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Beschreibung

Wie treffen wir mutigere Entscheidungen, um zukunfts- und konfliktfähig zu werden? Und warum ist das so schwer? Im Angesicht der Situation Deutschlands und dem Agieren der Regierung in der Frühphase des Ukrainekriegs möchten die Beiträger*innen ein Zeichen für mehr Mut setzen - in der Politik wie in der Gesellschaft, in Krisenzeiten wie im Alltag. In elf pointierten Essays widmen sie sich dieser vernachlässigten Tugend und betrachten ihre verschiedenen Facetten und Voraussetzungen. Zudem leuchten sie die Rahmenbedingungen für mutigere Entscheidungen und ein mutigeres Handeln aus - bis hin zu den individuellen Persönlichkeitsmerkmalen dessen, was Mut ausmacht. Mit Beiträgen u.a. von Ullrich Fichtner, Markus Kaim, Klaus Töpfer und Andreas Vosskuhle.

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Seitenzahl: 224

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Bernd Kortmann, Günther G. Schulze (Hg.)

Mehr Mut wagen!

Plädoyer für eine aktive Politik und Gesellschaft

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2024 transcript Verlag, Bielefeld

Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.

Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld

Umschlagabbildung: jozefmicic / Adobe Stock

Korrektorat: Jasmin Weissberg

Druck: Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg

https://doi.org/10.14361/9783839470404

Print-ISBN: 978-3-8376-7040-0

PDF-ISBN: 978-3-8394-7040-4

EPUB-ISBN: 978-3-7328-7040-0

Buchreihen-ISSN: 2364-6616

Buchreihen-eISSN: 2747-3775

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff.

Inhalt

 

Mehr Mut! – Ein Plädoyer

Bernd Kortmann und Günther G. Schulze

Unbequeme Wahrheiten

Wie treffen wir mutige Entscheidungen und warum ist das so schwer?

Ullrich Fichtner

Mut und Mutlosigkeit in der Ukrainekrise

Markus Kaim

Mehr Mut in der Außenpolitik?

Peter Wittig

Mut und Mutlosigkeit in der Politik

Günther G. Schulze

Mut zum Frieden?

Wie der Ukraine-Krieg das pazifistische Denken verändert hat

Walther Ch. Zimmerli

Mut im Alltag

Eine persönliche Annäherung in zehn Schritten

Andreas Voßkuhle

Mut und Verantwortung im Angesicht ökologischer Krisen

Eine sozialpsychologische Perspektive

Vera King

Mut und andere Tugenden

Carl Eduard Scheidt

Über Mut: Eine geschlechterpsychologische Perspektive

Nicole M. Else-Quest

Wie kann die Wissenschaft mutige Entscheidungen unterstützen?

Klaus Püttmann

Karl Popper und der Mut im Anthropozän

Klaus Töpfer

Autorinnen und Autoren

Mehr Mut! – Ein Plädoyer

Bernd Kortmann und Günther G. Schulze

Wir leben systematisch unter unseren Möglichkeiten, weil wir den Mut nicht finden, das Notwendige zu tun. Nicht, weil wir nicht wüssten, was zu tun wäre; nicht, weil wir es nicht könnten oder uns die Mittel fehlten, sondern weil es uns an Mut fehlt. Die Folgen dieser eklatanten – individuellen wie kollektiven – Mutlosigkeit sind ungenutzte Chancen im Großen wie im Kleinen, Frustration, Desillusionierung, Verschwendung, aber auch menschliches Leid, Verzweiflung und Tod.

Beispiele gibt es viele: Wir helfen unseren ukrainischen Nachbarn nur zögerlich und wiederholt zu spät um sich optimal zu verteidigen, als sie brutal angegriffen werden, obwohl wir wissen, dass späte Hilfe den Angegriffenen mehr Leid und Tod bringt als entschlossenes Handeln. Wir treiben die Energiewende nur langsam voran wohl wissend, dass die menschengemachte Klimaveränderung eines der drängendsten Probleme unserer Zeit ist, katastrophale Folgen zeitigen wird und beherzte Maßnahmen erfordert. Obwohl lange erkannt und oft thematisiert, reduzieren wir die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen auch nach der russischen Annexion der Krim 2014 nicht, als sich doch deutlich abzeichnet, dass diese Abhängigkeit zu einem mächtigen politischen Druckmittel werden kann. In der Pandemie ergreifen wir die nötigen Maßnahmen zu zögerlich und zu halbherzig mit der Folge, dass mehr Menschen erkranken und sterben als nötig. Die Digitalisierung ist in einem beklagenswerten Zustand, obwohl wir die Mittel hätten, dies zügig zu ändern, das Problem lange bekannt ist und die Digitalisierung ein Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ist. Sozialpolitische Reformen, etwa die Reform des Renten-, Pflege- oder Gesundheitssystems, unterbleiben so lange, bis es nicht mehr anders geht – mit der Konsequenz, dass die Kosten viel höher sind, als sie sein müssten. Die Liste ließe sich leicht fortsetzen, man denke nur an die seit Jahren immer deutlicher zutage tretenden Defizite in der Verkehrsinfrastruktur (Straßen, Brücken, Schiene) oder im schulischen Bildungssystem. Die Situationen erinnern an den Patienten mit Zahnschmerzen, der nicht zum Zahnarzt geht, obwohl er weiß, dass es umso schlimmer wird, je länger er wartet. Warum nur?

