenden Richtlinien bzw. Verordnungen eingehalten hat, wird eine Konformitätserklärung ausgestellt bzw. ein CE-Zeichen am Produkt angebracht. Abhängig davon, welche Richtlinien bzw. Verordnungen anzuwenden sind, hat der Inverkehrbringer teilweise auch die EU-Konformitätserklärung dem Produkt beizufügen, wie dies z. B. bei der ATEX-Richtlinie[44] gefordert ist.[45]

Die Weiterführung dieses Konzeptes bildet der „neue Rechtsrahmen“[46](„New Legislative Framework“): Dabei wird eine ganzheitlichere Betrachtung durchgeführt, um so eine wirksame Sicherheit zum Schutz der Öffentlichkeit und zum Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten. Sowohl der Akkreditierung als auch der Marktüberwachung wurde durch die entsprechenden Vorschriften im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten[47] gemäß Pkt 1.2.1 „Blue Guide“[48] eine größere Bedeutung geschenkt und der Vollzug von Maßnahmen harmonisiert.[49] Auch die Betrachtung sämtlicher Marktteilnehmer und ihrer Funktion in der Lieferkette wird durch den neuen Rechtsrahmen konkretisiert. Die CE-Kennzeichnung und die Konformitätsbewertungsverfahren wurden bestärkt und teilweise überarbeitet. Der Begriff der „Bereitstellung“ von Produkten wird gemäß Art 2 Z 1 VO (EG) Nr. 765/2008 neu definiert und soll die Rückverfolgung nicht konformer Produkte zum Hersteller erleichtern (siehe Pkt 1.2.1 „Blue Guide“). Zur Umsetzung des „neuen Rechtsrahmens“ war es notwendig, auch einige europäische Richtlinien zu ändern, die mit April 2014 in Kraft getreten sind (z. B. ATEX-RL,[50] NspRL,[51] EMVRL[52]).

1.1.1 Produktsicherheit allgemein

Fällt ein Produkt nicht unter den Anwendungsbereich einer speziellen Produktrichtlinie bzw. -verordnung (siehe beispielsweise Kapitel 1.1.3 bis 1.1.6), so muss dennoch sichergestellt werden, dass keine Gefährdung von der entsprechenden Ware ausgeht. Die Produktsicherheitsrichtlinie[53] (PSRL) bzw. zukünftig die Produktsicherheitsverordnung[54] (PSVO) regelt die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen gemäß Art 1 Abs 2 PSRL bzw. Art 2 Abs 1 PSVO für allgemeine Produkte, bei denen keine speziellen Bestimmungen Anwendung finden und stellt somit eine gewisse „Auffangrichtlinie“ für Produkte dar. Ziel der Produktsicherheitsrichtlinie bzw. Produktsicherheitsverordnung ist es, dass gemäß Art 1 Abs 1 PSRL bzw. Art 1 Abs 2 PSVO nur sichere Produkte in Verkehr gebracht werden. Dafür haben laut Art 3 Abs 1 PSRL die Hersteller bzw. laut Art 5 PSVO die Wirtschaftsakteure zu sorgen. Ähnlich wie auch in den anderen europäischen Richtlinien und Verordnungen wird gemäß Art 2 Abs 2 lit b PSRL bzw. Art 3 Z 2 PSVO ein Produkt dann als sicher betrachtet, wenn während der gesamten Gebrauchsdauer vom Produkt weder unter normaler Verwendung noch bei vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung Gefahren ausgehen. Die Gebrauchsdauer vom Produkt inkludiert neben entsprechenden Inbetriebnahmen und Installationen auch Wartungen, die zur Erreichung des entsprechenden Schutzniveaus für die Gesundheit und Sicherheit von Personen erforderlich sind. Art 3 Abs 2 PSRL bzw. Art 7 Abs 1 lit b PSVO führen noch weiter aus, dass bei fehlenden Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft auch nationale Rechtsvorschriften angewendet werden können. In der Produktsicherheitsrichtlinie haben diese im Einklang mit Art 28 und 30 AEUV[55] im Zusammenhang mit dem freien Warenverkehr zu stehen.

