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Pflegende haben täglich Umgang mit Arzneimitteln - sei es in einer Vorbereitung der Arzneimittelapplikation oder mit der Verabreichung selbst. Kompakte Arzneimittellehre Komprimiertes und praxisorientiertes Nachschlagewerk Das runde Infopaket mit allen notwendigen Grundlagen und einer krankheitsbezogenen Darstellung Allgemeine und spezielle Arzneimittellehre in verständlicher Form Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten von Medikamenten Reaktionen im menschlichen Körper und Nebenwirkungen Neu Ansprechendes, sehr lesefreundliches, 4-farbiges Layout Neue Grafiken, Fotos und übersichtliche Tabellen Das Glossar im Anhang erleichtert das Verständnis der Fachbegriffe
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Seitenzahl: 568
Veröffentlichungsjahr: 2007
Arzneimittellehre für Gesundheitsberufe
Franz-Josef Kretz und Sebastian Reichenberger
unter Mitarbeit von Manfred Oster
6., überarbeitete Auflage
102 Abbildungen, 47 Tabellen
Georg Thieme VerlagStuttgart · New York
1 WESEN UND BEZEICHNUNG DER ARZNEIMITTEL
2 ENTWICKLUNG EINES ARZNEIMITTELS
3 WIRKUNGENDER ARZNEIMITTEL
4 SCHICKSAL DER ARZNEIMITTEL IM ORGANISMUS
5 ARZNEIFORMEN
6 WECHSELWIRKUNGEN DER ARZNEIMITTEL
7 MEDIKAMENTÖSE THERAPIE IN DER SCHWANGERSCHAFT
8 UNERWÜNSCHTE ARZNEIMITTELWIRKUNGEN
9 UMGANGMIT ARZNEIMITTELN
10 SCHMERZZUSTÄNDE
11 SCHLAFSTÖRUNGEN
12 HERZ-KREISLAUFERKRANKUNGEN
13 BLUTERKRANKUNGEN
14 ERKRANKUNGEN DER ATEMWEGE
15 ERKRANKUNGEN DER VERDAUUNGSORGANE
16 STOFFWECHSELERKRANKUNGEN
17 ERKRANKUNGEN ENDOKRINER ORGANE: THERAPIE MIT HORMONEN UND HORMONANTAGONISTISCHE THERAPIE
18 ERKRANKUNGEN DES BEWEGUNGSAPPARATS
19 NEUROLOGISCHE ERKRANKUNGEN
20 PSYCHISCHE ERKRANKUNGEN
21 ERKRANKUNGEN DURCH VIREN, BAKTERIEN, PILZE, PROTOZOEN UND MEHRZELLIGE PARASITEN
22 ALLERGISCHE UND IMMUNOLOGISCHE ERKRANKUNGEN: IMMUNMODULIERENDE UND IMMUNSUPPRESSIVE THERAPIE
23 MALIGNE ERKRANKUNGEN
24 INFUSIONSTHERAPIE
25 DESINFEKTION UND STERILISATION
26 VERGIFTUNGEN
Prof. Dr. Franz-Josef Kretz
Ärztlicher Direktor, Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin Olgahospital – Klinikum Stuttgart
Bismarckstr. 8
70176 Stuttgart
Dr. Sebastian Reichenberger Oberarzt, Innere Medizin Ludmillenstift Meppen Ludmillenstraße 4-6 49716 Meppen
Prof. Dr. med. Manfred Oster
Dipl.-Psychologe
Bayernstraße 53
67061 Ludwigshafen
Zeichnungen: Adrian Cornford, Reinheim Fotos: Alexander Fischer, Baden-Baden Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe
1. Auflage 1982
2. Auflage 1985
3. Auflage 1988
4. Auflage 1993
5. Auflage 1999
Bibliografische Information der DeutschenBibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
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© 1982, 2007 Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, D-70469 Stuttgart
http://www.thieme.de
eISBN: 978-3-13-168406-6 1 2 3 4 5 6
Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrungen erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung desWerkes entspricht.
Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommenwerden. Jeder Benutzer istangehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebrachtworden sind. Jede Dosierungoder Applikation erfolgt auf eigene Gefahrdes Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen.
Hocherfreut dürfen wir Ihnen die 6. Auflage der Medikamentösen Therapie anbieten. Dieses außerordentlich erfolgreiche Lehrbuch war zunächst vor über 20 Jahren für die Arzneimittellehre im Rahmen der Ausbildung zur Krankenschwester / zum Krankenpfleger geplant und verwirklicht worden.
Die Konzeption war damals daraufhin auch abgestimmt worden: Die Darstellung der Arzneimittellehre sollte krankheitsbildorientiert erfolgen – um den tatsächlichen Bezug von Medikamentengabe und Erkrankung auch besser abbilden zu können.
Diese erfolgreiche Konzeption hat das Buch jedoch auch für Medizinstudenten und andere Berufsgruppen aus dem Gesundheitswesen interessant gemacht. In den letzten Jahren war deshalb auch nicht mehr so klar, wer sich für dieses Buch mehr interessierte – in Ausbildung befindliche Krankenschwestern?, examinierte Krankenschwestern? – oder Medizinstudenten?!?.
Der Thiemeverlag hat deshalb die grundsätzliche Entscheidung getroffen, das Buch als Arzneimittellehre für alle Gesundheitsberufe zu positionieren. Wir sind darüber begeistert, dass der Thiemeverlag dem Buch darüber hinaus auch ein komplett neues Outfit gegeben hat. Auch sind die Abbildungen jetzt vierfarbig gestaltet. Zu dem prägnanten Text, in dem versucht wurde, so viel Information pro Zeile unterzubringen wie irgend möglich, kommt jetzt auch noch das neue Outfit – Sie merken es selbst: Wir sind begeistert.
Haben wir Sie neugierig gemacht? Lassen Sie sich anstecken von dem neuen Layout und dem überarbeiteten „Wissenskonzentrat“. Und wenn Ihnen etwas auffällt, was Ihnen kritisierenswert erscheint, dann lassen Sie es uns bitte wissen.
Danken möchten wir: Frau Christiane Grützner, Leitung des Bereiches Pflege des Thiemeverlages, die die Öffnung des Werkes auch für die anderen Berufsgruppen initiiert hat, Frau Kerstin Jürgens von der Fachredaktion Pflege, für die charmante Betreuung bei der Buchgestaltung und Herstellung sowie Herrn Priv. Doz. Dr. Mörike, Institut für klinische Pharmakologie der Universität Tübingen, der sich wie auch Frau Dr. Remppis, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Krankenhaus Bad Cannstatt, sehr engagiert um die Überarbeitung des Buches verdient gemacht hat.
Stuttgart und Bocholt, im Juli 2007
1 WESEN UND BEZEICHNUNG DER ARZNEIMITTEL
2 ENTWICKLUNG EINES ARZNEIMITTELS
2.1 Entdeckung von Wirkstoffen
2.2 Tierexperimentelle Prüfung
2.3 Humanpharmakologische Prüfung
2.4 Ökonomische Aspekte bei der Entwicklung von Arzneimitteln
3 WIRKUNGEN DER ARZNEIMITTEL (PHARMAKO-DYNAMIK)
3.1 Hauptwirkung
3.2 Nebenwirkung
3.3 Wirkungsweise der Arzneimittel
3.3.1 Rezeptortheorie
4 SCHICKSAL DER ARZNEIMITTEL IM ORGANISMUS (PHARMAKO-KINETIK)
4.1 Aufnahme (Resorption)
4.1.1 Parenterale Applikation
4.1.2 Orale Applikation
4.1.3 Rektale Applikation
4.1.4 Lokale Applikation
4.1.5 Inhalation
4.2 Verteilung
4.3 Abbau
4.4 Ausscheidung (Exkretion)
4.5 Grafische Darstellung pharmakokinetischer Sachverhalte
5 ARZNEIFORMEN
5.1 Flüssige Arzneiformen
5.2 Halbfeste Arzneimittel
5.3 Feste Arzneiformen
5.4 Hilfsstoffe
6 WECHSELWIRKUNGEN DER ARZNEIMITTEL
6.1 Pharmakodynamische Wechselwirkungen
6.2 Pharmazeutische Wechselwirkungen
6.3 Pharmakokinetische Wechselwirkungen
7 MEDIKAMENTÖSE THERAPIE IN DER SCHWANGERSCHAFT
8 UNERWÜNSCHTE ARZNEIMITTELWIRKUNGEN
9 UMGANG MIT ARZNEIMITTELN
9.1 Indikation
9.2 Kontraindikation
9.3 Probleme der Dosierung
9.4 Applikation und Tageszeit – Chronopharmakologie
9.5 Kooperation zwischen Arzt und Patient
9.6 Medikamente und Straßenverkehr
9.7 Bestimmung des Medikamentenspiegels im Serum
9.8 Rechtliche Aspekte zum Umgang mit Arzneimitteln
9.8.1 Zweck und Inhalt des Arzneimittelgesetzes
9.8.2 Begriffsbestimmungen
9.9 Kennzeichnung eines Fertigarzneimittels
9.10 Abforderung, Aufbewahrung und Verabreichung von Arzneimitteln
9.10.1 Abforderung von Arzneimitteln
9.10.2 Allgemeine Richtlinien zur Aufbewahrung und zum Umgang mit Arzneimitteln
9.10.3 Verabreichung der Arzneimittel
9.11 Rechtliche Fragen zur parenteralen Arzneimittelapplikation durch das Pflegepersonal
10 SCHMERZZUSTÄNDE
10.1 Schmerzlinderung durch peripher wirkende Analgetika
10.1.1 Azetylsalizylsäure (Aspirin, Aspisol, ASS-Ratiopharm)
10.1.2 Diflunisal (Fluniget), Ibuprofen (Aktren)
10.1.3 Paracetamol (Ben-u-ron), Metamizol (Novalgin)
10.2 Schmerzlinderung durch zentral wirkende Analgetika
10.2.1 Morphin
10.2.2 Morphinartig wirkende Analgetika
10.2.3 Analgetika aus der Reihe der Agonisten/Antagonisten
10.2.4 Analgesie durch zentral wirkende Analgetika unsicherer Zuordnung
10.2.5 Neue Applikationsweisen
10.2.6 Aufhebung der Opioidwirkung durch Opioidantagonisten
10.3 Begleitende Medikation
10.4 Lokalanästhetika
11 SCHLAFSTÖRUNGEN
11.1 Therapie mit Benzodiazepinen
11.2 Therapie mit pflanzlichen Schlafmitteln
11.3 Therapie mit Barbituraten
11.4 Therapie mit Thiamazolen
11.5 Therapie mit barbituratfreien, unspezifisch wirksamen Hypnotika
11.6 Analgesie und Sedierung bei medizinischen Eingriffen
11.6.1 Sedativa und Benzodiazepinantagonisten
11.6.2 Kurznarkose
11.6.3 Analgesie
12 HERZ-KREISLAUFERKRANKUNGEN
12.1 Herzinsuffizienz
12.1.1 Kardial unterstützende Therapie
12.1.2 Kardial entlastende Therapie
12.2 Koronare Herzkrankheit
12.2.1 Entlastung des Herzens: Nitrate und verwandte Stoffe
12.2.2 Schutz vor dem Sympathikus: Betablocker
12.2.3 Schutz des Herzens durch Kalziumblockade: Kalziumantagonisten
12.3 Myokardinfarkt: akutes Koronarsyndrom
12.3.1 Schmerzlinderung
12.3.2 Sedierung
12.3.3 Entlastung des Herzens: Nitrate
12.3.4 Unterstützung der Herzkraft beim Infarkt: positiv inotrope Substanzen
12.3.5 Therapie von Rhythmusstörungen beim akuten Koronarsyndrom
12.3.6 Versuch der Myokarderhaltung: koronare Angioplastie, gerinnungsaktive Therapie
12.3.7 Sekundärprophylaxe des Myokardinfarktes: Basistherapie der koronaren Herzerkrankung
12.4 Herz-Kreislauf-Stillstand
12.4.1 Sympathikusstimulation: Katecholamine
12.4.2 Vasokonstriktion
12.4.3 Säurepufferung: Natriumbikarbonat (Natriumbikarbonat 8,4%)
12.4.4 Behandlung von Rhythmusstörungen im Rahmen einer Reanimation
12.5 Herzrhythmusstörungen
12.5.1 Therapie bradykarder Rhythmusstörungen
12.5.2 Therapie tachykarder Rhythmusstörungen
12.6 Hypertonie
12.6.1 Antihypertensiva der 1.Wahl
12.6.2 Antihypertensiva der 2.Wahl
12.6.3 Antihypertensiva der 3.Wahl
12.6.4 Medikamente zur Behandlung hypertensiver Krisen und hypertensiver Notfälle
12.7 Hypotone Blutdruckregulationsstörungen
12.7.1 Tonisierung der peripheren Venen
12.7.2 Sympathikusstimulation
12.7.3 Kochsalzretention: Mineralocorticoide
12.8 Durchblutungsstörungen
12.8.1 Arterielle Durchblutungsstörungen
12.8.2 Venöse Durchblutungsstörungen
13 BLUTERKRANKUNGEN
13.1 Anämien
13.1.1 Therapie der Eisenmangelanämie
13.1.2 Therapie der Folsäuremangelanämie
13.1.3 Therapie der perniziösen Anämie
13.1.4 Therapie der sideroachrestischen Anämie
