Meh Glück! - Chris von Rohr - E-Book

Meh Glück! E-Book

Chris von Rohr

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Beschreibung

Wenn Chris von Rohr, wie in diesem Buch, ehrlich und ungefiltert Klartext spricht, vergisst er nie, zu betonen, dass die einzigen wahren Währungen im Leben Musik, Love, Peace und Humor sind. Werte, die verbinden statt spalten und schlicht mehr Glück verheissen. Wer sich einlässt auf seine Betrachtung allein schon eines Apfels, seine Liebeserklärung an die Bäume, seine Überlegungen zum Urvertrauen, das wir unseren Kindern mit- oder eben nicht mitgeben, der wird zum Schluss kommen, dass das Glück in weitaus grösseren Portionen und öfter vorhanden ist als nur in seltenen Momenten und kleinen Dosen. In seinen Texten erleben wir einen feurigen Mutmacher, einen offenen Geist und sensiblen Chronisten, der es immer wieder schafft, uns ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. »Meh Glück!« ist ein Wohlklang in stürmischen Zeiten. Wenn Chris von Rohr hundert Songs aufzählt, die glücklich machen, und ein Loblied auf die Liebe, die Musik, den Mut, die Siesta, auf Träume, die Natur, Hindernisse, Blumen, Kinder und die Zuversicht anstimmt, dann wird klar: Sich Zeit für die grossen und kleinen Sensationen des Lebens zu nehmen und das Gewöhnliche mit dem Erhabenen zu verbinden, lässt uns strahlen. Der Rock 'n' Roller, der einst den Ausdruck »Meh Dräck« prägte, zeigt uns: Das Wichtigste überhaupt ist, Vertrauen ins Leben und in sich selbst zu haben. »Hier ist alles drin, was ich liebe und bewundere und wofür ich lebe. Eine Art Vorgefühl des Ewigen. Diese Weisheiten des Herzens weiterzugeben, ist mir Freude und Anliegen zugleich. Sie sind meine Diamanten am Weg.« Chris von Rohr

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Seitenzahl: 262

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Wörterseh wird vom Bundesamt für Kultur für die Jahre 2021 bis 2024 unterstützt.

Alle Rechte vorbehalten, einschliesslich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks und der elektronischen Wiedergabe.

© 2023 Wörterseh, Lachen

Lektorat: Andrea LeutholdKorrektorat: Lydia ZellerFoto Umschlag: Thomas BuchwalderUmschlaggestaltung: Thomas Jarzina, Mitarbeit Martin Schaad; Schneemotiv von www.shutterstock.com / Stephanie ZieberFoto Seite 237: Ueli FreyLayout, Satz und Herstellung: Beate SimsonDruck und Bindung: CPI Books GmbH

Print ISBN 978-3-03763-146-1 E-Book ISBN 978-3-03763-837-8

www.woerterseh.ch

 

Für alle Menschen, die zwischen Leichtigkeit und Schwere, zwischen Euphorie und Melancholie durch diese Welt wandeln.

 

Als ich fünf Jahre alt war, sagte mir meine Mutter immer, dass das Glücklichsein das Wichtigste im Leben ist. Als ich zur Schule ging, fragten sie mich, was ich sein wolle, wenn ich erwachsen bin. Ich schrieb »glücklich« hin. Sie sagten mir, dass ich die Aufgabe nicht verstanden habe, und ich sagte ihnen, dass sie das Leben nicht verstanden hatten.

JOHN LENNON

 

Inhalt

Über das Buch

Über den Autor

PROLOG

Meine kleine Stadt

Göttin sei Dank

London Calling

Home-Kuuking

Grosse Düfte

Thai-Massage

Hundeliebe

Nirwana für alle

Der Berg ruft

Erfolg

Ruf des Frühlings

Mehr Mut

Money, Money

Weniger ist mehr

Zauber der Blumen

Die Kraft der Farben

Hautnah

Vertrauen ins Leben

Der letzte Sommer

Zurück zur Quelle

Die Beatles

Tenue feel good

Magie Montreux

Der goldene Kern

Mein Baum

Osho

Elvis

Meh Glück

Schneezauber

Hallo, Tod

Götterkuss der Wissenschaft

Oldies but Goldies

Zeitlos

No meh Liebi

Das ultimative Hoch

Schulfreuden

Es werde Licht

Beerenstark

Offen bleiben

Trinke Wein im Vollmondschein

Himmlisch

Hey, Alter!

Apfelliebe

Bel Ticino

Der sanfte Gigant

Einer für alle

Werde, der du bist

Der Zauberluchs

Nägel mit Köpfen

Stille Tage auf Kreta

Zwölf Alben und hundert Songs für die Ewigkeit

 

Über das Buch

»Meh Glück!« ist ein Wohlklang in stürmischen Zeiten. Wenn Chris von Rohr hundert Songs aufzählt, die glücklich machen, und ein Loblied auf die Liebe, die Musik, den Mut, die Siesta, auf Träume, die Natur, Hindernisse, Blumen, Kinder und die Zuversicht anstimmt, dann wird klar: Sich Zeit für die grossen und kleinen Sensationen des Lebens zu nehmen und das Gewöhnliche mit dem Erhabenen zu verbinden, lässt uns strahlen. Der Rock ’n’ Roller, der einst den Ausdruck »Meh Dräck« prägte, zeigt uns: Das Wichtigste überhaupt ist, Vertrauen ins Leben und in sich selbst zu haben.