Für die Beurteilung der allgemeinen Sicherheitsanforderungen wird laut Art 3 Abs 3 lit e PSRL bzw. Art 8 Abs 1 lit g PSVO dezidiert auf den „Stand des Wissens und der Technik“ abgestellt. Wie zu den speziellen Produktrichtlinien gibt es auch für die allgemeinen Produkte eine Liste von harmonisierten Normen[56] zur Richtlinie. Die darin angeführten Normen betreffen z. B. Artikel für Säuglinge und Kleinkinder, Fahrräder, Feuerzeuge und Turngeräte.

Hersteller müssen Verbraucher gemäß Art 5 Abs 1 PSRL bzw. darüber hinaus auch über verbleibende Gefahren und damit verbundene Schutzmöglichkeiten informieren. Der Hersteller wird dadurch jedoch nicht von der Beachtung und Erfüllung der übrigen Sicherheitsvorschriften entbunden. Dies entspricht auch dem in der Sicherheitstechnik praktizierten TOP-Prinzip,[57] wonach zuerst technische Maßnah-men zu ergreifen sind, um die Gefährdungen abzuwenden. Verbleiben trotz der Anwendung von technischen Maßnahmen noch Gefährdungen, so sind die techni-schen Maßnahmen durch weitere organisatorische Maßnahmen zu ergänzen. Dies können z. B. Warnhinweise, Betriebsanweisungen oder Ähnliches sein. Wenn auch dadurch noch Restgefahren übrig bleiben, so ist persönliche Schutzausrüstung (PSA) zu verwenden, um ein weitestgehend gefahrloses Arbeiten mit dem Produkt zu ermöglichen.

Die Produktsicherheitsrichtlinie wurde durch das Produktsicherheitsgesetz[58] (PSG) in nationales Recht umgesetzt. Dabei hat der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz gemäß § 10 Abs 1 PSG die Ermächtigung zum internationalen Datenaustausch. Die Marktüberwachung hat gemäß § 13 Abs 1 PSG der jeweilige Landeshauptmann mit den entsprechenden Aufsichtsorganen vorzunehmen. Die Bundespolizeibehörde wurde aufgrund der „ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht“ bewusst nicht als Aufsichtsorgan einbezogen.[59]

Im Zusammenhang mit dem Produktsicherheitsgesetz sei noch das Produkthaftungsgesetz[60] (PHG) erwähnt: Gemäß § 1 Abs 1 PHG haftet im Falle eines Produktfehlers bei einer Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung von Menschen sowie bei Sachbeschädigungen jener Unternehmer für den Ersatz des Schadens, der das Produkt hergestellt, in Verkehr gebracht oder in den Europäischen Wirtschaftsraum eingeführt hat. Die Haftung kann laut § 8 PHG nicht durch den Mangel eines Verschuldens, sondern nur durch einen Nachweis ausgeschlossen werden. Dazu zählt gemäß § 8 Z 2 PHG auch der Stand der Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt der Inverkehrbringung. Durch das länderübergreifende System der europäischen Richtlinien und Verordnungen stellt sich die Frage, welches Land bzw. welches Gericht im Falle von Ansprüchen zuständig ist. Die Antwort liefert das Internationale Privatrecht (IPR): Für vertragliche Ansprüche ist, sofern nichts Konkretes festgelegt wurde, gemäß Art 4 Abs 1 lit a Rom I[61] jenes Land zuständig, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Für eine deliktische Haftung ist gemäß Art 4 Abs 1 Rom II[62] allgemein jener Staat zuständig, in dem der Schaden entstanden ist. Speziell für Produkthaftungen ist gemäß Art 5 Abs 1 Rom II der Aufenthaltsort der geschädigten Person (lit a), der Kaufort (lit b) oder die Inverkehrbringung (lit c) relevant. Danach richtet sich das anzuwendende Recht.[63] Im Extremfall kann es, insbesondere bei Konzernen, sogar dazu kommen, dass es zu einer Rechtsspaltung kommt.[64] Dies kann auch für den erforderlichen Versicherungsschutz von entscheidender Bedeutung sein.[65] Eine Vereinbarung der Rechtswahl im Vorfeld kann deshalb sehr wohl sinnvoll sein, ist jedoch nur zwischen Unternehmern möglich und kann auch konkludent erfolgen.[66]

Speziell im Zusammenhang mit Maschinen sind die in den Kapiteln 1.1.3 (MRL) bzw. 1.1.4 (MVO) und 1.1.5 (NspRL) sowie 1.1.6