Mathematische Modellbildung und Simulation - Marco Günther - E-Book

Mathematische Modellbildung und Simulation E-Book

Marco Günther

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Beschreibung

Diese für Studierende ebenso wie für Wissenschaftler, Ingenieure und Praktiker geeignete Einführung in Mathematische Modellbildung und Simulation setzt nur einfache Grundkenntnisse in Analysis und linearer Algebra voraus - alle weiteren Konzepte werden im Buch entwickelt. Die Leserinnen und Leser lernen anhand detailliert besprochener Beispiele aus unterschiedlichsten Bereichen (Biologie, Ökologie, Ökonomie, Medizin, Landwirtschaft, Chemie, Maschinenbau, Elektrotechnik, Prozesstechnik usw.), sich kritisch mit mathematischen Modellen auseinanderzusetzen und anspruchsvolle mathematische Modelle selbst zu formulieren und zu implementieren. Das Themenspektrum reicht von statistischen Modellen bis zur Mehrphasen-Strömungsdynamik in 3D. Für alle im Buch besprochenen Modellklassen wird kostenlose Open-Source-Software zur Verfügung gestellt. Grundlage ist das eigens für dieses Buch entwickelte Betriebssystem Gm.Linux ("Geisenheim-Linux"), das ohne Installationsaufwand z.B. auch auf Windows-Rechnern läuft. Ein Referenzkartensystem zu Gm.Linux mit einfachen Schritt-für-Schritt-Anleitungen ermöglicht es, auch komplexe statistische Berechnungen oder 3D-Strömungssimulationen in kurzer Zeit zu realisieren. Alle im Buch beschriebenen Verfahren beziehen sich auf Gm.Linux 2.0 (und die darin fixierten Versionen aller Anwendungsprogramme) und sind daher unabhängig von Softwareaktualisierungen langfristig verwendbar.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Prinzipien der mathematischen Modellierung

1.1 Eine komplexe Welt braucht Modelle

1.2 Systeme, Modelle, Simulationen

1.3 Mathematik als natürliche Modellsprache

1.4 Definition mathematischer Modelle

1.5 Beispiele und weitere Definitionen

1.6 Noch mehr Definitionen

1.7 Wenn alles wie ein Nagel aussieht …

2 Phänomenologische Modelle

2.1 Elementare Statistik

2.2 Lineare Regression

2.3 Multiple lineare Regression

2.4 Nichtlineare Regression

2.5 Statistische Versuchsplanung

3 Mechanistische Modelle I: ODEs

3.1 Besondere Bedeutung von Differentialgleichungen

3.2 Einführende Beispiele

3.3 Aufstellen von ODE-Modellen

3.4 Etwas Theorie, die jeder kennen sollte

3.5 Numerische Lösungen

3.6 Beispiele für ODE-Modelle

4 Mechanistische Modelle II: PDEs

4.1 Einführung

4.2 Die Wärmeleitungsgleichung

4.3 Etwas Theorie, die jeder kennen sollte

4.4 Analytische Lösungen einer PDE

4.5 Numerische Lösungen einer PDE

4.6 Die Finite-Differenzen-Methode

4.7 Die Finite-Elemente-Methode

4.8 Die Finite-Volumen-Methode

4.9 Software zum Lösen von PDEs

4.10 Eine Beispielsitzung zur numerischen Berechnung der Wärmeleitung

4.11 Ein Blick hinter die Wärmeleitungsgleichung

4.12 Eine Beispielsitzung zur numerischen Berechnung einer Einphasenströmung

4.13 Eine Beispielsitzung zur numerischen Berechnung einer Zweiphasenströmung

5 Systemanalyse, Problemlösung und Prozessoptimierung in der Praxis

5.1 Big Data: Moderne Analyseverfahren für hochdimensionale Daten (Kai Velten, Rolf Reinicke)

5.2 Crashkurs R

5.3 Crashkurs Maxima

5.4 Dokumentation und Präsentation mit Gm.HYDRA

5.5 Statistische Prozesskontrolle, Projekt- und Qualitätsmanagement: SixSigma und Co.

5.6 Wissenschaftliche Systemanalyse und Modellentwicklung im Gartenbau (Kai Velten, Markus Kasnitz, Peter Braun)

Anhang A: Gm.Linux und die Buchsoftware

Anhang B: Referenzkarten

B.1 Installation Gm.Linux

B.2 Gm.HYDRA

B.3 D-optimale Versuchspläne

B.4 Berechnung einer Temperaturverteilung

B.5 Visualisierung mit ParaView

B.6 Berechnung einer Einphasenströmung

B.7 Berechnung einer Zweiphasenströmung

B.8 Virtualisierung

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

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Callister, W.D., Rethwisch, D.G.