Zudem gibt es an der Spitze des Eisbergs an Groß- und Dauerproblemen Deutschlands ja immer – und in den letzten Jahren vermehrt – wechselnde, sozusagen ›tagesaktuelle‹ Großkrisen, die die Beschäftigung mit der Lösung der Dauerprobleme zumindest zeitweise in den Hintergrund rücken lassen. Jüngste Beispiele sind die Corona-Pandemie, die, kaum wähnte man sie nach zwei Jahren weitgehend ausgestanden, fast unmittelbar von der Ukrainekrise mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar 2022 abgelöst wurde. Seitdem stecken Politik und Gesellschaft erneut mitten in der Bewältigung multipler tiefgreifender nationaler und internationaler Krisen und Herausforderungen, seit dem 7. Oktober 2023 nun auch noch der durch den Terrorüberfall der Hamas wieder entflammte Gaza-Israel-Krieg, von denen die Bevölkerung am stärksten von der hohen Inflation sowie der Energie- und erneuten Flüchtlingskrise betroffen ist.

Mutlosigkeit und Wege zu mutigerem Handeln sind das Thema dieses Buchs – im Großen wie im Kleinen. Denn Mutlosigkeit findet sich verbreitet auch abseits der großen Bühnen nationaler und internationaler Politik: auf den zahllosen kleinen, den normalen Menschen viel näheren und ihr eigenes Leben viel unmittelbarer beeinflussenden Bühnen des beruflichen und privaten Lebens im Alltag. Mut, so scheint es, ist eine Tugend, die in unserer bislang relativ friedlichen Wohlstandsgesellschaft sehr vernachlässigt worden ist, weil sie scheinbar obsolet geworden war. Angesichts existenzieller Krisen – den Erfahrungen mit der Pandemie, dem Angriffskrieg der russischen Föderation auf ihr Nachbarland, der Klimakrise – wird aber offensichtlich, dass es dringend mutigen Handelns bedarf – viel mehr als bisher gedacht und geschehen. Die Probleme, die vor uns liegen, und die, die noch kommen werden, sind enorm und verlangen entschiedenes Eingreifen, auch gegen Widerstände. Dazu braucht es Mut! Eine Renaissance dieser Tugend scheint notwendig. Wie aber treffen wir mutigere Entscheidungen und warum ist das so schwer?

Offensichtlich ist Mut nur eine Tugend in Verbindung mit den richtigen Zielen, nicht eine Tugend an sich. Auch darf Mut nicht mit Aktionismus, Übermut und unüberlegtem schnellen Handeln verwechselt werden. Mut bedeutet, das nach einem sorgfältigen Reflexionsprozess als richtig Erachtete auch unter Gefahr und gegen Widerstände durchzusetzen oder es zumindest zu versuchen. Deshalb ist unser Plädoyer kein Aufruf zu Wagemut, Heldentum, Ins Risiko Gehen um jeden Preis. Tatsächlich finden sich in diesem Band auch zur Vorsicht mahnende Stimmen – Stimmen, die ein ambivalentes Verhältnis zu Mut haben und die dem Innehalten, Nachdenken und durchaus auch dem Zaudern Positives abgewinnen können.

Dieser kleine Band soll aber sehr wohl ein Plädoyer für ein Mehr an Mut sein – Mut zunächst verstanden in einem ganz allgemeinen, an sich recht bescheidenen Sinn: Den Mut zu haben, ernsthaft nachzudenken, und dann das Richtige nicht nur zu erkennen, sondern auch zu tun! Unser Mut-Plädoyer ist also ein klares und entschiedenes, aber gleichzeitig ein eher unaufgeregtes. Viel wäre gewonnen, würde die Ermunterung zu ›Mehr Mut!‹zu einem Weniger an Zaudern und Nicht-Handeln führen, so dass notwendige Entscheidungen nicht mehr verzögert werden und es in Politik und Gesellschaft seltener ein Herausstehlen aus, Wegducken vor oder Wegdelegieren von Verantwortung gibt. Unsere Aufforderung ›Mehr Mut!‹ zu wagen bedeutet aber auch, Defätismus abzustreifen, in die eigene Handlungs- und Problemlösungsfähigkeit und die der Gesellschaft zu vertrauen und die Herausforderung anzunehmen, die Welt zum Besseren zu verändern. In diesem Sinne ist unser Plädoyer gänzlich unbescheiden – und notwendig.