13.1.5 Therapie der renalen Anämie
13.2 Therapie von Leukämien, Plasmozytomen, Morbus Waldenström und Lymphomen
13.3 Therapie von Leukopenien
13.4 Gerinnungsstörungen
13.4.1 Substitution von Gerinnungsfaktoren
13.4.2 Hemmung der Fibrinolyse
14 ERKRANKUNGEN DER ATEMWEGE
14.1 Therapie der Rhinitis acuta
14.1.1 Schleimhautabschwellende Medikamente
14.2 Therapie der Rhinitis allergica
14.2.1 Medikamente zur Prophylaxe eines allergischen Schnupfens
14.2.2 Lokal wirksame Kortikoide
14.3 Therapie der akuten Bronchitis
14.3.1 Antitussiva
14.4 Therapie der chronischen Bronchitis und der chronischen obstruktiven Lungenerkrankung
14.4.1 Lokal wirkende Expektoranzien und Mukolytika
14.4.2 Systemisch wirkende Expektoranzien und Mukolytika
14.4.3 Medikamente zur Lösung einer bronchialen Obstruktion (Bronchospasmolytika)
14.4.4 Unterdrückung der Entzündungsreaktion
14.4.5 Antibiotika
14.5 Therapie von Asthma bronchiale und Status asthmaticus
14.5.1 Vorgehensweise beim akuten Asthmaanfall
14.5.2 Medikamente zur Anfallsprophylaxe und Therapie im „Intervall“
14.6 Lungenemphysem
14.7 Lungenfibrosen
14.8 Pneumonie
15 ERKRANKUNGEN DER VERDAUUNGSORGANE
15.1 Magen- und Darmerkrankungen
15.1.1 Peptische Läsionen, Magen- und Darmulzera, Refluxösophagitis, Erosionen, Gastritis, Duodenitis
15.1.2 Übelkeit und Erbrechen
15.1.3 Obstipation
15.1.4 Erkrankungen mit dem Leitsymptom Diarrhöe
15.1.5 Funktionelle abdominelle Beschwerden
15.1.6 Divertikulose
15.1.7 Therapie der Magen-Darm-Atonie und des paralytischen Ileus
15.2 Leber- und Gallenwegserkrankungen
15.2.1 Therapieprinzipien bei akuter Virushepatitis
15.2.2 Therapiemaßnahmen bei chronischen Hepatitiden
15.2.3 Therapieprinzipien bei alkoholischer und nichtalkoholischer Fettleber, Hepatitis und Leberfibrose
15.2.4 Therapieprinzipien bei Leberzirrhose und bei chronischem und akutem Leberversagen
15.2.5 Biliäre Erkrankungen
15.3 Pankreaserkrankungen
15.3.1 Akute Pankreatitis
15.3.2 Chronische Pankreatitis
16 STOFFWECHSELERKRANKUNGEN
16.1 Diabetes mellitus
16.1.1 Orale Antidiabetika
16.1.2 Insulin
16.1.3 Diabetisches Koma
16.2 Störungen des Fettstoffwechsels: Hyperlipidämien
16.2.1 Hemmung der Cholesterinsynthese: Statine
16.2.2 Hemmung von Gallensalzreabsorption und Cholesterinresorption
16.2.3 Beschleunigung des Lipoproteinabbaus
16.2.4 HDL-Erhöhung (Nikotinsäurederivate)
16.2.5 Stoffwechselsteigerung
16.3 Gicht
16.3.1 Therapie des akuten Gichtanfalls
16.3.2 Therapie der Gicht im Intervall
16.4 Adipositas
16.4.1 Lipase-Inhibitor
17 ERKRANKUNGEN ENDOKRINER ORGANE: THERAPIE MIT HORMONEN UND HORMON-ANTAGONISTISCHE THERAPIE
17.1 Schilddrüsenerkrankungen
17.1.1 Medikamentöse Therapie der Struma
17.1.2 Medikamentöse Therapie der Hypothyreose
17.1.3 Medikamentöse Therapie der Hyperthyreose
17.2 Therapie mit hypothalamischen und hypophysären Hormonen
17.3 Therapie mit Steroidhormonen
17.3.1 Glukokortikoide
17.3.2 Mineralkortikoide
17.3.3 Östrogene und Gestagene, Antiöstrogene und Antigestagene
17.3.4 Antikonzeptiva
17.3.5 Androgene und Anabolika
17.3.6 Antiandrogene
18 ERKRANKUNGEN DES BEWEGUNGSAPPARATS
18.1 Entzündliche und degenerative Erkrankungen der Knochenverbindungen und der Weichteile
18.1.1 Nicht steroidale Antiphlogistika
18.1.2 Glukokortikoide
18.1.3 Adrenokortikotropes Hormon
18.1.4 Basistherapeutika
18.1.5 Immunsuppressiva und Zytostatika
18.1.6 Immunstimulierende Therapie: Levamisol, Thymushormone
18.1.7 Immunmodulation
18.1.8 Selten genutzte Medikamente bei chronischen Arthritiden und Arthrosen
18.1.9 Gicht
18.2 Entzündliche, degenerative und maligne Erkrankungen der Knochen
18.2.1 Analgetische Antiphlogistika und Analgetika
18.2.2 Östrogene
18.2.3 Kalzium
18.2.4 Fluoride
18.2.5 Kalzitonin
18.2.6 Diphosphonate ( Biphosphonate)
18.2.7 Vitamin D
18.2.8 Therapie der Hyperphosphatämie
18.2.9 Muskelrelaxantien
19 NEUROLOGISCHE ERKRANKUNGEN
19.1 Epilepsien
19.1.1 Prinzipien der Behandlung
19.1.2 Antiepileptika
19.2 Idiopathisches Parkinson-Syndrom (Morbus Parkinson)
19.2.1 L-Dopa mit peripherem Dekarboxylasehemmer
19.2.2 Dopamin-Agonisten
19.2.3 Anticholinergika
19.2.4 N-Methyl-D-Aspartat-Antagonisten
19.2.5 MAO-B-Hemmer
19.2.6 Catechol-O-Methyl-Transferase-Hemmer (COMT-Hemmer)
19.3 Delir
19.4 Zerebrovaskuläre Erkrankungen
19.4.1 Medikamentöse Akuttherapie der zerebralen Ischämie
19.4.2 Frühe medikamentöse Sekundärprävention
19.5 Entzündliche/infektiöse Erkrankungen
19.5.1 Virusinfektionen
19.5.2 Bakterielle Infektionen
19.6 Multiple Sklerose bzw Enzephalomyelitis disseminata
19.6.1 Schubtherapie
19.6.2 Verlaufsmodifizierende Therapie der schubförmigen MS
19.6.3 Therapie (sekundär) chronisch progredienter Verlaufsformen
19.7 Kopfschmerzen
19.7.1 Migräne
19.7.2 Kopfschmerzen vom Spannungstyp
19.7.3 Clusterkopfschmerz
20 PSYCHISCHE ERKRANKUNGEN
20.1 Antipsychotika/Neuroleptika
20.2 Thymoleptika
20.2.1 Nicht-selektive Monoamin-Rückaufnahme-Hemmer (NSMRI)
20.2.2 Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
20.2.3 Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI)
20.2.4 Selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI)
20.2.5 Rezeptorantagonisten
20.2.6 Monoaminooxidasehemmer
20.2.7 Phytopharmaka
20.2.8 Andere Wirkmechanismen
20.3 Stimmungsstabilisierer (Phasenprophylaktika)
20.4 Tranquilizer
20.4.1 Benzodiazepine
20.4.2 Niedrig dosierte Antipsychotika
20.4.3 Trizyklische und chemisch andersartige Tranquilizer
20.4.4 Phytotherapeutika
20.4.5 Betarezeptorenblocker
20.5 Hypnotika
20.5.1 Benzodiazepine
20.5.2 Benzodiazepinrezeptoragonisten/Non-Benzodiazepinhypnotika
20.5.3 Niedrigpotente Antipsychotika
20.5.4 Sedierende Antidepressiva
20.5.5 Chloralhydrat
20.5.6 Antihistaminika
20.5.7 Pflanzliche Sedativa
20.6 Antidementiva/Nootropika
20.6.1 Azetylcholinesterasehemmer
20.6.2 Glutamatmodulator/NMDA-Antagonist
20.6.3 Klassische Nootropika
20.6.4 Klassische Nootropika/Phytotherapeutika
20.7 Psychostimulanzien
20.7.1 ADHS
20.7.2 Narkolepsie
20.8 Entzugs- und Entwöhnungsmittel
20.8.1 Alkoholabhängigkeit
20.8.2 Nikotinabhängigkeit
20.8.3 Opioidabhängigkeit
21 ERKRANKUNGEN DURCH VIREN, BAKTERIEN, PILZE, PROTOZOEN UNDMEHRZELLIGE PARASITEN
21.1 Antivirale Chemotherapie
21.1.1 Behinderung der Virusgenomfreilegung (uncoating-Medikamente)
21.1.2 Synthesehemmung für replikatorische Proteine
21.1.3 Hemmung der reversen Transkriptase
21.1.4 Einbau von Nukleinsäureanaloga in die DNA
21.1.5 Hemmung der viralen DNA-Polymerase
21.1.6 Hemmung der DNA-Polymerase, der RNA-Polymerase und der reversen Transkriptase
21.1.7 Einbau fehlerhafter DNA-Bausteine
21.1.8 Nukleosid-Antimetaboliten
21.1.9 Proteaseinhibitoren
21.1.10 Neuraminidasehemmer Behinderung der Virusausschleusung
21.1.11 Immunmodulation
21.2 Bakteriostatika und bakterizide Medikamente (Antibiotika)
21.2.1 Penizilline
21.2.2 Cephalosporine
21.2.3 Weitere Betalaktamantibiotika
21.2.4 Aminoglykoside
21.2.5 Tetrazykline
21.2.6 Makrolide
21.2.7 Sulfonamide
21.2.8 Gyrasehemmer (Chinolone)
21.2.9 Nitroimidazole
21.2.10 Selten eingesetzte Antibiotika
21.2.11 Lokalantibiotika
21.2.12 Chemotherapeutika gegen Mykobakterien (Tuberkulostatika)
21.2.13 Medikamente gegen Mycobacterium leprae
21.3 Antimykotika
21.3.1 Stark wirksame Antimykotika
21.3.2 Nebenwirkungsärmere Antimykotika
21.3.3 Antimykotika gegen oberflächliche Mykosen
21.4 Antiprotozoenmittel
21.4.1 Medikamente gegen Malaria
21.4.2 Mittel zur Therapie weiterer Protozoeninfektionen
21.5 Medikamente gegen Wurmerkrankungen
22 ALLERGISCHE UND IMMUNOLOGISCHE ERKRANKUNGEN: IMMUNMODULIERENDE UND IMMUNSUPPRESSIVE THERAPIE
22.1 Histaminantagonisten
22.2 Glukokortikoide
22.3 Zytotoxische Wirkstoffe
22.4 Lymphozytenhemmung durch Störung der DNA-Synthese
22.5 Lymphozytenproliferationshemmung durch Behinderung der Signalübertragung
22.6 Lymphozyteninaktivierung durch Lymphokinsuppression
22.7 Interferone
22.8 Interleukin
22.9 Antitumornekrosefaktor
23 MALIGNE ERKRANKUNGEN
23.1 Allgemeines zur Therapie maligner Erkrankungen
23.2 Therapie mit Zytostatika
23.2.1 Prinzipien der Therapie mit Zytostatika
23.2.2 Hinweise zum Umgang mit Zytostatika
23.2.3 Einzelne Zytostatikagruppen
23.3 Therapie mit Hormonen, hormonartigen Substanzen und Hormonantagonisten
23.3.1 Glukokortikoide
23.3.2 Aminoglutethimid (Orimeten)
23.3.3 Gestagene
23.3.4 Östrogene
23.3.5 Androgene
23.3.6 Antiöstrogene
23.3.7 Antiandrogene
23.3.8 Gonadotropin-releasing-Hormon-Analoga
23.3.9 Antikörper
23.3.10 Tyrosinkinase-Inhibitoren
24 INFUSIONSTHERAPIE
24.1 Infusionslösungen zur Deckung des Wasser- und Elektrolytbedarfs
24.2 Infusionslösungen zur parenteralen Ernährung
24.2.1 Aminosäurelösungen
24.2.2 Kohlenhydratlösungen
24.2.3 Fettemulsionen
24.3 Infusionslösungen zur Korrektur von Entgleisungen des Säure-Basen-Haushalts
24.4 Infusionslösungen zum Volumenersatz, Transfusionen
24.4.1 Volumenersatz durch Elektrolytlösungen
24.4.2 Volumenersatz durch Plasmaersatzmittel
24.4.3 Volumenersatz durch Plasmaeiweiße
24.4.4 Volumenersatz durch Blut
25 DESINFEKTION UND STERILISATION
25.1 Desinfektionsverfahren
25.2 Desinfektionsmittel
25.2.1 Alkohol
25.2.2 Phenole
25.2.3 Formaldehyd
25.2.4 Chlor und Chloramine
25.2.5 Jodverbindungen
25.2.6 Quecksilberverbindungen
26 VERGIFTUNGEN
26.1 Verdachtsdiagnose „Vergiftung“, Diagnostik und symptomatische Therapie
26.2 Giftelimination
26.2.1 Giftbindung vor Resorption
26.2.2 Giftelimination nach erfolgter Resorption
26.3 Antidottherapie
26.3.1 Benzodiazepinintoxikation
26.3.2 Sedativa- und Hypnotikaintoxikationen mit zentralanticholinergem Syndrom
26.3.3 Paracetamolintoxikation
26.3.4 Digitalisvergiftung
26.3.5 Intoxikation mit Neuroleptika
26.3.6 Intoxikation mit trizyklischen Antidepressiva
26.3.7 Intoxikation mit Pflanzenschutzmitteln
Sachverzeichnis
1 WESEN UND BEZEICHNUNG DER ARZNEIMITTEL
Arzneimittelsind Substanzen,mit denen biologische Wirkungen erzielt werden können. Mit Arzneimitteln können Krankheiten und Krankheitserscheinungen untersucht, verhütet, geheilt oder gelindert werden. Die Begriffe Pharmakon (eigentlich jeden biologischen Wirkstoff bezeichnend) und Medikament (Wirkstoff mit therapeutischer „Zielsetzung“) sollen in diesem Buch im gleichen Sinne verwandt werden.