Materialwissenschaften und Werkstofftechnik

Eine Einführung

2012

Print ISBN: 978-3-527-33007-2

ISBN: 978-3-527-68286-7

 

Jahns, J., Helfert, S.

Introduction to Micro- and Nanooptics

2012

ISBN: 978-3-527-40891-7, Auch in elektronischen Formaten erhältlich.

 

Ansorge, R., Oberle, H.J., Rothe, K., Sonar, T.

Mathematik Deluxe 1

Lehrbuch Mathematik für Ingenieure 1 inkl. Aufgaben und Lösungen 1, 4. Auflage

2010

ISBN: 978-3-527-41061-3

 

Ansorge, R., Oberle, H.J., Rothe, K., Sonar, T.

Mathematik Deluxe 2

Lehrbuch Mathematik für Ingenieure 2 inkl. Aufgaben und Lösungen 2, 4. Auflage

2011

ISBN: 978-3-527-41062-0

 

Kuypers, F.

Physik für Ingenieure und Naturwissenschaftler

Band 1: Mechanik und Thermodynamik, 3. Auflage

2012

ISBN: 978-3-527-41135-1, Auch in elektronischen Formaten erhältlich.

 

Kuypers, F.

Physik für Ingenieure und Naturwissenschaftler

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2012

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Halliday, D., Resnick, R., Walker, J.

Halliday Physik

Bachelor-Edition

2007

ISBN: 978-3-527-40746-0

Autoren

Marco GüntherHochschule für Technik und Wirtschaftdes SaarlandesSaarbrückenmarco.guenther@htwsaar.de

 

Kai VeltenHochschule GeisenheimUniversity Geisenheimkai.velten@hs-gm.de

 

TitelbildNumerische Strömungssimulation eines Flaschenreinungsprozesses (nähere Details im Buch und in [1]).

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Umschlaggestaltung Adam Design, Weinheim

Print ISBN 978-3-527-41217-4ePDF ISBN 978-3-527-68650-6ePub ISBN 978-3-527-68649-0Mobi ISBN 978-3-527-68648-3

Gedruckt auf säurefreiem Papier

Vorwort

„Jeder ist ein Künstler“ war eine zentrale Botschaft von Joseph Beuys, der einer der bekanntesten Künstler des 20. Jahrhunderts war. „Jeder modelliert und simuliert“ ist eine zentrale Botschaft dieses Buches. Mathematische Modellbildung und numerische Simulation gehören zu den wichtigsten Werkzeugen moderner Ingenieure, Ökonomen und Wissenschaftler, und tatsächlich wenden alle Menschen diese Methoden an – auch diejenigen von uns, die das noch gar nicht bemerkt haben … Es stellt sich also nicht die Frage, ob diese Methoden verwendet werden oder nicht, sondern es geht darum, diese weit verbreiteten Verfahren möglichst effektiv und nutzbringend einzusetzen.

Heute hat jeder Zugang zu leistungsstarken Rechnern (Desktop PCs, Notebooks, …), die für jegliche Art professioneller Datenanalyse eingesetzt werden können. Selbst komplexe statistische, strukturmechanische oder strömungsmechanische Simulationen, die vor wenigen Jahren noch Supercomputer erforderten, sind heute auf einfachen Desktop-PCs möglich. Obwohl die Verfahren der mathematischen Modellbildung und Simulation ein so großes Potential gerade für die kostengünstige Lösung sehr komplexer Probleme aufweisen, ist gerade im Ingenieurbereich heute oft noch eine Tendenz zu beobachten, sehr komplexe Probleme eher durch Experimente und Messungen zu lösen. Oft scheinen die Investitionen für experimentelle Ausrüstung proportional mit der Komplexität und Dringlichkeit des Problems anzusteigen, wobei dann am Ende zur Auswertung dieser teuer erworbenen Daten nur einfache Tabellenkalkulationen eingesetzt werden. Wenn man nach dem Grund für diese hohen Investitionen fragt, ist oft das Argument zu hören, die Komplexität des Problems „lasse sich nicht in vereinfachten Modellen abbilden“. Dabei ist die Anwendung mathematischer Modelle, wie wir in diesem Buch erläutern werden, gerade bei besonders komplexen Probleme auch besonders effektiv – gerade dort ist die Kostenersparnis am größten.