Wir möchten unser Plädoyer also als eine Aufforderung an jede und jeden Einzelne(n) von uns in unserem jeweiligen beruflichen wie privaten Aufgaben- und Verantwortungsbereich verstehen. Geben wir der Initiative eine Chance! Widerstehen wir der Versuchung, vor vorgeschobenen oder sogar objektiv bestehenden Schwierigkeiten zu kapitulieren und spontan lieber nichts zu tun! So verstanden, changiert unser Verständnis von Mut also zwischen dem einer Tugend und einer Haltung. Gleichgültig welches Verständnis man wählt, unterausgeprägt oder vernachlässigt ist Mut nach unserer Wahrnehmung in Politik und Gesellschaft im Deutschland von heute allemal – und damit in höchstem Maße wert, gestärkt zu werden. Ein so verstandenes Plädoyer für ›Mehr Mut!‹ ist umso wichtiger in Ausnahmezeiten, speziell in existenziellen Krisenzeiten, wie wir sie in seltener Serie und Kumulation seit Jahren erleben und zu deren Bewältigung teilweise mehr- bis vieljährige tiefgreifende Wandel- und Umsteuerungsprozesse erforderlich sein werden.

Wer Krisen als Chancen sieht, mag jedenfalls zahlreiche Chancen für Deutschland in den 2020ern und den kommenden Jahrzehnten sehen. Doch eines müssen wir uns klarmachen: für jede einzelne dieser ›Chancen‹ bedarf es des Muts der politisch Handelnden, sicher auch des Muts zu Zumutungen, wenn es einen Wandel zum nachhaltigen, mittel- und langfristig Besseren geben soll. Gleichzeitig bedarf es auf Seiten der Gesellschaft des Muts, des Vertrauens und der Zuversicht, die von hoffentlich mutigen Politikerinnen und Politikern entschiedenen neuen Wege mitzugehen und mitzugestalten. Das erfordert auch den Mut, der Komplexität des Lebens ins Auge zu sehen, und eine Haltung, die Marktschreiern und einfachen Antworten widersteht und mutiges Handeln honoriert.

Und dies genau ist unser Punkt – es braucht auf allen Seiten ›Mehr Mut!‹ Letztlich bekommt jede Gesellschaft die Politik, die sie verdient!

Unbequeme Wahrheiten

Wie treffen wir mutige Entscheidungen und warum ist das so schwer?

Ullrich Fichtner

Es gibt im Englischen eine schöne Formulierung, die hilfreich ist bei der Annäherung an Fragen, auf die es keine klare Antwort gibt. Der amerikanische Verfassungsrichter Potter Stewart hat sie im Jahr 1964 in einer berühmt gewordenen Entscheidung geprägt. Der Staat Ohio wollte einen Film von Louis Malle wegen Obszönität verbieten, und so sprach der Richter unter anderem über die Schwierigkeit, »hardcore pornography« im Einzelnen definieren zu können. Das, meinte Stewart, sei aber auch gar nicht nötig, denn: »I know it when I see it.«

Der Film wurde nicht verboten, denn Stewart sah offenkundig nichts, sein Kriterium machte fortan im angloamerikanischen Sprachgebrauch Karriere. Es kann mittlerweile auf alle möglichen Phänomene angewandt werden, die schwer in Worte zu fassen, aber zweifellos existent sind – und es lohnt sich, das Thema ›Mut‹ kurz damit abzuklopfen, um die Einkreisung der Frage zu beginnen: Wie treffen wir mutige Entscheidungen und warum ist das so schwer?

»I know it when I see it«: Die Bildergalerie unserer kollektiven Erinnerung ist reich an Motiven des Muts, die erstbesten wären die New Yorker Feuerwehrleute des 11. September 2001, die Pflegekräfte überall auf der Welt in diesen Jahren einer Pandemie, oder gerade jetzt, jene ukrainischen Männer und Frauen, die sich in ihren Dörfern zu Beginn des Krieges den anrückenden russischen Einheiten entgegenstellten mit der entwaffnenden Frage: was sie denn in der Gegend eigentlich zu suchen hätten.