Die Arzneimittellehre oder Pharmakologie beschäftigt sich mit der Erforschung von Medikamenten. Dies schließt die Untersuchung etwaiger unerwünschter Wirkungen mit ein. Daher ordnet sich auch die Lehre von Giften, die Toxikologie, der Pharmakologie als Teilbereich unter.
Tab. 1.1 Arzneimittelnamen
chemischer Name
Freiname
Handelsname
Dexamethason-21-dihydrogenphosphat
Dexamethason
Fortecortin Decadron
2 ENTWICKLUNG EINES ARZNEIMITTELS
2.1 Entdeckung von Wirkstoffen
2.2 Tierexperimentelle Prüfung
2.3 Humanpharmakologische Prüfung
2.4 Ökonomische Aspekte bei der Entwicklung von Arzneimitteln
Das Arzneimittelgesetz von 1961 steckte den Rahmen für die Entwicklung von Arzneimitteln nur locker ab. Dieser Missstand auf einem sensiblen Gebiet, das Gesundheit und Leben tangiert, rief nach einer Reform, die mit dem Arzneimittelgesetz von 1976 verwirklicht wurde. Ziel dieses Arzneimittelgesetzes war es, nur noch Medikamente zuzulassen, deren Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nachgewiesen war. Der Arzt sollte in Kenntnis der Nutzen-Risiko-Abwägung das Medikament verschreiben können. Außerdem führte es Standards zur Herstellung, zum Vertrieb und zur korrekten Kennzeichnung der Arzneimittel ein.
Die Entwicklung eines Arzneimittels zieht sich über einen langen Zeitraum hin und lässt sich verschienen Phasen zuordnen (Abb. 2.1).
Abb. 2.1 Arzneimittelentwicklung.
2.1 Entdeckung von Wirkstoffen
Neue Wirkstoffe entstehen durch:
chemische Abwandlung bekannter Medikamente,
Testen von natürlich vorkommenden Stoffen ebenso wie durch Prüfen von Nebenprodukten und „chemischem Abfall“ aus vorangegangenen Arzneimittelentwicklungen,
gezieltes Ausformen von Pharmaka auf Grund bekannter biologischer Prinzipien,
Anwendung bio- und gentechnologischer Mechanismen zur Herstellung und Modifikation von Proteinen.
2.2 Tierexperimentelle Prüfung
Das Tierexperiment prüft:
Pharmakodynamik:
Wirkungsnachweis,
Pharmakokinetik:
Aufnahme (Resorption), Verteilung, Verstoffwechslung (Metabolismus), Ausscheidung (Exkretion),
akute Toxizität:
akute Vergiftungserscheinungen (dosis letalis
50
subakute Toxizität:
Vergiftungserscheinung bei mittelfristiger Anwendung (28 Tage),
chronische Toxizität:
Vergiftungserscheinungen bei Langzeitanwendung (6 Monate bis 2 Jahre),
teratogene Wirkungen:
Embryonenschädigung,
mutagene Wirkungen:
Erbgutschädigung,
karzinogene Potenz:
Karzinomrisiko.
Tierversuche werden unter Standardbedingungen bei bestimmten Tierarten durchgeführt. Die Tiere sollten einem Tierstamm angehören, also kaum genetische Unterschiede aufweisen, damit sich Test- und Kontrollgruppe verlässlich vergleichen lassen.
Trotz der erheblichen Unterschiede zwischen Menschen und anderen Säugern weisen Tierversuche bereits auf etwa 70–80% der unerwünschten Wirkungen hin. Testungen an biologischen Modellen, wie etwa an Zellkulturen, ergänzen die tierexperimentelle Prüfung oder ersetzen sie teilweise. Die Kontrolle über Tierversuche liegt bei einem Tierschutzbeauftragten, den jede mit Tieren forschende Einrichtung nach dem Tierschutzgesetz von 1986 bestellen muss.
2.3 Humanpharmakologische Prüfung
Die Wirkstoffprüfung am Menschen vollzieht sich in 4 Phasen (Abb. 2.1):
Gesunde Probanden: Verhalten der Substanzen im menschlichen Organismus,
Patienten: Wirksamkeit,
Patienten: Doppelblindstudien,
Patienten: Anwendungsprüfung und -überwachung nach Zulassung zur Therapie.
Phase-I-Studien versuchen, Wirksamkeit, Verträglichkeit, Pharmakokinetik (Aufnahme, Verteilung, Verstoffwechslung und Ausscheidung eines Stoffes) einer Substanz im menschlichen Organismus zu erfassen, und bemühen sich, die für eine Therapie angemessene Dosis zu finden. Gesunde Probanden erteilen nach einer eingehenden Aufklärung schriftlich ihr Einverständnis mit der Arzneimitteltestung. Sie können sich jederzeit aus einer Studie wieder zurückziehen.
In Phase II wird geprüft, ob die gefundenen Substanzeffekte auch an Patienten therapeutisch wirksam werden.
Phase IV betrifft die breite Anwendung einer neuen Substanz nach der Zulassung zur Therapie. Studien begleiten den therapeutischen Einsatz. Vor allem aber sind alle Anwender aufgerufen, unerwünschte Wirkungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft mitzuteilen. Dazu sind im Deutschen Ärzteblatt in jeder Ausgabe Fragebogenvordrucke enthalten. Zahlreiche Medikamente wurden über Anwendungsbeobachtungen in ihrem zugelassenen Indikationsspektrum eingeschränkt oder ganz vom Markt genommen.
2.4 Ökonomische Aspekte bei der Entwicklung von Arzneimitteln
Der Patentschutz für Arzneimittel währt 20 Jahre vom Zeitpunkt der Anmeldung an. Um die Rechte zu sichern, muss die Anmeldung erfolgen, sobald sich erste Wirkeffekte andeuten. Die Entwicklung eines Medikaments bis zur Zulassung dauert etwa 8 Jahre, das Zulassungsverfahren weitere 2 Jahre. Hohe Gewinne versprechen die verbleibenden 10 Jahre des Patentschutzes.
Die Gesundheit kostet ihren Preis (Gesamtausgaben für Gesundheit 2006: 239 Mrd. Euro). Der Anteil an Arzneimitteln lag 2006 bei 41,9 Mrd. Euro (17,5%; im Vergleich dazu 1970: 16,8%). Die Entwicklung eines Arzneimittels kostet z. Z. etwa 230 Mio. Euro und dauert 8–10 Jahre. Die Chance einer im Labor entwickelten Substanz als Arzneimittel auf den Markt zu kommen, beträgt 1:5000–10.000. Die Rote Liste gibt z. Zt. ca. 12000 Arzneimittelspezialitäten an. Von dieser Vielzahl von Medikamenten werden:
600 Medikamente sehr oft benötigt und verordnet (Anteil 64%),
600 häufig verordnet (Anteil 16%),
1300 selten verordnet (Anteil 12%).
Die restlichen Medikamente haben einen Anteil von 8% am Verbrauch. Das muss nicht heißen, dass es sich um schlechte Medikamente handelt. Eine Vielzahl von Medikamenten sind sehr seltenen Erkrankungen vorbehalten und haben bei diesen Patienten eine große Bedeutung.
3 WIRKUNGEN DER ARZNEIMITTEL (PHARMAKODYNAMIK)
3.1 Hauptwirkung
3.2 Nebenwirkung
3.3 Wirkungsweise der Arzneimittel
3.1 Hauptwirkung
Unter der Hauptwirkung eines Arzneimittels versteht man alle Wirkungen, die ein Krankheitsbild objektiv und subjektiv bessern.
3.2 Nebenwirkung
Unter Nebenwirkungen versteht man die unerwünschten Effekte eines Medikaments. Diese können zum Absetzen einer Therapie führen. Sie müssen bisweilen hingenommenwerden, treten jedoch nicht in jedem Fall auf. Mit höherer Dosis nimmt die Wahrscheinlichkeit von schädlichen Wirkungen in der Regel zu, im Bereich der toxischen Dosis (Giftdosis) stehen diese ganz im Vordergrund (Abb. 3.1). Liegen therapeutischer und toxischer Dosisbereich weit auseinander, so spricht man von einer großen therapeutischen Breite eines Arzneimittels.
Abb. 3.1 Dosisbereiche.
3.3 Wirkungsweise der Arzneimittel
3.3.1 Rezeptortheorie
Pharmakologische Rezeptoren sind intrazelluläre oder membranständige Proteine, die nach Bindung eines Wirkstoffs (Ligand) an der spezifischen Bindungsstelle einen Effekt auslösen. Rezeptoren haben somit eine doppelte Funktion:
Signalerkennung durch Interaktion mit dem Liganden und Bildung des Ligand-Rezeptor-Komplexes,
Signalweiterleitung (auch Signaltransduktion genannt) bzw. die Signalverarbeitung und damit die Auslösung des Effekts.
Körpereigene Wirkstoffe (Liganden) wie Überträgerstoffe (Neurotransmitter) im peripheren und zentralen Nervensystem, Hormone und Neuromodulatoren (z.B. Zytokine, Neuropeptide) binden an die spezifische Ligandbindungsstelle und können über die Effektorzelle (Wirkbereich) eine spezifische Reaktion auslösen. Körpereigene Wirkstoffe und Rezeptoren passen zusammen wie Schlüssel und Schloss (Abb. 3.2).
Abb. 3.2 Schlüssel-Schloss-Vorstellungen über die Wirkungen eines Medikamentes an einem Rezeptor. Ein Medikament kann eine physiologische Wirkung auslösen (Agonist) oder blockieren (Antagonist).