Hier ist alles drin, was ich liebe und bewundere und wofür ich lebe. Eine Art Vorgefühl des Ewigen. Diese Weisheiten des Herzens weiterzugeben, ist mir Freude und Anliegen zugleich. Sie sind meine Diamanten am Weg.

CHRIS VON ROHR

Wenn Chris von Rohr, wie in diesem Buch, ehrlich und ungefiltert Klartext spricht, vergisst er nie, zu betonen, dass die einzigen wahren Währungen im Leben Musik, Love, Peace und Humor sind. Werte, die verbinden statt spalten und schlicht mehr Glück verheissen. Wer sich einlässt auf seine Betrachtung allein schon eines Apfels, seine Liebeserklärung an die Bäume, seine Überlegungen zum Urvertrauen, das wir unseren Kindern mit- oder eben nicht mitgeben, der wird zum Schluss kommen, dass das Glück in weitaus grösseren Portionen und öfter vorhanden ist als nur in seltenen Momenten und kleinen Dosen. In seinen Texten erleben wir einen feurigen Mutmacher, einen offenen Geist und sensiblen Chronisten, der es immer wieder schafft, uns ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

 

Über den Autor

© Thomas Buchwalder

Chris von Rohr, geb. 1951 in Solothurn, Rocklegende und Kultfigur, ist mit rund sechzehn Millionen verkauften Tonträgern der erfolgreichste Rockmusiker der Schweiz. Der Gründer und heutige Bassist der Band Krokus wurde als Musiker, Songwriter und Produzent (Krokus, Gotthard, Polo Hofer, Patent Ochsner) über fünfzigmal mit Edelmetall ausgezeichnet, unter anderem auch mit Gold und Platin in den USA und Kanada. Sein Slogan »Meh Dräck« wurde 2004 zum Schweizer Wort des Jahres gekürt. Der feurige Freigeist spricht vier Sprachen und hat nicht nur ein Gespür für

Musik, sondern auch fürs Schreiben – seine Autobiografie »Himmel, Hölle, Rock ’n’ Roll« stand wochenlang in den Charts und schaffte es auf Platz 1 der Schweizer Bestsellerliste.

Der Ehrenbürger von Memphis, Tennessee, ist Vater einer Tochter. Er wohnt in Solothurn und auf Kreta.

 

PROLOG

Wille muss verbunden werden mit Freude.

DANIEL SARTI

Liebe Freunde der Sonne,

»Meh Glück!« – mein Vorwort entstand im »Haus im Glück«, einem wundervollen B & B im malerischen, grob unterschätzten Toggenburg. Voilà:

Um Glück weitergeben zu können, müssen wir es erst selbst erfahren. In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst. Knapp dreimal zehntausend Tage werden uns im Schnitt geschenkt. Wir sollten möglichst viele davon nutzen und feiern. So besiegt unser Sein das Nichts.

Das Leben hat mich gelehrt, nach dem Unvergänglichen, dem Ewigen zu suchen. Gerade in Perioden, wo uns beinahe täglich Halbwahrheiten, Moralpredigten und angstgetriebene Schreckensszenarien serviert werden. Wenn die Menschheit sich wie ein Tollhaus aufführt und strauchelt, ist es umso wichtiger, das Schöne, das Erbauende zu ehren und zu preisen. Einen Wohlklang in stürmischen Zeiten kreieren, das war mein Ziel mit diesem Buch.

Mein Leitsatz war immer: Gross denken! Aber ich realisierte bald, dass es oft auch die kleinen Dinge sind, die uns Zufriedenheit und Freude bringen. Sie sind umsonst und einfach da, wir müssen sie nur erkennen und leben. Ich begriff ausserdem, dass Glück sogar im Pech und in Rückschlägen liegen kann. Martin Walser nannte das »Unglücksglück«.

Es gibt Schätze, Diamanten am Weg, die mich immer wieder retteten und mir die Kraft gaben weiterzumachen. Sie wurden zu Wegweisern und Richtsternen. Ohne sie wäre mein Dasein trost- und sinnlos. Sie zu entdecken im ganzen unbedeutsamen, kurzlebigen Nonsens, dem wir ausgesetzt sind, ist ein Geschenk des Universums.

Glück heisst, einmalige, unwiederbringliche Augenblicke in all ihren Farben zuzulassen und sie voll zu geniessen. In meinen Geschichten habe ich solche Momente gesammelt und gebe sie hier in Dankbarkeit und Freude weiter. Mögen sie euch genauso beleben und bereichern wie mich. Wenn das Herz singt und wir uns nicht zu ernst nehmen, glaubt mir, dann packen wir auch die schwierigeren Momente, die das Schicksal für uns bereithält.

Vom Augenblick geküsst, von der Zeit liebkost, im Fluss der Ewigkeit.

LOVE, PEACE UND REBENSAFTChris von Rohr

 

Meine kleine Stadt

Vo döt här

SOLOTHURNER FASNACHTSMOTTO 2024

Es war eine grandiose Feier und wir Krokusse mittendrin: Meine Heimatstadt feierte ihr zweitausend Jahre altes Bestehen und liess es richtig krachen. So ziemlich exakt zweitausend Jahre lang kam es uns Musikern auch vor, bis wir hier richtig ankamen und von unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern wirklich angenommen wurden. Man kennt ja die Story vom Propheten im eigenen Land. Früher wechselte man gerne die Strassenseite, wenn wir auftauchten, heute gibts Gratisdrinks, freudige Gespräche, Anerkennung und – im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten – sogar einen Krokus-Denkmal-Stein. Die Zeiten haben sich geändert, und es ist eben nicht, wie im trümmligen »Solothurnerlied« gesungen, »immer eso gsi«. Wir alle haben uns verändert. Zum Glück.