»I know it when I see it«: Wenn Mut fotografierbar wird, geht es in der Regel um seine Spielart als Heldenmut, um situative Courage, um die bravouröse Reaktion. Zum Helden taugt, wer sich in der Gefahr auf die Richtigkeit der eigenen Reflexe verlassen kann – und in höchster Not nicht zuerst an sich, sondern auch an das Wohl anderer denkt. Das sind zwei wesentliche Merkmale mutigen Handelns: dass die Handelnden zum einen über einen offenbar untrüglichen Kompass verfügen, der ihnen anzeigt, was das Richtige ist – und dass sie andererseits uneigennützig, ja selbstlos zu Werke gehen.

Das kommt von sehr weit her: Der Mensch, der sich in die Flammen stürzt, um ein Kind zu retten, wird immer ein Nachfahr der Göttinnen und Halbgötter der Ilias sein, weil sich in seinem konkreten Tun zugleich die unsterblichen Ideale aller Sterblichen aktualisieren. Edel, hilfreich und gut soll es ja zugehen in unseren Breiten, seit mehr als 2000 Jahren, und das hat man sich ohne Spott zu denken. Wo es um Mut geht, ist Ironie fehl am Platz. Mut ist das Eigentliche, nicht das Uneigentliche, mit dem man intellektuell spielen könnte. Und was wäre der Mensch ohne Mut? Ohne die anderen, vielbesungenen Ideale? Ohne Glauben? Liebe? Hoffnung?

Natürlich: Diese Begriffe sind so groß, so ›ausgeleiert‹ im ständigen Gebrauch, und die zugehörigen Konzepte so wolkig, dass der Verstand sie nicht erfassen kann. Mut zu ermessen ist keine rationale, sondern eine irrationale Angelegenheit, es geht nicht ohne Gefühl, vulgo: Bauchgefühl. Und hier sind auch schon die Grenzen des »I-know-it-when-I-see-it«-Tests erreicht: Ja, manchmal wird Mut für alle sichtbar. Mindestens ebenso oft kann der Mut aber auch groß und doch unsichtbar sein. Wenn keine Flammen schlagen, wenn es still wird, wenn es Kontext braucht, dann ist der Mut auf den ersten Blick nicht mehr erkennbar, und womöglich auch nicht auf den zweiten und dritten: Mahatma Ghandi am Spinnrad, Nelson Mandela 27 Jahre lang auf Robben Island, Rigoberta Menchu vor Gericht, Wolodymyr Selenskyj im nächtlichen Kiew – man muss viel wissen und verstehen, um hier den Mut zu begreifen.

Diesen weltberühmten Mutigen folgt ein riesiges, anonymes, aber nicht minder mutiges Fußvolk. Unbekannte amerikanische Wahlhelfer, die unter Polizeischutz die Stimmen auszählten, haben die Demokratie in Amerika gerettet. Namenlose Lehrerinnen und Lehrer riskieren jeden Tag ihr Leben im Kampf um Toleranz und Freiheit, wenn sie mit ihren Schülern über Mohammed- und andere Karikaturen diskutieren. Ärztinnen und Ärzte führen, Schmähungen und Drohungen zum Trotz, Impfungen und Schwangerschaftsabbrüche aus. Gewerkschafter in aller Welt kämpfen gegen die Ausbeutung der Sklaven unserer Zeit.

Sie alle ähneln sich: Sie wägen, mutige Menschen, auf der Grundlage ihrer Überzeugungen und professioneller ethischer Verpflichtungen ihre Optionen. Nicht ob, sondern wie sie nützlich und hilfreich sein können, ist ihr Thema, auch wenn das Konflikte bedeutet, und auch, wenn sie damit selbst ins Risiko gehen, und sei es nur das, am alltäglichen Komfort Abstriche machen zu müssen. Sie fragen sich wohl, ob der langfristige Nutzen ihres Tuns größer ist als der kurzfristige Nachteil für ihr eigenes Leben. Und im Zweifelsfall schreiten sie lieber zur Tat, als darüber weiter nachzudenken.

Dies alles gesagt, fällt ein neuer Blick auf die hier erörterte Frage: Wie treffen wir mutige Entscheidungen und warum ist das so schwer? Nun, vielleicht ist es gar nicht so schwer. In Kriegs- und Krisensituationen ist es bei Licht betrachtet womöglich eher naheliegend, mutig zu agieren, der Mut liegt dann gewissermaßen in der Luft. Wenn das Haus brennt, wenn ›der Russe‹ kommt, wenn es um Alles oder Nichts geht, wird mutiges Handeln alternativlos.