Die Autoren, seit vielen Jahren als Wissenschaftler und Berater mit Fragen der mathematischen Modellbildung befasst, gehen zunächst ausführlich auf die Grundlagen der mathematischen Modellbildung und Simulation ein: Was ist ein mathematisches Modell? Welche Arten mathematischer Modelle gibt es? Welches Modell ist auf welches Problem anwendbar? Was ist Simulation, Parameterschätzung, Validierung? Darauf aufbauend wird dann ein im Vergleich mit anderen Büchern besonders breites Themenspektrum mathematischer Modelle besprochen, das von statistischen Modellen bis zur Mehrphasen-Strömungsdynamik in 3D reicht. Die Leserinnen und Leser werden auf der Grundlage einer Vielzahl detailliert besprochener Beispiele aus unterschiedlichsten Gebieten (Biologie, Ökologie, Ökonomie, Medizin, Landwirtschaft, Chemie, Maschinenbau, Elektrotechnik, Prozesstechnik, usw.) in die Lage versetzt, sich kritisch mit mathematischen Modellen auseinanderzusetzen und mathematische Modelle selbst zu formulieren.

Für alle in diesem Buch (das zum Teil auf einer stark überarbeiteten und erweiterten Übersetzung von [2] basiert) besprochenen Modellklassen wird geeignete lizenzfreie Open-Source-Software zur Verfügung gestellt. Grundlage hierfür ist das eigens für dieses Buch entwickelte Computerbetriebssystem Gm.Linux (siehe Anhang A), das ohne Installationsaufwand auch z. B. auf Windows-Rechnern genutzt werden kann. Ein Referenzkartensystem zu Gm.Linux mit einfachen Schritt-für-Schritt-Anleitungen ermöglicht es den Leserinnen und Lesern, auch komplexe statistische Berechnungen oder 3D-Strömungssimulationen in kurzer Zeit zu realisieren. Alle im Buch beschriebenen Prozeduren und Programme beziehen sich auf das genau definierte Betriebssystem Gm.Linux 2.0 (und die darin sozusagen „eingefrorenen“, fixierten Versionen aller Anwendungsprogramme) und sind damit unabhängig von Softwareaktualisierungen langfristig funktionstüchtig.

Das Buch ist wie folgt gegliedert: Kapitel 1 beschreibt die Grundlagen der mathematischen Modellbildung und Simulation, u. a. Definitionen und erläuternde Beispiele zu den wichtigsten Begriffen und Konzepten der mathematischen Modellbildung. Nach der Diskussion phänomenologischer (datenbasierter) Modelle in Kapitel 2 folgen Einführungen in physikalisch-mechanistische (prozessorientierte) Modelle mit gewöhnlichen (Kapitel 3) und partiellen Differentialgleichungen (Kapitel 4). Kapitel 5 schließlich ergänzt u. a. in Form von Gastbeiträgen aus Industrie und Wissenschaft weitere Themen, die für die Umsetzung der in diesem Buch besprochenen Verfahrensweisen in die Praxis wichtig sind.

Wir möchten danken: Zuallererst unseren Eltern, Polly und Birgid und unseren Familien, ganz besonders auch Theresa, Benedikt, Julia, Lukas, Axel und Ulf für Ihre Unterstützung und ihre Geduld während des Buchschreibens und in den vielen Jahren davor; unseren Freunden und Kollegen, die Korrektur gelesen haben: Hagen Knaf, Gerald Kroisandt, Ferdinand Olawsky; und Anja Tschörtner und Vera Palmer vom Verlag für die gute Zusammenarbeit.

