Mehr als Mafia und Zitronen – mein Sizilien - Silvia Schmidt - E-Book

Mehr als Mafia und Zitronen – mein Sizilien E-Book

Silvia Schmidt

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Beschreibung

»Goodbye Deutschland« ist leicht gesagt. Wer, wie die Autorin, seit Jahrzehnten ein festes Standbein auf Sizilien hat, merkt schmerzlich, manch­mal schmunzelnd, wie unterschiedlich Europäer immer noch ticken. Da gerät man in merk­würdige, aber auch gefährliche Situationen – und begegnet immer wieder der Mafia. Silvia Schmidt hat ein wunderbar unterhaltsames und ­informatives Buch über »ihr« Sizilien geschrieben. Dem Sizilien-Neuling wie dem Sizilien-Kenner oder dem Sizilien-Auswanderer in spe werden Sachinformationen, Geschichtliches und ganz ­Persönliches so nahegebracht, dass dieses Buch eine gute Ergänzung zum klassischen Reiseführer darstellt. Und für Teilnehmende an einer ihrer Gäste-Führungen ist es eine schöne, sehr persönliche ­Erinnerung.

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Seitenzahl: 126

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Silvia Schmidt

Mehr als Mafia und Zitronen – mein Sizilien

R. G. Fischer Verlag

Die Fotos im Buch haben bewusst keine Titel, da der Leser die fotografierten Orte selbst entdecken soll.

Die Fotografinnen:

Gudrun Gruber (Cover)

Christa Velten-Mrowka

Silvia Schmidt

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2023 by R. G. Fischer Verlag

Orber Str. 30, D-60386 Frankfurt/Main

Alle Rechte vorbehalten

Schriftart: Palatino

Herstellung: rgf/bf/2B

ISBN 978-3-8301-9461-3 EPUB

Inhalt

1. Sizilien – Alles Mafia, oder was?

2. Domizil

3. Bahnfahrt

4. Brückenkopf

5. Ferienwohnung

6. Winter

7. Festtage

8. Feuer

9. Ankunft

10. Botschafter

11. Leute

12. Ausweise

13. Hotel

14. Gespräch

15. Kloster

16. Markt

17. Paradies

18. Vergnügen

19. Donna

20. Friedhöfe

21. Aura

22. Schutzgeld

23. Gastarbeiter

24. Nachbarn

25. Romantik

26. Wandel

27. Basta

1. Sizilien – Alles Mafia, oder was?

In seinem Buch »Sizilianische Schatten« schreibt der Australier Peter Robb, das Jahr 1982 sei im Mezzogiorno die Stunde Null gewesen. Und genau in diesem Moment kam ich auf Sizilien an.

Die Frauen aus meiner Familie hat es im Leben immer weiter nach Süden verschlagen: Großmutter kam aus Ostpreußen, südlich von Königsberg. Als junge Frau arbeitete sie in der Hauptstadt als Köchin bei der Familie eines jüdischen Anwalts. In Berlin lernte sie ihren Mann kennen, also auf zu seiner Familie nach Pommern, nach Swinemünde. Hier auf der Insel Usedom wurde meine Mutter geboren, die wiederum lernte ihren Mann, den Absolventen einer Marineschule, zu Beginn des Krieges dort kennen. Und als dann die große Flucht einsetzte, hatte sie wenigstens einen Fixpunkt im Westen, denn sie zog zu ihren Schwiegereltern nach Mainz. So bin ich vom Rhein und eines Tages machte ich Ferien auf Sizilien. Wie immer war ein Mann im Spiel.

Im heftigsten Mafiakrieg betrat ich mit Sack und Pack die dreieckige Insel. Täglich las man in den Zeitungen von prominenten Leichen auf den Straßen Palermos: Der Polizeipräfekt wurde zusammen mit seiner schwangeren Frau im Auto erschossen, ebenso ein bekannter Parteivorsitzender mit seinem Fahrer.

Alle diese Namen sagten mir nichts, ich hielt das für den gewöhnlichen Alltag in einem unbekannten Land. So etwas wie lokale Folklore, die einfach hierhergehörte. Was hatte ich mit der Mafia zu tun? Jedenfalls war ich endlich hier und spazierte ganz fröhlich mittendrin.