Die Probleme mit dem Mut beginnen ziemlich genau dort, wo die akute existenzielle Gefahr endet (oder nicht erkannt wird). Wenn Mut zu einer von mehreren Möglichkeiten wird, zu einer Option, dann wird ein Raum des Zögerns eröffnet, der mutiges Verhalten – oder Handeln überhaupt – am Ende womöglich verhindert. Bertolt Brecht hat in seinem Gedicht »Lob des Zweifels« den Menschentypus der »Bedenklichen, die niemals handeln« von den »Unbedenklichen, die niemals zweifeln« unterschieden. Erstere, sagt Brecht, blieben gewissermaßen in der Erörterung der Gründe und Motive für ihr Handeln stecken – und täten am Ende gar nichts. Dieser Typus ist uns aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gut bekannt.

In wohlhabenden, prosperierenden, in unseren bis zum Ukrainekrieg so gemütlich saturierten Gesellschaften wirkt er manchmal vorherrschend. Man kommt hierzulande, aber auch sonst in der hochentwickelten Welt der G7-Staaten, kaum mehr in die Verlegenheit des Mutig-sein-Müssens. Die Regierenden, bemüht darum, den Status quo letztlich nicht anzurühren, vermitteln im Wesentlichen die Botschaft, dass für den totalen Umbau der Gesellschaft zu einem klimaneutralen Gemeinwesen keinerlei Mut, aber sehr viel Besonnenheit nötig sei.

Dieses Muster findet sich – gerade in Deutschland – auf praktisch allen Politikfeldern wieder. In aller Ruhe hat vor allem die Kanzlerin Angela Merkel in wechselnden, vor allem großen Koalitionen das Land binnen 16 Jahren in die Funktionsuntüchtigkeit hinein verwaltet. Die Bundeswehr? Nicht einmal mehr »bedingt abwehrbereit«. Die Bahn? Ein Pannenbetrieb. Ladeinfrastrukturen für die E-Mobilität? Seit Jahren in Planung. Flächendeckendes Hochgeschwindigkeitsinternet? Versprochen, gebrochen. Diese Liste ist beliebig verlängerbar, und sie ist in Teilen wirklich schockierend: Dass in einem der reichsten Länder der Welt 4000 Autobahnbrücken marode und dringend sanierungsbedürftig sind, klingt wie ein Witz. Ist aber keiner. Und wie es geschehen konnte, dass sich einer der mächtigsten Industriestandorte des Planeten derart von russischen Energielieferungen abhängig machen kann, wird geopolitische Historiker der Zukunft gewiss noch viel beschäftigen.

Das eigentliche Signum deutschen Regierens ist nach dem rot-grünen Entr’acte der Jahrtausendwende wieder Helmut Kohls berühmtes »Weiter so!«. Die daraus entstehenden Versäumnisse werden in diesen Jahren multipler Krisen greifbar. In Deutschland hat sich in den vergangenen 20 Jahren eine Kultur der Mutlosigkeit breit gemacht, die regelrecht empörend wirkt.

Auch der Ukrainekrieg hat dafür neues Anschauungsmaterial geliefert. Als der russische Überfall begann, und die Angst am größten war, selbst in Mitleidenschaft gezogen zu werden, war auch in Deutschland die Bereitschaft zu eigenen Opfern groß, und der Mut, die kommenden Herausforderungen gemeinsam bestehen zu wollen, war überall spürbar. Hierzulande regte sich, was kaum je vorkommt, die Liebe zur Freiheit – und die Bereitschaft, für ihre Verteidigung einen Preis zu zahlen.

Diesen Preis im Einzelnen festzulegen, wäre die Aufgabe der Regierung gewesen. Richtig und jedenfalls mutig wäre es gewesen, den gesellschaftlichen Schwung mitzunehmen und der historischen Situation angemessen zu reagieren, das heißt, Hilfsgüter, Geld, Waffen in Massen zu liefern, whatever it takes, Sanktionen zu verhängen, die notfalls auch uns selber schaden – um eben den russischen Vormarsch möglichst schnell zu stoppen. Alles natürlich in Absprache mit den Verbündeten, natürlich nicht blindwütig, natürlich nicht mit Schaum vor dem Mund.

Aber der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz hat doch das Kunststück vollbracht, eine Zeitenwende zu erklären und sie gleichzeitig zu verweigern. Und als klar war, dass ›der Russe‹ nicht binnen 48 Stunden bis an die Elbe durchmarschiert, schaltete der ganze deutsche Betrieb unmerklich, aber eindeutig wieder auf Deeskalation zurück, auf Besonnenheit. Es ging bald wieder fast ausschließlich um die Verteidigung des deutschen Geldbeutels und die Füllstände deutscher Gasspeicher, und nicht mehr so dringend um unsere Freiheit und die der Ukraine und die Toten im Donbass. In ein und demselben Vortrag haben Scholz’ Redenschreiber das Kunststück vollbracht, die furchtbaren Kriegsverbrechen von Butscha und steigende Butterpreise unterzubringen, und das ist, mit etwas Abstand betrachtet, genauso zynisch wie es klingt.