Marco Günther und Kai Velten

Saarbrücken und Geisenheim,im Februar 2014

1

Prinzipien der mathematischen Modellierung

Wir beginnen zunächst mit einer Vorstellung der grundlegenden Konzepte und Ideen. Unter anderem werden wir Definitionen der Begriffe System, Modell, Simulation, mathematisches Modell usw. kennenlernen. Ebenso werden wir über die Ziele der mathematischen Modellbildung und Simulation sowie über die Eigenschaften „guter“ mathematischer Modelle nachdenken und eine Klassifikation mathematischer Modelle vornehmen. Wer primär an den praktischen Anwendungen spezieller Methoden interessiert ist, kann dieses erste Kapitel überspringen und sich direkt in den weiteren Buchkapiteln beispielsweise über Regressionsmethoden (Kapitel 2) oder über Differentialgleichungsmethoden (Kapitel 3 und 4) informieren. Wir legen jedoch Wert auf die Feststellung, dass die in diesem ersten Kapitel behandelten Grundlagen der mathematischen Modellbildung auch für fortgeschrittene Anwender, die über diese Themen möglicherweise noch gar nicht reflektiert haben, von Interesse sind. Wie im Vorwort bereits angedeutet: Jeder von uns verwendet mathematische Modelle – „auch diejenigen von uns, die das noch gar nicht bemerkt haben“. Die Leserin oder der Leser wird sicherlich zustimmen, dass es eine gute Idee ist, eine Vorstellung von dem zu haben, was wir tun!

Ausgangspunkt für unsere weiteren Betrachtungen ist die Komplexität der Probleme, die in Wissenschaft, Ökonomie und Ingenieurwesen behandelt werden. Wie wir in Abschnitt 1.1 sehen werden, liegt die Ursache für die Schwierigkeit vieler Problemstellungen in Wissenschaft, Ökonomie und Ingenieurwesen vor allem in der Komplexität der betrachteten Systeme. Modelle sind hier das geeignete Werkzeug, um Komplexität aufzubrechen und Ansätze zur Problemlösung zu entwickeln. In Abschnitt 1.2 wird eine Definition der Begriffe System, Modell und Simulation angegeben. Dann schreiten wir in Abschnitt 1.3 weiter in Richtung mathematischer Modelle, indem wir feststellen, dass Mathematik die natürliche Sprache für komplexe Probleme in Wissenschaft, Ökonomie und Ingenieurwesen ist. Mathematische Modelle selbst werden schließlich in Abschnitt 1.4 definiert, gefolgt von Anwendungsbeispielen und Definitionen in Abschnitten 1.5 und 1.6. In Abschnitt 1.6.1 werden wir die wichtige Unterscheidung zwischen phänomenologischen und mechanistischen Modellen vornehmen, die als Grundlage für die Organisation der Kapitel 2–4 dieses Buches verwendet wird. Wir beenden das erste Kapitel mit einer Klassifikation mathematischer Modelle und Golombs berühmte „Don’ts of mathematical modeling“ in Abschnitt 1.7.

1.1 Eine komplexe Welt braucht Modelle

Die Arbeit von Ingenieuren, Ökonomen und Wissenschaftlern besteht darin, „Systeme“ zu verstehen, zu entwickeln oder zu optimieren. Hier wird mit „System“ ein interessierendes Objekt bezeichnet, das Teil der Natur (wie die Zelle einer Pflanze, ein Atom, eine Galaxie usw.) oder eines künstlichen ökonomischen oder technologischen Systems sein kann (siehe Definition 1.3). Die allgemeine Herangehensweise von Ingenieuren, Ökonomen und Wissenschaftlern bei der Arbeit mit Systemen weist eine starke Ähnlichkeit auf mit der Art und Weise, wie jeder von uns im täglichen Leben mit Systemen umgeht. Betrachten wir als Beispiel das Problem, einen normalen Tisch auf einen unebenen Boden zu stellen. Der Tisch ist ein einfaches technisches System, und jeder von uns weiß in diesem Fall, wie die Aufgabe zu lösen ist: Wir legen einfach unter ein oder zwei Tischbeine ein geeignetes Stück Pappe. Jeder von uns löst im Laufe seines Lebens eine große Anzahl solcher Probleme, die im Zusammenhang mit einfachen technischen Systemen auftreten. Darüber hinaus gibt es eine große Anzahl wirklich anspruchsvoller technischer Probleme, die nur von Ingenieuren gelöst werden können. Charakteristisch für besonders anspruchsvolle Probleme dieser Art ist eine hohe Komplexität des zugrunde liegenden Systems. Ingenieure wären schlicht überflüssig, wenn in unserer modernen Lebenswelt nicht viele Aufgaben zu lösen wären, die mit sehr komplexen technischen Systemen zu tun haben, beispielsweise mit Computerprozessoren, Motoren, Ölfördersystemen, High-Tech-Materialien usw. Ebensowenig wären Wissenschaftler erforderlich, wenn Prozesse wie die Photosynthese von Pflanzen genauso einfach verstanden werden könnten wie ein instabiler Tisch, und auch auf Ökonomen könnte man verzichten, wenn sich wichtige Zielgrößen wie etwa der Gewinn eines Betriebs oder auch die Arbeitslosigkeit in einer Volkswirtschaft nicht aus extrem komplexen Interaktionen mikro- und makroökonomischer Einflussfaktoren ergeben würden. Der Grund, warum es Wissenschaftler, Ökonomen und Ingenieure gibt, gewissermaßen deren Existenzberechtigung, ist die Komplexität der Natur und die Komplexität von technischen und ökonomischen Systemen. Vielleicht sollte mancher von uns, der in diesen Berufen sein Geld verdient, dankbar dafür sein, dass uns eine derart komplexe Welt vorgesetzt wurde.