Solothurn ist nach der deutschen Stadt Trier die zweitälteste nördlich der Alpen. Sie war einst keltisch, wurde später römisch und entwickelte sich – nach französischem Vorbild der Festungskunst – zwischen 1453 und 1727 zu einer Steinschanzen-Festung. Das katholische Städtchen, in dem ständig irgendwelche Kirchenglocken Sturm läuten, nennt sich wegen seines Schutzpatrons Ursus sowie der prächtigen Kathedrale auch »St.-Ursen-Stadt«. Solothurn verbindet italienische Grandezza mit französischem Charme und deutsch-schweizerischer Bodenständigkeit. Tore, Türme und Kirchen zeugen davon, was für eine Bedeutung die älteste, und bis zum Beginn des Spätmittelalters auch die einzige, Stadt am Jurasüdfuss innehatte. Sakrale Baudenkmäler von europäischer Bedeutung, wie etwa die St.-Ursen-Kathedrale, die als das bedeutendste schweizerische Gebäude des Frühklassizismus gilt, oder die Jesuitenkirche, eines der schönsten Barockbauwerke unseres Landes, finden sich auf überschaubarem Raum.

Die Zahl elf spielt in Solothurn eine grosse, historische Rolle und ist allgegenwärtig: Wir haben elf Kirchen und Kapellen, elf Museen, elf Brunnen, elf Türme. Die St.-Ursen-Kathedrale hat sage und schreibe elf Altäre, in ihrem Turm hängen elf Glocken – sogar unser Bier heisst Öufibier! Zudem wird Solothurn in der Auflistung der Kantone als elfter Stand aufgeführt.

Das Zusatz-Gütesiegel »Ambassadorenstadt« gabs, weil früher Gesandte des französischen Königshauses ihre Schweizer Botschaft hier hatten. Im Welschland heisst unsere Stadt Soleure. Dort etablierte sich auch der Ausdruck »être sur Soleure« – was »stockblau« heisst und damit zu tun hat, dass sich die Weinlieferanten, die über die Aare zu uns kamen, immer wieder gerne selbst an den Fässern mit Rebensaft bedienten. Sie wussten auch, Solothurn stand für ausgelassene Feiern. So holte sich Casanova in einer wohl feuchtfröhlichen Nacht in Solothurn den Tripper. Kaiser Napoleon hingegen hatte es nicht so mit dem Festen und liess bis auf den heutigen Tag im ehrwürdigen Hotel Krone eine Rechnung offen – sie hängt eingerahmt im Eingang des Hauses. Obwohl zu seinen Ehren alles auf Hochglanz poliert und der Wirtsraum für ihn extra vorgeheizt wurde, liess er sich nur ein Glas Wasser vom Fischbrunnen ins Wageninnere reichen. Und ja, das wurde offenbar schon damals gerne von den Wirten verrechnet. Und dann ganz offensichtlich zechgeprellt.

Solothurn gilt als schönste Barockstadt der Schweiz, ist umgeben von gesunden Wäldern und prachtvoller Natur. Kein Wunder, kommen auch immer mehr Touristinnen und Touristen. Wir haben gute Restaurants, den grandiosen Wochenmärit, die unvergleichliche Einsiedelei St. Verena, die Aare, eine pittoreske Altstadt, unseren Hausberg – den Weissenstein –, die Zentralbibliothek, das Museum Blumenstein, die Solothurner Film- und die Solothurner Literaturtage, über hundert Arztpraxen, freundliche Verkäuferinnen, feurige Altstadtführerinnen, coole Polizisten, Gärtner, Strassenpfleger, die Kulturfabrik Kofmehl und die einzigartige Solothurner Torte. Ein Traum aus luftigem Biskuit, einer zart schmelzenden Haselnuss-Meringuage und einer nicht allzu leichten Buttercrème. Wer sie noch nie gekostet hat, hat definitiv etwas verpasst. Aber Achtung – haltet euch nur an das Original der Solothurner Confiserie Suteria.

Was Solothurn bietet, hilft mir über das oft etwas raue, kalte und vor allem sehr oft neblige Wetter hinweg. Mutter Giggi selig, sie war die heimliche »Queen von Solothurn«, begegnete meinem Wetterblues jeweils mit der frohen Botschaft: »Bueb, wenn du dieses Klima überstehst, kannst du überall in der Welt leben.« Wie immer hatte sie auch hier recht!

