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Mediation wird immer mehr als alternatives Instrument zur Konfliktlösung eingesetzt, um gemeinsam interessenorientierte Lösungswege zu finden. Hier erfahren Sie alles, was Sie dazu wissen müssen. Inhalte: - Welche Konflikte für eine Mediation geeignet sind und wo die Grenzen liegen - Mediation in Unternehmen und Organisationen: So nützen Sie die Vorteile einer Wirtschaftsmediation - Aufgaben und Kompetenzen des Mediators - Die Auswirkungen des neue Mediationsgesetzes
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Seitenzahl: 101
Veröffentlichungsjahr: 2012
Mediation, also die Vermittlung in einem Konflikt, ist mehr denn je in aller Munde. Gerade in jüngster Zeit wächst die Erkenntnis, dass sie in vielen Fällen als alternatives Instrument zur Konfliktlösung der richtige Weg ist, um gemeinsam interessenorientierte Lösungen zu finden. Sie wird sich zukünftig als neue Form der Streitkultur in Deutschland etablieren.
Mediation bietet die Chance zur Veränderung und schafft neue Erkenntnisse. Vor allem aber macht sie es möglich, gemeinsam mit dem Konfliktpartner ein zukunftsfähiges Ergebnis im Konfliktfall zu erarbeiten.
Dieser TaschenGuide soll Sie ermutigen, den Weg der Mediation zu wählen. Er zeigt Ihnen, wann Konflikte für eine Mediation geeignet sind, in welchen Feldern das Verfahren angewandt werden kann und was eine gute Mediation ausmacht. Sie erfahren, wodurch sich ein kompetenter Mediator auszeichnet und welche Auswirkungen das neue Mediationsgesetz haben wird. Viele Beispiele und Übersichten erleichtern den Einstieg in die Mediationspraxis.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!
Katja Ihde
Mediation als Vermittlung in einem Konflikt ist in Deutschland ein noch relativ unbekanntes Verfahren.
In diesem Kapitel lesen Sie,
was ein Konflikt ist und warum man ihn lösen sollte,
was Mediation ist und wo sie zum Einsatz kommt,
welche guten Gründe für eine Mediation sprechen.
Konflikte gehören zu unserem Alltag. Überall dort, wo Menschen mit unterschiedlichen Werten, Ansichten, Zielen, Moral- und Gerechtigkeitsvorstellungen, Erwartungen und Potenzialen aufeinander treffen, entstehen Konflikte. Ob wir als Kollegen bzw. als Mitarbeiter und Vorgesetzte miteinander arbeiten, ob wir Verträge miteinander geschlossen haben, nebeneinander wohnen oder als Familie oder Lebenspartner den Alltag bestreiten, ob wir Mieter oder Patient sind, schulpflichtige Kinder haben oder vom Ausbau einer Autobahn oder Gasleitung betroffen sind: Überall dort, wo Menschen leben und arbeiten, soziale Bindungen eingehen oder Verträge schließen, kommt es zu Konflikten.
Nach den gängigsten Definitionen ist ein Konflikt eine tatsächlich vorliegende oder auch nur empfundene Unvereinbarkeit im Denken, Vorstellen, Wahrnehmen, Fühlen, Wollen oder Handeln von zwei oder mehr Parteien. Diese Parteien können Personen, Organisationen oder Gruppen sein, von denen mindestens eine Partei diese Unvereinbarkeit empfinden muss. Die Frage ist: Wie gehen wir mit diesen Konflikten um? Wie lösen wir sie? Müssen wir sie überhaupt lösen?
Um Konflikte besser zu verstehen, ist es hilfreich, grundsätzlich zwischen intrapersonalen und interpersonalen Konflikten zu unterscheiden. Intrapersonale Konflikte spielen sich in einer Person selber ab, d. h., man ist im Zweifel oder unsicher hinsichtlich einer Entscheidung. Möglich ist auch, dass ein Konflikt in der Vergangenheit liegt und durch die Person noch nicht verarbeitet wurde. Häufig werden solche inneren Konflikte auf andere übertragen. Aus einem intrapersonalen wird ein interpersonaler Konflikt. Bei diesem handelt es sich um Differenzen zwischen zwei oder mehr Personen.
Konflikte können außerdem auf der Sach- und der Beziehungsebene stattfinden. Als Konflikte auf der Sachebene werden alle Konflikte bezeichnet, die sichtbar sind, die sich über der „Wasseroberfläche“ abspielen und die klar benennbar sind. Es existieren entgegengesetzte Meinungen, die jedoch auf die Sache bezogen sind. Sie lassen sich folgendermaßen einteilen.
In einem Unternehmen geht es um die Budgetaufteilung zwischen der Produktions- und der Marketingabteilung. Jede Abteilung ist der Auffassung, sie leiste den „wertvolleren“ Beitrag zum Unternehmenserfolg, und beansprucht daher auch den größeren Anteil vom Budget.
Da es in diesem Beispiel um die Aufteilung der Ressource „Geld“ geht, haben wir es oberflächlich gesehen mit einem typischen Verteilungskonflikt auf der Sachebene zu tun.
Unter der Sachebene lauern häufig Konflikte auf der Beziehungsebene. Diese sind zunächst unsichtbar und liegen im Verborgenen; sie überlagern den Sachkonflikt jedoch typischerweise. Die zugrundeliegende Beziehungsstörung erscheint getarnt als Sachkonflikt – es besteht deshalb die Gefahr, an der falschen Ursache zu arbeiten. Um den Konflikt zu lösen, ist es notwendig, auch die Tiefenstruktur des Konflikts herauszuarbeiten und zu erkennen, wo es tatsächlich brodelt.