Bemerkung 1.1. Die Komplexitätsherausforderung Die natürliche Aufgabe von Wissenschaftlern, Ökonomen und Ingenieuren besteht darin, Aufgaben zu lösen, die sich auf besonders komplexe Systeme beziehen. Damit ihre Arbeit erfolgreich ist, brauchen sie spezielle Methoden, um mit der Komplexität der Systeme umgehen zu können.

Abb. 1.1 Das Auto als reales System und als Modell.

Ingenieure, Ökonomen oder Wissenschaftler verwenden angesichts komplexer Systeme dieselbe Strategie, die jeder von uns im Alltag auf komplexe Systeme anwendet: Vereinfachung. Die Idee ist: Wenn etwas zu komplex ist, mach es Dir einfacher! Betrachten wir ein alltägliches Problem mit einem komplexen System: Ein Auto, das nicht anspringt. Jeder weiß, dass in dieser Situation ein Blick auf die Batterie und die Kraftstoffanzeige genügt, um dieses Problem in den meisten Fällen schnell zu lösen, und jeder wird dies auch ganz automatisch tun. Um die dahinter liegende Problemlösungsstrategie herauszuarbeiten, betrachten wir ein alternatives Szenario: Nehmen wir an, dass sich jemand zum ersten Mal in dieser Situation befindet. Etwas genauer: Nehmen wir an, dass unserem „jemand“ (der vielleicht von einem anderen Planeten gekommen ist und zwar Raumschiffe, aber noch nie zuvor ein Auto gesehen hat) erklärt worden ist, wie man Auto fährt, dass er dieses Auto eine Zeit lang gefahren ist und sich nun erstmals in der Situation befindet, dass das Auto nicht anspringt. Natürlich nehmen wir auch an, dass sich meilenweit keine Hilfe finden lässt! Solange das Auto gut funktioniert hat, schien es für unseren „jemand“ ein einfaches System gewesen zu sein: anlassen, Gas gaben, steuern, bremsen, irgendwann wieder abschalten, alles ganz einfach? Jetzt, da unser „jemand“ zum ersten Mal unter die Motorhaube schaut, wird er feststellen, dass er es mit einem sehr komplexen System zu tun hat. Er wird lange brauchen bis er das Problem eventuell gelöst hat, selbst dann, wenn wir annehmen, dass unser „jemand“ ein Ingenieur ist. Jeder von uns – auch Nicht-Ingenieure – könnte dieses Problem wesentlich schneller als dieser „jemand“ lösen. Der einfache Grund hierfür ist, dass diese Situation nicht neu für uns ist. Wir haben schon früher eine solche Situation erlebt und wissen aus Erfahrung, was zu tun ist. In unserer Vorstellung gibt es sozusagen ein vereinfachtes Bild eines Autos, ähnlich der , und in dem Augenblick, in dem das Auto nicht startet, denken wir nicht an das Auto als das komplexes System, das es tatsächlich ist, mit dieser endlosen Ansammlung von Ventilen, Kolben und all den anderen Dingen, die sich unter der Haube befinden, sondern wir denken vielmehr an das vereinfachte Bild: Wir wissen, dass dieses Bild für diese Situation geeignet ist, und es führt uns dazu, nach Batterie und Tankanzeige zu schauen, womit das Problem dann in meisten Fällen sofort gelöst ist.

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