Viele Strassen oder Gassen durchlief ich tausende Male, und zig Ecken, Bäume, Wiesen, Bäche und Bänke halten eine Geschichte für mich bereit. Nicht alle sind erinnerungswürdig, aber es sind Geschichten, über die ich gerne hie und da rede, weil sie sich bei mir eingebrannt haben. Da ist zum Beispiel die Bank auf der alten historischen Steinschanze, wo ich meinen ersten, noch eher harzigen Kuss empfing. Der kalte Dürrbach, in dem ich als Kind planschte. Der Nussbaum, den ich gerne erklomm. Das Feld, auf dem mein Tochterherz ihren ersten Blumenstrauss für mich pflückte. Das Haus meiner Grosseltern. Der wunderbare Bücher-Lüthy, wo schon meine Mutter fürs Wochenende Lesestoff ausleihen durfte. Die Ecke vor dem früheren Restaurant Löwen, wo Fernando und ich eines Tages dann doch endlich unsere musikalische Powerfusion beschlossen. Das Aarenmürli, dem wir Solothurner den Namen »Rue de Blamage« gaben, auf welchem ich Stunden meines Lebens verhockte. Die Küche der Genossenschaft Kreuz, wo ich monatelang Armin, Pouti und dem lieben Vreneli beim Kochen half und so meinen Lebensunterhalt bestritt. Der kleine Saal oben im ersten Stock, in dem ein Piano stand und wo ich mit meinen ersten Bands abrocken durfte. Der kleine Laden, wo ich mit meiner ersten Freundin Bella den Orientladen »Sibsi« führte und gleichzeitig darin schlief und Hunde aufzog. Das Landhaus, wo Krokus die ersten Konzerte gaben und Jahrzehnte später die Theateraufführungen der Steinerschule mit meiner Tochter stattfanden. Das Jugendzentrum in der Vorstadt, das wir »s Loch« nannten. Der einst magische »Musikturm«, wo es immer neue, grossartige Schallplatten zu entdecken gab. Und natürlich das alte, dreihundert Meter von meinem Haus entfernte Kapuzinerkloster mit den grandiosen Lindenbäumen, die im Frühling so schön duften.

Im Laufe der Zeit hat sich vieles verabschiedet, ist nicht mehr da, aber es ist wie mit allen starken Erinnerungen – sie lassen einen nie mehr ganz los. Und ab und zu zaubern sie einem ein Lächeln der Erinnerung ins Gesicht. Mir zumindest passiert das sehr oft. Als junger Rebell sah ich meist nur die Mängel und Gehässigkeiten meiner Stadt und übersah, was mir hier alles geboten wurde. Heute bin ich dankbar und weiss, dass Gegenwind und Skepsis auch starke Triebfedern für gute Ideen und Songs und ein eigenständiges Leben sein können. Man muss nur dranbleiben und die Vision und das Lachen nicht verlieren. Einfach machen statt zu viel hirnen und reklamieren. Rein in den Flow!

Aber zurück zum unvergesslichen Zweitausend-Jahr-Jubiläum meiner Heimatstadt, bei dem für Krokus nichts weniger als ein Traum in Erfüllung ging: Die Solothurner Hardrocker spielten direkt vor der altehrwürdigen St.-Ursen-Kathedrale auf. Und zwar am oberen Ende der St.-Ursen-Treppe, die in – es wird niemanden wundern – dreimal elf Stufen zur Pforte hochführt. Wer hätte je gedacht, dass uns die eher steifen Kirchen- und Stadtväter eines Tages tatsächlich Grünlicht zur Operation »Rock the Block« geben würden? Die dreijährige Vorarbeit aller Beteiligten war alles andere als einfach, aber als es dann endlich losging, verzogen sich die Wolken und der Regen stoppte. Und zwar wortwörtlich! Tausende happy Faces, freudige Stimmung, betörende Lichtkaskaden, eine geflashte Stadtpräsidentin und ein rockender Bundesrat. Der Fische-Vollmond entfachte seine volle Wirkung, und wir ahnten schon während des Spielens, dass es so etwas wie das, was wir alle hier gerade erlebten, nie wieder geben wird. All Things Must Pass, sang GEORGE HARRISON. Und wo er recht hat, hat er recht: Alles geht vorbei. Darum lasst uns die grossen Momente wirklich bewusst auskosten, tief im Herzen in Erinnerung behalten und sorgsam in der Seele ablegen. Sie sind die Lichter an unserem Lebensweg.

 

Göttin sei Dank

Es ist eine Schwäche der Männer, Frauen gegenüber stark erscheinen zu wollen.

HILDEGARD KNEF

Ich sage es gerne: Das Wichtigste, das ich im Leben gelernt habe, kam von Frauen. Sie lehrten mich, mit dem Herzen zu schauen, besser zuzuhören, intensiver zu lieben, mein Dasein als Mensch mehr zu geniessen und Achtung vor mir selbst zu haben.

Alles begann mit meiner wundervollen Mutter. Sie war ihrer Zeit voraus. Berufstätig, aber trotzdem eine liebende, sich kümmernde Frau. Natürlich vermisste ich sie als Kind oft zu Hause, aber wenn mich was plagte, war Mum da und stand mir bei. Ich konnte mit jedem Anliegen zu ihr gehen, sie hörte zu und nahm mich ernst. Druck und Bestrafung waren nicht ihr Ding, und sie vermittelte mir klar und mit Feeling: Du darfst Fehler machen, du darfst auch hinfallen, aber steh wieder auf und mach einfach weiter. Eine sehr wichtige Botschaft.

Als dann das Frauenstimmrecht endlich eingeführt wurde, war sie happy. Sie wusste, was in dieser Welt gut oder schlecht lief. Diese beeindruckende Dame hatte ein feines Gespür dafür, wer etwas für unser Land und seine Bürger tat und wer nur ein Blender und Schönwetterprophet war. Trotz vielen Aktivitäten ausser Haus verwöhnte sie uns mit feinen Speisen, erledigte die Wäsche und alles, was in einem Haushalt so anfällt – und das abertausende Male, ohne von uns grosse Wertschätzung zu erwarten. Leider hat sie diese auch zu wenig erhalten. Sie war ganz einfach der Fels in der Brandung unserer Familie. Wie mancher Wichtigtuer-CEO oder -Politiker schafft dies? Hier wäre eindeutig mehr Anerkennung für diese Familienperlen angezeigt. Doch auf Mütter wartet auch heute noch ein mehr als magerer Lohn, kein goldener Fallschirm, und rasch den Betrieb wechseln ist keine Option. Obendrauf dürfen sie sich durchgegendert als »entbindende Person« beschimpfen lassen.