Anstelle körpereigener, physiologischer Liganden können auch Pharmaka mit Rezeptoren interagieren. Auch hier ist die Bildung eines Pharmakon-Rezeptor-Komplexes Voraussetzung für eine Pharmakon-Rezeptor-Wechselwirkung. Je höher die Affinität (Bindungskraft) eines Pharmakons zum Rezeptor ist, desto größer ist die Tendenz zur Bildung eines Pharmakon-Rezeptor-Komplexes. Pharmaka, die am Rezeptor binden und diesen stimulieren, nennt man Agonisten. Antagonisten (Blocker, Lytika) sind Liganden, die zwar am Rezeptor binden, ihn jedoch nicht stimulieren, keine Signaltransduktion und somit keinen Effekt auslösen. Agonisten nennt man auch Mimetika (Nachahmer), z. B. Sympathomimetika wie Ephedrin (Tab. 3.1). Sie haften wie natürliche Botenstoffe und bewirken eine gleichartige, oft stärkere Reaktion. Körpereigene Wirkstoffe, auch Übermittlerstoffe oder Transmitter genannt, sind u. a. Azetylcholin, Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin. Treten diese mit den entsprechenden Rezeptoren an einer der Nerven-, Muskel- und Drüsenzellen in Kontakt, so kann sich die Durchlässigkeit der Zellmembranen für Elektrolyte ändern und eine Depolarisation stattfinden (Abb. 3.3) oder der Spiegel an intrazellulärem cAMP erhöht werden. Das cAMP ist ein intrazellulärer Überträgerstoff, der Informationen an untergeordnete Zellstrukturen weitergibt, die u. a. mit einer Steigerung des Energieumsatzes oder der Proteinsynthese reagieren (Abb. 3.4).
Tab. 3.1 Rezeptortheorie
Fachbegriff
Bedeutung
Rezeptor
zellulärer Empfänger eines Aktionssignals
Messenger
Sendbote, Wirkstoff mit Signalwirkung
Haftungsstelle
verantwortlich für die Bindung eines Stoffs
Affinität
Bindungskraft des Rezeptors gegenüber einem Stoff
Effektorstelle
verantwortlich für die Auslösung der zellulären Reaktion
Mimetikum, Agonist
Nachahmer eines physiologischen Wirkstoffs
Antagonist, Lytikum, Blocker
Rezeptorbindung ohne Wirkungsauslösung
intrinsic activity
Restwirkung eines Blockers
partieller Agonist
abgeschwächte Nachahmung der Wirkung natürlicher Botenstoffe
partieller Antagonist
abgeschwächte Blockierung der Wirkung natürlicher Botenstoffe
Second-Messenger
intrazellulärer Botenstoff zur Steuerung der Antwort auf einen Reiz
Abb. 3.3 Möglicher Wirkungsmechanismus eines Medikaments. Durch die Verbindung von Medikament und Rezeptor ändert sich die Permeabilität der Zellmembran für Elektrolyte.
Abb. 3.4 Möglicher Wirkungsmechanismus eines Medikaments. Nach Verbindung von Rezeptor und Medikament entsteht intrazellulär cAMP, das Ribosomen zur Proteinbildung stimuliert.
Rezeptortypen und zugehörige Agonisten und Blockerwerden im Rahmen der speziellen Arzneimittellehre vorgestellt, um das Verständnis für Wirkmuster zahlreicher Medikamente nahe zu bringen.
4 SCHICKSAL DER ARZNEIMITTEL IM ORGANISMUS (PHARMAKOKINETIK)
4.1 Aufnahme (Resorption)
4.2 Verteilung
4.3 Abbau
4.4 Ausscheidung (Exkretion)
4.5 Grafische Darstellung pharmakokinetischer Sachverhalte
4.1 Aufnahme (Resorption)
Nach Gabe eines Arzneimittels muss der Wirkstoff aus seiner Zubereitungsform freigesetzt werden. Unter Resorption versteht man die Aufnahme des Medikaments in den Körper, speziell die Aufnahme in die Blutbahn. Erst dann kann ein Medikament im gesamten Organismus verteilt werden. Resorption und Verteilung werden auch unter dem Begriff Invasion zusammengefasst.
Die Zufuhr eines Arzneimittels wird von der verwendeten Applikationsart (=Verabreichungsform) bestimmt. Dem Arzt stehen verschiedene Applikationsarten zur Verfügung.
4.1.1 Parenterale Applikation
Ist einmöglichst rascher Wirkungseintritt des Medikaments erwünscht, so empfiehlt es sich, das Medikament unter Umgehung des Magen-Darm-Trakts (=parenteral) an den Ort der Wirkung zu bringen. Am schnellsten erreicht das Medikament den Wirkungsort, wenn es direkt ins Blut injiziert, d.h. intravenös oder – selten – intraarteriell verabreicht wird. Intravenöse Applikationen sind außerdem ambesten dosierbar.
Medikamente werden auch dann parenteral appliziert,
wenn sie oral nicht (oder nicht nennenswert) resorbierbar sind (z.B. Aminoglykoside),
wenn sie im Verdauungstrakt zerstört werden (z.B. Insulin),
wenn sie nach der Resorption im Magen-Darm-Trakt schon bei der ersten Leberpassage weitgehend abgebaut werden (z.B. Katecholamine),
wenn schnell hohe Wirkspiegel erreicht werden müssen (z.B. Isoptin in einer Notfallsituation),
wenn gleichmäßige Wirkspiegel nur durch eine kontinuierliche Infusion zu erreichen sind (z. B. Antiarrhythmika),
wenn bei der enteralen Gabe unvertretbare Nebenwirkungen zu erwarten sind (z.B. viele hochdosierte Antibiotika, → Diarrhoen),
wenn die enterale Resorption zu unsicher erscheint (z. B. bei Erbrechen),
wenn das Krankheitsbild eine enterale Applikation nicht erlaubt (z.B. Ileus),
wenn eine bessere Therapieakzeptanz von der parenteralen Applikation erwartet werden darf (Ausnutzung eines Placeboeffektes).
Einen ebenfalls raschen Wirkungseintritt verspricht die Injektion ins gut durchblutete Muskelgewebe. Nach der intramuskulären Injektion wird das Medikament aus dem Muskelgewebe ins Blut resorbiert, der Wirkungseintritt ist etwas verzögert, die Wirkungsdauer oft länger als bei intravenöser Applikation.
Die Wirkungsdauer einer intramuskulären Injektion wird von einer subkutanen Applikation eines Medikaments überboten. Allerdings setzt auch die Wirkung nach subkutaner Applikation später ein, da subkutanes Gewebe im Vergleich zum Muskelgewebe relativ schlecht durchblutet ist. Der applizierte Wirkstoff bleibt längere Zeit an der Injektionsstelle erhalten. Nach subkutaner Applikation kann es also zu lokalen Unverträglichkeiten und Gewebeschädigungen kommen.
Im Schockzustandwird subkutanes Fettgewebe fast nicht mehr durchblutet. In diesem Zustand ist eine subkutane Arzneimittelapplikation nutzlos, ja sogar gefährlich, denn nach erfolgreicher Therapie des Schockzustandes wird das Fettgewebe wieder hinreichend durchblutet, und möglicherweise kommt das Medikament gerade dann wieder konzentriert in den Kreislauf,wenn seine Wirkung nichtmehr erwünscht ist. Gleiches gilt im Schockzustand auch für intramuskuläre Injektionen., was jedoch heute angesichts besserer bildgebender Verfahren in der Kernspintomografie auch nur noch selten nötig ist.
Eine intraarterielle Applikation ist äußerst selten angezeigt. Bei den meisten Medikamenten verbietet sich eine intraarterielle Applikation. Versehentliche intraarterielle Injektionen führen oft zu Schädigungen der Gefäßwände, ja sogar zu Nekrosen an den Extremitäten, was in letzter Konsequenz eine Amputation der betroffenen Extremität zur Folge haben kann. Die intraarterielle Applikation wird nur angewendet, wenn ein Arzneimittel in ein definiertes Gefäßgebiet gebracht werden soll, z.B. zur Darstellung von Gefäßen mittels Röntgenkontrastmittel, was jedoch heute angesichts besserer bildgebender Verfahren in der Kernspintomographie auch nur noch selten nötig ist.
4.1.2 Orale Applikation
Die häufigste Form der Arzneimittelverabreichung ist die orale Applikation. Deshalb ist die Resorption eines Medikaments im Magen-Darm-Trakt von sehr großer Bedeutung. Die Resorption nach oraler Applikation ist von folgenden Faktoren abhängig:
Dissoziationsgrad des Medikaments, d. h. von seinen Säure-/Baseeigenschaften,
Funktionstüchtigkeit des enterohepatischen Kreislaufes,
Passagezeit des Medikaments im Magen-Darm-Trakt,
Interaktionmit Nahrungsbestandteilen und anderen Medikamenten.
Die Aufnahme des Medikaments erfolgt über die Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts. Die Membranen, die die Epithelzellen des Magen-Darm-Trakts umgeben, bestehen aus Lipiden und Proteinen. Die Lipide lassen in der Regel nur fettlösliche, sog. lipophile Substanzen, passieren; nicht-fettlösliche dagegen weisen sie ab.
Die meisten Arzneimittel sind schwache Basen oder schwache Säuren. Im sauren Milieu des Magens liegen schwache Säuren undissoziiert vor. Weil sie so auch mehr lipid- und weniger wasserlöslich sind, können sie in dieser Form besser resorbiert werden. Bei schwachen Basen ist es umgekehrt. Sie werden im alkalischen Milieu des Dünndarms besser resorbiert.
Viele Medikamente werden vom Darm resorbiert und über die Pfortader der Leber zugeleitet. Dort – bei der ersten Leberpassage (= first-pass-effect) – beginnt bereits der Abbau der Pharmaka (Abb. 4.1). Aus diesem Grund entfalten oral applizierte Pharmaka manchmal keine (nennenswerte) Wirkung oder wirken erst bei sehr viel höheren Dosen als bei der parenteralen Zufuhr. Vollständigkeit oder Unvollständigkeit der enteralen Resorption und Ausmaß des Abbaus bei der ersten Leberpassage (first-pass-effect) bestimmen, welche Substanzmenge für die pharmakologische Wirkung zur Verfügung steht; man fasst dies als Bioverfügbarkeit zusammen.
Abb. 4.1 First-pass-Effekt bei oraler Medikamentenapplikation.
Ein ähnlich klingender Begriff, der der Bioäquivalenz, hat in der aktuellen Arzneimitteldiskussion große Bedeutung erlangt. Bioäquivalent nennt man Medikamentenpräparationen, die bei gleicher Applikationsweise in einem gleichartigen zeitlichen Ablauf eine qualitativ und quantitativ gleichartige Wirkung hervorrufen. So weisen für viele Kalziumantagonisten Originalpräparate und Nachahmerprodukte bei gleicher Dosierung sehr ähnliche Spiegel und Blutdruckwirkungen auf, d.h. bei den entsprechenden Produkten liegt eine vergleichbare Bioäquivalenz vor. Die besondere Galenik von Euglucon (zur Blutzuckersenkung) hingegen lässt sich offenbar nicht so ohne weiteres imitieren, sodass Nachahmerpräparationen für ein bioäquivalentes Produkt statt 3,5mg (wie beim Euglucon) oft 5mg der Wirksubstanz benötigen.
Medikamente höheren Molekulargewichts (>500 Dalton) transformiert die Leber (z. B. durch Glukuronidierung) in eine wasserlösliche Struktur und scheidet sie mit der Galle aus – zur endgültigen Ausscheidung mit dem Stuhl. Durch Verdauungsvorgänge im Darm und durch Bakterieneinwirkung können sie ihre Fettlöslichkeit zurückgewinnen, erneut resorbiert und über die Pfortader der Leber zugeleitet werden – für einen weiteren Ausscheidungszyklus oder für die Weitergabe in die systemische Blutzirkulation. Diese Sequenz – hepatobiliäre Ausscheidung, enterale Rückgewinnung und erneute Ausscheidung – nennt man enterohepatischen Kreislauf. Er kann zu langen Wirkungszeiten eines Medikaments beitragen. Substanzen wie Cholestyramin (Quantalan) halten Medikamente wie das Digitoxin für die endgültige Ausscheidung im Darmlumen zurück, durchbrechen also den enterohepatischen Kreislauf und erweisen sich so als nützlich bei Intoxikationen (z.B. mit Digitoxin [Digimerck] oder Phenprocoumon [Marcumar]).