Ich freute mich über die heftig scheinende Sonne und den ewig blauen Himmel. Das Meer glitzerte silbern in dieser magischen Beleuchtung und ich musste nicht mehr an meinem Schreibtisch hocken. Geld hatte ich zwar keines, aber was braucht es mehr als einen Cappuccino, wenn man zwischen historischen Palazzi und atemberaubenden Kirchen aller Epochen steht? Allerdings war alles sehr heruntergekommen und der Putz bröckelte gewaltig. Das Ganze war (und ist es heute noch) garniert mit stinkendem Hausmüll, der augenscheinlich seit mehreren Tagen dort zwischengelagert war. Dass ich meine Handtasche fest unter den Arm klemmen und jugendlichen Vespa-Fahrern ausweichen musste, davon hatte ich schon gehört. Denn manchmal verschwinden Dinge so plötzlich und schnell, dass man ihnen nur noch hinterherwinken kann. Also war ich wachsam, oder bildete es mir wenigstens ein.

2. Domizil

Sizilien vorgelagert sind einige Inseln und Inselgruppen, die die größte Insel des Mittelmeeres sozusagen wie Satelliten umkreisen. Seit geraumer Zeit ist eine dieser Inseln leider in die Negativ-Schlagzeilen gekommen, weil dort viele nordafrikanische Flüchtlingsboote anlanden. In Deutschland hatte man von den meisten dieser Inseln nie etwas gehört, vielleicht mit Ausnahme von Stromboli, das weniger wegen des gleichnamigen eher schwachen Films als vielmehr durch Ingrid Bergmann und ihre Romanze mit dem italienischen Regisseur Roberto Rossellini oder durch Jules Vernes »Reise zum Mittelpunkt der Erde« ins Gespräch kam.

Als ich vor mehr als 30 Jahren auf einer dieser kleinen italienischen Inseln ankam, war es sehr schwer, eine dauerhafte Bleibe zu finden. Denn Italiener machen hier mit Vorliebe Ferien. Mit Kind und Kegel wurde der August am Meer verbracht. Dazu räumten viele einheimische Fischer für diesen Monat ihre primitiven Behausungen und rückten bei Verwandten zusammen. Von dem zum Teil horrenden Mietzins ließ es sich oft für den Rest des Jahres leben. Alle anderen Monate galten quasi als Winter und nur ausländische Rucksack-Touristen verirrten sich hierher. Es gab damals nur wenige – nicht sehr komfortable – Hotels. Das hat sich im 21. Jahrhundert sehr geändert, seitdem viele Ausländer kommen.

Meine ersten drei Ferienaufenthalte verbrachte ich in einem hübschen Hotel im Inselstil auf einer Felsklippe. Aber eine Mietwohnung zu bekommen, war schwierig. Auch für Einheimische, denn jeder Vermieter wollte die Hochsaison freihalten. Mein damaliger Lebensgefährte und ich kamen in einem schäbigen Sommerhaus mit vergammelten alten Möbeln unter, das sehr abgelegen war und den gleichen Preis wie in einer deutschen Großstadt hatte. Aber die Aussicht war traumhaft! Als wir eines Abends vom Dorffest nach Hause kamen, war im Wohnzimmer die Zimmerdecke heruntergekommen und lag in Trümmern auf allen Möbeln und auf den Fliesen. Glücklicherweise hatte uns der Dorfheilige beschützt, zu dessen Prozession wir gegangen waren! Deutsche Freunde, die uns besuchten und meine deutsche Wohnung gekannt hatten, waren entsetzt über diese Bruchbude.

Dort wohnten wir ungefähr 10 Monate, als wir eine Zweizimmerwohnung mit Bad und Küchenzeile ergattern konnten. Gute Adresse in einem Garten mit Terrasse, zentral gelegen. Einziger Haken: Zahlbar eine Jahresmiete im Voraus! Das waren unsere gesamten Ersparnisse! Wir bekamen die Wohnung, weil wir als Erste mit der Summe in bar auf der Matte standen. Ohne Quittung, versteht sich! Dann kauften wir die notwendigsten Möbel der unteren Preisklasse.