Tja, so weit sind wir inzwischen. Aber reden wir lieber davon, wie sehr es zutrifft, dass hinter – fast! – jedem erfolgreichen Mann eine starke Frau steht. Eine meiner immer wieder gerne zitierten Formulierungen ist ein abgewandelter Spruch aus der BIBEL: An ihren Frauen [statt Früchten] sollt ihr sie erkennen. Mit was für Frauen sich ein Mann umgibt, sagt einiges über ihn aus – sei es im Beruf oder im Privatleben. Viele Männer fürchten sich vor starken Frauen, dabei könnten sie durch mehr Offenherzigkeit einiges von ihnen lernen und profitieren.

Wie oft im Leben habe ich Hebammen, Pflegefachkräfte oder Direktionsassistentinnen erlebt, die den Laden ihrer Vorgesetzten zusammenhielten und vehement vorwärtsbrachten. Ohne sie wäre der Betrieb im Chaos versunken. Sogar James Bond wusste, was er seiner »Moneypenny« verdankte. Und so bleibt es mir bis heute ein Rätsel, warum sich die Männerwelt herausnimmt, Frauen für denselben Arbeitsaufwand schlechter zu bezahlen als ihre männlichen Kollegen. Oder warum unsere Welt, wie man inzwischen durch x Beispiele erhärtet weiss, grösstenteils auf männerbezogenen Daten basiert – von der Klavierklaviatur über die Raumtemperaturen in Büroräumen, der I-Phone-Grösse bis hin zu medizinischen Studien. Alles wird mehrheitlich an Männern getestet. Was für eine überhebliche Ignoranz, die hoffentlich sehr bald der Vergangenheit angehören wird.

Ich hatte das grosse Glück, in meinem Leben herausragende, smarte und dazu attraktive Frauen zu treffen. Selige und erfreuliche Zeiten durfte ich mit ihnen verbringen. Sie weihten mich Greenhorn in die Kunst der Liebe und des Staunens ein, und manch belangloser Tag, manch kalte Nacht wurde ein feines, grossartiges, leidenschaftliches Freudenfest. Auch heute erlebe ich diesen magischen Austausch zwischen Yin und Yang intensiv und wahrlich bereichernd. Darüber mehr in der »Zauberluchs«-Geschichte.

Was ich hier noch betonen will: Die gute alte Zweierbeziehung ist – zumindest für mich – in jeder Hinsicht unübertroffen. Wenn Respekt, Gleichberechtigung, Hingabe, ähnliche Bedürfnisse und Vorlieben da sind, kann diese Form des Zusammenlebens zu einer wahren Sternenexpedition, einem Feuerwerk an Lebendigkeit, Sinnlichkeit, Geistreichheit, Humor und Kreativität führen.

Göttin sei Dank! Dafür, was Frauen durch ihren Beitrag, ihre Inspiration in dieser oft kalten Granitwelt ins Positive verzaubern können. JOHN LENNON hat es in seinem Song »Woman« vortrefflich ausgedrückt. Hört unbedingt wieder mal rein und freut euch an meiner Lieblingszeile: Woman, I know you understand the little child inside the man – purer Seelenbalsam.

 

London Calling

Die Engländer haben zweiundvierzig Religionen, aber nur zwei Saucen.

VOLTAIRE

Mein lieber und kreativer Onkel John selig wohnte in London, in einem Quartier mit dem geflügelten Namen »Angel«. Allein das fand ich schon grandios. Dazu kam, dass Pubertäts-Chris für seine Eltern und die Umgebung phasenweise schwer zu ertragen war. So schickte man ihn jährlich zweimal zum lieben John in die Stadt an der Themse. Welch ein Glück für mich!

Mir ist dort schon sehr bald aufgefallen, was für ein gewaltiger Unterschied es für deine Lockerheit bedeutet, ob dich die Blockflötengesichter am Glöggliweg in Solothurn missmutig beim Morgenrundgang mustern oder ob du ohne Beobachtung entspannt über den Lonsdale Square zur Busstation schlenderst, wo du dann in den roten Doppeldeckerbus Richtung London City einsteigst. Zwischen der einen und der anderen Welt liegen – Welten. Die Bewohner in Grossstädten sind meist mit sich selber beschäftigt und haben kaum Zeit, andere zu beurteilen oder gar zu massregeln. Das Anonyme ist mir in diesem Fall sympathischer als die permanente Observierung durch selbstgerechte, gelangweilte und hochmütige Menschen.

Alle meine musikalischen Helden kamen damals aus England, und ich konnte sie dort bei lebendigem Leibe im Marquee Club und anderen Konzertlokalen sehen und den Sixties-Zauber aufsaugen. Städte kann man lieben oder einen Bogen um sie herum machen. Mit London war es Liebe auf den ersten Blick. Die alten Gebäude, die weitläufigen, verwunschenen Parks, die Museen, der Humor der Taxifahrer und die liebevolle Beleuchtung hauten mich um. Meine Mutter hatte englische Wurzeln, und ich gebe zu, mich bis heute auch als halber Engländer zu fühlen. Mindestens einmal im Jahr besuche ich »the Swinging City«. Ich brauche ihren Geruch, das kalkfreie Wasser, dank dem der Tee viel reiner und besser schmeckt, die Pubs, in denen die unterschiedlichsten Menschen zu einem friedlichen Schwatz zusammenfinden. Sogar mit dem englischen Bier habe ich mich angefreundet und ihrem Fussball. Dann der Dreck und der Charme in Soho, der farbenfrohe Shoppingwahnsinn in Camden Town und natürlich der grossartige Portobello Market in Notting Hill. Ich empfehle allen notorischen Romantikern und Heulsusen, sich den gleichnamigen Oberkitschfilm mit Hugh Grant und Julia Roberts wieder mal reinzuziehen – rettet jeden verregneten Abend.