Was für den Krieg gilt, ist auf viele andere Politikfelder übertragbar. Man ist in Deutschland mutig, aber nur unter Bedingungen. Man hat Ideale, aber ›das Nähere regelt ein Bundesgesetz‹. Man verspricht Großes, aber nur mit Verweis auf das Kleingedruckte. Gewiss: Zum Teil ist das demokratischen Prozessen und rechtsstaatlichen Verfahren geschuldet, die hier keineswegs denunziert werden sollen. Aber wenn bereits jede politische Willensäußerung, ausgerufen auf einem Marktplatz, ›gerichtsfest‹ sein muss, dann weicht alles Leben aus dem politischen Betrieb. Die Gegenwart wird grau und trüb, dafür die Zukunft umso leuchtender.

Dies ist der neue Holzweg, den deutsches und europäisches Regierungshandeln gerade genommen hat. An die Stelle konkreter Handlungen treten kühne Ziele. Der Sozialwissenschaftler Harald Welzer hat das knapp und trocken formuliert: Ziele sind keine Handlungen. Für Ziele braucht es keinen Mut. Sie sind in der Gegenwart gratis. Handeln wäre gut. Und mutig ist nur, wer für sein Handeln einsteht im Hier und Jetzt.

So gesehen ist es eben nicht besonders mutig, für das Jahr 2045 oder 2055 eine klimaneutrale Weltproduktion zu versprechen, wenn damit keine Festlegungen verbunden sind, und zwar für heute und morgen und in zwei Wochen und in drei Monaten, klare, messbare Kriterien, deren Verfehlen zu sanktionieren wäre. Denn wenn zu Zielen gehörige Handlungen unklar bleiben, wird die Verkündung großer Vorhaben hohl und sogar schädlich, weil die Bereitschaft zur Veränderung mit leerer Hoffnung eingeschläfert wird.

Wirklich mutig wäre mithin ein Bundeskanzler, der sagt: ›Bis zum Ende meiner Amtszeit sind alle Funklöcher in Deutschland geschlossen, und wenn das misslingt, trete ich nicht mehr zur Wiederwahl an.‹ Mutig wäre eine Regierung, die bekannt macht: ›Wir werden in den kommenden zwei Jahren alle Schulen und Firmen ans Hochgeschwindigkeits-Internet anschließen, und wenn wir das nicht schaffen, organisieren wir Neuwahlen, um das Volk zu fragen, ob wir uns weiter bemühen sollen.‹ Mutig sind einklagbare Pläne, nicht wolkige Versprechen. Mutig ist eine Politik, die sich so versteht, dass sie mit der Gesellschaft einen bindenden Vertrag schließt. Mutig sind Selbstverpflichtungen, deren Bruch etwas kostet. Mutig und mühsam sind Bauarbeiten, nicht Masterpläne.

Und im Großen: Mutig wäre es, wenn Deutschland eine angemessene Rolle in der Welt nicht länger verweigerte. Diese Debatte will ja nun vielleicht beginnen, der SPD-Vorsitzende Klingbeil hat im Frühsommer 2022 von Deutschland als Führungsmacht gesprochen, und das ist sehr zu begrüßen. Denn nach allen Kriterien ist Deutschland längst eine solche Macht, eine der führenden Industrie-, Wirtschafts- und Handelsnationen der Welt, ein Forschungsstandort ersten Ranges, eine hochzivilisierte Wissensgesellschaft – nur wollen wir von einer Führungsrolle eben nichts wissen, wollen unser Wissen nicht teilen, und andere von unserem Vorsprung profitieren lassen. Führung, der Begriff allein löst hierzulande noch immer allergische Reaktionen aus, Leserbriefe in großer Zahl gehen in Redaktionen ein, die Artikel zum Thema veröffentlichen und die Empörten fragen, ob wohl am deutschen Wesen wieder die Welt genesen solle.