Viele Medikamente verhalten sich wie mittelkettige Fettsäuren. Sie werden entsprechend ihrer lipophilen Eigenschaften gut im Magen-Darm-Trakt resorbiert und über die Pfortaderweitergeleitet. Einige Substanzen (z.B. fettlösliche Vitamine: E, D, A, K) lagern sich mit langkettigen Fettsäuren zusammen. Sie bilden mit Gallensäuren und Phospholipiden Fettkügelchen, sogenannte Mizellen, undwerden so über die Lymphwege (Ductus lymphaticus) in den Organismus aufgenommen. Ein Stopp des Gallensäureflusses oder ein Gallensäureverlust (bei schwerem Morbus Crohn oder nach Ileumresektion) beeinträchtigt ihre Resorption.
Zeigt die Magen-Darm-Peristaltik eine erhöhte Aktivität, so verkürzt sich die Zeit, die dem Medikament zum Kontakt mit der Schleimhaut verbleibt – eine vollständige Resorption ist dann nicht mehr möglich. Eine träge Darmtätigkeit dagegen führt zu einer vollständigen, aber verzögerten Resorption.
Kenntnisse darüber, wie gleichzeitige Nahrungsaufnahme oder die gleichzeitige Einnahme anderer Arzneimittel die Medikamentenresorption beeinflussen, sind von großer Bedeutung.
Nahrungs- und Genussmittel
können die
Magenentleerung
und
Darmpassage
verzögern, was zu einer Minderung der Arzneimittelresorption und zu einer Verlangsamung der Resorptionsgeschwindigkeit führen kann; Ausnahmen machen Carbamazepin (Tegretal), Hydralazin, Nitrofurantoin (Furadantin) und Propranolol (Dociton);
können
Auflösungsgeschwindigkeit
und
Löslichkeit
der Arzneimittel
verändern
und damit die Resorption hemmen;
können die
Medikamentenaufnahme
dadurch
mindern
, dass sie Arzneimittel chemisch binden und mit Unverdaulichem über die Fäzes ausscheiden;
beeinflussen
den
Metabolismus
der
Arzneistoffe
in der Leber; gleichzeitige Nahrungsaufnahme vermindert z.B. den First-Pass-Effekt der Betablocker Propranolol (Dociton), Metoprolol (Beloc);
stimulieren
die
Gallensekretion
: Die Aufnahme lipophiler Medikamente wird dadurch erleichtert;
verändern
die
Zusammensetzung
der
Magen-Darm-Sekrete
, in denen sich die Arzneimittel lösen.
Dazu einige konkrete Beispiele:
Der Einfluss von
Milch
: Das Kalziumder Milch geht z.B. mit Tetracyclinen eine Verbindung ein und verhindert dadurch die Resorption. Bisacodyl (
Dulcolax
) sollte nicht mit Milch eingenommen werden, da sich der magenresistente Überzug der Dragees unter dem Einfluss von Milch löst, sodass das Abführmittel nicht mehr den Dickdarm erreicht und deshalb ohne Effekt bleibt. Die Resorption von Eisensalzen, Methotrexat (Methotrexat-Lederle) und Sotalol (Sotalex) wird durch Milch ebenfalls gemindert. Die Aufnahme von Griseofulvin dagegen (Fulcin S) wird durch Milch gefördert.
Der Einfluss von
Alkohol
: Die Magen-Darm-Motilität wird durch Alkohol gehemmt, die Magensäuresekretion und die Membranpermeabilität im Magen-Darm-Trakt gesteigert. Schlussfolgerung: Die Medikamentenresorption wird durch Alkohol verbessert.
Der Einfluss von
Wasser
: Flüssigkeitsaufnahme verbessert die Medikamentenaufnahme, weil die Medikamente rascher aufgelöst und besser über die riesigen Resorptionsflächen im Magen-Darm-Trakt verteilt werden.
Optimale Wirkung erfordert optimale Resorption – zu dem dazu richtigen Zeitpunkt. Eine grobe Orientierung darüber gibt Tab. 4.1.
Tab. 4.1 Hinweis zur oralen Applikation von Arzneimitteln (modifiziert nach Merkus, 1984)
Tab. 4.1 Hinweis zur oralen Applikation von Arzneimitteln (modifiziert nach Merkus, 1984) (Fortsetzung)
Die Medikamentenresorption ist auch durch die gleichzeitige Einnahme anderer Arzneimittel beeinflussbar, was zu einer Wirkungsverstärkung oder -verminderung führen kann. Bedeutsamist vor allem die Wirkung von Antazida sowie von Abführmitteln; letztere stimulieren die Motilität des Magen-Darm-Trakts. Antazida dagegen:
puffern die Magensäure und hemmen somit die Resorption saurer Arzneimittel, z.B. Azetylsalizylsäure (Aspirin),
bilden mit Tetrazyklinen Komplexe, die Resorption wird vermindert bzw. verhindert,
vermindern z. B. die Resorption von Isoniazid (Neoteben), Chlorpromazin (Megaphen), Prednison (Decortin), Digoxin (Lanitop), Eisensalzen, D-Penicillamin (Trovolol), Ketoconazol (Nizoral), Cimetidin (Tagamet) und Ranitidin (Zantic).
Bei der Medikamentenaufnahme ist die Körperhaltung von größter Bedeutung. Nimmt ein Patient in liegender Position ein Medikament ein, möglicherweise ohne mit Flüssigkeit nachzuspülen, so kann es zu Irritationen der Schleimhaut, sogar bis zu einem medikamentös bedingten Ösophagusgeschwür kommen. Symptome dieser Ösophagusgeschwüre sind stärkste retrosternale Schmerzen, häufig in den Nacht- und Morgenstunden. Endoskopisch zeigen sich oft zirkulär angeordnete Geschwüre, die bis tief in die Muskularis reichen. Komplikationen sind Strikturen und Perforationen.
Zu den Arzneimitteln, die in dieser Hinsicht besonders gefährlich sind, zählen:
Antibiotika und Chemotherapeutika:
Penicillin, Amoxicillin (Amoxi-Wolff), Clindamycin (Sobelin), Doxycyclin (Vibramycin), Tetracyclin (Hostacyclin), Trimoxazol (Bactrim), Fluorouracil (Fluorouracil-Roche);
Antiphlogistika und Analgetika:
Indometacin (Amuno), Phenylbutazon (Butazolidin), Prednison (Decortin), Acetylsalicylsäure (Aspirin);
Kardiaka:
Alprenolol (Aptin), Chinidin (Optochinidin), Mexiletin (Mexitil), Kaliumchlorid;
Psychopharmaka und Sedativa:
Thioridazin (Melleril), Clomethiazol (Distraneurin), Chloralhydrat;
Eisenpräprate, Theophyllin;
Biphosphonate (z. B. Alendronat).
Die Diagnose wird gewöhnlich endoskopisch gestellt. Man muss versuchen, das verursachende Medikament fortzulassen oder auf eine andere Applikationsweise (rektal, parenteral), vielleicht auch nur auf eine andere Zubereitungsform (flüssig) umzustellen. Allenfalls bei leichtgradigen Läsionen erscheint es vertretbar, Substanz und Zufuhrweg beizubehalten,mit der strengen Auflage, beim Einnehmen auf eine aufrechte Körperhaltung und reichliche Flüssigkeitszufuhr zu achten. Sucralfat (Ulcogant) beschleunigt die Abheilung, Xylocain viskös (Lidocain) lindert die Schmerzen.
Die Prophylaxe ist wichtig:
Medikamente sollten oral nur in aufrechter Position eingenommen werden.
Bei bettlägerigen, älteren Patienten sollten Medikamente, wenn möglich, in Tropfenform gegeben werden.
Patienten müssen ausführlich unterrichtet werden.
4.1.3 Rektale Applikation
Zahlreiche Medikamente können auch rektal appliziert werden. Da das Rektum über die Iliakalvenen und deshalb nicht ausschließlich über Pfortaderzuflüsse drainiert wird, kommt der First-Pass-Effekt, der Substanzabbau in der Leber vor jeglicher Wirkungsentfaltung, weniger zum Tragen. Andererseits bleibt der Blutabstrom über die Leber oder unter Aussparung derselben häufig im Ungewissen. Außerdem kann das Zäpfchen durch den After wieder verloren gehen. Diese Applikationsweise empfinden manche Patienten als besonders unangenehm, insbesondere wenn Analleiden bestehen (Hämorrhoiden, Fissuren o. ä.). Indiziert ist die rektale Applikation bei Patienten, vorwiegend Kindern, die keine Tabletten schlucken wollen oder können. Medikamente, die Magenulzera verursachen und die deshalb rektal appliziert wurden (z.B. Antirheumatika), haben auch nach rektaler Applikation gastral ulzerogene Wirkungen gezeigt. Ursache dafür ist, dass auch das rektal applizierte Medikament nach der Aufnahme ins Blut die Prostaglandinsynthese in der Magenschleimhaut hemmt; dieser wird dadurch der Schutz der Prostaglandine genommen, was zu Ulzera führen kann.
4.1.4 Lokale Applikation
Die lokale Applikation von Arzneimitteln ist in der gesamten Medizin weit verbreitet (Tab. 4.2). Die größte Bedeutung hat die lokale Applikation aber sicherlich in der Dermatologie, denn bei der Behandlung von Hauterkrankungen werden die Medikamente häufig in Form von Salben, Gelen, Tinkturen und Pasten appliziert. Mit der lokalen Verabreichung von Wirkstoffen erreicht man hohe Konzentrationen am Wirkort. Die in den Organismus resorbierten Stoffmengen sind nicht immer zu vernachlässigen (z.B. Tremor und Tachykardie durch inhalierte β-Mimetika).
Tab. 4.2 Lokale Applikation
Direkt:
in der Dermatologie und Venerologie (Salben usw.),
bei Analleiden, Rektumerkrankungen (Suppositorien, Klysmen usw.),
in der Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde (Ohrentropfen, Nasensprays),
in der Pneumonologie (Inhalation, Sprays),
in der Augenheilkunde (Augentropfen, -salben),
in der Anästhesiologie:
Leitungsanästhesie,
Regionalanästhesie: intrathekal, peridural, intravenös,
in der Angiologie: intraarteriell,
in der Orthopädie: intraartikulär,
in der Gynäkologie: intravaginal,
in der Gastroenterologie:
Lokalantibiotika (Humatin),
Lokalantimykotika (Ampho-Moronal),
Lokalantiphlogistika (Salofalk),
Magenschleimhauttherapie (Antazida, Sucralfat, Wismutpräparate),
Lokalhämostyptika, Sklerosierungen (bei inneren Blutungen [Äthoxysklerol]),
Spülbehandlung bei Abszessen, Empyemen, über Harnblasenkatheter, über Nierenfisteln. Indirekt:
Harnwegsdesinfizienzien (Barazan).
4.1.5 Inhalation
Die Inhalationstherapie bei bronchopulmonalen Erkrankungen gehört zu den Sonderformen lokaler Therapie. Die inhalative Anwendung von Narkosegasen hingegen hat die pulmonale Aufnahme der Stoffe und die systemische Wirkungsentfaltung zum Ziel, gehört also eigentlich zur parenteralen Medikamentenapplikation.
Die gute Durchblutung und die Resorptionsfähigkeit des Respirationssystems nützt man in Notfallsituationen (Reanimation) für eine transbronchiale Medikamentenzufuhr (Adrenalin).
4.2 Verteilung
Nach der Aufnahme gelangen Arzneimittel ins Blut, wo einige Medikamente bereits wirken (z.B. Aspirin – Hemmung der Blutplättchenaggregation [S. hier]). Arzneimittel liegen im Körperwasser frei vor oder gebunden an Plasma- bzw. Gewebsproteinen. Zwischen freiem und gebundenem Anteil besteht ein Gleichgewicht. Nur der freie Anteil kann also weiterverteilt und somit therapeutisch wirksam werden. Der gebundene Anteil kann nicht zum Wirkort gelangen, aber auch nicht enzymatisch abgebaut/umgewandelt oder ausgeschieden werden. So bildet der gebundene Anteil gewissermaßen eine Speicherform.
In der Leber wird der nicht gebundene Anteil unterschiedlich stark verstoffwechselt. Dies kann soweit führen, dass die Wirksamkeit der Medikamente insgesamt in Frage gestellt wird. Dieses Schicksal trifft vor allem Medikamente mit einer geringen Plasmaproteinbindung (= First-Pass-Effekt, vgl. S. hier). Solche Medikamente müssen, auch bei guter Resorption, oral sehr viel höher dosiert werden als parenteral (z.B. Isoptin). Die sublinguale Anwendung (auch die Mundschleimhaut kann resorbieren!) umgeht den First-Pass-Effekt der Leber (die Mundgefäße münden nicht in die Pfortader), ebenso wie die rektale Applikation (zumindest teilweise, da das Rektum zu einem großen Teil – unter Umgehung der Leber – über die Iliakalgefäße drainiert wird).
