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»Tokyo ist ein nie schlafender Moloch, wo man nur rohen Fisch mit Reis essen kann.« Wer dazu noch glaubt, alle paar Schritte auf ein Pikachu zu treten, liegt nun vollkommen falsch. Tokyo ist viel mehr, als wir Europäer zu wissen denken. Hier stehen jahrhundertealte Tempel neben modernsten Wolkenkratzern. Hier befindet sich der größte Ballungsraum des Globus und doch erscheint es ruhig wie in manch deutscher Kleinstadt. Hier geben sich Kitsch und Ernsthaftigkeit die Hand. Das wirklich Besondere an Tokyo sind jedoch seine Bewohner. Durch die rosarote Brille eines Touristen blickend erzählt der Autor über seine Begegnungen und Erlebnisse in Japans einzigartiger Hauptstadt.
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Seitenzahl: 30
Veröffentlichungsjahr: 2021
Ich verdanke es einer Super Nintendo Konsole, dass ich in Kindheitstagen einen italienischen Klempner kennen lernte. Um seine geliebte Prinzessin zu retten, kämpfte er auf einem Dinosaurier reitend gegen Monsterschildkröten, Geister und äußerst aggressive Pflanzen.
Später bescherte uns die selbe Konsole spannende Kämpfe um den Titel des weltbesten Street Fighters. Außerdem halfen wir Link bei der Rettung seiner Zelda und unterstützten Kirby beim Einsaugen zahlloser knuffiger Monster. Und zweifellos: Ohne uns hätte Donkey Kong im Leben nicht so viele Bananen sammeln können.
Auch die Fernsehnachmittage waren geprägt von japanischen Einflüssen. Die Kickers rannten über so riesige Spielfelder, dass die Erdkrümmung auf diesen deutlich sichtbar wurde. Mila Ayuhara strebte danach, die Nr. 1 in ihrem Sport zu werden und formte mit ihrem wuchtigen Schlag den Volleyball zu einer Banane. Unsere Helden aus Dragonball flogen stundenlang durch die Luft und verwüsteten bei ihren Kämpfen ganze Planeten. Viele von uns packte die Pokemon-Sammelwut oder wir fieberten mit unseren Digimon-Freunden mit. Die Mädchen von damals hielten ihre Mondsteine und spürten deren Kraft, während die Jungs Mister Miyagi zuschauten, wie er aus dem laschen Weichei Daniel-san einen schlagkräftigen Karateka formte.
Letzten Endes ging es immer um das selbe: Sei stark und gib niemals auf. Selbst Godzilla, der scheinbar nur aus einem Stück Altreifen geschnitzt wurde, kämpfte immer und immer wieder gegen Mothra, Rodan und die anderen Kameraden aus dem MonsterVerse. Dabei wurden sie niemals müde, metallisch zu kreischen und Tokyo in Schutt und Asche zu legen.
Japan ließ mich über die Jahre nicht los: Takeshi im TV. Ishikawa, Kaizen und Kanban im Job. Dann das neue Sushi Restaurant in der Innenstadt – all das übte eine magische Anziehung auf mich aus. Dieses Land schien still nach mir zu rufen.
Entspannt saß ich in der Boeing der japanischen Airline ANA. Zwölf Stunden Flugzeit mussten noch überbrückt werden. Über die Einstellungskriterien für Stewardessen wusste ich nichts, aber überdurchschnittliche Schönheit schien eines zu sein. Eine der modelmäßig schönen Damen stand nun mit dem Getränkewagen neben meiner Sitzreihe. »Something to drink?«, fragte sie mit typisch piepsiger Stimme. »Do you have some beer?« An ihrem Gesichtsausdruck war zu erkennen, dass sie scheinbar nicht besonders oft mit dieser Frage konfrontiert wurde. Sie schmunzelte und reichte mir eine Dose Kirin's Prime Brew. »Brewed for good times« war darauf zu lesen. Na, das passte ja hervorragend zu meiner Stimmung! Das Zischen vom Öffnen der Dose glich dem Startschuss für diese Reise. Ich ließ mich in meinen Sitz fallen und schaute durch das Fenster auf die geschlossene Wolkendecke. Nachdem ich den letzten Schluck »Prime Brew« während dieser wirklich »good times« genüsslich aus der Dose schlürfte, schloss ich die Augen und ein zufriedenes Lächeln machte sich in meinem Gesicht breit, begleitet von einem unbekannten, aber sehr wohligen Gefühl: Es musste jenes Gefühl sein, wenn sich Träume langsam in Realität verwandeln.
Angekommen am Narita Airport betraten wir zum ersten mal japanischen Boden. Das Einreiseprozedere war schnell hinter uns gebracht und der Automat spuckte die ersten Yen in unsere Portemonnaies. Das gebuchte Hotel befand sich in Kashiwa, einer Stadt nordöstlich von Tokyo. Das Gepäck im Schlepptau setzten wir uns in die nächste Bahn. Dörfer und Felder zogen unscheinbar an den Zugfenstern vorbei. Mir fiel auf, dass selbst an den ländlicheren Haltepunkten Leute in Businnes-Kleidung zustiegen.