Ein Einheimischer drehte uns auf Wechsel (Geld hatten wir keines mehr) ein landwirtschaftliches Grundstück an, das sich für ihn als wertlos herausgestellt hatte, weil es nur über einen Fußpfad zu erreichen war und nicht bebaut werden konnte. Endlich hatte er zwei Deppen gefunden! Allerdings war es damals in Italien möglich, ohne Baugenehmigung zu bauen. Schnell den Rohbau bei Nacht und Nebel mit vielen helfenden Händen am Wochenende (wenn Polizeistation und Gemeindeamt geschlossen waren) hochziehen und sich mit Sack und Pack darin niederlassen. Sobald der italienische Staat wieder klamm war – fast immer – gab es eine Amnestie und gegen Zahlung einer größeren Summe wurde der Bau dann legalisiert. So lebten wir drei Monate ohne Strom und Wasserzisterne. Duschen und Wäschewaschen fanden bei Freunden statt, ohne Fernsehen und mit Camping-Gaslicht gingen wir frühzeitig schlafen. Im Winter hatten wir eine Kohlenmonoxid-Vergiftung, die anscheinend nur deshalb nicht tödlich endete, weil unsere Terrassentüren undicht waren und den Sturm vom Meer glücklicherweise hineinwehen ließen. Aber mit viel Geduld, Beziehungen und Hilfe von Freunden ging es Monat für Monat in kleinen Schritten vorwärts.

Später wurde uns eine üppige Summe mit der Begründung aufs Auge gedrückt, unser Haus sei in der Panoramazone. Das verhinderte aber nicht, dass uns ein Mobilfunkmast vor die Nase gesetzt wurde. Eine hübsche Pinie aus Plastik, die der Sturm alsbald zerfledderte und auf den umliegenden Feldern verteilte. Mittlerweile stehen dort zwei Masten. Das Grundstück gehört einer reichen Familie aus Palermo, deren Schwiegersohn damals die rechte Hand (Handlanger?) des sizilianischen Ministerpräsidenten war, der dann später wegen Mafianähe zu 7 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Es wird gemunkelt, dass die Grundstückseigentümer pro Mast jedes Jahr 25.000 Euro kassieren. Ob das stimmt? Es geht auch das Gerücht um, dass ein Hubschrauberlandeplatz geplant gewesen sei. Auf Sizilien wird viel erzählt. Aber ich glaube nicht, dass die Eigentümer auch Panorama-Tribut gezahlt haben!

3. Bahnfahrt

Wenn die Fernzüge aus Mailand oder Rom Sizilien erreichen, dann haben sie meistens eine ordentliche Anzahl von Stunden (nicht Minuten!) an Verspätung angehäuft. Das hat unter anderem damit zu tun, dass Sizilien bekanntermaßen eine Insel ist und die mehr als 50 Jahre beschworene Brücke über die Meerenge noch immer nicht existiert (die Straßenzubringer allerdings teilweise schon).

Villa San Giovanni (der Bürgermeister wurde vor einigen Jahren von der Mafia ermordet!) in der Region Kalabrien ist das Hafenstädtchen, von dem aus die Fährschiffe nach Sizilien ablegen. Vor der Auffahrt auf die Fähre der staatlichen italienischen Eisenbahngesellschaft (Ferrovie dello Stato) gibt es einen längeren Aufenthalt im See-Bahnhof. Der Zug passt ja nicht in seiner ganzen Länge auf das Schiff, also wird er gestückelt und häppchenweise verladen. Wumm, wumm, wumm …

Spätestens jetzt ist man im Schlafwagen aufgewacht (so gegen 5.30 Uhr). Fürs Verladen geht eine weitere Stunde drauf. Während der ungefähr halbstündigen Überfahrt über die Meerenge kann man den Waggon verlassen (schwierig, ihn wiederzufinden) und an Deck des Schiffes die herrliche Aussicht auf den Gebirgszug Aspromonte (Kalabrien) und die Peloritaner-Berge (Sizilien) genießen. Oder man gönnt sich in der Bord-Bar je nach Tageszeit Cappuccino und Cornetto (süß) oder Espresso – in Italien Caffé genannt – und Arancino (pikant). Der erste typische Gruß Siziliens.

Am See-Bahnhof in Messina wird der Zug genauso schluckweise herunter rangiert, wie er verladen worden ist. Das dauert natürlich auch wieder seine Zeit. Außerdem wird jetzt geteilt, und zwar je nach Bestimmungsort. Eine Linie führt nach Süden: Taormina, Catania, Syrakus, die andere entlang der Nordküste nach Westen: Milazzo, Cefalù, Palermo.

