"Matka und ich haben am 8. Mai 1945 vor Glück geheult wie Schlosshunde" - Inge Meysel - E-Book

"Matka und ich haben am 8. Mai 1945 vor Glück geheult wie Schlosshunde" E-Book

Inge Meysel

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Beschreibung

Wenn eine Welt aus den Fugen gerät: Bericht einer prominenten Zeitzeugin über ihre Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg. In diesem Einzelbeitrag: Inge Meysel.

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Seitenzahl: 38

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© für die Originalausgabe und das eBook: 2015 F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Wolfgang Heinzel

Satz und eBook-Produktion: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering

ISBN 978-3-7766-8235-9

INGE MEYSEL

Inge Meysel (* 30. Mai 1910 in Berlin-Rixdorf, † 10. Juli 2004 in Seevetal-Bullenhausen), Tochter des jüdischen Großhandelskaufmanns Julius Meysel und seiner deutsch-dänischen Ehefrau Margarete Hansen, galt gemäß der Rassengesetze im »Dritten Reich« als Halbjüdin und erhielt daher als Schauspielerin Auftrittsverbot. Umso erfolgreicher gestaltete sich Inge Meysels Laufbahn nach 1945. Von der eleganten Salondame entwickelte sie sich zur virtuosen Gestalterin unterschiedlichster Rollen, die nicht nur am Theater gefeiert wurde, sondern auch im Fernsehen zuverlässig für Höchstquoten sorgte.

»Matka und ich haben am 8. Mai 1945 vor Glück geheult wie Schlosshunde!«

Um 10 Uhr 30 waren wir zum Interview verabredet. Aber Inge Meysel war schon eine halbe Stunde eher von einem Einkaufsbummel zurück im großen Hotel am Frankfurter Main-Ufer, wo sie während eines Gastspiels in der Hessen-Metropole wohnte. In kerzengerader Haltung erwartete sie mich in der Halle, ihre zierlichen 1,56 Meter so hochgereckt wie möglich, ein keckes Hütchen mit Reiherfedern, das sie in Paris erstanden hatte, auf dem Kopf. Sie hielt sich noch an den Slogan der 50er-Jahre: » Übrigens: Man geht nicht mehr ohne Hut!«

Im Bezug auf ihre teure Kopfbedeckung sagte sie: »Man soll oft gut zu sich selber sein!« Zwar war sie bereits siebzig, aber von enormer Vitalität und ungebrochenem Temperament bei ausgeprägter Bodenhaftung. Zu allem und jedem hatte sie etwas zu bemerken. Oft verbunden mit einer witzigen Pointe. »Früher wohnte ich, wenn ich in Frankfurt war, im Hessischen Hof, der dem Prinzen von Hessen gehört«, informierte sie mich. »Aber dieses Hotel war mir zu blaublütig. Dort sind sogar die Kellner von Adel.«

Inge Meysel

© Nobel-Press/F.-G. Schulze

Noch bevor das Interview begonnen hatte, war Inge Meysel schon in voller Fahrt. Man konnte ihr sehr direkte Fragen stellen, die sie umstandslos beantwortete. Inge Meysel hatte zahllose Fans, aber auch nicht wenige Gegner. Sie polarisierte, konnte enorm bissig sein. Auf meine Frage, welche Erklärung sie selbst für ihre Popularität habe, antwortete sie:

»Manche Menschen adoptieren mich einfach. Für sie bin ich die Mutterfigur, für andere die Nachbarin von nebenan, für junge Menschen oft ein Kumpel, dem sie schreiben: ›Mit Ihnen kann man ja Pferde stehlen!‹ Andere mögen meine resche Art nicht so gern. Die Berliner Art, die merkwürdigerweise in Bayern und Österreich noch viel mehr ankommt als an der Spree. Die Berliner sind das ja gewohnt. Aber auch die anderen haben es offenbar nicht ungern, wenn einer schnell auf den Punkt kommt und mit seiner Meinung nicht hinterm Berg hält. Aber ich finde es erstaunlich, dass mich so viele Deutsche als ›Mutter der Nation‹ ausgesucht haben statt einer schönen, möglichst ›arisch‹ aussehenden Frau. Das spricht doch eigentlich unendlich für dieses deutsche Volk.«

Mit Inge Meysel kam man entweder gar nicht ins Gespräch, weil sie jemanden, der ihr nicht passte, gleich abblitzen ließ, oder man konnte sich stundenlang bestens über Gott und die Welt mit ihr unterhalten. Für die Beantwortung meiner Fragen zu ihren Erfahrungen in den zwölf Jahren des »Dritten Reichs« und ihren Erlebnissen während des Kriegs nahm sie sich viel Zeit.

»Durchs ›Dritte Reich‹ habe ich gelernt, keine Angst mehr haben«, begann sie. »Aber das war ein weiter Weg. Meine ersten Kindheitseindrücke sammelte ich im Berliner Osten. Meine Mutter Margarete nannte ich ›Matka‹, seit in meiner Kindheit ein fünf Jahre alter tschechischer Junge bewundernd zu mir gesagt hat: ›Du hast aber eine schöne Matka!‹ Matka war zu Beginn des Ersten Weltkriegs in die Kadiner Straße gezogen. In die Nähe ihrer Eltern, die in der Koppenstraße ein großes Pelzgeschäft besaßen. Mein Vater Julius, den die ganze Familie nur ›Jule‹ nannte, war ein kaisertreuer, patriotischer deutscher Jude. Er wurde gleich 1914 eingezogen. An der Somme hat er seinen rechten Arm verloren. Er wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet und als nunmehr kriegsuntauglicher Gefreiter aus dem Heer entlassen. Deshalb, und weil er in einer sogenannten Mischehe lebte, blieb ihm in der Nazizeit auch eine Zeit lang der gelbe Judenstern erspart.