Eine Gefahr allerdings gibt es für mich: den Linksverkehr 🙈. Da ich recht unbesonnen über die Strassen hühnere, hat es einige Male beinahe gekracht. Das Herumfahren mit meinem alten Jaguar war auch grenzwertig. Aber auch das gehört für mich zur britischen Insel. Da läuft das meiste einfach andersrum.

Ich fragte mich schon früh, wie eine solch grossartige Stadt entsteht, und fand Folgendes heraus: Ihre Geschichte reicht zweitausend Jahre zurück. Sie wurde um fünfzig nach Christus von den Römern unter dem Namen Londinium gegründet. Dem römischen Boss folgten die Angelsachsen mit Eroberungsabsichten, sie legten die Stadt in Schutt und Asche. Am Ende des neunten Jahrhunderts wurde sie neu aufgebaut. Die Reformation entmachtete daraufhin die Kirche, die rund die Hälfte des Bodens besass. Die Neuverteilung ihrer Güter leitete eine Ära des wirtschaftlichen Wachstums ein, und London stieg zu einer führenden Handelsstadt auf.

Dann aber kam – in den Jahren 1665 und 1666 – die Grosse Pest und vermieste den Engländern gründlich das Leben. Von den hunderttausend Menschen, die im ganzen Land starben, traf es siebzigtausend Londonerinnen und Londoner. Und als ob das nicht schon genug gewesen wäre, vernichtete der Grosse Brand von London Anfang September 1666 dreizehntausend Häuser und siebenundachtzig Kirchen. Man stelle sich das mal vor! Die Stadt gesundete aber rasch und vermochte sich, wie ganz England, in der weltweiten politischen Hackordnung zu behaupten. Binnen weniger Jahrzehnte vermehrte sich die Bevölkerung munter um ein Vielfaches.

Grossstädte sind Diven und pflegen ihr Äusseres fleissig zu verändern. London hat sich öfter gehäutet als eine Boa. Ich mag Veränderung und Abwechslung, aber was sich derzeit am grossen Themsebach städtebaulich abspielt, ist wenig erfreulich. Diverse Superreiche benützen die englische Hauptstadt als sicheren Hafen, um ihr Geld zu parken. Politiker, die immer wieder mal gerne Geld zum Fenster rausschmeissen, fördern den irren Bauboom. Aktuell befinden sich zweihundertsechzig (!!!) Towers in der planerischen Pipeline der Stadt – ein Wettbewerb der Bausünden. Sie werden die einmalige Skyline versauen, wenn niemand den roten Buzzer drückt. Die Stadt läuft Gefahr, zu einem üblen Abklatsch von Schanghai, Hongkong oder Dubai zu werden. Die wenigsten Bewohner realisieren das. Der Philosoph und Schriftsteller Alain de Botton – alle seine Bücher sind lesenswert – tut es. Er sagt, es sei ein Verbrechen an der Schönheit. Ähnliches lässt sich von Schweizer Seegemeinden wie Lugano oder Richterswil berichten. Ein einziges Gemurkse. Natürlich ist auch der ewige Stauverkehr und das Essen ein echtes Ärgernis, aber ein gewisser Schlendrian gehört einfach zu dieser Stadt.

Zu erwähnen bleibt noch die einstige Wunderwaffe – die QUEEN! Nach ihrem Motto Never complain, never explain – Beschwer dich nicht, erklär dich nicht – zu leben, übe ich schon mein ganzes Leben lang. Vergebens! Ich bewunderte sie, weil sie meiner Mutter ähnelte: stets cool, diszipliniert, lösungsorientiert und obendrein immer apart gekleidet. Vor allem ihre Hüte waren bemerkenswert.

Wer hat die jetzt eigentlich alle? Wohl dem Lande, das solch eine Frau zur Königin hatte. Ja, sie war nicht gerade Rock ’n’ Roll, aber wie ein Schweizer Kollege mal treffend sagte: »Wir lieben die Royals, weil sie uns nichts kosten und trotzdem eine prima Show liefern.« Und ich finde, sie zeigen uns so schön, wie unterschiedlich Menschen sein können und wie absurd unsere Welt. Jetzt muss Charlie der Dritte die royale Seifenoper weiterführen. Überraschungen sind garantiert.

Könige sind in der Schweiz undenkbar, und das ist auch gut so, aber ich bin dafür, dass wir, wenn wir bauen, was wir ganz sicher weiter tun werden, hübsche, kleine Türmlein erschaffen – keine Techno- und Roche-Towers! Thank you!

 

Home-Kuuking

Man schütte zuerst ein Glas Wein in den Koch und dann ins Essen.

HEINZ KERP

Wie flexibel musste sich doch die Erdbewohnerschaft zeigen, als die rasende, fieberhaft nach Fortschritt lechzende Gesellschaft während Covid unfreiwillig zum Wirtschafts- und Sozialstillstand kam. Aber alles hat zwei Seiten, und so gab es auch ein paar Auferstehungen des Vergangenen. Was dazu führte, dass ich plötzlich wieder in der Küche landete.