Hat das Medikament die „Hürde Leber“ ohne Schaden genommen, werden die Medikamente in die verschiedenen Körperregionen verteilt. Um in die Zellen der einzelnen Gewebe eindringen zu können, müssen erneut Membranen überwunden werden. Die Arzneimittelmoleküle können dazu je nach chemischer Eigenschaft verschiedene Mechanismen nutzen, um ins Zellinnere zu gelangen:
Pinozytose, Phagozytose, Resorption,
aktiver Transport,
erleichterte Diffusion (carrier-vermittelt),
passive Diffusion (Permeation).
Bei der Phagozytose schließt die Zelle Makropartikel in Membranen ein und schleust dieses „Paket“ ins Zellinnere – für die intrazelluläre Verdauung. Durchwandert das Membran-Partikel-Paket die Zelle unversehrt, so spricht man von Pinozytose. Für bestimmte Stoffe oder Stoffgruppen (körpereigene wie Transmitter, aber auch Arzneimittel z.B. trizyklische Antidepressiva) gibt es spezifische Transportmechanismen und Transportersysteme (Carrier). Dieser aktive Transport kann gegen ein Konzentrationsgefälle arbeiten (also aus niedrigen extrazellulären hohe intrazelluläre Konzentrationen aufbauen) und verbraucht entsprechend Energie. Die erleichterte oder beschleunigte Diffusion befördert Stoffe hoher extrazellulärer Konzentration in das stoffarme Zellinnere bedeutend schneller als der passive Übertritt. Die spezifischen Mechanismen haben vor allem für körpereigene oder für körperähnliche Stoffe Bedeutung. Bei der üblichen (Carrier-unabhängigen) Diffusion treten Stoffe entsprechend dem Konzentrationsgefälle und nach den Permeabilitätseigenschaften (der Durchlässigkeit) der Membranen von extrazellulär nach intrazellulär über.
Über die Konzentrationen am Wirkungsort entscheiden chemischphysikalische Größen: Löslichkeitsverhalten, Molekülgröße, Säure-/Basencharakter der Wirkstoffe, der lokale pH-Wert sowie die Affinität (Bindungsfähigkeit) zum Rezeptor.
Wie stark das Löslichkeitsverhalten die Verteilung eines Medikaments im Körper beeinflusst, zeigen die fettlöslichen Medikamente. Sie reichern sich im Fettgewebe an, werden von dort langsam ins Blut abgegeben und haben deshalb eine lange Wirkungsdauer. Das Fettgewebe bildet ein Depot, in das die fettlöslichen Medikamente umverteilt werden. Ein Beispiel dafür gibt das kurz wirksame Barbiturat Thiopental. Nach intravenöser Injektion steigt sein Blutspiegel in den gut durchbluteten Organen (Herz, Lunge, Gehirn) an, dieser fällt dann aber durch Umverteilung ins Fettgewebe wieder ab (Abb. 4.2). Aus dem Fettgewebe wird das Thiopental langsam wieder ins Blut abgegeben, sodass über längere Zeit mit einem Wirkspiegel gerechnet werden muss.
Abb. 4.2 Umverteilung von Medikamenten am Beispiel von Thiopental (s. Text).
Verschiedene Membranen sind jedoch außerordentlich schwer zu überwinden. Die Membran zwischen Blutgefäßen und Gehirnzellen, Blut-Hirn-Schranke genannt, lässt nur wenige Medikamente passieren, in Abhängigkeit von Molekülgröße, Polarität des Wirkstoffs, Lipo-/Hydrophilie. Ausgenutzt wird die Blut-Hirn-Schranke (BHS) bei Arzneimitteln wie Butylscopolamin, das im Unterschied zu Scopolamin die BHS nicht passieren kann, also nur eine lokale Wirkung, aber keine ZNS-vermittelten Nebenwirkungen entfalten kann. Die Passage erfolgt wesentlich leichter bei einer Schädigung der Blut-Hirn-Schranke, z. B. bei entzündlichen Prozessen.
4.3 Abbau
Der Abbau der Medikamente kann in verschiedenen Organen stattfinden. Die größte Abbaukapazität besitzt jedoch die Leber. Der Abbau ist eine Möglichkeit zur Eliminierung eines Medikaments. Diese Verstoffwechslung nennt man auch Metabolisierung oder Biotransformation.
In den Leberzellen ist ein unspezifisches Enzymsystem lokalisiert, dessen Aufgabe es ist, körpereigene Stoffe wie Steroide und Fettsäuren sowie Toxine (u.a. Alkohol) abzubauen. Da dieses Enzymsystemunspezifisch wirkt, hat man esmit verschiedenen Namen versehen:mikrosomales arzneimittelabbauendes Enzymsystem, mikrosomale mischfunktionelle Oxidase, Cytochrom P450-System usw. Die Leberenzyme metabolisieren Stoffe bzw. Stoffgruppen mit unterschiedlichen chemischen Eigenschaften. Durch Hydroxylierung oder Konjugation mit körpereigenen Substanzen (Glukuron-, Schwefel-, Essigsäure) werden Arzneimittel in wasserlösliche (re) Moleküle umgewandelt und können somit besser über die Niere oder mit der Gallenflüssigkeit ausgeschieden werden.
Werden in der Leber Medikamente abgebaut, so muss dies nicht immermit einem Wirkungsverlust einhergehen. Die zunächst entstehenden Metaboliten können eine genauso starke, eine stärkere und/oder längere oder überhaupt erst eine Wirkung haben. Möglich ist auch ein Abbau, der zu einer toxischen Substanz führt. Dies nennt man „Giftung“.
Die Bildung von Enzymen in der Leber kann durch Arzneimittel gefördert werden. Dies nennt man „Enzyminduktion“. Bemerkenswert scheint, dass die Enzymbildung nicht nur durch Medikamente, sondern auch durch Genussmittel, wie z.B. Alkohol, induziert werden kann. Durch die Enzyminduktion wird der Abbau von Arzneimitteln gefördert, weswegen sich die Wirkungszeit verkürzt. Während die Enzyminduktion den Abbau von Arzneimitteln fördert, können Medikamente auch Enzyme hemmen. Diesen Vorgang nennt man „Enzymhemmung“. Eine Auswahl von enzyminduzierenden und enzymhemmenden Substanzen ist den folgenden Beispielen zu entnehmen.
Beispiele für Substanzen, die die Aktivität des Cytochrom P450-Systems in der Leber induzieren können:
Phenobarbital (Luminal),
Diphenylhydantoin (Epanutin),
Glutethimid (Doriden),
Rifampicin (Rimactan),
Alkohol.
Beispiele für Substanzen, die die Aktivität des Cytochrom P450-Systems hemmen:
Chloramphenicol (Paraxin),
Phenobarbital (Luminal),
Phenylbutazon (Butazolidin),
Disulfiram (Antabus),
Alkohol.
Interessant ist dabei, dass der Alkohol gleich zweimal auftaucht: Chronisch eingenommen, induziert Alkohol die Enzymbildung, in hoher Konzentration akut eingenommen, hemmt Alkohol den Abbau einiger Arzneimittel, da er die Abbaukapazität des Enzymsystems voll für sich in Anspruch nimmt. Gleiches gilt für Phenobarbital.
Ein anderer Abbauweg von Medikamenten ist der direkte Abbau im Blut über Cholinesterasen (z. B. Succinyl-Cholin).
4.4 Ausscheidung (Exkretion)
Die Ausscheidung (Exkretion) der Medikamente über die Nieren als wichtigstes Ausscheidungsorgan kennt zwei verschiedene Wege: die glomeruläre Filtration und die tubuläre Sekretion. Die glomeruläre Filtration ist ein passiver Vorgang, bei dem nur der freie, nicht plasmaeiweiß-gebundene Teil des Medikaments oder seine Abbauprodukte die Membranporen der Glomeruli passieren. Energie benötigt dagegen die tubuläre Sekretion, ein aktiver Ausscheidungsprozess über die Zellen der Nierentubuli. Glomerulär filtrierte und tubulär sezernierte Pharmaka und Abbauprodukte können jedoch im Tubulus auch wieder reabsorbiert werden. Diesen Vorgang nennt man tubuläre Reabsorption oder Rückresorption (Abb. 4.3).
Abb. 4.3 Ausscheidung von Medikamenten über die Niere.
Über Filtration, Sekretion oder Reabsorption entscheiden vor allem die chemischen Eigenschaften der Medikamente. Die Ausscheidung eines Medikaments ist am größten, die tubuläre Reabsorption am geringsten, wenn das Medikament dissoziiert vorliegt. Der Dissoziationsgrad wiederum ist abhängig vom pH-Wert. Deshalb kann eine Ansäuerung oder eine Alkalisierung des Urins die Ausscheidung von Medikamenten steuern. Ein saurer Urin vermindert den Dissoziationsgrad einer schwachen Säure und verringert die Ausscheidung; ein alkalischer Urin vergrößert den Dissoziationsgrad einer schwachen Säure und steigert damit die Ausscheidung.
Der Urin kann durch folgende Stoffe verfärbt werden:
rot:
Para-Aminosalizylsäure, Anthrachinone, Diphenylhydan, Indandion, Phenolphthalein, Phenothiazine, Rifampicin,
grün:
Chloroquin,
dunkel:
L-Dopa bei längerem Stehen, Metronidazol,
braun:
Nitrofurantoin (Furadantin).
Im Falle einer Rotfärbung muss eine Laboruntersuchung des Harns veranlasst werden, damit nicht eine Blutung in Niere und harnableitenden Organen oder eine Hämolyse bzw. Myolyse übersehen wird.
Medikamente können auch über die Gallenflüssigkeit und den Darm ausgeschieden werden. Dazu zählen eine ganze Reihe von Antibiotika (z.B. Tetrazykline, Ampicillin).
Die Ausscheidung über die Lunge spielt nur bei leichtflüchtigen Stoffen wie z. B. bei den Inhalationsnarkotika eine Rolle sowie nach Vergiftungen mit Kohlenwasserstoffen.
4.5 Grafische Darstellung pharmakokinetischer Sachverhalte
Die grafische Darstellung pharmakokinetischer Sachverhalte liefert wertvolle Informationen (z.B. Blutspiegelverläufe von Arzneimitteln). In aller Kürze sollen einige wichtige Grundzüge aufgezeigt werden.
Wie schon erwähnt, ist die Aufnahme von Arzneimitteln in den Organismus, in die Blutbahn und ins Gewebe stark abhängig von der Applikationsart.
Nach intravenöser Applikation hat der Wirkstoff unmittelbar nach der Injektion in das Blut die höchste Konzentration, seinen höchsten Blutspiegel. Aus dem Ort der höchsten Konzentration, dem Blut, wird er nun auf Grund des Konzentrationsgradienten in das Gewebe umverteilt, die Konzentration im Blut nimmt ab. Diese Phase, gekennzeichnet durch den steil abfallenden Teil der Kurve, nenntman Verteilungsphase oder α-Elimination. Diese steil abfallende Kurve geht in eine langsam abfallende Kurve über; sie beschreibt Metabolisierung und Ausscheidung des Medikaments undwird auch β-Elimination genannt (Abb. 4.4).
Abb. 4.4 Grafische Darstellung pharmakokinetischer Sachverhalte.
Bei der intramuskulären Applikation sind bereits Resorptionsvorgänge notwendig: die Aufnahme aus dem Muskel in das Blut. Nach intramuskulärer Applikation steigt deshalb die Blutspiegelkurve je nach chemisch-physikalischen Eigenschaften mehr oder weniger steil an (besonders schnell bei hydrophilen Substanzen). Nach dem Blutspiegelmaximum kommt es zu einem Abfall der Blutspiegelkurve, der die Verteilung (α-Elimination) und die Metabolisierung sowie die Ausscheidung (β -Elimination) beschreibt.
Bei der oralen, sublingualen und rektalen Applikation muss das Medikament zuerst aus dem Verdauungstrakt resorbiert werden. Es kommt zu einem langsamen Anstieg der Blutspiegelkurve bis zu einem Maximum; dieser Kurvenanstieg beschreibt die Invasion, die Aufnahme des Medikaments in das Blut. Von diesem maximalen Blutspiegel gibt es je nach chemisch-physikalischen Eigenschaften des Medikaments einenmehr oder weniger starken Abfall, der, wie bei der intravenösen Applikation, die Verteilung (α-Elimination) beschreibt und in eine abgeflachte Kurve übergeht, die die Zeitdauer von Metabolisierung und Ausscheidung widerspiegelt (β-Elimination).