Als diese Bahnstrecke noch eingleisig war, dauerte die Fahrt von Messina in die Insel-Hauptstadt mal locker 3 1/2 Stunden, ca. 230 km. 1995! Zum Vergleich: Die Bahnstrecke Berlin – Usedom wurde 1876!, 200 km, in 3 Stunden bewältigt. Auf Sizilien kamen bis zum 21. Jahrhundert immer die alten, vergammelten, schmutzigen Waggons zum Einsatz, die im restlichen Italien niemand mehr haben wollte.

Mittlerweile ist das Streckennetz zweigleisig ausgebaut, dabei wurde die Streckenführung zum Teil gewaltig verändert. Die alten Bahnhöfe in den Innenstädten wurden stillgelegt und neue, moderne auf der grünen Wiese, sprich in den Gemüsefeldern und Zitronenhainen, gebaut. Das bedeutet, dass diese Haltepunkte nicht mehr zu Fuß zu erreichen sind. Also musste ein Shuttle-Bus her. Der fuhr immer irgendwann, gelegentlich. In Milazzo ist das eine Distanz von 5 km über eine belebte, staubige Staatsstraße ohne Gehsteig.

In den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bewältigte ich die Fahrt nach Palermo zweimal wöchentlich. Ich hatte eine Ausbildung am damals noch existierenden Goethe-Institut (heute ist es aus Kostengründen abgeschafft) begonnen. Schon die Fahrt vom Hafen Milazzo zum Bahnhof war ein Roulette-Spiel. Bus, ja oder nein? Man bekam oft den Zug vor dem angepeilten, weil dieser so eine immense Verspätung hatte, dass man sogar warten musste. Leider gab es keinen Wartesaal mit Sitzgelegenheiten und auch keine Toilette, sondern nur steinerne Sitzbänke auf dem zugigen Bahnsteig. Das war im Winter (auch den gibt es auf Sizilien), wenn der Wind feucht vom Meer wehte, manchmal kaum auszuhalten. Als Entschädigung dafür einen traumhaften Blick auf die Bucht, die kleine Stadt und die Landzunge, die sich 7 km ins Meer hineinschiebt, mit dem Staufer-Kastell. Leider auch auf die Raffinerie, die seit den Sechzigern Felder, Meer und Luft verpestet, ohne Arbeitsplätze zu schaffen.

In den ersten Jahren nach der feierlichen Eröffnung der neuen Station gab es eine Bar mit der dazugehörigen Toilette und einem Zeitungsladen. Das war ganz praktisch, besonders bei Regenwetter. Man saß halbwegs gemütlich und konnte während der Wartezeit etwas konsumieren. Aber augenscheinlich hat sich die Geschichte nicht gerechnet, denn es wurde kein Pächter mehr gefunden (vielleicht hatte die »ehrenwerte Gesellschaft« mehrere Hände im Spiel?). Der Betrieb schloss nach einigen Jahren. Allerdings war immer jeder auf dem Sprung, denn den Anzeigetafeln, die gab es anfangs, und den Lautsprecherdurchsagen, war nicht so recht zu trauen.

Manchmal kam eben ganz unverhofft eine Bahn.

Anfangs wunderte ich mich, wieso es bei den enormen Fahrplanabweichungen nie zu Unfällen kam. Im Laufe dieser Wochen konnte ich beobachten, dass der Zugbegleiter, sobald sich der Zug in Bewegung setzte, seinen Kollegen im nächsten Bahnhof darüber informierte, wann mit der Ankunft zu rechnen sei. Wie funktionierte das, bevor die Italiener gleich mit Mobiltelefonen zur Welt kamen? Das ist mir eines der vielen Rätsel in diesem Land.