Meine Tochter meinte, sie hätte Lust auf ein amtliches Risotto. Da meine Lieblingsbeizen geschlossen oder mit irrwitzigen Auflagen gequält wurden, musste ich mich halt selbst ans Werk machen. Nun sei verraten, dass ich einige Menüs rustikal draufhabe – unter anderem meine beliebten »Spaghetti Tornado« oder »Maccaroni Be Good« wie auch die von meinen Bekochten hochgelobte »Bohemian Ratatouille«. Mit dem Reis-in-Risotto-verwandeln-Kuuking hingegen tue ich mich eher schwer. Und Kochbücher waren nie mein Ding. Ich mag Freestyle-Cooking.

Die Chefin meiner Plattenfirma, die ich damals gerade am Ohr hatte, meinte: »Schmeiss chli gehackte Zwiebeln ins Olivenöl plus Weisswein zum Andünsten, dann den Reis hinterher und Bouillon dazu und am Schluss Parmesan. Du schaffst das!«

Zurück am Herd, sahs übel aus. Also Restart. Blöderweise liess ich mich beim Zwiebeln-ins-Öl-Geben durch das Klopfen an meiner Tür ablenken – ein Paket aus Hamburg. Ich liebe Pakete und muss sie immer sofort öffnen, denn: Was ist wohl drin? Mit anderen Worten, ich vergass Öl und Zwiebeln.

Um mehr Tipps einzuholen, machte ich noch ein paar Voice-Botschaften an meinen Freund und Oberochsen, Chef-Troubadour de Cuisine Büne Huber. Er war grad selbst am Kochen, und seine Ansage klang motivierend: »Schau, Chrisi: Das A und O ist das Schwimmen der Körner in der Bouillon und dass du immer schön dabeibleiben, also ständig rühren musst. Sicher gute fünfundzwanzig Minuten.«

Nun habe ich als Ex- oder Immer-no-chli-ADHS-Kind Mühe mit dem konzentrierten »Dabeibleiben«. Aber es wurde mir schnell klar, dass die ganze Übung, wenn ich diese Fünfundzwanzig-Minuten-Rührerei nicht konsequent anging, für die Katz war. Zu gut erinnerte ich mich an meine früheren kläglichen Versuche mit den putzigen Reiskörnli. Entweder sie hockten braunschwarz angebrannt am Pfannenboden an, oder sie waren zu saignant. Oft war das Resultat auch eine tanggige, weisse Masse, die mich an Milchreis erinnerte. All das wollte ich weder mir noch meinem Tochterkind antun. Also hielt ich mich strikt an den Fahrplan, schickte hie und da ein paar Bilder per Handy nach Bern, und nach einer halben Stunde war sie fertig, die Götterspeise, der ich, aus reiner Farbenfreude, mitten im Akt noch ein paar fein geschnittene rote und gelbe Peperoni beigab. Meine Tochter war auf jeden Fall happy und ich auch. Nächstes Mal versuche ichs mit »Purple Rice«, aber da werde ich die Hilfe meiner Liebsten brauchen.

Vor dem Einschlafen dachte ich noch etwas übers Kuuking nach. Wie unglaublich privilegiert wir sind, über all diese wunderbaren Speisen zu verfügen und damit spielen zu können. Lange Zeit erschien mir Kochen als Pein, weil ich, meiner Meinung nach, Gescheiteres zu tun hatte. Zudem erinnerte ich mich, wenn ich denn mal am Herd stand, mit Schrecken zurück an meinen Job als Vizekoch im Restaurant Kreuz zu Solothurn, der mir half, über die Runden zu kommen, bevor die Rockrakete abhob. Das waren – rückblickend – zwar lustige Zeiten, aber halt doch eher ein Müssen.

Beim Risottoessen kam mir wieder meine liebe Mutter selig in den Sinn. Der Job eines Kochs / einer Köchin war schon immer arg unterbewertet und oft nebst fehlender oder schlechter Entlöhnung sogar noch mitleidig verspottet. Dabei ist Fürsorge und gutes Essen doch ein Liebesbeweis. Man müsste es halt nur erkennen und auch endlich würdigen. Wohl dem Manne, der neben den selbst gebastelten Menüs noch eine Frau hat, die ihm hie und da was Leckeres auf den Tisch zaubert. Ich feiere das jedes Mal ab.

Als Vielgereister weiss ich heute, dass ich mich klar dann am besten fühle, wenn ich all den überflüssigen Fast-Food-Müll und den gezuckerten Schnickschnack-Durchlauferhitzer-Mist weglasse. Die Food-Wahrheit 2023 tut vielleicht etwas weh, aber stimmt einfach: »Du bist, was du nicht isst.« Das gilt übrigens nicht nur für die Nahrung, sondern auch für die Musik. Ums Weglassen gehts! Dann kann mans noch mehr geniessen, denn »less« ist definitiv »more«!

 

Grosse Düfte

Die Seele aller Wesen ist ihr Duft.