Das heutige Deutschland ist aber ein Elefant, ein gutmütiger, der seit Jahrzehnten alle Kraft darauf verwendet, sich in das Kostüm einer grauen Maus zu zwängen. Das ist ein großes Problem: Ein großes Land, das sich seiner Macht nicht bewusst ist, wägt seine Entscheidungen nicht adäquat ab. Wenn aber Deutschland an den Steuern dreht, Dutzende Milliarden an Corona-Hilfen ausschüttet, Energiewenden beschließt, Flüchtlinge zu Hunderttausenden aufnimmt, dann bleibt das nicht nur hier, dann ist das keine deutsche Angelegenheit – sondern es ist, was sonst, Weltinnenpolitik, die bis in den hintersten Winkel Europas zu spüren ist.

Um im Bild zu bleiben: Der Elefant, der gar nicht wahrhaben will, dass er einer ist, richtet im Porzellanladen noch weit mehr Unheil an, als der selbstbewusste, der seine schweren Schritte wenigstens gut überlegt setzt. Deutschland fehlt noch Jahrzehnte nach dem Mauerfall der Mut, diese Selbstverständlichkeiten anzuerkennen. Statt Großzügigkeit herrscht der Kleinmut vor.

In neuem europäischem Wohlstand und Wiedervereinigung angekommen, hätten wir uns gewünscht, dass nun bitte einfach alles für immer so bleiben möge in diesem Land, »in dem wir gut und gerne leben«, wie ein Wahlslogan Angela Merkels hieß. Das kann man sich gut auf altweiße Tischläufer gestickt vorstellen, ein Leitsatz für das 21. Jahrhundert ist es nicht.

Wer Gemütlichkeit will, sollte sich nicht um politische Ämter bewerben. Und wer es für die vornehmste Aufgabe des modernen Staates hält, alle möglichen Härten des Lebens abzufedern und zu vergemeinschaften, versteht den Beruf des Politikers falsch. Beim berühmten Max Weber steht darüber alles. Nichts verachtete Weber mehr als Beamte, die sich zu Politikern aufschwingen.

Das ist die Lage: Wir kümmern uns im Politikbetrieb zu viel um Einzelheiten, Kleinigkeiten, administrative Details. Es fehlt der Mut, über die Richtung zu streiten, im Ernst: Darüber, wie es mit unserem kapitalistischen Wirtschaften weitergehen soll. Darüber, ob der sakrosankte Nationalstaat womöglich auf den Müllhaufen der Geschichte gehört. Darüber, was die Digitalisierung mit uns und unseren Kindern macht. Darüber, wie wir einen demokratischen Politikbetrieb organisieren wollen, wenn sich Jungwähler in Scharen vom etablierten System abwenden. Wir müssen wirklich neu nachdenken über das, was man die ›unbequemen Wahrheiten‹ nennt. Und dafür allen Mut zusammennehmen.

Mut und Mutlosigkeit in der Ukrainekrise

Markus Kaim

1. Einleitung

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte mit seiner Regierungserklärung in der Sondersitzung des Bundestags zum Ukraine-Krieg am 27. Februar 2022 große Erwartungen geweckt. Seine Ansprache würde danach schlicht die »Zeitenwende-Rede« heißen, denn Scholz stellte an diesem Sonntag nicht weniger als einen sicherheitspolitischen Paradigmenwechsel in Aussicht:

»Wir erleben eine Zeitenwende. Und das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor. Im Kern geht es um die Frage, ob Macht das Recht brechen darf, ob wir es Putin gestatten, die Uhren zurückzudrehen in die Zeit der Großmächte des 19. Jahrhunderts, oder ob wir die Kraft aufbringen, Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen.«1

Er leitete aus dieser knappen Analyse fünf Handlungsnotwendigkeiten ab: Erstens würde Deutschland die Ukraine mit Waffenlieferungen unterstützen. Zweitens würde die EU im Einvernehmen mit den USA umfangreiche Sanktionen gegenüber Russland verhängen, um Präsident Putin von seinem Kriegskurs abzubringen. Drittens sollte die Beistandspflicht innerhalb der NATO politisch akzentuiert und durch eine Fülle von Einzelmaßnahmen militärisch unterfüttert werden. Viertens skizzierte er eine unerwartete finanzielle Initiative für die deutsche Sicherheitspolitik. Dazu gehören das 100 Milliarden Euro umfassende Sondervermögen für die Bundeswehr sowie die (erneute) Selbstverpflichtung der Bundesregierung, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, wie es innerhalb der NATO seit dem Jahr 2014 ohnehin bereits vereinbart ist. Schließlich betont er fünftens, dass es weiterhin die Aufgabe der Diplomatie bleibe, Gesprächskanäle offenzuhalten:

»Putins Krieg bedeutet eine Zäsur, auch für unsere Außenpolitik. So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv zu sein, dieser Anspruch bleibt. Nicht naiv zu sein, das bedeutet aber auch, kein Reden um des Redens willen.«2