Für das obige Beispiel bedeutet dies: Den Beteiligten geht es zwar offiziell um die Aufteilung des Budgets, aber unter dem Anspruch auf das „Mehr vom Kuchen“ lauern Interessen und Bedürfnisse, hier eventuell das Bedürfnis nach Gerechtigkeit, Gleichbehandlung, Anerkennung oder auch fairer Bezahlung.
Auf der Beziehungsebene geht es um Beziehungen, Werte, Rollen, Interessen, Bedürfnisse, Gefühle und Ängste.
Ein Ehepaar auf dem Land hat einen Hof zu vererben. Die beiden haben vier gemeinsame Kinder und sind sich uneins, wie das Erbe richtig aufzuteilen ist. Dieser Fall ist zunächst ein Sachkonflikt, denn über der „Wasseroberfläche“ geht es um die Verteilung von Besitz. Hinter dem vermeintlichen Sachkonflikt bestimmen jedoch viele zunächst unsichtbare Aspekte den Konflikt: So spielen Traditionen eine Rolle (der älteste Sohn bekommt den Hof), Werte (der Hof soll weitergeführt werden, also bekommt ihn der, der auch Landwirt ist), Gefühle (Dankbarkeit gegenüber der pflegenden Tochter), Fairnessaspekte (sollen nicht alle das Gleiche bekommen?).
Dieses Beispiel verdeutlicht, dass sich eine Lösung des Konflikts an vielen Kriterien messen lassen muss, wenn z. B. Gerechtigkeit für den einen die Fortsetzung der Tradition bedeutet und für den anderen die Gleichbehandlung aller Kinder. Um einen Konflikt bearbeiten zu können, ist es deshalb notwendig, auf die tiefer liegende Beziehungsebene zu schauen. Nur hier spielen sich die wahren Beweggründe, Motive und Emotionen der Beteiligten ab. Ohne diese zu erkennen und zu bearbeiten, werden in der Mehrzahl der Fälle keine nachhaltigen und belastbaren Lösungen gefunden werden.
Konflikte gehören zu unserem Alltag. Gleichzeitig jedoch bleiben sie oft unbearbeitet und damit ungelöst. Das Risiko ungelöster Konflikte liegt in ihrer Eskalation: Die Kommunikation untereinander wird zunehmend unklarer, die Probleme werden größer und unübersichtlicher, die Beteiligten beginnen sich zu meiden oder zu provozieren. So bekommt der Konflikt eine neue Dimension, geht tiefer und endet schließlich in einer Sackgasse. Gerade wenn die Beteiligten eine gemeinsame Lösung brauchen, ist die Ausblendung des Konflikts oftmals die schlechteste aller Möglichkeiten.
Konflikte bleiben aus vielen Gründen ungelöst. Mögliche Aspekte können sein:
Angst vor der Emotionalität, die bei der Bearbeitung von Konflikten eine Rolle spielen kann,
Angst vor Macht- und Kontrollverlust, d. h. nicht zu wissen, was dann passiert,
Angst, sich selber angreifbar zu machen,
fehlendes Know-how im Umgang mit Konflikten,
die Annahme, eine Führungskraft müsse für Ordnung in ihrem Bereich sorgen, sonst sei sie keine gute Führungskraft,
die Annahme, Konflikte seien ein Zeichen von Schwäche.
All dies kann dazu führen, dass ein Konflikt als solcher nicht erkannt bzw. nicht bearbeitet wird.
Der Chef der Abteilung sieht, dass seine Mitarbeiter die Rauch- und Mittagspausen deutlich überziehen. Er scheut sich jedoch, diesen Umstand anzusprechen, da er die Erfahrung gemacht hat, dass kritisierte Mitarbeiter mit Krankschreibung drohen. Er belässt die Situation daher, wie sie ist.
Konflikte können destruktiv oder konstruktiv gelöst werden. Destruktiv, also zerstörerisch, endet die Konfliktaustragung, wenn die Parteien sich immer weiter von der Sache entfernen, während die jeweils andere Person mehr und mehr als das eigentliche Problem angesehen wird. Behandelt man den Konflikt derart destruktiv, gibt es auf beiden Seiten entweder nur Verlierer oder eine Gewinner-Verlierer-Konstellation. Gelöst wird der Konflikt dadurch nicht. Vorteilhafter für beide Seiten ist die konstruktive Konfliktaustragung. Hier steht die Erarbeitung einer Lösung im Vordergrund, mit der beide Seiten leben können. Die Konfliktparteien verstehen sich nicht als Gegner, sondern als Partner. Mediation ist ein Instrument der konstruktiven Konfliktaustragung.
Viel zu häufig wird die Lösung eines Konflikts in Deutschland an Dritte delegiert. Das können Anwälte, Richter, Gutachter, Schiedsrichter oder auch Schlichter sein, die den Konflikt für die Beteiligten lösen sollen.
Jedes Jahr werden 2,5 Mio. Klagen bei Zivilgerichten eingereicht, hinzu kommen 1,2 Mio. Klagen bei Arbeits- und Sozialgerichten sowie Verwaltungs- und Finanzgerichten.
Im Ergebnis vergeben sich die Beteiligten dadurch oftmals die Chance, selbst nach einer Lösung zu suchen, die ihren eigenen individuellen Interessen und Bedürfnissen entspricht. Stattdessen binden sie sich an ein fremdbestimmtes Ergebnis, bei dem es in der Regel mindestens einen Verlierer gibt.