Die Bahnstrecke Messina – Palermo ist für mich die schönste Strecke auf ganz Sizilien. Fast immer nah am Meer entlang und bis zum malerischen Städtchen Cefalù begleitet von den Liparischen Inseln. Gleich hinter Messina wird eines der drei Kaps oder sozusagen Ecken dieser dreieckigen Insel abgeschnitten, die Meerenge wird abgelöst vom Blick auf das Tyrrhenische Meer. Das bedeutet, dass am Horizont die Inseln Panarea und der Vulkan Stromboli sichtbar werden. Etwas weiter nach Westen erkennt man das Kap Milazzo und die Inseln Vulcano und Lipari. Nach der Station Milazzo tauchen die »Zwillingsberge« von Salina, wie sie Giuseppe Tomasi di Lampedusa im »Gattopardo« nennt, hinter Lipari auf, und seitlich der Bahn oben auf dem Berg die Wallfahrtskirche von Tindari. Dort oben wird eine schwarze, byzantinische Madonna verehrt. Das letzte Gotteshaus ist aus dem 20. Jahrhundert und sehr überladen, um nicht zu sagen kitschig. Aber bekanntlich liegt Schönheit ja im Auge des Betrachters. Der Blick aufs Meer mit den Sandbänken und die seitlichen Ausgrabungen der griechisch-römischen Stadt Tindaris mit dem kleinen Museum sind auf jeden Fall einen Besuch wert. Überhaupt ist die gesamte Strecke eine kleine Sightseeing-Tour. Dann geht es weiter nach Capo d’Orlando. Hier wurden vor einigen Jahren die Hoteliers massiv von der Mafia bedroht und von Carabinieri in schusssicheren Westen und mit griffbereit umgehängten Maschinenpistolen beschützt. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen, aber das ist eine andere Geschichte. In Capo d’Orlando steht die Villa der Familie Piccolo di Calanovella, Cousins von Giuseppe Tomasi di Lampedusa. Der schriftstellernde Lucio Piccolo war quasi der Anstoß für di Lampedusa, seinen berühmten Roman zu schreiben. Oft hielt sich der palermitaner Adelige hier auf. Bekannt ist die Villa auch für ihren Hundefriedhof. Für die damalige Zeit äußerst extravagant, Hundeliebe war und ist in Sizilien nicht sehr weitverbreitet.

Immer ganz nah am Meer entlang, vorbei am Keramikstädtchen Santo Stefano di Camastra, fährt der Zug nach Cefalù. Schon von weitem fällt der markante »Kopffelsen« ins Auge. Ist der lange Tunnel passiert, hält der Zug in der Neustadt. Nach einer kurzen Distanz wird am Ende der Bucht über den Dächern der Altstadt der klotzige Normannendom sichtbar, überragt von dem riesigen Kalksteinfelsen, der von einer mittelalterlichen Ringmauer gekrönt wird. Danach die Ebene von Himera: Hier stand eine große griechische Stadt, bekannt durch eine Schlacht zwischen Griechen und Karthargern 450 v. Chr. Die Wasserspeier eines ihrer dorischen Tempel – die Löwenköpfe von Himera – sind in Palermo im Museum zu sehen. Leider ist die Bahntrasse im Zuge der Modernisierung verlegt worden, denn früher führte sie direkt an den Fundamenten mit einigen Säulenstümpfen eines Tempels vorbei. Nach Termini Imerese (römische Thermen) nähert sich der Zug Palermo. Der »steile Zahn« des Capo Zafferano kommt in Sicht, dann wird in Bagheria gehalten. Gleich hinter dem Bahnhof steht die Villa Cutò. Wieder Verwandte von di Lampedusa, mütterlicherseits. In Bagheria verbrachte der palermitaner Adel die Sommerfrische und berühmt ist die Stadt für die vielen Villen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Die italienische Schriftstellerin Darcia Maraini hat mit der Beschreibung ihrer Kindheit dem Städtchen ein Denkmal gesetzt, das wegen seiner mafiösen Strukturen heute berüchtigt ist.

Jetzt sind wir schon in Palermo. Die Zitrusgärten, die die Stadt noch bis nach dem Krieg umrahmten, gibt es nicht mehr. Stattdessen große Einkaufszentren und mittelständische Betriebe. Das »Flüsschen« Oreto wird überquert, heute ein jämmerliches, zugemülltes Rinnsal. Aber jetzt kommt rechts vor der Einfahrt in den Bahnhof von Palermo die mittelalterliche Admiralsbrücke, die Georg von Antiochien der Stadt geschenkt hat, und an der 1860 die Schlacht des Generals Garibaldi zur Eroberung Palermos stattfand. Historie, wohin man blickt, dann endgültig Einfahrt in den Kopfbahnhof.