Das Echo auf diese Rede, deren Elemente der Bundeskanzler lediglich mit einem sehr kleinen Kreis von Politikern seiner Partei bzw. der ihn stützenden Koalition beraten hatte, war überwältigend: Olaf Scholz habe sich wie ein wahrer Kriegskanzler in der Tradition Winston Churchills oder Franklin D. Roosevelts präsentiert, der mit kühlem Kopf und der notwendigen politischen Führungskraft diejenigen Maßnahmen angekündigt habe, die in der veränderten Lage notwendig seien, und mutig einen weitgehenden Bruch mit vielen Scheingewissheiten deutscher Sicherheitspolitik eingeleitet. Entschlossenheit, Aufbruchsgeist und den Mut, ohne Rücksicht auf innenpolitische Zustimmungswerte das Notwendige zu tun, attestierten ihm viele Beobachter:

»Statt zu warten, bis diese objektiven Notwendigkeiten dann doch wieder in den Mühlen von Verhandlungsdemokratie und Parteidogmen zerlabert werden, macht Scholz an diesem Sonntag Politik per Akklamation. Er führt Deutschland damit heraus aus der selbst gewählten Utopie, die Weltpolitik des zentralen Players der EU könne ewig weiter Moralpolitik bleiben. Die Adoleszenz und die Unmündigkeit sind vorbei. Stets die Amerikaner kritisieren und am Ende hoffen, dass sie es trotzdem richten. Das Land hat endlich auch mental den Bonner Hofgarten verlassen.«3

Nur wenige Wochen später hatte sich in der deutschen Öffentlichkeit das Blatt gewendet. So kraftvoll und mutig die Erklärung vom 27. Februar erschienen war, so eindeutig erfuhr die Fernsehansprache von Bundeskanzler Scholz am 08. Mai 2022 zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in einem bemerkenswerten Kontrast dazu ein weitgehend negatives Echo.4 In seiner Rede sei der Bundeskanzler keinen Zentimeter über die bisherige deutsche Position der ersten Kriegswochen hinausgegangen, die eine Mischung aus Solidarität mit der Ukraine und eigenem In-Deckung-Bleiben sei:

»Der Rede fehlte der nötige Mut.«5 Von einer »Mutlos-Ansprache« war die Rede: »Bestellt war: eine Ruck-Rede. Doch Kanzler Olaf Scholz lieferte: eine Zauder-Rede, vorbei an dem, was den Deutschen auf der Seele brennt.«6

Ein aufmerksamer journalistischer Beobachter konstatierte dabei, dass der Kanzler offenbar die Sorge habe, er könne mit robusten Lieferungen friedensbewegte SPD-Abgeordnete und kriegsskeptische SPD-Wähler verschrecken und verwies auf eine notwendige Voraussetzung politischer Führungskraft bzw. politischer Gefolgschaft:

»Doch mit seinem Hin und Her verprellt er sie – und gleichzeitig auch diejenigen, die sich mehr Unterstützung für die Ukraine wünschen. Scholz verkennt, dass ein Kanzler sich mit einer klaren Entscheidung, egal ob für oder wider, die Unterstützung von Skeptikern sichern kann. Wenn die Menschen Führung bestellen und bekommen, stellen sie sich hinter den Kanzler. Dafür aber braucht es Mut. Vielleicht ist das die fehlende Zutat der Zeitenwende.«7

Damit ist das Thema dieser kurzen Betrachtung politisch verortet und mit den tagesaktuellen Entwicklungen verknüpft: Offensichtlich gilt in der Politik ›mutiges Handeln‹ in krisenhaften Zeiten als Notwendigkeit und Tugend zugleich. Zugleich scheint die Zuweisung des Mutes jedoch flüchtig und die Kriterien für dieses Verhalten nicht konsistent. Eine Fülle von Fragen türmt sich daher in diesem Kontext auf: Was macht denn Mut in der Politik bzw. spezifisch der Außenpolitik aus? Lassen sich objektive Kriterien angeben, mit denen sich politisches Handeln oder auch Nicht-Handeln als ›mutig‹ oder ›mutlos‹ kategorisieren lassen? Wer ist Träger des ›Mutes‹? Welche historischen Bilder und politikwissenschaftlichen Annahmen liegen derartigen Überlegungen zugrunde? Und schließlich: Wie soll man die deutsche Politik angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 in dieser Hinsicht bewerten?

Bevor ich einige Antworten auf diese Fragen entwickeln möchte, sind zwei Vorbemerkungen geboten:

Erstens handelt es sich bei diesem Thema zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Aufsatzes (Februar 2023) um ein ›moving target‹.