Eine Wiederholungsdosis nach vollständiger Elimination der Anfangsdosis gegeben, wiederholt die vorherige Spiegelkurve. Solch unruhige Medikamentenspiegel gelten oft als therapeutisch gar nicht wünschenswert (Schaukeltherapie). Folgt die Wiederholungsdosis eines Medikaments noch vor der vollständigen Elimination der vorangegangenen Medikamentengabe, so wird (bei gleicher Dosis) der Pharmakonspiegel im Blut höher ansteigen als vorher: Das Medikament kumuliert, es häuft sich an (cumulus, lat.: Haufen, Hügel), auf diese Weise kann es zur Überdosierung und damit zu massiven Nebenwirkungen bis zu Vergiftungserscheinungen kommen. Gewöhnlich steigt die eliminierte Stoffmenge mit dem Substanzspiegel: Die Pharmakonkonzentration wächst nicht unablässig weiter, sondern schwenkt in eine relative Plateauphase ein, im Idealfall im Bereich des angestrebten Wirkungsoptimums, im ungünstigen Fall weit darunter (subtherapeutischer Bereich) oder darüber (toxischer Bereich). Unablässig – bis zum Exitus – steigen könnte eine Dosiskurve nur, wenn die Zufuhr die maximal eliminierbare Substanzmenge überschreitet.
Um rasch den benötigten Wirkspiegel zu erreichen, wählt man für die erste (n) Medikamentengabe (n) oft eine höhere Dosis (Sättigungsdosis), später nur die Menge, die durch die Elimination gegenüber dem Wirkspiegel verloren geht (Erhaltungsdosis). Stark schwankende Blutspiegel können z.B. bei der Antibiotikatherapie erwünscht sein (da sie Vermehrungsphasen der Keime – mit besonderer Empfindlichkeit der Keime gegen den nächsten Dosisstoß – erlauben) oder etwa bei der Nitrattherapie (wo nitratfreie Intervalle einer Nitrattoleranz vorbeugen). Beispiele für die Kumulation eines als gleichmäßig angesehenen Wirkspiegels finden sich als mögliche Probleme einer Digitalistherapie (S. hier) oder einer Marcumarisierung (S. hier).
Unter der Halbwertszeit versteht man die Zeit, in der die Hälfte des verabreichten Medikaments aus dem Körper eliminiert wird. Nach 2 Halbwertszeiten ist nur noch 1/4 der Ausgangsdosis im Körper, nach 3 Halbwertszeiten nur noch 1/8. Nach 4–5 Halbwertszeiten ist demnach ein Medikament komplett ausgeschieden. Die Kenntnis der Halbwertszeit (HWZ) eines Medikaments ist wichtig, um die Wirkdauer eines Medikaments einzuschätzen und daraus die Dosierungsrichtlinien ableiten zu können.
5 ARZNEIFORMEN
5.1 Flüssige Arzneiformen
5.2 Halbfeste Arzneimittel
5.3 Feste Arzneiformen
5.4 Hilfsstoffe
Geeignete Arzneiformen ermöglichen in vielen Fällen erst eine sachgerechte Anwendung von Medikamenten. Die Arzneimittelwirkung wird neben den Wirkstoffeigenschaften auch durch Arzneimittel-Hilfsstoffe und Arzneimittel-Herstellung erheblich beeinflusst. Arzneimittelformen wirken sich auf Wirkungseintritt und -dauer aus. Jede Arzneimittelformmuss eine exakte Dosierung des Wirkstoffs gewährleisten.
5.1 Flüssige Arzneiformen
Lösungen (Solutio; Abkürzung: Sol.): Sie enthalten eine oder mehrere Substanzen in Wasser oder Lösungsmittel (s. Hilfsstoffe) gelöst. Lösungen für Injektionen und Infusionen müssen pyrogenfrei, (frei von Fieber auslösenden) und natürlich steril (keimfrei) sein. Sie sollten im Vergleich zum Blutplasma den gleichen pH-Wert (Isohydrie) und den gleichen osmotischen Druck (Isotonie) haben, also etwa einer 0,9%igen Kochsalzlösung entsprechen. Infusionen sind besonders wichtig in der Unfall- bzw. in der Intensivmedizin (rascher Wirkungseintritt, Volumenexpander, -ersatz, parenterale Ernährung).
Liegt nicht der gleiche osmotische Druck (Isotonie) wie im Blut vor, so ist die intravenöse Applikation sehr schmerzhaft. Es können Thrombophlebitiden und Thrombosen entstehen. Um lipophile Substanzen injizierbar zumachen, sind Lösungsvermittler notwendig (wie z. B. Propylenglycol oder Benzylalkohol), die selbst nicht nebenwirkungsfrei sind (Allergie, Schmerzen bei der Injektion, Thrombophlebitis, Thrombose usw.; s.u.).
Tinkturen (Tinctura; Abkürzung: tinc.): Es handelt sich dabei um alkoholische oder alkoholwässrige Extrakte aus getrockneten oder frischen Arzneipflanzen (z.B. Baldriantinktur; Extrakt aus Baldrian).
Tropfenflaschen müssen fest verschlossen gehalten werden, da das Lösungsmittel rasch verdunsten und damit das Lösungsverhältnis auf gefährliche Weise verändert werden kann: Zunahme der Konzentration, Gefahr der Überdosierung!
Für Augentropfen ist besonders streng auf Sterilität zu achten (die Haltbarkeit nach Anbruch ist auf einen Monat begrenzt!) (Abb. 5.1).
Abb. 5.1 Augentropfen und andere verderbliche Medikamente. Das Öffnungsdatum sollte auf der Flasche vermerkt werden.
Mixturen (Mixtura, Abkürzung: Mxt.): Mixturen sind Mischungen aus festen oder flüssigen Arzneimitteln mit wässrigen Lösungsmitteln, die nur begrenzt haltbar, vor Gebrauch gut zu schütteln undmit dem Löffel einzunehmen sind.
Löffelmaße:
Schüttelpinselungen (Suspensiones cutaneae): Das sind Mischungen aus Glycerin, Ethanol und Wasser, die,mit puderförmigen Zusätzen wie Talg oder Zinkoxid versehen, auf Hautausschläge aufgepinselt werden. Da die Lösungsmittel verdunsten, verbleibt ein Konzentrat von Wirkstoffen auf der Haut.
Emulsion (Emulsiones): Aufschwemmung üblicherweise von Öl und Fetten in Wasser; dazu sind Lösungsvermittler notwendig (s. u.).
Extrakte, Elixiere, Sirupe: Bei den Extrakten handelt es sich umkonzentrierte, eingedampfte, flüssige Auszüge aus Drogen. Sind Extraktlösungen mit Zucker versetzt, so spricht man von Elixieren, handelt es sich um dickflüssige Zuckerlösungen, so spricht man von Sirup.
5.2 Halbfeste Arzneimittel
Salben (Unguentum, Abkürzung: Ungt.): Sie bestehen aus dem Wirkstoff und der Grundsubstanz, der sog. Salbengrundlage, in die der Wirkstoff eingebettet ist. Bei nicht abwaschbarer Grundlage spricht man von einer Salbe, bei abwaschbarer Grundlage von einer Creme. Salbengrundlagen sind heute meist künstliche oder pflanzliche Öle (vor allem gehärtetes Arachidöl, Gelatine, Glyzerin,Wachs, Paraffin und Vaseline. Letzteres ist ein Destillat von Kohlenwasserstoffen aus Petroleum).
Pasten: Das sind Salben, die pulverförmige Zusätze wie Zinkoxid, Kaolin, Kieselgur oder Dextrin enthalten. Der Deckeffekt resultiert allein aus hohem Anteil fester Bestandteile.
Zäpfchen (Suppositorien; Abkürzung Supp.): Sie bestehen aus einer bei Körpertemperatur schmelzenden Grundlage und dem Wirkstoff, der bis zu einem gewissen Grad resorbiert wird.
Klistiere: Sie entfalten ihre Wirkung lokal als Abführmittel und dienen nicht dem Medikamententransport.
5.3 Feste Arzneiformen
Pulver (Pulveres, Abkürzung: pulv.): Sie entstehen durch Zerkleinern von Arzneistoffen (Abb. 5.2). Granulierte (gekörnte) Pulver haben eine grobkörnige Beschaffenheit, die die Einnahme erleichtert (z.B. Vit-C-Granulat). Da Pulver Wasser anziehen, werden sie relativ schnell feucht, sodass die Haltbarkeit eingeschränkt ist.
Abb. 5.2 Herstellung eines Pulvers mit einem Mörser.
Tabletten (Compressi, Abkürzung: comp.): In dieser Form sind die pulverförmigen Arzneimittel besser einnehmbar und haltbar. Zur Herstellung von Tabletten mit Tablettiermaschinen sind Füll- und Bindemittel sowie Schmier- und Formenmittel (s.u.) notwendig.
Dragees (Abkürzung: Drg.): Dies sind überzogene Tabletten, deren Zerfallsdauer länger ist als die der Tabletten.
Wirkstoffe, die längere Zeit wirksam sein sollen, werden als Medikamente mit Retardwirkung auf den Markt gebracht. Eine verzögerte Resorption aus dem Magen-Darm-Trakt erreicht man beispielsweise dadurch, dass man eine Tablette mit einer Matrix überzieht, aus deren Poren der Wirkstoff nur langsam abgegeben wird.
Lutschtabletten (Pastillen): Dies sind Arzneibonbons, z. B. zur lokalen Behandlung von Infekten im Hals-Nasen-Rachen-Raum.
Kapseln: Sie bestehen aus einer Kunststoffhülle, die im Körper aufgelöst wird und dann den Wirkstoff freigibt. Man unterscheidet Stärke- und Gelatinekapseln. Bei den Kaukapseln liegt der Wirkstoff meist in flüssiger Form vor. Die Kapselhülle wird zerkaut und ausgespuckt, der Wirkstoff resorbiert (z. B. Nitrokapseln).
5.4 Hilfsstoffe
Fast alle Arzneimittel enthalten neben dem Arzneistoff einen oder meist mehrere Hilfsstoffe. Die Zahl der Hilfsstoffe ist unüberschaubar. Sie sind von fester, flüssiger, selten von gasförmiger Konsistenz.
Die Hilfsstoffe sind notwendig,
um Medikamente
einnahmefähig
zu machen. Zahlreiche hochwirksame Medikamente sind in kleinsten Mengen einzunehmen, 0,2mg Digoxin z.B. wären nur mit Lupe und Pinzette einnehmbar. Deshalb wird diesen Kleinstmengen an Wirkstoff als Füllmittel Stärke oder Milchzucker beigegeben. Aus diesem Pulver werden dann durch Bindemittel wie Gelatine und Polyvinylpyrrolidon Tabletten oder Dragees hergestellt.
um Medikamente
herstellbar
zu machen. Der Pressvorgang der Tabletten erfordert weitere Hilfsstoffe. Die modernen Tablettiermaschinen stellen eine halbe Million Tabletten pro Stunde her. Damit sich die Tabletten schneller aus der Matrize lösen, werden geringe Mengen von Schmier- und Formentrennmittel hinzugegeben.
um einen
schnelleren Wirkungseintritt
zu erreichen. Stärke z. B. quillt in wässriger Lösung und kann als Hilfsstoff eine Tablette sprengen, sodass die Resorption rascher erfolgt.
um Medikamente
wasserlöslich
zu machen. Lösungsvermittler, sog. Solubilisatoren wie Propylenglycol lösen lipophile Substanzen, machen sie dadurch wasserlöslich und damit erst intravenös applizierbar.
um Medikamente
gegen Magensaft resistent
zu machen. Die Medikamente sind dann mit einem säurefesten Überzug versehen, der sich jedoch im alkalischen Milieu des Dünndarms auflöst. Somit erfolgt die Resorption erst im Dünndarm.
um eine
Depotwirkung
zu erreichen. Ist eine Tablette z.B. mit dem schwer löslichen Stoff Polyvinylchlorid verarbeitet, so wird aus diesem Polyvinylchloridgerüst sehr langsam das Medikament in den Magen-Darm-Trakt abgegeben, daraus erklärt sich die Depotwirkung. Eine Depotwirkung bei intramuskulärer Applikation erreicht man nur durch visköse, ölige Flüssigkeiten, deren Injektion jedoch sehr schmerzhaft ist.
um Medikamente zu
konservieren
. Oft sind den Medikamentenlösungenmikrozide (antibakterielle) Konservierungsstoffe hinzu gegeben.