PATRICK SÜSKIND IN »DAS PARFUM«

Der Ausflug zum Weihnachtsmarkt ist eines meiner alljährlichen Highlights. Die Lichter und der putzige Krimskrams erfreuen mich, obwohl es ja wieder und wieder dasselbe ist: die immergleichen Chrömli-, Tassen- und Christbaumkugel-Stände. Aber – es ist Teil meines ganzen Weihnachtsrituals, mir das einfach anzusehen. Ich brauche nichts zu kaufen, um glücklich wieder heimzukehren. Es geht mir wie den Kindern, die eine Gutenachtgeschichte zwanzigmal hören wollen, obwohl sie sie längst auswendig kennen. Ich gehe also zum Bummeln dorthin, ohne die Absicht, etwas zu erstehen, und ohne die Erwartung, Neues zu entdecken. Ich bin sogar froh, alles immer wieder so anzutreffen, wie ich es in Erinnerung habe. Einen Tag nichts Neues gebären, verarbeiten oder bekämpfen zu müssen, hat auch was. Mein ultimatives Glückserlebnis findet an so einem Weihnachtsmarkt über die Nase statt: Auf meinem Rundgang komme ich am Stand vorbei, wo es nach feinen Crêpes riecht, am nächsten erfreut mich der Duft von frischen Riesenbrezeln und kurz darauf der von süssen Zimtsternen, die meine Liebste so mag. Es riecht da und dort nach Lebkuchen, Zimt und Vanille und in den herzig kitschigen und urchigen Bretterbeizen nach verschiedenen Suppen, Kaffee und Glühwein. Das Schlaraffenland der Düfte! Dieses Erlebnis erfordert viel Zeit. Man kann nicht alles inhalieren, wenn man kurz vor Feierabend durch den Markt hetzt. Schlendern ist angesagt. Luege, lose u schmöcke.

Aber o weh! Welche Dreistigkeit, wenn plötzlich, mitten in diesem Wintermärchen, ein Wesen an einem vorbeidrängt, das eine Rexona-, Old-Spice-, Moschus- oder, noch viel schlimmer, eine Haarlackfahne hinter sich herzieht! Un-zu-mut-bar! Wo bleibt da die Eingangskontrolle? Störenfriede werden doch sonst auch von der Securitas hinausbefördert. Macht niemand Duftmessungen? Überhaupt: Warum haften die Moleküle dieser Chemiedüfte so lange in der Luft? Was machen die eigentlich mit unserer Haut? Wie lange dauert die Halbwertzeit dieser Amokdeos? Bei anderen chemischen Substanzen gibts doch auch Dosierungsvorschriften? Fragen über Fragen.

Die Werbung will uns weismachen, dass man durch Parfum auf andere erotisch wirkt. Warum wird mir dann derart übel, wenn so ein mit Kunstgeruch mumifizierter Mensch an mir vorbeigeht? Mich erinnert das Deoproblem an ein Tonband. Warum? Wie war das doch damals, als wir uns selbst aufnahmen und uns das erste Mal selbst hörten? Wir fanden unsere Stimme horrormässig, weil wir sie vorher nie von aussen gehört hatten. Ich zumindest kam mir selbst fremd vor so ganz ohne Eigenresonanz! Beim Körpergeruch ist es genauso. Normalerweise riecht man sich selber ja kaum. Aber irgendwann in der Pubertät realisiert man plötzlich, dass da manchmal etwas schweisselt und böckelt. Es riecht nach Mensch. Igitt! Wir wollen doch wie Gott riechen, wie eine Paradiesblume – den Eigenduft mit Fremdduft übertünchen, und gut ists? Nein, eben nicht!

Nun, davon will die Parfumbranche selbstverständlich nichts wissen und sprayt uns mit Präparaten von Rosen, Lilien und semigiftiger Chemie zu. Wohlverstanden – ich liebe feine Düfte, und es gibt ein paar wirklich gute, aber bitte nicht diese aggressiv designten Killerparfums! Früher hat man derartig riechende Hygieneartikel leicht verschämt in die WC-Schüssel gehängt. Heute schmiert sich der geneigte Broker, der nicht stinken darf, wenns ihm stinkt, ganz Ähnliches unter seine Achsel des Bösen.

Als im Sternzeichen Skorpion geborener Rocker gehöre ich nicht unbedingt zu den Chefdiplomaten dieses Landes. So kann es passieren, dass ich einer Frau fürs zweite Treffen vorschlage, sie solle bitte ganz »nature« erscheinen. Den Sensiblen brauche ich das gar nicht erst zu sagen. Sie haben begriffen, wie man fremde Düfte einsetzt – sicher nicht als Spraywaffe! Solche braucht man gegen Mücken und zur Abwehr von aufdringlichen Männern. Nein, die Frau, die ich mag, geht mit einem genialen Duft so um, dass man ihn, wenn man ihr nahekommt, erst beim dritten Atemzug sanft wahrnimmt. Meine eigene Haut riecht, wenn ich dem zarten Geschlecht glauben kann, nach Karamell. Das soll und darf so bleiben. Denn ich bin sicher, dass ich mit meiner diskreten Körperaura niemandem die vorweihnachtliche Stimmung zu versauen vermag.

Also, liebes Christkind, meine Nase wünscht sich einen achten Bundesratssitz samt Departement: das BUSCHOLS – das Bundesamt zum Schutz des olfaktorischen Sinnes. Die ausschliessliche CO2-Ausstossbekämpfung reicht mir nicht. Hätten wir eine Duftpolizei, könnte ich wieder in Ruhe essen gehen, befreit zu Weihnachtsbazaren pilgern und meinen Riechzellen die wohlverdiente Ekstase gönnen, ohne den Frust eines Coitus interschnupfus bewältigen zu müssen.

In dem Sinne empfehle ich für friedvolle, dufte Festtage das beste aller Parfums: leicht angebrannte Tannennadeln.

 

Thai-Massage

Das Leben ist so kurz, dass wir uns sehr langsam bewegen müssen.

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