Die Hilfsstoffe können zu zahlreichen unerwünschten Wirkungen führen: Allergie, Thrombophlebitis, Thrombose. Injektions- und Infusionslösungen, die Poly (oxyäthylen)-40-Rizinusöl als Lösungsvermittler haben (z. B. Dactar, Amuno, Konakion, Trinitrosan usw.), können zu Überempfindlichkeitsreaktionen mit Blutdruckabfall, Luftnot sowie Hitzewallung führen. Diese Reaktion kann lebensbedrohlich sein. Nach längerer Anwendung kann auf Grund dieses Lösungsvermittlers eine Erhöhung der Blutfettwerte entstehen, die die Fließeigenschaft des Blutes verschlechtert.
Die Hilfsstoffe müssen im Beipackzettel und in den Fachinformationen zum Medikament sowie in der Roten Liste deklariert sein.
6 WECHSELWIRKUNGEN DER ARZNEIMITTEL
6.1 Pharmakodynamische Wechselwirkungen
6.2 Pharmazeutische Wechselwirkungen
6.3 Pharmakokinetische Wechselwirkungen
6.1 Pharmakodynamische Wechselwirkungen
Medikamente können sich in ihrer Wirkung verstärken oder abschwächen. Wirken zwei Medikamente zusammen und erreichen sie dadurch eine Wirkungsverstärkung, so spricht man von einem Synergismus. Hebt ein Medikament jedoch die Wirkung eines anderen auf, so nennt man dies Antagonismus.
Ein Beispiel für synergistische Wirkungen bieten die Antihypertensiva. Gleich mehrere Gruppen von Medikamenten mit unterschiedlichen Wirkungsprinzipien sind im Gebrauch. Die Verabreichung von mehreren Antihypertensiva zugleich verspricht einen verbesserten blutdrucksenkenden Effekt. Die synergistische Wirkung – additiv oder gar potenzierend – ist bis zu einem gewissen Grad erwünscht. Es können sich aber auch Nebenwirkungen synergistisch so unglücklich überlagern, dass Effekte, die für die Einzelsubstanz gut zu tolerieren wären, in einer Kombinationstherapie ernste klinische Bedeutung gewinnen. So könnte z.B. die Kombination eines Kalziumantagonisten (Isoptin) mit einem β-Blocker (Beloc) – bei durchaus guter blutdrucksenkender Wirkung – zu kritischen Bradykardien bis zum AV-Block führen.
Arzneimittel, die um den Platz an einem Rezeptor konkurrieren, schwächen sich oft in ihrer Wirkung ab: Sie sind Antagonisten. Beispiele bieten Arzneimittel, die die β-Rezeptoren des Sympathikus hemmen (β-Rezeptoren-Blocker), und solche, die die β-Rezeptoren des Sympathikus stimulieren (β-Sympathomimetika).
6.2 Pharmazeutische Wechselwirkungen
Medikamente können bei der Zubereitung chemische Reaktionen eingehen. Zieht man zwei verschiedene Medikamente in einer Spritze auf, so kann in dieser Mischspritze ein Medikament das andere chemisch neutralisieren oder ausfällen, was den Wirkungsverlust beider zur Folge hat. Die chemischen Reaktionen können auch in Infusionslösungen stattfinden, wenn in diese Medikamente gegeben werden. Ein Beispiel bietet Dusodril P. Der Wirkstoff liegt als oxalsaures Salz vor. Wird er Infusionslösungen mit hohem Kalziumgehalt zugemischt (z.B. Tutofusin), so kommt es zu Ausfällungen, die nach einer Standzeit von 2 Stunden noch erheblich zunehmen können.
Die chemische Unverträglichkeit von Wirkstoffen und Infusionslösungen oder verschiedenen Wirkstoffen untereinander nennt man Inkompatibilität. Dieses Problem wird in der Praxis oft unterschätzt. Eine Mischung von Wirkstoffen in einer Mischspritze oder die Zugabe von Medikamenten in Infusionslösungen sollte prinzipiell unterbleiben. Wenn die Zugabe von Wirkstoffen zu Infusionslösungen notwendig wird (z.B. Elektrolyte), so kommen dafür Kohlenhydratlösungen, nicht aber Aminosäuren- und Fettlösungen in Betracht. Kalzium- und Phosphat-haltige Lösungen dürfen nicht miteinander gemischt werden, es fällt Kalziumphosphat aus (milchige Trübung der Lösung). Auch sollten Katecholamine und Natriumbikarbonat nicht gemeinsam infundiert werden, denn der alkalische pH von Natriumbikarbonat beeinträchtigt die Wirksamkeit der Katecholamine. Inkompatibilitäten müssen nicht immer an Ausfällungen sichtbar sein, sondern sind oft nur mit komplizierten analytischen Methoden nachweisbar. Umso mehr sind deshalb die entsprechenden Hinweise auf dem Begleitzettel der Medikamente und Infusionslösungen zu beachten.
6.3 Pharmakokinetische Wechselwirkungen
Wechselwirkungen von Arzneimitteln treten auch bei der Resorption, Verteilung und Elimination auf. Die Resorption eines Arzneimittels kann durch andere Medikamente gestört werden, die den Dissoziationsgrad beeinflussen oder den enterohepatischen Kreislauf (S. hier) stören.
Bei der Verteilung im Körper spielen die Plasmaproteine eine entscheidende Rolle. Die Transportkapazität der Plasmaproteine ist jedoch beschränkt, zumal sie auch noch die Aufgabe haben, körpereigene Hormone und Abbauprodukte des Körpers zu transportieren. So kann ein Medikament das andere aus seiner Plasmabindung verdrängen. Wenn beispielsweise orale Antidiabetika die Antikoagulantien aus ihrer Plasmaproteinbindung verdrängen, kann die Blutgerinnung gestört werden. Auch können Antikonzeptiva durch Schlafmittel aus ihrer Plasmaproteinbindung verdrängt werden, wodurch der Konzeptionsschutz beeinträchtigt wird.
Wechselwirkungen bei der Metabolisierung von Medikamenten treten dann auf, wenn durch Enzymhemmung in der Leber die Medikamente langsamer oder durch Enzyminduktion schneller abgebaut werden.
Außerdem gibt es Medikamente, die die Rückresorption oder die Sekretion von Medikamenten in der Niere hemmen und dadurch die Ausscheidung fördern oder hemmen.
7 MEDIKAMENTÖSE THERAPIE IN DER SCHWANGERSCHAFT
Jedes Arzneimittel wirkt möglicherweise schädigend auf das Erbgut (mutagene Nebenwirkungen) oder auf den Embryo (teratogene Nebenwirkungen). In der Frühschwangerschaft werden die Organe des Embryos angelegt. Arzneimittel können ihn in dieser Phase schädigen und zu Missbildungen führen (Abb. 7.1). Gesichert ist eine embryoschädigende, teratogene Wirkung von Thalidomid (Contergan) und von Zytostatika. Ein großer Verdacht, teratogen zu wirken, besteht bei Phenytoin (Epanutin), Glutethimid (Doriden) und Rifampicin (Rimactan). Solche Arzneimittel unterliegen einer strengen Indikationsstellung und sind oftmals in Abhängigkeit von Schwangerschaftsstadien kontraindiziert (Tab. 7.1).
Abb. 7.1 Schwangerschaftsverlauf, Medikamenteneinnahme und mögliche Folgen.
Tab. 7.1 Übersicht über Indikationen und Kontraindikationen von Medikamenten in der Schwangerschaft (nach Spielmann)
Tab. 7.1 Übersicht über Indikationen und Kontraindikationen von Medikamenten in der Schwangerschaft (nach Spielmann) (Fortsetzung)
Die in der Frühschwangerschaft angelegten Organe reifen und wachsen in der Spätschwangerschaft. Medikamente können dann zu Störungen der Organfunktion beim Fetus führen: Überdosierte Thyreostatika, die der Mutter verordnet wurden, bewirken beim Kind eine Struma, orale Antidiabetika stimulieren nicht nur die Pankreaszellen der Mutter, sondern auch die des Kindes und führen beim Kind zu Hypoglykämien, was in der Frühschwangerschaft zu Fehlbildungen führen kann. Antibiotika aus der Reihe der Tetrazykline (z. B. Vibravenös, Klinomycin) verbieten sich ab der 16. Schwangerschaftswoche, da sie sich in die Knochen und Zähne des Kindes einlagern. Aminoglykosidantibiotika (z. B. Gentamicin) führen zu Hörstörungen. Einige Schlafmittel und Antibiotika sind fettlöslich und gehen mit der Muttermilch auf den Säugling über.
Diese Mittel dürfen Schwangeren und stillenden Müttern nicht verordnet werden. Für alle anderen Arzneimittel gilt, in der Schwangerschaft und Stillperiode die Indikation streng zu überdenken. Detailliertere Informationen über Bedenklichkeit und Unbedenklichkeit von Medikamenten in Schwangerschaft und Stillzeit gibt Tab. 7.1. Eine solche Tabelle kann nur grobe Hinweise geben. Im Einzelfallmuss der Arzt zwischen Behandlungsnotwendigkeit und Erkrankung und dem möglichen Risiko für das Kind entscheiden.
8 UNERWÜNSCHTE ARZNEIMITTELWIRKUNGEN
Der Begriff der Arzneimittelunverträglichkeit umfasst Arzneimittelnebenwirkungen, also Wirkungen, die neben der erwünschten Hauptwirkung schon imtherapeutischen Bereich (z. B. Übelkeit bei Digitalis) auftreten können, toxische Wirkungen, bei überhöhter Dosis auftretend, im Sinne übersteigerter Nebenwirkungen (z.B. Erbrechen bei Digitalis) oder im Sinne einer überzogenen Hauptwirkung (z. B. Tachyarrhythmie bei Katecholaminen) sowie relativ dosisunabhängige pseudoallergische und allergische Reaktionen.
Am häufigsten beobachtet man auf die Gabe von Medikamenten Übelkeit, Erbrechen, Magenbeschwerden, Schwindelgefühl usw. Dies zwingt oft zur Dosisreduktion oder zum Absetzen des Medikaments.
Arzneimittelunverträglichkeit meint im engeren Sinne allergische Reaktionen gegenüber dem Arzneimittel. Aber nicht nur das Arzneimittel selbst, auch Spaltprodukte, Lösungs- und Konservierungsmittel (Arzneimittelhilfsstoffe) vermögen allergische Reaktionen zu verursachen. Dabei ist die Allergiebildung keine Frage der Dosierung. Allergien entstehen dosisunabhängig: Wenige Milliliter von Dextranen können beispielsweise eine starke allergische Reaktion auslösen.
Es gibt verschiedene Arten der allergischen Reaktionen. Die anaphylaktische Reaktion gilt als besonders kritisch, da sie akut auftritt (Typ 1, Allergie vom Soforttyp). Grund der Anaphylaxie ist – wie bei anderen allergischen Reaktionen auch – eine Antigen-Antikörper-Reaktion.
Die allergische Reaktion kann allein an die Haut gebunden sein; man sieht Rötungen (Exantheme) verbunden mit Juckreiz. Ebenso können umschriebene, subkutane Ödeme entstehen, die man als Quaddeln bezeichnet (Abb. 8.1).
Die folgende Einteilung erlaubt eine Bewertung des Schweregrads einer systemischen Soforttypreaktion:
Grad I. Es ist nur die Haut betroffen: Rötung,Quaddelbildung, Juckreiz.
Grad II. Neben der Haut sind geringgradig auch die Atmung und das Herz-Kreislauf-System betroffen. Haut: Rötung, Quaddelbildung, Juckreiz; Atmung: Atemnot; Herz-Kreislauf: geringgradige Tachykardie, leichter Blutdruckabfall.
Grad III. Neben der Haut sind stärker das bronchopulmonale System und Herz-Kreislauf-System betroffen. Haut: Rötung, Quaddelbildung, Juckreiz; Atmung: Bronchospasmus, Zyanose; Herz-Kreislauf-System: anaphylaktsicher Schock (
Abb. 8.1
).
Grad IV. Dieser Grad der allergischen Reaktion ist durch Atmungs- und Herz-Kreislauf-Stillstand geprägt.
Abb. 8.1 Symptome eines anaphylaktischen Schocks.
Nicht immer müssen die Organsysteme in dieser Staffelung reagieren. Es kann durchaus ein Bronchospasmus oder ein allergischer Schock ohne nennenswerte Hautreaktionen auftreten.